Geschichte der Technik

Samstag, 28. August 2010

Von Dampfloks, Eilzugwagen und Authentizität

Es geht um die "A"-Frage. Die Frage "Ist das denn authentisch?"
Sie spielt nicht nur - verständlicherweise - im historischen Reenactment eine große Rolle, sondern auch auf und im Umfeld der normalerweise (vorsichtig gesagt) historisch nicht ganz authentischen Mittelaltermärkte. Sogar bei einige Bereichen des LARP (Life Action Role Playing) wird die "A"-Frage gern diskutiert, denn allzu krasse Anachronismen (auch ein A-Wort) stören das Spielvergnügen. Meinungsverschiedenheiten gibt es hier über die Frage, wann ein Anachronismus zu krass ist. ("Wieso soll meine Armbanduhr für einen römischen Senator anachronistisch sein? Die hat doch römische Ziffern!")
Selbst bei Fantasy- und Steampunk-LARPs soll es "A"-Debatten geben. Allerdings hier eher unter den Gesichtspunkten: "Passt es vom Stil her?" und "Ist so was plausibel?"

Es gibt eine weitere Gruppe Menschen, die leidenschaftlich und endlos über "A"-Fragen diskutieren können: die Modelbahner. Womit wir endlich fast beim Thema wären.

Aber eigentlich hat es doch eher mit Steampunk-LARP zu tun. Genauer gesagt, mit der Suche nach möglichen Locations. Beim Steampunk bietet sich natürlich alles an, was mit Dampf zu tun hat, womit die Brücke zwischen "Location" und "Lok" geschlagen wäre.

Auf dem Gelände der Tolk Schau, Deutschlands nördlichstem Familien- und Freizeitpark (unweit von Schleswig) wird eine Güterzug- Dampflokomotive der Baureihe 50 ausgestellt - vor zwei Eilzugwagen.
Allerdings hat eine Güterzuglok ja eigentlich nicht viel vor Eilzugwagen zu suchen. (Unzählige Modelbahner werden dem zustimmen.)

Schlepptender-Dampflokomotive 50 3552
Schlepptender-Dampflokomotive 50 3552 (Baujahr 1942) - Berliner Maschinen-Bau AG
Urheber: Heidas. CC-Lizenz: Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported.

Es ist unstrittig, dass es im realen Bahnbetrieb kaum etwas gab, was es nicht gab. Wenn keine andere Lok zur Verfügung stand oder man eine Leerfahrt vermeiden wollte, lief dann mal schon eine alte P8 (BR 38 bei Reichsbahn und Bundesbahn), eigentlich eine Personenzuglok, vor einem schweren Erzzug (auf der "letzten Rille"), eine schwere Güterzuglok der BR 44 vor einem Nahverkehrszug oder eine Schnellzuglok der Baureihe 01 vor Kesselwagen. Vor allem in der Nachkriegszeit, als viel improvisiert werden musste, und gegen Ende der Dampflokzeit gab es ungewöhnliche Einsätze - vom späteren Museumsbetrieb gar nicht zu reden. Die technische Möglichkeit (Achsdruck etc.) natürlich vorausgesetzt. Und sicher wird eine Lok der BR 50 mit Eilzugwagen "fertig".

Aber wurde die 50er wirklich planmäßig vor Eilzügen eingesetzt?

Dass sie für Nahverkehrszüge auf Nebenstrecken gut geeignet war, steht außer Frage.
Die 50er hat einen Achsdruck von nur 15 Tonnen und eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Ihr Fahrwerk ist so konstruiert, dass sie, obwohl sie fünf gekuppelte Antriebsachsen hat, Bögen mit 140 Metern Radius durchfahren kann. (Schon daran erkannt man, dass die wenigsten Modellbahnanlage "authentisch", bzw. vorbildgetreu sind: 140 Meter Gleisbogenradius wären im Maßstab 1:87 (Spur H0) ca. 161 cm, im 1:120 (Spur TT) ca. 117 cm, in 1:160 (Spur N) immerhin noch 87,5 cm. Und das ist Nebenbahn! Auf dem meisten Modellbahnen fahren Schnellzüge auf Gleisradien, die allenfalls bei Straßenbahnen glaubwürdig wären.) (Nachtrag: der minimale Gleisbogenradius für eine BR 50 sind sogar nur 100 m.)
Aufgrund der "kleinen" Räder (1400 mm - bei Schnellzugloks 2000 mm und mehr) hat sie eine gute Beschleunigung, was für den Betrieb im Nahverkehr mit seinen vielen Haltestellen günstig ist. Mit einem geeigneten Tender konnte sie rückwärts und vorwärts gleich schnell fahren, und musste daher in Endbahnhöfen nicht gewendet werden. Damit konnte sie so flexibel wie eine Tenderlok eingesetzt werden, bei größerer Reichweite und mehr Zugkraft als fast alle Tenderloks. Da auf vielen Nebenbahnen die Streckenhöchstgeschwindigkeit sowieso nicht höher als 80 km/h lag, war die 50er die ideale Zugmaschine für lange Nahverkehrszüge.
Die BR 50 wurde daher häufig für die Bespannung schwerer Berufspendlerzüge auf nicht elektrifizierten Strecken herangezogen.

Aber wie sieht es mit Eilzügen aus? Tatsächlich zog die 50er in der Nachkriegszeit bis in die fünfziger Jahren sogar Schnellzüge - denn auf vielen nur notdürftig reparierten im Krieg beschädigten Hauptstrecken reichten ihre 80 km/h völlig aus. Besonders galt das für die DDR, wo bis auf einige Hauptstrecken bei zweigleisigen Strecken jeweils ein Gleis demontiert wurde - als Reparationsleistung an die UdSSR, die mit den Schienen zumindest einen Teil der von Deutschen im 2. Weltkrieg zerstörten Bahnstrecken wiederherstellten. (Die Bundesbahn der alten BRD hatte das Glück, dass die deutschen Truppen im Westen weit weniger Gleisanlagen zerstörten als beim Rückzug im Osten.) Bei der Bundesbahn zog die BR 50 Anfang der 1950er Jahre sogar internationale Schnellzüge auf der Strecke zwischen Hamburg und dem Fährhafen Großenbrode-Kai.
Wegen ihrer Nebenstrecken-Tauglichkeit war sie auch vor Reisebüro-Sonderzügen anzutreffen. Der Fremdenverkehr spielte auch beim regulären Einsatz der 50er eine große Rolle - ein Beispiel ist die Strecke von Goslar nach Altenau im Oberharz, eine echte Nebenbahn, wo sie lange Reisezüge mit Wintersporttouristen zog.

Damit ist klar: Eilzugwagen passen hinter die Güterzugdampflokomotive der Baureihe 50.

Die Baureihe 50 war eine der besten Konstruktionen unter den deutschen Einheitsdampflokomotiven. Es wurden insgesamt ca. 3200 dieser Maschinen gebaut. Auch die letzte Regelspurdampflok, die 1960 in Deutschland neu gebaut wurde, die 50 4088 der Deutschen Reichsbahn der DDR, war eine 50er. Zählt man die ca. 7000 "Kriegsloks" der Baureihe 52 dazu, die eine vereinfachte BR 50 war, könnte sie durchaus die meistgebaute Strecken-Lokomotive der Welt sein.

Auch übrigens: den Tolk-Schau-Park halte ich für ein Steampunk-LARP ziemlich ungeeignet.

(Schon der dritte Dampflok-Beitrag dieses Jahr. Interessant, welche Weichen durch mein Steampunk-Interesse gestellt werden ... )

Mittwoch, 16. Juni 2010

Achsfolge 2'C1' (musikalisch)

"Ich habe immer eine leidenschaftliche Liebe für Lokomotiven gehabt. Für mich sind sie lebendige Wesen, die ich liebe, wie ein anderer Frauen oder Pferde liebt."
Arthur Honegger (1892 - 1955)

In den 1920er Jahren gab es Begriffe wie "Entschleunigung" noch nicht, und das allgemeine Wehklagen über Stress lag noch fast ein halbes Jahrhundert in der Zukunft. Geschwindigkeit, "Tempo", war modern. (Tempo war ein Modewort dieser Zeit, alle möglichen Produkte hießen "Tempo-irgendwas", die Tempo-Taschentücher haben sich bis heute gehalten.) Noch nicht einmal die Weltwirtschaftskrise ab 1929 bremste die allgemeine Begeisterung für alles, was schnell ist, ab. Es war die Zeit der Stromlinien-Loks und der ersten Stromlinien-Autos, der Turbinen-Schnelldampfer, der ersten Versuche mit Raketenautos und Raketenflugzeugen, der ersten Transatlantik-Flüge, der dynamisch wirkenden expressionistischen Kunst, der Zeitungen, die drei oder vier Ausgaben am Tag hatten.
Vor allem war es die große Zeit der Expresszüge und der schnellen Dampfloks. In der Musik dieser Zeit, im Schlager, im Jazz, im Blues wurden die Eisenbahn thematisiert, und wenn man darauf achtet, ist es erstaunlich, in wie vielen, auch thematisch "bahnfernen", Stücken sich das rhythmische Auspuffgeräusch der Dampfloks wiederfinden lässt.

Eine berühmte Komposition ist der "symphonische Satz" Pacific 231 des französisch-schweizerischen Komponisten Arthur Honegger, inspiriert von der Fahrt einer schweren Schnellzug-Dampflok.

Hier eine Aufnahme des Utah Symphony Orchestra, mit einem faszinierenden, aus historischen Dampflok-Filmsequenzen montierten, Video:


Arthur Honegger war Eisenbahnfan. Angeblich sah sich sich jedes Mal, wenn er mit der Bahn fuhr, vorher die die Lokomotive genau an. Aus dieser Leidenschaft entstand sein einsätziges Orchesterwerk "Pacific 231", das er 1923 schrieb und das am 8.Mai 1924 in der Pariser Oper uraufgeführt wurde.

Arthur Honegger gehörte der "Group des six" an, einem Zusammenschluss von Musikern, die zwar nicht zusammen musizierten, jedoch aber den selben Standpunkt zum Thema Komposition vertraten. Die Gruppe bildete sich 1918 um den Schriftsteller und Universalkünstler Jean Cocteau, ihr musikalischer Mentor war Eric Satie. Die sechs Musiker wandten sich zeitgenössischen Formen der Unterhaltungsmusik wie etwa Jazz- oder Varieté-Musik zu und von der Anfang des 20. Jahrhunderts in der symphonischen Musik vorherrschenden romantischen und impressionistischen Form ab. (Über die in Deutschland bis heute vorherrschende Trennung von "E"- und "U"-Musik hätten sie wahrscheinlich nur den Kopf geschüttelt.)

"Pacific" ist eine auch in Europa gebräuchliche Bezeichnung aus dem amerikanischen Eisenbahnerjargon für Dampflokomotiven mit einem vorauslaufenden Drehgestell mit zwei Laufachsen mit kleinen Rädern, drei angetriebenen Kuppelachsen mit Rädern um die 2 m Durchmesser und einer Laufachse mit kleinen Rädern. Das sieht etwa so aus: ooOOOo .

Bayrische Schnellzuglok S 3/6
Bayrische Schnellzuglok der Gattung S 3/6, eine "Pacific". "S" steht für "Schnellzuglok". Nach dem bayrischen System steht die Zahl vor dem Schrägstrich für die Anzahl der angetriebenen Achsen, die dahinter für die der Achsen insgesamt. "3/6" also "3 angetriebene Achsen, 6 Achsen insgesamt".

Nach dem in Deutschland gebräuchlichem UIC-Achsformel-System wird diese Achsfolge als 2'C1' bezeichnet: 2' steht für zwei Laufachsen in einem Drehgestell, C für drei angetriebene Achsen, und 1' für eine drehbar gelagerte Laufachse.

Nach der in Großbritannien und den USA üblichen Whyte-Notation wird die Pacific-Achsfolge als 4-6-2 notiert: vier Laufräder, sechs angetriebene Räder, zwei Laufräder.

Das französische Achsformel-System ist ähnlich wie das britisch-amerikanische, zählt jedoch die Achsen anstatt der Räder und verwendet keine Trennstriche - eine "Pacific" ist also eine 231.
Da Honegger die meiste Zeit in Frankreich lebte und arbeitete, ist "seine" schwere Schnellzuglok also eine "Pacific 231".

Lokomotiven der Bauart "Pacific" gehörten vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Dampflokzeit zu den schnellsten Dampflokomotiven überhaupt - und wegen ihrer langgestreckten Kessel und der großen Antriebsräder auch zu den elegantesten.

Das führende Drehgestell sorgt für einen sicheren und ruhigen Lauf bei hohen Geschwindigkeiten und ist notwendig, um das Gewicht des besonders groß dimensionierten Kessels mit zu tragen. Drei Treibachsen sind das Minimum, um eine hohe Zugkraft zu erreichen, aber auch fast das Maximum, um die großen Treibraddurchmesser und damit die hohe Geschwindigkeit erzielen zu können. (Güterzug-Dampflokomotiven haben bis zu 8 angetriebene Achsen, aber kleinere Räder.) Die Nachlaufachse trägt ebenfalls einen Teil der Gesamtmasse und erleichtert den Einbau einer großen Feuerbüchse.

Darüber, woher der Name "Pacific" kommt, gibt es mehrere Hypothesen: entweder ist er eine Steigerung, da die vor der Einführung der "Pacifics" größten und schnellsten Lokomotiven "Atlantic" - Achsfolge 2'B1' oder 4-4-2 oder 221 - hießen. Die "Atlantics" wurden nach den 1894 an die US-amerikanische "Atlantic Coast Line Railroad" gelieferten Loks benannt. Eine andere Möglichkeit ist, dass die "Pacifics" nach den nordamerikanischen Transkontinentalstrecken (z. B. "Union Pacific", "Northern Pacific" oder"Canadian Pacific") benannt wurden.

"Pacific 231" beschreibt mit musikalischen Mitteln die Fahrt mit einem schnellen Dampfzug, angefangen vom Anfahren über das Erreichen der Höchstgeschwindigkeit bis hin zum Stillstand.
Dabei wollte Honegger nicht etwa die Geräusche der Lokomotive nachahmen, sondern einen visuellen Eindruck und ein physisches Wohlbefinden, eine ästhetische Darstellung von Kraft und Bewegung, einen 300 Tonnen schweren Zug bei 120 km/h, in einer musikalischen Form zum Ausdruck bringen.

Trotzdem erinnert sein Stück an den Klang einer fahrenden Schnellzuglok. Wer genau hinhört kann sogar heraushören, dass Honeggers "Pacific 231" ein Vierzylinder-Verbundtriebwerk hat ...

Nachtrag:
Sehr sehenswert: Der Kurzfilm "Pacific 231" von 1949 - Regie Jean Mitry.


Mitry unterlegte sein "filmisches Essay" der Fahrt der Pacific 231 E.24 der S.N.C.F. mit Honeggers Orchesterwerk Bemerkenswert ist dieser Kurzfilm wegen seines damals Aufsehen erregenden Schnitts nach der Musik (für den es die "Goldene Palme" in Cannes und eine Oscar-Nominierung gab) und seiner faszinierenden, in voller Fahrt aufgenommenen, Nahaufnahmen der Mechanik der Lok. Arthur Honegger persönlich dirigierte das im Film zu hörende Symphonieorchester.

Sonntag, 7. März 2010

Die schwimmenden LKW - oder: warum es so viele Segelschiffe gab (2)

Die Zeit vor der Einführung der Eisenbahn wird gern als "Postkutschenzeit" oder "Pferdefuhrwerkzeit" bezeichnet. Wie aber schon im ersten Teil erwähnt wurde, profitierten die Niederlande im Voreisenbahnzeitalter erheblich von ihrem dichten Wasserstraßennetz. Ein großer, vierspänniger Kaufmannswagen konnte, auf einigermaßen guter Straße, höchstens 1,5 t Fracht transportieren. Selbst ein bescheidener Lastkahn trug über 5 t und konnte von einem einzigen Treidelpferd bewegt werden. Noch günstiger war es, wenn der kleine Binnenfrachter gesegelt werden konnte. Daher ist verständlich, dass dem "Eisenbahnfieber" ein "Kanalbaufieber" vorausging.
Ähnlich war die Situation in der Küstenschifffahrt. Das Segelschiff war im vorindustriellen Zeitalter das bei weitem leistungsfähigste Verkehrsmittel - hinsichtlich Kapazität, Geschwindigkeit, Reichweite und sogar, obwohl es vom unberechenbaren Wind abhängig war, Zuverlässigkeit.

Kutterhafen-04
Plattbodenschiffe (Tjalken und Ewer) im Finkenwerder Kutterhafen (Foto: MartinM)

In Deutschland waren 1914 - als es schon lange Eisenbahnen und Dampfer, sogar schon Motorschiffe gab - noch 2191 seegehende Segelschiffe im Handelsschiffsregister verzeichnet. Die gesamte Segelschiffstonnage betrug 426.746 BRT.
Das heißt, die Durchschnittsgröße eines Handelsseglers lag bei (gerundet) 195 BRT. Die großen, schnellen stählernen Tiefwassersegler, für die die deutsche Segelschifffahrt damals berühmt waren, wie die "Flying P-Liner", machten trotz ihre Größe - eine Viermastbark hatte um die 3000 BRT - nur einen winzigen Teil der Segelflotte aus. 195 BRT - das ist die Größe eines bescheidenen Schoners von vielleicht 35 m Rumpflänge.
(Die Bruttoregistertonne, kurz BRT, ist eine veraltete Volumeneinheit - eine Registerstonne (RT) sind 100 englische Kubikfuß oder 2,832 m3. In Bruttoregistertonnen wurde der gesamten umbaute Raum eines Schiffes angegeben, in Nettoregistertonnen der Fracht- bzw. Passagierraum. Heute wird statt dessen die Schiffsgröße in der BRZ (Bruttoraumzahl) bzw. NRZ (Nettoraumzahl) angegeben.)
Da erst ab einer Rumpflänge des Schiffes ab 15 m ein kostenpflichtiger Eintrag ins Seeschiffsregister erforderlich war (und ist), gab es nur wenig kleinere Boote im Register.

Bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhundert wurde die Küstenschifffahrt fast nur mit Segelschiffen betrieben. Sie konzentrierte sich dabei überwiegend auf den Transport innerhalb eines Staates, aber auch ein Teil des internationalen Handels wurde von diesen kleinen Seglern übernommen - die meisten waren seetüchtig genug, um etwa von der Unterelbe direkt englische, französische oder schwedische Häfen anlaufen zu können. Umgekehrt waren z. B. Ewer aus dem Unterelberaum mit ihrem dank ihres flachen Boden und ihrer aufholbaren Seitenschwerter geringen Tiefgang imstande, auf der Elbe bei Bedarf und gutem Wasserstand bis nach Kolín in Tschechien zu fahren. Die ähnlich konstruierten Aaken aus Rotterdam fuhren auf dem Rhein bis nach Basel.

Der Siegeszug der Dampfschiffe im 19. Jahrhundert wirkte sich auf die Küstenfahrt längst nicht so gravierend aus, wie auf die Binnen- und die Hochseeschifffahrt. Dampfmaschinen waren kapital- , wartungs- und personalintensiv - auch ein kleiner Dampfer brauchte ständig mindestens einen Maschinisten und einen Heizer an der Maschine. Im Verhältnis zur geringen Frachtkapazität rechnete das bei den kleinen Küstenschiffen nicht: anders als in der Binnenschifffahrt, in der ein Dampfschlepper gleich einen ganzen Zug Frachtkähne ziehen konnte.

Nachdem der Glühkopfmotor erfunden war, wandelte sich ab 1891 das Bild. Etwa zur gleichen Zeit kamen kompakte und betriebsichere Kleindampfmaschinen, sog. Dampfmotoren, auf. Selbst Boote wurden nur mit Maschinen ausgerüstet - die Zeit der Dampfbarkassen (á la "African Queen") und der lautmalerisch "Tuckerboote" genannten Motorschaluppen begann. Da der robuste Glühkopfmotor aber verhältnismäßig viel Treibstoff verbrauchte, und ein Dampfmotor mit seiner Kessel- und Kondensatorenanlage viel Wartungszeit benötigte, dienten die kleinen Maschinen vor allem als Hilfsmotor für Segler, als "Flautenschieber".
Etwa 20 Jahre später begann der Siegeszug des sparsamen und wartungsarmen Dieselmotors, zunächst zögerlich, dann, nach dem 1. Weltkrieg, beschleunigt. Eine große Zahl Küstensegler erhielt ab 1920 Dieselmotoren als Hilfsantrieb. Wegen ihres geringen Verbrauches an ohnehin damals verhältnismäßig preiswertem Dieselöl setzte sich der Motor aber rasch als Hauptantrieb durch - aus "Seglern mit Hilfsmotor" wurden "Motorschiffe mit Hilfssegeln", die bei günstigem Wind Kraftstoff sparten. Trotzdem wurden noch in den 1950er Jahren Küstensegler wie Schoner, Galeassen, Ewer usw. für die Frachtfahrt gebaut.

Die große Zeit der kleinen Schiffe war erst in den 1960ern vorbei, während die größeren Küstenschiffe ihre Bedeutung behielten. Nachdem der Rhein weitgehend kanalisiert worden war, fahren dort auch relativ große Küstenmotorschiffe (Kümos). Spezielle See-Fluss-Schiffe (Sea-river coaster), die auf dem Rhein "Rhein-See-Schiffe" und im Schifferjargon "Seeschlangen" genannt werden, können, je nach Wasserstand, bis zu den Oberrheinhäfen fahren.
Nach dem Aufkommen des Containerverkehrs gewannen die großen und mittelgroße Küstenschiffe noch an Bedeutung. Den größten Teil der europäischen Küstenschiffstonnage machen inzwischen Feederschiffen (von englisch to feed = füttern, versorgen) aus. Das sind speziell für Containertransporte gebaute Schiffe, die als Zulieferer und Verteiler für die gigantischen Hochseecontainerschiffe dienen.

Tatsächlich war der Betrieb der kleinen Küstenfrachter eher mit dem eines LKWs als dem eines "großen" Schiffes vergleichbar.

Das erläutere ich am Beispiel einer bornholmer Galiot (oder Galeote) aus dem frühen 20. Jahrhundert:
galiot
Länge über alles: ca. 28 m, Länge über Deck: ca. 21 m, Breite: ca. 6 m, Konstruktionstiefgang: ca. 2 m - ca. 40 BRT, ca. 80 t Ladevermögen. Besatzung: je nach Fahrt 3 - 6 "Mann" (In der Kleinschifffahrt gab es im Verhältnis zur Hochseeschifffahrt relativ viele weibliche Besatzungsmitglieder. Auf dänischen Küstenseglern gab es sogar schon im 19. Jahrhundert Kapitäninnen.)

Dieses kleine Schiff fuhr als "Partikulierer", d. h. der Eigner war zugleich sein eigener Kapitän und hatte keine eigene kaufmännische Organisation an Land. Neben eigenen Aufträgen übernahm er Frachten für Speditionen (er fuhr also nicht etwa als Subunternehmer für eine Reederei). Der Segler konnte auch kleine und kleinste Häfen anlaufen und brauchte außer einem Kai oder Steg keine Infrastruktur wie etwa Kaikräne - die Masten dienten zugleich als Ladegeschirr. Sogar ganz kleine Küstenorte ohne Hafen konnten bedient werden - das Schiff ging vor Anker und die Fracht wurde mit kleinen Booten geleichtert.
Da auf Bornholm fast alle größeren Orte an der Küste liegen, machte der Nahverkehr einen ziemlich großen Teil der Frachtfahrten aus. Wichtiger noch war der Regionalverkehr zwischen der Insel und dem Festland - es sind rund 150 Kilometer bis Kopenhagen, 80 Kilometer bis Rügen und nur 40 Kilometer bis zur Südküste Schwedens. Da die Fährverbindungen längst nicht so leistungsfähig und regelmäßig wie heute waren, und außerdem im Hafen umgeladen werden musste, war es meistens einfacher, direkt "von Ort zu Ort" zu verkehren. Es war sinnvoll von Neksø auf Bornholm direkt nach Ystad in Schweden zu segeln, anstatt die Fracht erst einmal per Fuhrwerk, Boot oder später Kleinbahn nach Rønne zum Liniendampfer, dann mit dem Dampfer nach Malmö und weiter per Fuhrwerk oder Bahn nach Ystad zu transportieren.
Dieser Vorteil bestand für den ganzen Ostseeraum - vom kleinen Bornholmer Küstenstädchen aus konnten alle Ostseehäfen direkt angelaufen werden, und da die Galiot nicht allzu viel Tiefgang hatte, konnte sie auch Binnenhäfen wie Frankfurt an der Oder anlaufen. Tatsächlich kam es sogar vor, dass spezielle Frachten, etwa eine in England bestellte Dreschmaschine, direkt "ab Werk" auf den Küstensegler verladen und durch Nord- und Ostsee nach Bornholm verschifft wurden.

Besonders wichtig waren die "schwimmenden LKW" natürlich in wasserreichen Ballungsräumen, wie z. B. in den Niederlanden dem Rheinmündungsgebiet oder dem ökonomischen Kerngebiet der Niederlande, Holland.
Eine Hochburg der kleinen Frachtsegler in Deutschland war der Unterelberaum, ein Fahrtrevier, in dem außerdem nicht immer klar zwischen Binnen- und Küstenfahrt unterschieden werden konnte. (Fuhr ein Frachtewer von Hamburg nach Cuxhaven, war das noch Binnenschifffahrt, fuhr er aber ein kleines Stück durch die Nordsee nach Lehe (heute Teil Bremerhavens) an der Wesermündung, war das Küstenfahrt.) Selbst innerhalb Hamburgs wurden Waren mit besegelten Ewern transportiert - Gemüse aus den Vierlanden oder Obst aus dem Alten Land erreichten die Hamburger Innenstadt auf dem Wasserweg.

Daher bedeutete erst der LKW-Verkehr das Ende der großen Zeit der kleinen Schiffe. Nicht jeder günstig an einem schiffbaren Gewässer gelegener Ort hatte einen Güterbahnhof, aber per LKW sind fast alle diese Orte gut erreichbar. Auf Bornholm käme niemand mehr auf die Idee, eine Fracht von Neksø nach Ystad auf dem Küstenschiff zu transportieren. Die wird, vor allem, seitdem es Autofähren gibt, einfach auf den LKW verladen. Auch die Zeit der "Gemüseewer", "Kirschjollen" und "Äppelkähne", sogar der motorisierten, ist auf der Unterelbe ist seit dem Lieferwagen-Boom der 1950er Jahre vorbei.

Freitag, 5. März 2010

Warum es so viele Segelschiffe gab (1) - Im "Goldenen Zeitalter" der Niederlande

Um 1670 fuhren nicht weniger als 15.000 Schiffe unter der Flagge der Vereinigten Niederlande. Das ist keine nostalgische Legende über das Goldene Zeitalter der Niederlande oder eine barocke Übertreibung, sondern eine eher vorsichtige Schätzung. Der Finanz- ,Wirtschafts- und Marineminister des französischen Königs Louis XVI. schrieb den "Holländern" 1660 sogar 16.000 Schiffe zu. Unbestritten waren die Niederlande die führende Seefahrtsnation dieser Ära.

Jeronymus van Diest (II) - Het opbrengen van het Engelse admiraalschip de '
"Die Kaperung des englische Admiralschiffes Royal Charles" Gemälde von Jeronymus van Diest (Quelle: Wikipedia.)

Ein Grund, weshalb es diese gewaltige Anzahl Schiffe gab, lag darin, dass sie relativ klein waren.
Eines der größten Schiffe der damaligen Zeit war die Royal Charles, ein englisches Linienschiff (wie man damals die in Kiellinienformation kämpfenden Schlachtschiffe nannte), das die Niederländer 1667 erbeutet hatten. Sie wurde von den Niederländern nicht in ihre Kriegsflotte übernommen, weil sie für die seichten niederländischen Küstengewässer zu tief ging. 1673 wurde sie abgewrackt.
Die "Royal Charles" hatte eine Tragfähigkeit von ca. 1230 t, die Länge des Kiels betrug ca. 40 m, die Rumpflänge (also ohne den Bugsprit) betrug ca. 53 m, über alles war das Schiff ca. 72 m lang, die Breite betrug ca. 14 m, und der Tiefgang ca. 8 m, die Wasserverdrängung ca. 2130 t. Bewaffnet war sie mit mehr als 80 Kanonen.
Das bedeutet, dass eines der mächtigsten Kriegsschiffe der damaligen Zeit nicht größer als ein heutiges Küstenmotorschiff war!

Eines der größten Kauffahrteischiffe der Niederländischen Ostindischen Kompanie um 1660 war die "Prins Willim" - 51 m Rumpflänge, 68 m Länge über alles, 14,32 m breit, 4 m Tiefgang, 1200 t Verdrängung, und 600 Last Ladekapazität - das war doppelt so viel, wie ein durchschnittliches damaliges Seefrachtschiff tragen konnte.
Beim Vergleich dieser beiden Großsegler fällt auf, dass das Kriegsschiff extrem "in die Höhe" gebaut war, mit drei vollen Batteriedecks, während die "Prins Willim" bei fast gleicher Länge und Breite mit Rücksicht auf die niederländischen Gewässer nur halb so viel Tiefgang hatte, deshalb auch erheblich niedriger und fast 1000 Tonnen leichter war.

Die weit verbreitete Vorstellung, dass damals nur kostbare Luxusgüter über weite Seestrecken transportiert worden wären, aber niemand auf die Idee gekommen wäre, Massengüter durch die halbe Welt zu transportieren, stimmt nicht. Die Niederländer bezogen z. B. Salz aus Bonaire (südliche Karibik), das in großer Menge für die Konservierung von Lebensmitteln (Heringe, Käse) und für die Industrie, besonders Keramik (Delft) und Glas (Leerdam), gebraucht wurde. Die Tropensonne und die Sklavenausbeutung machten die Salzgewinnung in der Karibik erheblich billiger als in den einheimischen, mit Holz befeuerten Salinen. Massengüter, die einen nicht eine ganz so weiten Weg in die holländischen Häfen hatten, waren Holz aus Skandinavien und dem Baltikum (es wurden aber auch Teakholz aus den ostasiatischen Kolonien eingeführt), Getreide und auch Steinkohle. Im 17. Jahrhundert wurden auch Waren, die bisher Luxusgüter gewesen waren, für ein kaufkräftiges Bürgertum erschwinglich - womit auch Zucker, Gewürze, ab etwa 1660 auch Kaffee und Tee "Massengüter" wurden.

Es ist also leicht nachvollziehbar, dass die kleinen Vereinigten Niederlande eine zahlenmäßig große Handelsflotte brauchten. Technisch ermöglicht wurde das durch den quasi industriellen Schiffbau mit vielen standardisierten und vorgefertigten Bauteilen. Der Betrieb so vieler Schiffe war nur möglich, weil z. B. eine typische holländische Fleute, ein Schiff mit immerhin rund 300 Lasten Frachtkapazität, von nur 12 - 16 Mann gesegelt wurde. Auf gleich großen englischen Handelsschiffen dieser Zeit fuhren drei mal so große Besatzungen. Neben der optimierten Takelage trug die "Geheimwaffe" gegen die gefürchtete Mangelkrankheit Skorbut, das Sauerkraut, zum geringeren Personalbedarf niederländischer Hochseesegler bei.

Etwa 2000 der 15.000 bis 16.000 niederländischen Schiffe fuhren nach Übersee. Mindestens 3000 Frachter waren als Küstenschiffe eingesetzt, so dass von 5000 - 7000 "größeren" Kauffahrteischiffen ab etwa 20 m Länge und ab 30 Last Ladekapazität auszugehen ist. Damit ist die Diskrepanz zu anderen Quellen, die von "nur" 5000 niederländischen Schiffen ausgehen, m. E. eine Frage der Definition von "Schiff". MartinM 8. 3.'10

Der beachtliche "Rest" war "Kleinschifffahrt" - kleine Küsten- und Flussschiffe und Fischereifahrzeuge. Als "Schiff" galt dabei ein besegeltes Wasserfahrzeug ab etwa 8 m Rumpflänge mit geschlossenem Deck.

Typisch für die Nordseeregion mit ihren Wattengewässern und vielen schiffbaren Flüssen waren Plattbodenschiffe.
Plattbodenschiffe haben keinen Balkenkiel und ein flaches Unterwasserschiff. Deshalb haben sie einen geringen Tiefgang und können problemlos im Watt bei Ebbe trockenfallen.

Kutterhafen-10
Die aufgeholten Seitenschwerter eines Plattbodenschiffs. (Foto: MartinM)

Charakteristisch für Plattbodenschiffe sind die beiden Seitenschwerter. Es sind drehbar gelagerte Flächen an beiden Seiten des Rumpfes, die je nach Bedarf aufgeholt oder gefiert werden können. Sie verhindern, dass das Schiff nach Lee abdriftet. Beim Segeln wird jeweils das Leeschwert abgesenkt. Seitenschwerter sind mindestens seit dem 15. Jahrhundert bekannt.
Die Geschichte des Plattbodenschiffe lässt sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen: Im flämischen Brügge wurde 1899 das Wrack eines 15 Meter langen und 3,5 Meter breiten Schiffs mit flachen Boden, geklinkerten Seiten und einem wahrscheinlich rahgetakeltem Mast entdeckt, das auf das 6. bis 7. Jahrhundert datiert werden konnte.
Die Niederländer setzten Plattbodenschiffe auch in ihren karibischen und indonesischen Kolonien ein.
Bis weit ins 20. Jahrhundert waren Plattbodenschiffe als Fracht- und Fischereifahrzeuge weit verbreitet, auch heute noch erfreuen sich Plattbodenjachten einer gewissen Beliebtheit.

Plattbodenschiffe sind meistens zwischen 10 und 30 Meter Deckslänge lang und haben einen bis drei Masten. Es gab zahlreiche, sich oft nur in Details unterscheidenden Typen von Plattbodenschiffen. Zu den Haupttypen gehören unter anderem Aak, Barge, Bojer, Bomme, Botter, Doughboot, Ewer, Hengst, Heuer, Hoys, Keel, Mutte, Otter, Poon, Schmack, Schokker, Scow, Somp, Tjalk, Wherry.

Typisch für die meisten Plattbodenschiffe ist, dass sie sowohl seetüchtig, wie dank ihres geringen Tiefganges, "binnentüchtig" sind. Seegängige Plattbodenschiffe, z. B. Aaken, Tjalken und Ewer, verkehrten auf dem Rhein, der Weser und der Elbe, bis tief ins Binnenland.

Schiffe waren in den Niederlanden, mit ihren zahlreichen Flussläufen, Inseln und schiffbaren Kanälen, ein wichtiges regionales Transportmittel. Tatsächlich war dieses enge Wasserstraßennetz in einer Zeit, in der es noch keine Eisenbahn gab, ein enormer wirtschaftlicher Standortvorteil.

Teil 2: Die schwimmenden LKW

Freitag, 29. Januar 2010

Das Zeitalter des Segels

In der zivilen Schifffahrt ist es gar nicht so einfach, zu bestimmen, wann das "Zeitalter des Segels" begann. Sicher ist, dass sobald die Segeltechnik hinreichend weit fortgeschritten ist, auf Handelsschiffen die Ruderer verschwinden. Ein Segelschiff braucht erheblich weniger Besatzung als ein gerudertes Schiff, und außerdem nehmen die Ruderbänke kostbaren Laderaum weg. Im Mittelmeerraum gab es spätestens um 500 vor unserer Zeitrechung reine Segelschiffe. Weder das Handelsreich der Phönikier, noch das klassische Griechenland und erst recht nicht das römische Reich hätte ohne leistungsfähige Segler existieren können, denn diese Kulturen waren von Getreideeinfuhren abhängig, die nur auf geräumigen Schiffen transportiert werden konnten. Im Norden Europas begann das Zeitalter des reinen Segelschiffs spätestens zur Zeit der Völkerwanderung. Im flämischen Brügge wurde 1899 das Wrack eines 15 Meter langen und 3,5 Meter breiten Schiffs mit flachen Boden, geklinkerten Seiten und einem wahrscheinlich rahgetakeltem Mast entdeckt, das auf das 6. bis 7. Jahrhundert datiert werden konnte. Auch das Frachtschiff der Wikingerzeit, die Knorr, der Schiffstyp, mit dem der Nordatlantik überquert wurde, war ein reines Segelschiff.
Das "goldene Zeitalter" der schnellen Tiefwasser-Frachtsegler begann sogar, als es schon längst Dampfschiffe gab. Der erste echte Klipper, die "Rainbow", lief 1845 vom Stapel, als es den regelmäßigen Transatlantikdienst mit Dampfschiffen der Cunard-Linie schon fünf Jahre gab. Noch 1914 fuhren nicht weniger als 2191 Frachtsegler mit insgesamt 426746 BRT unter deutscher Flagge, es gab tatsächlich noch mehr Segelschiffe als Dampfschiffe. Der 1. Weltkrieg gilt gemeinhin als das Ende der Epoche der großen Tiefwassersegler, aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts verschwanden die letzten frachtfahrenden Großsegler von den Meeren. in der Küstenschifffahrt behaupteten sich die oft mit Hilfsmotoren versehenen Schoner, Galeassen, Ewer, Tjalken usw. bis nach lange dem 2. Weltkrieg. Noch heute wird der Verkehr zwischen den unzähligen Inseln Indonesiens zum großen Teil von Frachtseglern bewältigt. Im Zuge der absehbaren Ölverknappung und aus Umweltschutzgründen gewinnen raffinierte Hilfsbesegelungen, wie z. B. die Sky Sails an Bedeutung. Es wird wahrscheinlich in Zukunft auch wieder "echte" große Tiefwassersegler geben. Angesichts großer Passagiergiersegler wie dem 2000 gebauten Fünfmastvollschiff Royal Clipper ist die Behauptung, die Zeit der Segelschiffe sei vorbei, ohnehin fragwürdig.
Einlaufparade09-48
Im Falle der Kriegsschiffe ist das Segelzeitalter genauer umrissen. Solange die bevorzugten Taktiken des Seekriegs das Rammen und der Nahkampf der Entermannschaften waren, war eine Galeere gegenüber einem Segelschiff im Vorteil. Das änderte sich allmählich mit dem Aufkommen der Kanonen: eine große Kriegsgalleone konnte mit ihrer geschützstarrenden Breitseite eine angreifende Galeere aus sicherer Entfernung zu Treibholz zusammenschießen, während die Galeere allenfalls ein paar Kanonen am Bug tragen konnte. Die letzte große Galeerenschlacht, die Seeschlacht von Lepanto im Jahre 1571 gilt daher im marinetraditionsseeligen Großbritannien als Beginn des "Age of Sail".
Das Ende des Zeitalters des Seekrieges unter Segeln markierte der amerikanischen Bürgerkrieg, namentlich die Seeschlacht von Hampton Roads im Jahre 1862, in der das dampfgetriebene Panzerschiff CSS "Virginia" die Nordstaaten-Segelschiffe USS "Cumberland" und USS "Congress" mühelos versenkte - aber es mit dem kleineren, aber technisch raffiniertem Panzerschiff USS "Monitor" nicht aufnehmen konnte - das erste Panzerschiffsduell endete unentschieden.

Montag, 18. Januar 2010

"Queen of real life Steampunk" - S.S. GREAT EASTERN

"Steampunk" ist - unter vielem anderem - eine Untergattung der Alternativweltliteratur. Ein zentrales Thema dabei ist dampfgetriebene "High-Tech", die es niemals gab, aber vielleicht hätte geben können: Dampfcomputer, Dampfautos, Dampfflugzeuge, Dampfunterseeboote (wobei Jules Vernes "Nautilus" ja einen Elektroantrieb hatte, was manche moderne Verne-Epigonen übersehen) ja sogar Dampfraumschiffe und Dampfroboter.
Selbstverständlich gehört auch Dampftechnik auf einem Niveau, das jenes der im 19. Jahrhundert realisierte Technik überstieg, zum Steampunk - etwa Dampfschnellzüge, die über 200 km in der Stunden schaffen, oder ebenso gigantische wie bizarre Dampfschiffe.

Die S. S. Great Eastern könnte aus einem Steampunk-Roman stammen - und tatsächlich ist sie, direkt und indirekt, eine Inspirationsquelle dieses Genres.
Das größte Dampfschiff der Welt sollte ursprünglich "Leviathan" heißen, ein nicht unpassender Name für ein Schiff, das die Dimensionen des damals üblichen sprengte.
Die eiserne "Great Eastern" lief 1857 vom Stapel. Sie war über 210 Metern lang und hatte eine Wasserverdrängung von 27400 Tonnen. Antrieb waren, neben der Mitte des 19. Jahrhunderts obligatorischen Hilfsbeseglung (sechs Masten!), zwei (jedenfalls von den Ausmaßen her) gewaltigen Dampfmaschinen, über deren je 4200 PS Leistung aber schon die Ingenieure der großen Schnelldampfer 50 Jahre später nur noch müde lächeln konnten.
Das zentrale Problem der "Great Eastern" war, dass zwar ihre Konzeption ihrer Zeit voraus war, dass es aber viele Dinge, die für ihren wirtschaftlichen Betrieb erforderlich gewesen wäre, einfach noch nicht gab. An und für sich hätte es schon um 1860 Bedarf für ein Schiff für 4000 Passagiere und 6000 Tonnen Ladung geben können - wenn es denn technisch zuverlässig gewesen wäre und es ausreichend dimensionierte Hafenanlagen gegeben hätte. Da diese Rahmenbedingungen fehlten, war das kühne Projekt "Great Eastern" eine Fehlinvestition.
Das Schiff wurde später als Kabelleger eingesetzt - sozusagen eine Einsatznische für sehr große, aber sonst kaum zu gebrauchende Schiffe. Auch das Fehlen passender Häfeneinrichtungen störte bei einem Kabelleger wenig.
Der heute bekannteste Passagier der "Great Eastern" war übrigens Jules Verne.

Ziemlich "steampunkig":
Die Great Eastern, von Isambard Kingdom Brunel und John Scott Russell konstruiert, lief 1857 vom Stapel und war mit 18.915 Bruttoregistertonnen für 50 Jahre das mächtigste Schiff ihrer Zeit.
211 Meter Eisen, angetrieben von Schaufelrädern, Schraube und Segeln.
Die Geschichte der Great Eastern ist eine Geschichte von Schicksal und Niedergang.
Grund genug sie virtuell neu auferstehen zu lassen und über den Weg dorthin zu berichten.
S.S. Great Eastern 3D

Dienstag, 11. August 2009

Der Starfighter-Mythos (3)

Nach längerer Pause - der dritte und letzte Teil meines Beitrags über den Starfighter-Mythos.
F-104 - der Starfighter-Mythos - Teil 1
F-104 - der Starfighter-Mythos - Teil 2

Persönliche Anmerkung: Die Verzögerung liegt nicht allein daran, dass ich in den letzten Tagen wenig Zeit und Neigung zum Bloggen hatte. Ich war, im Zuge meiner Recherchen, irritiert darüber, dass die Gründe, die zur Anschaffung des Lockheed-F-104-G Starfighter führten, sehr viel vernünftiger - im Sinne eine instrumentellen Vernunft, im Rahmen einer fragwürdigen Militärpolitik, aber immerhin - waren, als ich zuerst vermutete. Ich vermutete eine Mischung aus Stiefelleckerei gegenüber dem "großen Bruder" USA und Korruption auf Seiten der Politiker und irrationaler Lust an einem gefährlichen "Spielzeug" auf Seiten der vom Starfighter begeisterten Piloten.

3. Aus welchen Gründen wurde der Starfighter überhaupt angeschafft?
Generalleutnant Werner Panitzki, bis 1965 Generalinspekteur der Luftwaffe, kritisierte in einem Interview die Beschaffung des Kampfflugzeugs als eine "rein politische Entscheidung".
Dennoch ist die "militärische Komponente" bei der Beschaffung eines teuren Waffensystems nicht ganz zu vernachlässigen - auch wenn der F-104 G Starfighter nicht das Flugzeug war, das Panitzki angeschafft hätte.
Die deutsche Luftwaffe war 1958 mit Kampfflugzeugen ausgerüstet, die größtenteils gebraucht von anderen NATO-Luftwaffen beschafft worden waren, von denen die Bundesluftwaffe befürchtete, dass sie auf mittlere Sicht den Flugzeugen des Ostblocks nicht gewachsen seien. Außerdem erschwerte die Typenvielfalt die Einsatzplanung und Logistik. Deshalb befürworteten der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und die Bundesluftwaffe die Einführung eines modernen Mehrzweck-Kampfflugzeugs, um die bisherigen verschiedenen Kampfjet-Typen F-86F Sabre, F-86D Sabredog, F-84F Thunderstreak und RF-84F Thunderflash sowie die Hawker F.101 Sea Hawk der Marineflieger zu ersetzen. Also sollten die Rollen Abfangjäger, Luftüberlegenheitsjäger, Jagdbomber, Aufklärer und Seekampfflugzeug von einem Flugzeugtyp übernommen werden. Das Anforderungsprofil war entsprechend anspruchsvoll:
  • Doppelte Schallgeschwindigkeit
  • Fähigkeit konventioneller und nuklearer Waffenzuladung
  • Allwetterfähigkeit
  • Flugzeug mindestens als Vorserienmodell vorhanden
Um es kurz zu machen: 1958 gab es so ein Flugzeug einfach nicht!
Zu den schwer zu erfüllenden, letztendlich politisch begründeten, Anforderungen an das zu beschaffende Flugzeug kamen zwei weitere politische Forderungen, die beide von Verteidigungsminister Strauß energisch vertreten wurden. Die eine war die "nukleare Teilhabe" - zu der Frankreich nicht, die USA aber gern bereit waren. Das begünstigte folgerichtig US-Hersteller. (Die Angaben in der Wikipedia, dass der Starfighter zunächst gänzlich ohne konventionelle Bewaffnung gekauft werden sollte, kann ich nicht bestätigen. Das schon vor der Entscheidung für den Starfighter beschlossene sehr breite Anwendungsprofil für das neue Kampfflugzeug der Bundeswehr spricht dagegen.)
Der zweite Grund war industriepolitischer Natur: durch die Lizenzfertigung von ausländischen Flugzeugen sollte die westdeutsche Luftfahrtindustrie das nötige Know-How zum Bau eigener moderner Flugzeuge -auch Kampflugzeuge - erwerben. Nur Hersteller, die dazu bereit waren, kamen in Frage.

Als die Entscheidung schließlich getroffen wurde, standen von ursprünglich vierzehn Flugzeugmustern noch drei Kandidaten zur Auswahl: der Lockheed F-104 Starfighter, die französische Dassault Mirage III A und die Grumman F11F-1F Super Tiger. Von der Mirage III A und der Grumman F11F-1F standen zu diesem Zeitpunkt nur Prototypen zur Verfügung, während der Starfighter schon in Serie gefertigt wurde, wenn auch in Versionen, die für die Bundesluftwaffe nicht in Frage kamen.
Dennoch hatte Helmut Schmidt, damals verteidungspolitischer Sprecher der SPD, recht: die Bundeswehr kaufte mit dem F-104-G die Katze im Sack, denn das Flugzeug, das die Bundeswehr letztendlich gekauft hat, existierte Ende des Jahres 1958 tatsächlich erst auf dem Papier. Allerdings hätte auch die Mirage III erheblich umkonstruiert werden müssen, um dem Anforderungsprofil der Bundeswehr auch nur halbwegs zu entsprechen. Zudem war sie 1958 noch im Vorserienstadium. Sie wäre also ebenfalls eine "Katze im Sack" gewesen. Über die Eignung des Grumman F11F-1F "Super Tiger" lässt sich kaum etwas sagen, dieses Modell ging nie in Serie.
Das Streben nach einem Mehrzweckflugzeug ist typisch für die Bundesluftwaffe. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Starfighter und seinen Nachfolgern - dem in den USA beschafften F-4F Phantom II, dem Tornado und schließlich dem Eurofighter Typhoon - liegt darin, dass diese Flugzeuge von vornherein als Mehrzweckmaschinen konzipiert worden waren. Der Starfighter war als "point defense interceptor" konzipiert, als als ein Jagdflugzeug, das auf eine kurze Vorwarnzeit regiert, so schnell wie möglich die Flughöhe eines angreifenden Flugzeugs erreicht, um ein eng umrissenes Gebiet zu verteidigen. Die USA wandten sich damals von diesem Konzept zugunsten des Langstrecken-Abfangjägers ab - das war der Hauptgrund dafür, dass die U.S. Air Force relativ wenige Starfighter beschaffte. Ein weiterer Grund, der aus US-Sicht gegen die F-104 sprach: das Konzept des Luftkampfs galt seit der Entwicklung von "Fire-and-forget" Luft-Luft-Raketen als veraltet - voreilig, wie die Erfahrungen in Vietnam zeigten. Für die kleine und eng besiedelte Bundesrepublik, die nahe an den Luftstützpunkten des potenziellen Gegners lag, war das Konzept "point defense" nahezu alternativlos. Der Starfighter war nicht nur ein hervorragender Höhenjäger, sondern hatte auch sehr gute Tiefflugeigenschaften, was wichtig war, da man seitens der Bundeswehr mit tieffliegenden Jagdbombern als Gegner rechnete.
So gut der Starfighter als "Luftverteidiger" war, so fragwürdig war sein Einsatz als Jagdbomber - die schwere Waffenlast beraubte dem "Zipper" seinen Charakter als agiles Jagdflugzeug. Es haperte auch bei der geforderten Allwetterfähigkeit.

Währen die Anforderungen des Verteidigungsministeriums anders gewesen, wäre sicher auch ein anderes Flugzeug in Frage gekommen. Innerhalb des politisch gesteckten Rahmens war die F-104-G offensichtlich die beste Alternative - auch ohne die meines Erachtens sehr wahrscheinlich geflossenen Schmiergelder. Wie der "Spiegel" in den 1960er Jahren zu der Ansicht kam, dass die Mirage III in jeder Hinsicht die bessere Alternative gewesen sei, ist aus meiner Sicht rätselhaft. Ihr Triebwerk war weniger hoch entwickelt, ihre Avionik weniger ausgefeilt - immerhin hatte die F-104-G ein vollwertiges Trägheitsnavigationssystem. Hinzu kommt, dass die Mirage III ein "hoch & schnell"-Jäger war, eine Jagdbomberversion hätte, um die Bombenlast tragen zu können, "abgespeckt" werden müssen. Für die Luftwaffe, die auf Allwetter- und Tiefflugtauglichkeit großen Wert legte, wäre das wohl nicht akzeptabel gewesen. In der Schweizer Luftwaffe zog die Anschaffung der Mirage III und der Versuch, aus ihr einen (potenziell atomwaffenfähigen) Mehrzweck-Jäger/Jagdbomber zu machen, eine beispiellose Kostenexloposion für ein Flugzeug, das in der Jagdbomberrolle nie wirklich befriedigte, nach sich. ("Mirage-Krise".)

Die Version F-104-G war bis Mitte der 1960er Jahre technisch unausgereift. Ausfälle und Defekte, vor allem bei der Elektronik, beim Triebwerk - eine notorische Schwachstelle war die Schubdüsenverstellung - und anfangs, bei in Lizenz gefertigten Maschinen, auch der Hydraulik - waren an der Tagesordnung. Als diese (oft tödlichen) "Kinderkrankheiten" überwunden waren, konnte die F-104-G in vielen ihrer Aufgabenbereiche als "gutes" Waffensystem gelten - weshalb die "Nachbestellung" von Starfightern Anfang der 1970er Jahre, die bis 1991 reichende Einsatzzeit und allgemein die große Stückzahl, in der der F-104 G Starfighter gebaut wurde, nicht mehr überraschen.
Nachtrag: Der letzte Starfighter, eine F-104S (Weiterentwicklung der F-104G), wurde 1979 in Italien ausgeliefert. Es war auch die italienische Luftwaffe, die als letzte den Starfighter einsetzte - bis 2004.
Allerdings erwies sich der Starfighter als für die Aufklärer-Rolle wenig geeignet (und wurde schon 1970 durch die RF-4E Version der "Phantom II" ersetzt). Die Marineflieger, die gerne ein für Tieffliegerangeriffe auf Seeziele optimiertes Flugzeug wie die Blackburn Buccaneer gehabt hätten, haderten bis zur Einführung des Tornados mit ihren Starfightern, die zwar hervorragende Tiefflugeigeschaften hatten, allerdings dabei eine für Seeflieger zu hohe sichere Mindestgeschwindigkeit. Die Anfälligkeit gegen Vogelschlag und die lange Zeit unbefriedigende Allwetterfähigkeit waren für ein Marineflugzeug ebenfalls ungünstig.

4. Inwieweit war die Struktur der Luftwaffe Ursache der Absturzserie?
General Johannes Steinhoff, der die Luftwaffe 1966 auf dem Höhepunkt der Starfighter-Krise als Inspekteur übernahm, sah dem den Hauptgrund für die hohen Verluste in der "Pause von zehn Jahren zwischen dem letzten Weltkrieg bis zum Beginn der Neuaufstellung" der Luftwaffe.
Der schlechte Ausbildungsstand erklärt die generell sehr hohen Absturzzahlen der Bundeswehr in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens. Hinzu kommt, dass die Luftwaffe, indem sie von Unterschall-Düsenjägern auf den hochgezüchtete, mehr als doppelt schallschnellen F-104-G Starfighter umrüstete, eine ganze Flugzeuggeneration übersprang, und sich für die Umstellung nur wenig Zeit nahm. Auch andere NATO-Luftwaffen, die einen schnellen Generationensprung machten, wie etwa die der Niederlande, Kanadas oder Dänemarks, kämpften in der ersten Hälfte der 1960er Jahre mit hohen Verlusten.

Strukturelle Probleme der Bundeswehr waren:
  • Das Personalproblem: In den Zeiten des "Wirtschaftswunders" war die Bundeswehr, vor allem für junge Männer mit technischer Ausbildung, kein attraktiver Arbeitsplatz. Hinzu kam die Erinnerung an den erst rund 15 Jahre zurückliegenden Krieg - freiwillig Soldat werden oder auch "nur" als Zivilangestellter "beim Bund" zu arbeiten, war für viele junge Männer - und vor allem ihre Eltern - ein Unding. Es fehlten rund 10.000 ausgebildete Mechaniker. Seitens der Luftwaffe wurde teilweise sogar angeordnet, spezielle Komponenten nicht mehr routinemäßig zu warten, sondern erst bei festgestellten Fehlern zu reparieren, da die Mechaniker regelmäßig Fehler bei der Wartung machten.
  • Das Infrastruktur-Problem: Die Fliegerhorste der Luftwaffe waren Anfang der 1960er noch im Bau bzw. im Aus- und Umbau. Er fehlte vor allem an Sheltern für in Bereitschaft stehenden Flugzeuge und an Wartungshangars. Die Flugzeuge standen meistens bei Wind und Wetter, Hitze und Kälte im Freien, was zu Schäden an der empfindlichen Elektronik, Elektrik und Hydraulik führte.
  • Das Piloten-Ausbildungsproblem: Viele Starfighter-Piloten der "ersten Stunde" hatte einfach zu wenig Flugstunden auf ihren keine Fehler verzeihenden Kampfjets, um unter den schwierigen deutschen Einsatzbedingungen fliegen zu können.
Diese strukturellen Probleme hätten jedes moderne Kampfflugzeug betroffen. Anders gesagt: Hätte die Bundeswehr die Mirage III angeschafft, hätte es wohl eine "Mirage-Krise" gegeben. (Wahrscheinlich zusätzlich zur einer Kostenexplosion wie in der Schweiz.)

Schon Luftwaffeninspekteur Panitzki setzte entschiedene Maßnahmen gegen die Strukturprobleme, vor allem bei der Wartung und beim Hangarmangel, durch. Er bestellte Brigadegeneral Diether Hrabak zum Sonderbeauftragten für den "Starfighter". Die Maßnahmen der Arbeitsgruppe Hrabak griffen jedoch erst, als Panitzki nicht mehr im Amt war.
Dennoch ist der Ruhm seines Nachfolgers, Luftwaffeninspekteur General Johannes Steinhoff, Bezwinger der Starfighterkrise zu sein, nicht unverdient. Unter Steinhoff, der den Starfighter auch selbst flog, um sich mit den Eigenarten der Maschine vertraut zu machen, war die Starfighter-Krise vorrangige "Chefsache". Als erste Maßnahme im Amt verhängte er eine dreiwöchige Flugsperre bis zum Abschluss der von der Arbeitsgruppe Hrabak vorgeschlagenen technischen Verbesserungen. Zu Steinhoffs Maßnahmen gehörte auch das Abwerben von zivilen Luftfahrttechnikern z. B. von der "Lufthansa". Mögliche Spannungen zwischen den gut bezahlten zivilangestellten "Lufthanseln" und den schlechter bezahlten "Flightschweinen" der Truppe nahm er in Kauf. Vor allem kümmerte sich Steinhoff um die Sicherheit der Piloten. Er ließ Fanganlagen an den Landebahnen installieren, was die Landeunfälle stark reduzierte, und setzte sich für die Einführung des zuverlässigeren und auch in geringen Flughöhen einsetzbaren Martin-Baker GQ7(A)-Schleudersitzes, anstelle des serienmäßigen Lockheed-C-2-Sitzes, ein. Vor allem aber sollten die Piloten Erfahrungen sammeln. "Fliegen, fliegen und nochmals fliegen", lautete seine Devise. Die Ausbildung in den USA wurde intensiviert, die Anzahl der Flugstunden für den Piloten erhöht. Seine Rechnung ging auf, die Abstürze sanken auf ein "normales" Maß.

Fazit:
Ich denke, das die Entscheidung, den F-104-G Starfighter zu beschaffen, sowohl militärisch als auch industriepolitisch vertretbar war. Selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass man das Konzept einer starken Verteidigungsarmee, die auch zur Offensive fähig ist und "im Bündnis ein Wort mitzureden" hat, akzeptiert, und eine deutsche Luftfahrtindustrie für sinnvoll hält. (Bemerkenswert ist, dass z. B. seitens des "Spiegels" in den 1960er Jahre der Sinn einer eigenen Luftfahrtindustrie weitaus stärker hinterfragt wurde als die Militärdoktrin der Bundesrepublik.)

Auch die Bestechungen durch Lockheed sollte man als pragmatisch- interessengelenkt, nicht als "schurkenhaft" oder "von der CIA gesteuert" wahrnehmen. Es ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, dass Lockheed nach dem äußerst mäßigen Verkauf an die U.S. Air Force sehr intensiv potentielle Käufer des Starfighters umwarb. Dass Lockheed dabei auch zu Mitteln griff, die nicht immer legal waren, ist nichts Ungewöhnliches. Korruption kommt praktisch in allen Großkonzernen vor und trifft auf korruptionsanfällige Strukturen in Politik und Verwaltung.

Die Starfighter-Krise (Auf der Website der Luftwaffe.)

Die F104-Story (Cactus-Starfighter-Squadron, Traditionsvereinigung.)

Witwenmacher mit Stummelflügeln ("einestages", Spiegel.de)

F-104G Starfighter (Private Website des "Flightschweins" (Warts) Rolf Ferch.)

Montag, 20. Juli 2009

Heute vor 40 Jahren "The Eagle has landed"

Um 20:17 UTC (21:17 MEZ, 22:17 mitteleuropäische Sommerzeit) am 20. Juli 1969, mit Treibstoff für noch gerade einmal 25 Sekunden, berührte ein an den Landestützen des Mondlandemoduls, des LM, angebrachten Kontaktfühler den Mondboden.
Aldrin Tranquility
Die ersten Worte vom Mond waren deshalb auch ganz prosaisch:
"Contact light."
(Gesprochen von Buzz Aldrin). Erst nachdem die beiden Astronauten ihr Raumfahrzeug für einen eventuellen Not-Aufstieg klar gemacht hatten, sprach Kommandant Niel Armstrong den berühmten Satz:
"Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed."
Houston, Stützpunkt Tranquility hier. Der Adler ist gelandet.
Armstrong abrupter Wechsel des Rufzeichens von "Eagle" auf "Tranquility Base" führte für einen Moment zur Verwirrung im Kontrollzentrum:
Charles Duke (CAPCOM): "Roger, Twank...Tranquility, we copy you on the ground. You got a bunch of guys about to turn blue here. We're breathing again. Thanks a lot!" Roger, Twank... Tranquility, wir bestätigen, ihr seid auf dem Boden. Ihr habt eine Menge Leute hier ringsum blau werden lassen. Wir atmen wieder. Vielen Dank!"
Apollo11: Lunar Landing July 20, 1969 (Ausschnitt aus dem offiziellen NASA-Dokumentarfilm.)
Der CAPCOM, capsule communicator, hält die Sprechfunkverbindung zu den Astronauten. Er ist immer selbst ein erfahrener Astronaut und außer (in Notfällen) dem diensthabenden Arzt der Einzige, der direkt mit den Astronauten sprechen darf. Der medizinische Notfall hätte bei der Mondlandung von Apollo 11 eher im Kontrollzentrum in Houston gedroht, so dramatisch verlief der Abstieg: Der Bordcomputer des LM verwirrte die Crew mit etlichen ungewöhnlichen "1201" und "1202" Program-Alarmen. Der Computeringenieur Jack Garman teilte mit, dass der Abstieg sicher fortgesetzt werden könne, was auch den Astronauten mitgeteilt wurde. Tatsächlich waren die "1201" und "1202" nicht, wie man oft hört, Computerfehler, sondern Overflow-Meldungen - 1201 bedeutet "Executive overflow - no vacant areas" und 1202 "Executive overflow - no core sets". Sowohl das Rendezvous-Radar, das den Abstand zum Mutterschiff maß und vorschriftsgemäß für den Fall eines Landungsabbruch angeschaltet blieb, wie das Abstiegs-Radar, das den Flughöhe über der Mondoberfläche maß, lieferten Daten an den Computer. Anders als bei Simulationen am Boden überforderten sie die (nach heutigen Maßstäben lächerlichen) Ressourcen des Rechners, der dennoch multitaskingfähig für 8 Jobs war - sein Betriebssystem EXEX war eine Meisterleistung der Programmierkunst. Es enthielt glücklicherweise eine Notfallroutine, die weniger wichtige Prozesse zurückstellte, so das weder der Computer, noch das LM abstürzten.
Es gab noch mehr Computerärger - Armstrong sah aus dem Fenster und bemerkte, dass der Rechner das LM geradewegs in ein Geröllfeld nördlich und östlich eines 400 m durchmessenden Kraters steuerte. Das LM wäre hier nach dem Aufsetzen umgekippt. Armstrong schaltete auf halbautomatischen Betrieb um - einen echten Handbetrieb gab es beim LM nicht - es hatte schon ein digitales "Fly by wire"-System, wie es erst ab 1972 in Kampfflugzeugen und ab 1987 in Passagierflugzeugen (Airbus A 320) eingesetzt wird. Aldrin las die Höhen und Geschwindigkeitssdaten ab, und Armstrong landete den "Adler" "nach Sicht" auf einer ebenen und stabil aussehenden Fläche im "Mare Tranquilitatum" ("Meer der Ruhe").
Übrigens war der Treibstoff knapp, aber es war nicht kritisch. Wenn der Treibstoff der Landestufe völlig aufgebraucht worden wäre, hätte man die Landung abgebrochen, die Aufstiegsstufe gezündet und wäre zum Mutterschiff in der Mondumlaufbahn zurückgekehrt.

Das "Lunar Module" - LM, LEM oder auf deutsch meistens "Mondfähre". Die Dokumentation Moon Machines - Lunar Module des Discovery Channel macht vielleicht deutlich, was ich mit "an die Grenzen des Machbaren gehen und sie ein Stück weit herausschieben" meine. (Es soll auch eine deutsche Fassung der spannenden Doku geben, leider habe ich sie nicht gefunden.)
Was mich immer wieder fasziniert, ist die Geschichte des Physikers Dr. John Houbolt, einem in eher untergeordneter Position als "externer Mitarbeiter" für die NASA arbeitenden Wissenschaftlers. Die leitenden Konstrukteure des Apollo-Programms, allen voran Wernher von Braun, beabsichtigten ursprünglich, das Raumschiff direkt auf dem Mond landen zu lassen. Nach einige Plänen wäre dieses "einteilige"-Raumschiff ca. 20 Meter hoch gewesen. Für den Mondflug hätte man entweder eine extrem große Rakete ("NOVA") gebraucht - oder zwei Raketen des Typs "Saturn V", von der die eine das Raumschiff, die andere eine Antriebsstufe in die Erdumlaufbahn gebracht hätte, die dann zusammengekoppelt wären. (EOR - Earth Orbit Rendevous). Dr. Houbolt schlug das Lunar Orbit Rendezvous (LOR) vor - das Verfahren mit einem in der Mondumlaufbahn verbleibenden Mutterschiff und einer Mondlandefähre, das dann tatsächlich angewendet wurde. Es kommt mit nur einer Saturn-V-Rakete aus. Keiner wollte ihn anhören, deswegen schrieb er einen Brief direkt an den zweiten Mann bei der NASA, Dr. Seamans.
Ohne die Hartnäckigkeit Dr. Houbolts, der damals überhaupt nicht zum von-Braun-Team gehörte, hätte es die Mondlandung wahrscheinlich nicht gegeben - jedenfalls nicht zu dem von Kennedy gesetzten Termin.

War die Mondlandung nur ein gigantischer PR-Gag? In erster Linie ja - ohne die Rivalität mit der UdSSR, den "Wettlauf im Weltraum", währen die nötigen Mittel schwerlich locker zu machen gewesen. Der wissenschaftliche Nutzen war dabei zweitrangig. (Obwohl vielleicht größer, als manche erwartet hätten. Der bekannte Astronom und Sachbuchautor Dr. Carl Sagan war ursprünglich ein entschiedener Gegner der bemannten Mondlandung, gehörte aber später zu jenen Wissenschaftlern, die die Entscheidung, die Mondflüge Apollo 18, 19 und 20 abzusagen, scharf kritisierten.)
Die Mondlandung hat aber noch eine andere, eher metaphysische Bedeutung, die meiner Ansicht nach Leslie Fish am schönsten ausdrückte:

Hope Eyrie - Written by Leslie Fish, sung by Julia Ecklar
Erstaunlich an diesem teilweise (scheinbar) patriotischem Lied ist, dass Leslie Fish Anarchistin war und ist, eine profilierte Aktivistin gegen den Vietnamkrieg war, und sich als Mitglied der Industrial Workers of the World für industrielle Demokratie einsetzt.

Über all der All-Nostalgie sollte nicht vergessen werden, dass sich zur Zeit nicht weniger als 13 Astronauten auf der Internationalen Raumstation aufhalten und dort auch alle Hände voll zu tun haben - STS 127 Statusreport. Aus Anlass des 40. Jubiläums der Mondlandung macht die NASA den Astronauten den Vorschlag, den Space Shuttle Orbiter "Endevour" zusammen mit der ISS zum Mond zu schicken - allerdings ohne Garantie auf Rückkehr.
Das steht jedenfalls, einschließlich Flugbahndarstellung, im offiziellen Ablaufplan (Execute Package) für den 20. Juli 2009: STS-127 / 2JA - FD 06 Execute Package auf Seite 17 - 22.
Obwohl die NASA sicherheitshalber "Burn Humor" drüber geschrieben hat, halte ich es glatt für möglich, dass irgend ein Journalist die überraschende Sensation trotzdem für ernst nimmt. Es ist ja immerhin der offizielle Flugplan, und es ist darin genau berechnet, wie man die ISS auf den Mond bringen könnte (jedenfalls theoretisch).
Davon abgesehen ist absehbar, dass der NASA-Scherz ein neues Kapitel in der der (unendlichen) Geschichte der Mond-Verschwörungstheorien nach sich ziehen dürfte. Seit nunmehr 40 Jahren überbieten sich jene, die felsenfest überzeugt sind, dass die Mondlandung in Studio inszeniert war, und jene, die glauben, dass es beim Raumfahrtprogramm um etwas GANZ ANDERES als offiziell zugegeben ging, in bizarren Spekulationen. Theoretisch müsste jetzt zumindest die "die-Amis-waren-nie-auf-dem-Mond- Verschwörungstheoretiker" jetzt ganz still sein, was sie in der Praxis wohl nicht seien werden: LRO fotografiert die Apollo-Mondlandestellen.

Heissblut gibt eine (satirische) Antwort, worum es bei der Mondlandung wirklich ging:
Die Amis waren auf dem Mond. Was sie uns gezeigt haben kam von der Erde. WARUM?
Die Freimaurer wollten ungestört ihr Ritual auf dem Mond durchführen. Sie zogen ihre Freimaurerkluft an und zelebrierten ihr Ritual auf dem Mond. So ist es gelaufen. Ihr glaubt mir nicht?
Tatsächlich ist Heissblut damit näher an der Realität, als es z. B. der derzeit profilierteste deutsche Anhänger der "Mondflug-Lüge", Gerhard Wisnewski ist.
Es stimmt, Buzz Aldrin ist Freimaurer, und machte daraus auch nie ein Geheimnis. Am 20. Juli 1969 deponierte er als spezieller Stellvertreter im Auftrag des Großmeisters J. Guy Smith der Großloge von Texas der Alten Freien und Angenommenen Maurer eine Urkunde (Special Deputation) für eine erste freimaurerische Jurisdiktion auf dem Mond unter einem Steinhaufen. Freimaurerische Bekleidung hat er dabei allerdings nicht getragen.
Außerdem feierte Aldrin zusammen mit Armstrong in der Ruhepause unmittelbar nach der Landung auf dem Mond die heilige Kommunion. (An die mitlesenden Katholiken: ja, das konnte er. Aldrin ist Presbyterianer, also Calvinist. Bei den Calvinisten, wie übrigens auch bei den Lutheranern, kann jeder das "heilige Abendmal" spenden, der getauft und konfirmiert ist. Ganz hartnäckige Katholiken werden jetzt natürlich bestreiten, dass das, was Aldrin da machte, auch wirklich eine Kommunion war ... )
Aldrin schwieg über sein Vorhaben und weihte nicht einmal seine Frau ein. Aus gutem Grund: Apollo 8 erreichte als erstes bemanntes Raumschiff am 24. Dezember 1968 die Mondumlaufbahn. Während einer Fernsehübertragung aus dem Mondorbit lasen die drei Astronauten die ersten Zeilen der biblischen Schöpfungsgeschichte als Weihnachtsbotschaft vor. Das führte zu Protesten seitens Anhänger anderer Religionsgemeinschaften und Atheisten. Die Atheistin Madalyn Murray O’Hair reichte sogar Klage vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein, in der sie den Astronauten als Regierungsangestellten alle religösen Aktivitäten im All untersagen wollte. Die Klage wurde zwar abgewiesen, dennoch hielt die NASA ihre Astronauten bei der Ausübung von Religiosität im All von nun an zurück.

Um 02:56 UTC am 21. Juli (in Florida: 22:56 EDT am 20. Juli), stieg Armstrong zur Mondoberfläche herab und sagte, sich leicht verhaspelnd *) die berühmten Worte:
"That's one small step for (a) man, one giant leap for mankind"
*) (Natürlich nicht vor Aufregung - Armstrong war ein erfahrener Testpilot. Regel 1: Erfahrene Testpiloten lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen. - Regel 2: Sollten sie doch einmal aufgeregt sein: siehe Regel 1.) (Frei nach "Der Stoff, aus dem die Helden sind".)

Remembering Apollo 11 - Sehr schöne Fotos in hoher Auflösung und mit guten Kommentaren auf Boston.com.

NASA High Definition Video: Apollo 11 Partial Restoration HD Videos

Donnerstag, 16. Juli 2009

In the Summer of '69

Heute, vor genau 40 Jahren, am 16. Juli 16 1969 um 13:32:00 UTC (was 14:32:00 MEZ entspricht), hob eine Trägerrakete vom Typ Saturn V vom Kennedy Space Center im US-Bundesstaat Florida ab.

Apollo 11 start

Apollo 11, die Landung zweier Menschen auf dem Mond, war ein Unternehmen, das an die Grenzen des damals technisch Machbaren ging. Man kann sogar sagen, dass es diese Grenzen ein wenig herausschob, denn als John F. Kennedy, der damalige Präsident der USA, am 25. Mai 1961 vor dem US-Congress das Mondlandeprogramm ankündigte -
"I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the Moon and returning him safely to the Earth."
- wäre es mit der vorhandenen und erprobten Technik nicht realisierbar gewesen.
Heute herrscht oft der Eindruck vor, dass die technische Entwicklung in den letzten Jahre schneller als je zuvor sei. Obwohl in den 1960er tatsächlich pro Jahr eher weniger Erfindungen als heute gemacht wurden - gemessen in Patentanmeldungen - gab es damals mehr "absolute Neuheiten", sprich Basisinnovationen. Viele der heute geflogenen Trägerraketen sind z. B. Weiterentwicklungen von in den 50er und 60er Jahren konstruierten Typen. Oder um ein Beispiel aus der Luftfahrt zu nehmen: ein typisches Passagierflugzeug Baujahr 1969 hat von der Grundkonstruktion her mehr Ähnlichkeit mit einem Passagierflugzeug Baujahr 2009 als mit einem, das 1949 gebaut wurde - von Maschinen Baujahr 1929 gar nicht zu reden.
So bescheiden und altertümlich beispielsweise die Bordcomputer der Mondlandefähre und der Apollo-Kapsel heute anmuten (Arbeitsspeicher etwa vier kByte), beim Stand der Computertechnik des Jahres 1961 hätten entsprechende Rechner kaum in die Raumfahrzeuge hineingepasst. Im Computer der Saturn I B wurden die ersten "flat pack"-Schaltkreise eingebaut, die unter dem "Advanced Saturn Technology Program" im Auftrag des Marschall Space Centers von IBM entwickelt worden waren, und die später in den (für damalige Verhältnisse) kompakten und preiswerten Großrechnern der IBM 360er-Serie eingesetzt wurden. 1969 waren die "flat pack" aber schon überholt, in der Steuerung der Saturn V und im Apollo-Bordrechner wurden schon ICs im modernen Sinne (Chips) verwendet. Allerdings verlangte nicht nur die NASA, sondern vor allem auch das Militär nach miniaturisierten Computern - und es bekam sie. Entgegen einer verbreiteten Legende ist der PC aber kein direkter Spin-Off des Apollo-Programms. Der Mikroprozessor, Herzstück des PCs, war 1969 schon erfunden (übrigens weder für die Raumfahrt noch für die Waffentechnik, sondern um den Bau programmierbarer Tischrechner zu rationalisieren), aber die unerprobte Technik wurde bei Apollo noch nicht eingesetzt.
Auch auf anderen Gebieten - von der Kunststoffchemie bis zu neuen Managementmethoden - profitierte das Projekt Apollo von der sehr schnellen industriellen Entwicklung, und heizte wiederum das Innovationstempo weiter an.
Nun ist es aber so, dass viele Neuerungen und Erfindungen der 60er-Jahre erst in den 70er und 80ern in den Alltag vordrangen. Viele Menschen neigen deshalb dazu, den Stand des im Jahre 1969 technisch Möglichen zu unterschätzen.

Vielleicht erklärt das (ein wenig) weshalb ganze Scharen von Spinnern Skeptikern sich nicht davon abbringen lassen, dass die Mondlandungen im Studio inszeniert worden wären. Ein anderer Grund ist der, dass meisten von uns eine ganz gute Vorstellung davon haben, wie die Spezialeffekte eines Science-Fiction-Film produziert werden oder was man mit einen Bildbearbeitungsprogramm alles anstellen kann. Wir misstrauen zu Recht Bildern, von denen wir wissen, dass sie manipuliert sein können. Kaum jemand weiß aber wie Raumfahrt technisch funktioniert, und bei vielen ansonsten gebildeten und gut informierten Zeitgenossen hapert es schon mit dem physikalischen Grundlagenwissen. Die Vorstellung, die Mondlandung habe in einem geheimen Studio stattgefunden, liegt manchen anscheinend näher, als die technischen Meisterleistungen zu begreifen, die hinter der wirklichen Raumfahrt stehen.
Immerhin ist die Widerlegung dieser äh ... interessanten Hypothese ein guter Stoff für den Physikuntericht in der Mittelstufe.

Zur Zeit befindet sich wieder eine Raumsonde in einer Bahn um den Mond: der Lunar Reconaissance Orbiter (LRO). LRO soll sehr hochauflösende Fotos der Mondoberflächen machen, aus denen eine neue, hochgenaue Karte der Mondoberfläche erstellt werden soll. Der LCROSS (Lunar CRater Observation and Sensing Satellite), der mit LRO gestartet wurde, soll zusätzlich nach Wasservorkommen in Mondkratern suchen. Außerdem kann LRO etwas, dass bis jetzt noch kein Teleskop auf der Erde und keine Raumsonde im All konnte: die Landeplätze der Apollo-Missionen fotografieren. Wahrscheinlich wird die NASA bald die ersten LRO-Bilder des Apollo-11 Landeplatzes veröffentlichen - der 20. Juli wäre der ideale Termin.
Ich vermut aber: wer so ein richtiger "V-Theoretiker" ist, der wird sich wohl auch von solchen Bilder nicht überzeugen lassen. Der Glaube der "Moonhoax"-Anhänger ist nicht durch sowas profanes wie echte Belege oder Fakten zu erschüttern - weshalb Diskussionen mit ihnen sehr an die mit "Junge-Erde-Kreationisten" erinnert, die glauben, dass die Erde erst rund 6000 Jahre alt sei. Die Fossilien hätte Gott extra versteckt, um damit die Glaubensstärke dieser extremen Fundi-Christen auf die Probe zu stellen.
Wer heute immer noch glaubt, die Mondlandungs-Fotos und -Filme seien im Studio aufgenommen, der wird selbstverständlich auch die LRO-Bilder für Fälschungen halten. Klar, und Bielefeld ist auch nur eine Filmkulisse.
Auf Websites wie Apollo-Projekt, Clavius, Raumfahrer oder Mondlandung werden die angeblichen Indizien für einen "Moon Hoax" gründlich nach allen Regeln der Logik und der Wissenschaft demontiert.

Für alle die vielen, die zu jung sind, um es damals im Fernsehen gesehen zu haben, gibt es hier die originalen Fernsehbilder vom Start der Apollo 11 in heute wohl nicht mehr sendefähiger Qualität - voller Bildstörungen und Farbverschiebungen (aber immerhin schon in Farbe!): The Lift-Off of APOLLO 11

... und hier noch mal "in schön" (Aufgenommen mit fernbedienten 35-mm Film-Kameras direkt am launch pad - und in Zeitlupe - Ausschnitt aus dem offiziellen NASA-Dokumentarfilm):


Was geschah sonst noch im Sommer 1969?
Der erste Heim-Videorekorder kommt auf den Markt: der Philips LDL 1002. Er konnte 45 Minuten in schwarz-weiß aufzeichnen und kostete in (West-)Deutschland ca. 1800.- DM - eine Bandkassette allein kostete 60,- DM.

In den USA wird Compuserve Inc. gegründet - später einer der ersten Online-Dienste für jedermann, noch später ein Wegbereiter des Internets.

27. Juni:
New York: Stonewall-Aufstand in der Christopher Street - ein entscheidendes Datum im Bürgerrechtskampf der Schwulen und Lesben. Daran erinnert seitdem der "Christopher Street Day".
14. Juli:
Ausbruch des Fußballkrieges zwischen Honduras und El Salvador.
20. Juli:
Thor Heyerdahl muss seinen Versuch, mit dem Papyrusboot "Ra" von Afrika aus die Karibik zu erreichen, abbrechen. Das Boot beginnt sich kurz vor dem Ziel Barbados aufzulösen.
13. August:
Schwere Grenzkonfrontation zwischen der Sowjetunion und China als Nachwirkung des Usuri-Zwischenfalls - die sowjetische Führung deutet an, das chinesische Kernwaffentestgelände Lop Nor mit Atomwaffen angreifen zu wollen.
12. August:
im nordirischen Derry stürmten Protestanten den katholischen Stadtteil Bogside und provozierten die katholischen Bewohner, indem sie den 280. Jahrestag der "Befreiung" "Londonderrys" von den Katholiken feierten. Die katholische Bevölkerung verbarrikadierte sich und lieferte sich zwei Tage lang Straßenschlachten mit den Protestanten und der Polizei.
14. August:
Einsatz britischer Truppen in Nordirland.
15. August – 18. August (geplant bis zum 17. August):
Woodstock Music and Art Festival, das berühmteste Open-Air Musikfestival überhaupt. Wahrscheinlich ist es auch deshalb legendär, weil es trotz der unkontrollierten und unkontrollierbaren Menschenmenge zu keinen nennenswerten Gewalttätigkeiten kam.
1. September:
In der BRD tritt das 1. Strafrechtsänderungsgesetz in Kraft. Dies bewirkt auch eine Änderung des § 175, wodurch gleichgeschlechtliche Sexualkontakte unter erwachsenen Männern (damals ab 21 Jahren) erstmals seit 1532 im gesamten zu Deutschland zählenden Gebiet nicht mehr strafbar waren.

Einige Sommerhits des Jahres 1969:
The Fifth Dimension: Aquarius / Let The Sunshine In (aus dem Musical "Hair").
Desmond Dekker: The Israelites (erster Reggae-Welthit).
The Beatles: The Ballad of John and Yoko.
Edwin Hawkins Singers: Oh Happy Day.
Rolling Stones: Honky Tonk Women.
In Deutschland (West) allgegenwärtig und interessanterweise auch in Großbritannien erfolgreich: die "Nonstop Dancing"-Platten von James Last. (Die meiner Meinung nach besser als ihr späterer Ruf sind.)

Und übrigens:
Bryan Adams, der in dem Lied "In the Summer of ´69" von seiner ersten Band und der "schönsten Zeit seines Lebens" schwärmt, war damals erst 9 Jahre alt.

Donnerstag, 9. Juli 2009

F-104 - der Starfighter-Mythos (2)

Die "Starfigher-Krise" ist, wenn man so will, alter Käse: eine Krise, die vor über 50 Jahren begann, und die ein Waffensystem betraf, das schon seit 18 Jahren ausgemustert ist. Aber oft zeigen gerade Affären von gestern, welche Strukturen heute noch wirken. In einem 40 Jahre alten Fernsehbeitrag über Schundhefte, die faschistisches Gedankengut in die Hirne unschuldiger Jugendlicher trugen (1969 - "Perry Rhodan - der Hitler des planetarischen Zeitalters") lassen sich grundsätzlich die selben kulturellen Strukturen wie in der aktuellen Debatte um "Killerspiele" feststellen. Sie treten gerade dadurch so plastisch hervor, weil keine erhitzte Diskussion mehr den Blick dafür verstellt, dass die Vorwürfe und Verdächtigungen gegen "Perry Rhodan" von Anfang maßlos übertrieben waren.

Ähnlich ist es bei der Starfighter-Krise. Ich habe ein wenig darüber recherchiert, und schnell gemerkt, dass die "Starfighter-Saga", wie ich sie im ersten Artikel über den Starfighter-Mythos skizzierte, problematisch ist, und zwar nicht nur, weil sie auf "Bösewichte" wie Strauß und "dunkle Mächte" wie das mit Bestechungsgeldern arbeitende und allzu eng mit dem CIA zusammenarbeitende Rüstungsunternehmen Lockheed personalisiert ist - worüber die Strukturen, das, was wirklich faul ist, übersehen werden. ("Strukturen" sind etwas anderes als "Sachzwänge". Strauß hätte sich z. B. anders entscheiden können und war deshalb voll für alles, was er anrichtete, verantwortlich.)

1. Der "Starfighter" wurde zum Mythos, weil er stark symbolisch aufgeladen wurde
Der "Starfighter-Krise" und die Art und Weise, wie sie von den Medien und der breiten Bevölkerung aufgenommen wurde, ist meiner Ansicht ein gutes Beispiel, wie eine Waffe symbolisch aufgeladen wurde, und wie sich diese symbolische Aufladung hartnäckig hielt. Wie ich schon im ersten Teil erwähnte, war die F-104 G nämlich keineswegs (für ein Jagdflugzeug dieser Generation) überdurchschnittlich oft abgestürzt, wenn man die Gesamtflugstunden zugrunde legt.
Die Abstürze hatten sich, aus Gründen, die zum Teil bei der noch nicht ausgereiften Technik des Flugzeugs, zum weitaus größeren Teil aber mit der Struktur der Bundeswehr zu tun hatten, in einem kurzen Zeitraum geballt und so den Eindruck einer Fehlkonstruktion oder einer geradezu verbrecherischen Fehlbeschaffung erzeugt.
Geradezu genüsslich wurden in manchen Medien - allen voran dem "Spiegel" - die Verluste der Bundesluftwaffe gezählt, was sicherlich auch im Zusammenhang mit der wesentlich von Strauß verursachten Spiegel-Affäre gesehen werden muss. Aber nicht nur im "Spiegel" wurde die Starfighter-Krise als Staatskrise wahrgenommen, was dieser Leitartikel Steh auf, mein Volk! aus der "Frankfurter Rundschau" vom 14. Mai 1966 illustriert, in dem Karl Gerold von einem "Menschheitsverbrechen an unserer Bundeswehr" schreibt.
Gerolds Pathos muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass das Bonner Verteidigungsministerium lange Zeit geneigt gewesen war, die hohe Unfall-Quote als normalen Preis für ein neues, technisch kompliziertes Waffensystem anzusehen. Denn die Vorgängern des Starfighters hatten noch höhere Absturzquoten. Erst im internationalen Vergleich wurde deutlich, wie zynisch das Verteidigungsministerium "Piloten verheizte". Die Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg waren 1966 noch frisch - der Eindruck, es würden schon wieder deutsche Soldaten in einen sinnlosen Tod geschickt, lag unangenehm nahe.
Der Starfighter war also ein Symbol für politische Entscheidungen aus Eigennutz der Entscheider gegen die Interessen der Bürger, und ein Symbol für gefährliche, vermeintlich unbeherrschbare, Technik. In der Friedensbewegung der 80er Jahre war der Starfighter zudem ein wichtiges Symbol für die These, dass Rüstung schon im Frieden tötet. Zwar gab es bei Starfighter-Abstürzen glücklicherweise kaum zivile Tote, aber die Umstände eines Starfighter-Absturzes zu am 22. Mai 1983 waren (ich bitte um Entschuldigung für meine zynische Formulierung) ein Paradebeispiel für mörderische Technik, dass kein Regisseur hätte wirksamer inszenieren können. Bei einer Flugschau auf der Rhein-Main-Airbase stürzte ein Starfighter der kanadischen Luftwaffe auf einen Autobahnzubringer, wobei sechs Menschen, die Familie des Frankfurter Pfarrer Martin Jürges, in den Flammen qualvoll verbrannten. Bittere Ironie: Martin Jürges war engagiertes Mitglied der Friedensbewegung, und bekam eine Art Märtyrerstatus. "Gott ist an diesem Tag mitgestorben" (hr-online). Übrigens war die wahrscheinliche Absturzursache, wie vielleicht bei den meisten Flugunfällen mit Kampfflugzeugen, Selbstüberschätzung des Piloten - dazu weiter unten mehr.
Aber auch durch seine Befürworter und Fans wurde der Lockheed F-104 G Starfighter symbolisch überhöht. Sogar das charaktristische Heulen des Triebwerks wurde als "Sound of Freedom" verklärt. Die Mystifizierung des Flugzeugs durch seine Piloten, und die unbestreitbaren Faszination, die von dieser extremen und ästhetisch reizvollen Konstruktion ausging, trug auch bei den Gegner der Starfighters zu dem außerordentlich widerstandsfähiger Mythos, den ich als "Starfighter-Saga" grob umrissen habe, bei.
Die Absturzserie wäre wahrscheinlich nicht als Staatskrise wahrgenommen worden, wenn der Starfighter nicht als modernstes, bestes und perfekt für die Verteidigung der BRD geeignetes Mehrzweck-Kampfflugzeug angepriesen worden wäre. Es entstand wegen dieser Überhöhung um die Mitte der 60er Jahre der Eindruck, dass die Luftwaffe wegen des "Witwenmachers" praktisch hilflos sei, ohne funktionierende Abfangjäger, ohne Jagdbomber - und das angesichts einer von oft von den selben Politikern und Verteidigungsexperten, die den "Starfighter" priesen, drastisch an die Wand gemalten (angeblichen) bedrohlichen Überlegenheit der Ostblock-Streitkrafte.
Auch die Tatsache, dass einige deutsche F-104 G im Rahmen der Nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO im Kriegsfall US-amerikanische Atombomben getragen hätten, und dass, wenn die Bundeswehr eigene Atombomben erhalten hätte, der "Starfighter" der "deutsche Atombomber" gewesen wäre, trugen zur symbolischen Aufladung bei. Weder die immerhin aktiv im Krieg eingesetzten deutschen "Tornados", die theoretisch ebenfalls im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" Atomwaffen tragen könnten, noch die F-4 F "Phantom", noch der Eurofighter "Typhoon" sind ähnlich symbolbefrachtet wie die F-104 G.

2. Psychologische Strukturen: Die Gefahr der Selbstüberschätzung war sozusagen eingebaut.

Don't wait for the undertaker, timely pull your Martin Baker!

Martin Baker stellte den GQ 7A Schleudersitz her, ein Zero/Zero-Sitz (Null Höhe, Null Geschwindigkeit), der sogar bei Unfällen am Boden den Piloten unter einem vernünftigen Risiko retten konnte. Er ersetzte auf Druck der Piloten und des Inspekteurs der Luftwaffe, General Steinhoff, ab 1966 den ursprünglichen C-2 Schleudersitz des F-104 Starfighters, der beim Katapultieren bei geringen Fluggeschwindigkeiten und in niedriger Höhe den Piloten gefährdete.

Der Spruch weist auf einen psychologischen Aspekt bei Absturz sehr leistungsfähiger, aber dabei wenig fehlertoleranter Flugzeuge hin: die Gefahr der Selbstüberschätzung, die unter anderem dazu führen kann, dass ein Pilot bei einer Havarie nicht rechtzeitig "aussteigt".

Einerseits wird von einem Jagdflieger verlangt, dass er nicht die geringsten Zweifel an seinen Fähigkeiten haben darf, denn schon geringe Selbstzweifeln verlangsamen die Reaktion, anderseits darf er nie, und sei es nur für einen Sekundenbruchteil, seine Grenzen und die Grenzen seines Luftfahrzeugs vergessen. Beides lässt psychologisch gesehen nur schwer vereinbaren.
Hinzu kommt, dass es unter Soldaten allgemein und unter Kampfpiloten ganz besonders verpönt ist, auch nur geringste Anszeichen von Feigheit erkennen zu lassen. In Tom Wolfes berühmten Reportageroman "The Right Stuff" ("Der Stoff, aus dem die Helden sind"), wird eindringlich geschildert, wie Kampfpiloten aus Angst, als Feiglinge oder als Nichtskönner zu gelten, regelmäßig zu viel zu riskieren. Dabei geht es nur selten wirklich um Leichtsinn oder blindes Draufgängertum. Viele Piloten starben, weil sie dachten, dass sie bei einem Defekt oder bei einen unkontrollierten Flugzustand (Überziehen, Trudeln) "die Kiste noch irgendwie heil runter kriegen".
Es ist ein der Struktur der Militärfliegerei und der Pilotenausbildung bedingtes Problem, das nicht nur für den "Starfighter" gilt, aber bei einen Flugzeug, das keine Pilotenfehler verzeiht und "bei Triebwerksausfall die Gleitflugeigenschaften eines fallen gelassen Schlüsselbundes" hat, (Ex- Testpilot und -Astronaut Michael Collins über die F-104) besonders deutlich zutage tritt.

Flugvorführung des F-104 G Demo-Teams der deutschen Marineflieger "The Vikings". Sie vermittelt ein wenig, wieso diese Maschine so faszinierte - kein anderes Flugzeug ist bis heute im Tiefflug so schnell - aber auch etwas von dem Gefahrenpotenzial dieser Flugvorführungen, die nicht einmal Kunstflug waren, sondern nur Taktiken vorführten, die auch für den Einsatz geübt wurden.

Jochen Missfeldt, ein Schriftsteller, der früher Pilot auf dem Starfighter und der Phantom war, schrieb:
Wir wollten vor allem eins: Wir wollten das Ding fliegen. Der Starfighter war unheimlich schnell, besaß extrem gute Tiefflug-Eigenschaften. Wir konnten bei gutem Wetter von Jever nach Bayern fliegen und uns die Alpen ansehen. Der Tiefflug, wenn man den Rausch der Geschwindigkeit am stärksten spürt, das war für uns das Schönste.
- Es erfordert nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass der Rausch der Geschwindigkeit manchem Piloten zu Kopf gestiegen sein wird - und zwar ausgerechnet im Tiefflug. Sehr viele der F-104 Abstürze sind CFIT -"Controlled Flight Into Terrain" (im Fliegerjargon "unangespitzt in den Boden gerammt") - neben schlechter Sicht dürfte Unaufmerksamkeit dafür die Hauptursache gewesen sein.
Eine Reportage des "Spiegel" aus dem Jahr 1968 geht auf die ständige Gefahr der Selbstüberschätzung, der overconfidence, ein: Heiße Tiger.

Der Starfighter-Mythos (Teil 3):
- Aus welchen Gründen wurde der Starfighter überhaupt angeschafft?
- Inwieweit war die Struktur der Luftwaffe Ursache der Absturzserie?

Der Starfighter-Mythos (Teil 1)

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