Geschichte der Technik

Sonntag, 5. Juli 2009

F-104 - der Starfighter-Mythos (1)

(Ein Beitrag der Reihe: "Alte Männer reden von von früher" - jedenfalls fängt er so an! Opa)
Vor einiger Zeit sah ich mit ein paar Freuden alte "Raumschiff Enterprise"-Folgen an - ja, die originale "Star Trek"-Serie mit Captain Kirk und Spock. Unter anderem sahen wir die Episode "Morgen ist gestern" ("Tomorrow is Yesterday" von 1967), in der der "Enterprise" nach einer Beinahe-Kollision mit einem Schwarzen Loch eine unfreiwillige Zeitreise ins Jahr 1969 unternimmt. Die "Enterprise" taucht auf den Radarschirmen der US-Air Force auf, die daraufhin einen Abfangjäger startet, der das seltsame riesige Flugobjekt identifizieren soll. Durch den Einsatz des Traktorstrahls der "Enterprise" zerbricht das Flugzeug, eine Lockheed F-104, und der Pilot, Captain John Christopher, wird an Bord gebeamt.
F-104 3-view
Der weitere Inhalt dieser "Star Trek"-Episode soll hier nicht weiter interessieren. Ich würde mich an diesen Video-Abend auch kaum noch erinnern, wenn nicht jemand beim Anblick der F-104 sagte: "Och, n´Starfighter", was die Gegenfrage der jüngsten (23-jährigen) Anwesenden auslöste: "Starfighter? Ist das ein Raumjäger?" Sie hatte so ein Flugzeug noch nie gesehen.
Für alle, die keine alten Knacker sind: Die Lockheed F-104 "Starfighter" ist ein in großer Stückzahl gebautes Kampfflugzeug der 1950er und 1960er Jahre, und wurde immerhin von 1961 bis 1991 auch von der Bundesluftwaffe geflogen.
Die Assoziation "Raumjäger" liegt nicht nur des Namens wegen nahe: in der Tat unterscheidet sich das "bemannte Geschoss" mit seinem raketenförmigen Rumpf und den Stummelflügeln von allen anderen Kampflugzeugen. Er war der spektakulärste Kampfjet seiner Zeit: Kein anderes Flugzeug war so schnell und stieg so hoch wie die F-104. Der radikaler Entwurf stammt von Clarence "Kelly" Johnson, dem langjährigen Chefkonstrukteur der (vor allem bei Verschwörungstheoretikern) legendären "Skunk Works" - er entwarf auch das Spionageflug U-2, die A-12 und deren Nachfolgerin SR-71 und war an der Entwicklung des "Tarnkappenbombers" F-117 Nighthawk beteiligt.
Die F-104 wurde auf extrem niedrigen Luftwiderstand im Überschallbereich optimiert. Die Kanten der Tragflächen waren dabei buchstäblich messerscharf - das Bodenpersonal musste nach der Landung zur eigenen Sicherheit elastische Schutzleisten an den Flügeln anbringen. Es ist kaum zu glauben, dass der "Sternenkämpfer" ein Zeitgenosse der VW-Käfer, Nierentische und Propellerflugzeuge auf der Transatlantikroute war.
F 104 Starfighter
Lockheed F-104 G "Starfighter" der Bundesluftwaffe im Bourget Museum, Frankreich. Foto: Deep silence (Mikaël Restoux) - Wikimedia common

Als ich zur Schule ging, war in der BRD "Starfighter" sozusagen ein Synonym für "Kampfjet" oder "Düsenjäger" (auch so ein fast vergessenes Wort). Ein Lied Herman van Veens begann mit den Worten: "Ein Starfighter zieht einen Strich durch die Luft" - wie selbstverständlich voraussetzend, dass ein einsamer Kondensstreifen nur von einem Flugzeug dieses Typs stammen könne.

Allerdings wurde der "Starfighter" in der Öffentlichkeit nicht in erster Linie wegen seiner außerordentlichen Flugleistungen oder seines eleganten Aussehens zur Legende. Er war auch in erster Linie nicht wegen die damals häufigen Tiefflug-Übungen mit ihrer enormen Lärmentwicklung berühmt-berüchtigt.

Was den "Starfighter" zur Legende machte, waren seine Abstürze.

Nicht weniger als 292 deutsche F-104 wurden bei Unfällen zerstört, wobei 116 Piloten umkamen. 171 Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten, 8 von ihnen zwei Mal. (Angaben nach 916 Starfighter)
Auf dem Höhepunkt der Starfighter-Krise stürzen allein 1965 (lt. "916 Starfighter") 29 Maschinen ab.
Da die Bundeswehr insgesamt 916 "Starfighter" beschaffte, heißt das, dass fast 1/3 ihrer F-104 abstürzten. Allein die durch die Starfighter-Verluste entstandenen Kosten (ohne die am Boden anrichteten Schäden) wurden auf 1,5 Mrd. DM geschätzt.
In absoluten Zahlen eine erschreckende Bilanz. In der Presse und im Volksmund wurde das Jagdflugzeug "Witwenmacher", "Sargfighter" oder "Erdnagel" genannt.

Der britische Musiker Robert Calvert veröffentlichte 1974 eine LP unter den Namen "Captain Lockheed And The Starfighters", auf der er sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigte und die Affäre als "Aero-Spaceage Inferno" bezeichnete.

Die deutsche Elektroband Welle:Erdball hat in ihrem Song „Starfighter F-104G“ dem Tod Joachim von Hassels, des Sohnes Kai-Uwe von Hassels, der während der "Starfighter-Krise" Verteidigungsminister war, ein Denkmal gesetzt.


Die "Starfighter-Saga" in der bekannten Form geht etwa so:
Die F-104 war als leichtes Jagdflugzeug für extreme Steigraten ausgelegt und glänzte mit neuen Höhen-Weltrekorden. Darüber hinaus war das Flugzeug aber nicht attraktiv. Die US Luftwaffe bestellte nur wenige Starfighter. Die deutsche Luftwaffe suchte 1958 nach einem allwettertauglichen Überschallflugzeug, das als Abfangjäger, Luftüberlegenheitsjäger, Jagdbomber, Aufklärer und Seekampfflugzeug verwendbar sein sollte. Die deutschen Testpiloten, die die F-104 in den USA testeten, lehnten die Maschine ab. Außerdem musste das als Schönwetter-Abfangjäger konzipierte Flugzeug erheblich umkonstruiert werden, um die Anforderungen auch nur einigermaßen erfüllen zu können. Die auf die deutschen Bedürfnisse zugeschnittene Version F-104 G ("G" für "Germany") gab es erst auf dem Papier. Dennoch befürwortete 1958 der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß nach einem Besuch bei Lockheed die Anschaffung des Starfighters - obwohl er wenige Monate zuvor noch die französische Mirage III bevorzugt hatte. Die Mirage wäre in jeder Beziehung die klügere Wahl gewesen. Beim gewaltigen Deal - es ging um hunderte millionenteurer Kampfjets, entschied sich Verteidigungsministerium dennoch für den amerikanischen Jäger. Ein möglicher Grund: Franz-Josef Strauß setzte sich damals für die Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen ein - die USA boten eine "nukleare Teilhabe für die F 104 an, Frankreich war dazu nicht bereit. Oder es waren Schmiergelder im Spiel - nach Aussagen des ehemaligen Lockheed-Lobbyisten Ernest Hauser erhielten Strauß und die CSU 1961 10 Millionen US-Dollar.
Es kam, wie es kommen musste: der "Starfighter", ein ohnehin überzüchtetes Flugzeug, wurde bei der Bundeswehr für Zwecke eingesetzt, für die er nicht konstruiert war, und stürzte massenhaft ab. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Werner Panitzki, wurde 1965 auf eigenen Wunsch von Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel entlassen, nachdem er in einem Interview die Beschaffung des Kampfflugzeugs als eine "rein politische Entscheidung" kritisiert hatte.

Wahrscheinlich waren nicht allein die, gemessen etwa den an Sicherheitsstandard der Zivilluftfahrt, unfassbar vielen Abstürze, die den "Starfighter" zum "negativen Mythos" machten. Es gibt in der "Starfighter"-Saga mit Strauß einen profilierten "Bösewicht", finstere Mächte und verbrecherische Absichten im Hintergrund, und auch tragische Helden.
Obwohl die "Starfighter-Saga" auf Tatsachen beruht, ist sie offensichtlich nicht die ganze Wahrheit. Wenn die F-104 G ein so ungeignetes Flugzeug war - wieso hielt die Luftwaffe sie 30 Jahre im Dienst und bestellte noch Anfang der 70er Jahre weitere Maschinen? In Italien wurde die F-104 S, eine Weiterentwicklung der G-Version, sogar erst 2004 ausgemustert.

Trotz der hohen Absturzquote wollte eine ganze Generation von Piloten unbedingt den "Starfighter" fliegen. Viele Piloten, die auf die leistungsfähigeren (und eine geringere Absturzquote aufweisenden) Nachfolger F-4 F "Phantom" und später Panavia MRCA "Tornado" umsattelten, trauerten ihren "Zippern" hinterher.

Ein zentraler Teil des schwarzen Mythos, nämlich dass der "Starfighter" ein außergewöhnlich absturzgefährdetes Jagdflugzeug gewesen wäre, hält einem Vergleich nicht stand:
Von seinen Vorgängern, den 946 Flugzeugen der Typen F-84 "Thunderstreak" und F-86 "Sabre", die bei der deutschen Luftwaffe nur neun Jahre lang, von 1957 bis 1966, im Dienst standen, gingen 139 verloren. 62 Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Bezogen auf die Flugstunden waren diese nicht überschallschnellen Jäger bzw. Jagdbomber erheblich unsicherer als der berüchtigte "Witwenmacher". Das statistisch unsicherste Jagdflugzeug der US-Airforce war der F-100 "Super Sabre", der bezogen auf die Flugstunden, mehr als doppelt so viele Unfälle hatte wie der F-104 "Starfighter".

Aber nicht dieser Aspekt macht die "Starfighter-Saga" meines Erachtens fragwürdig - immerhin war die F-104 G auch nach Aussagen ihrer Piloten ein Flugzeug, das keine Fehler verzeiht, und die außergewöhnliche Absturzserie der 60er Jahre kann nicht wegdiskutiert werden. (Wobei sich die Abstürze nach 1967 im Rahmen des bei Hochleistungs-Kampfflugzeugen damals international Üblichen bewegten ... was heftig genug ist.)
Fragwürdig ist, dass sie stark personalisiert. Was sich bei so farbigen Persönlichkeiten wie Franz-Josef Strauß förmlich aufdrängt. (Meiner Ansicht nach war Strauß ein machtversessener, autoritärer und moralisch fragwürdig handelnder Kotzbrocken - aber ein auf seine Weise brillanter Kotzbrocken, der in seinem kleinen Finger mehr Charisma hatte, als die komplette heutige Bundesregierung zusammengenommen.)
Meiner Ansicht nach waren es die Strukturen der Bundeswehr, die zum Starfighter-Skandal führten. Was Strauß übrigens nicht im Geringsten entschuldigt.
Der Starfighter-Mythos, Teil 2.)

Nachtrag: 05.07. - 18:06: Zahlenangaben korrigiert.

Dienstag, 8. April 2008

Seid wann ist in Nordeuropa das Segel bekannt?

Ich stolperte gestern im an sich hervorragenden Wikipedia-Artikel über Jürgen Spanuth unter dem Punkt "Kritik" über folgende Aussage:
3.) In der nordischen Bronzezeit gab es noch keine Segelschiffe, sondern nur Ruderschiffe. Die Verwendung von Segeln ist für Mittel- und Nordeuropa erst ab 700 n. Chr. belegt (Beginn der Wikinger-Zeit) und begann frühestens um 200 v. Chr. Tacitus beschreibt in seiner "Germania" die Schiffe der Skandinavier sehr ausführlich und erwähnt unter anderem "... Auch benutzen sie keine Segel ...".
Eine Aussage, der ich nicht ganz zustimmen mag. (Allerdings ändert meine Skepsis gegenüber diesem Einzelpunkt nichts daran, dass zentrale Elemente von Spanuths Thesen im Licht des derzeitigen Forschungsstandes nicht aufrechtzuhalten sind. Wenn sie denn überhaupt jemals stichhaltig waren.)
Ein allgemeines Problem bei solchen Aussagen ist die räumliche und zeitliche Perspektive. Im "Wikipedia"-Artikel wird auch erwähnt, dass das Verfahren, aus Bernstein unter Zugaben von Leinöl Bernsteinlack herzustellen erst seit dem Mittelalter bekannt sei. Dass heißt aber nicht, dass Bernsteinlack nicht doch vorher hergestellt werden könnte (Wissen und Fertigkeiten können verloren gehen) oder vielleicht in außereuropäischen Kulturen, z. B. in China, bekannt gewesen sein könnte.
So pauschal wie behauptet ist die Aussage "die Verwendung von Segeln ist für Mittel- und Nordeuropa erst ab 700 n. Chr. belegt" falsch.
Zu "Mitteleuropa" gehören auch die bis ca. 450 u. Z. römische Gebiete an Rhein und Donau - und die Römer verwendeten das Segel, und zwar nachweislich auch auf Rhein und Donau. Es wäre sehr überraschend, wenn dieses Wissen mit dem Untergang des weströmischen Reiches einfach verschwunden wäre.
Dann ist es unstrittig, dass die Friesen, in deren Hand der Seehandel im Nordseegebiet zwischen ca. 450 und der "Wikingerzeit" lag, das Segel verwendeten. Wenn man den mönchischen Chronisten der frühen Karolingerzeit glauben mag, gab es zwischen dem friesischen Dorestadt und Südengland einen gut organisierten Schiffsverkehr, und zwar mit Segelschiffen.
Aber die Frage nach der mittelalterlichen Seefahrt "vor den Wikingern" ist gar nicht relevant. Die für Spanuths "Atlantistheorie" relevante Frage lautet: Gab es in der Bronzezeit im Nordseeraum Segelschiffe?
Die herkömmliche Antwort lautet: "Nein. Wahrscheinlich gab es vor 200 v. u. Z keine Segelschiffe in Nordeuropa, in Skandinavien gab es noch 400 Jahre später nur Ruderschiffe."

Allerdings gibt es bronzezeitliche Bootsfunde in England, von Booten, deren Form nahelegt, dass sie besegelt sein könnten.
Das 2,40 m breite und mindestens 18 m lange "Boot von Dover" The Dover Bronze Age Boat könnte ein Segel getragen haben. Eine Rekonstruktion des kleineren Bootes von North Ferriby erwies sich tatsächlich als guter Segler: Bronze Age. Allerdings ist das noch kein absolut "wasserdichter" Beweis für bronzezeitliche Segelboote im Nordseeraum; dazu müsste ein Mastfuß, eine "Mastfischung", oder irgendetwas vergleichbares, was einem Mast Halt gegeben hat, nachgewiesen werden.
Außerdem würde das nur beweisen, dass es ca. 1500 v. u. Z. im Nordseeraum besegelte Wasserfahrzeuge gegeben hat - auf der anderen Seite der Nordsee mag es anders gewesen sein. (Obwohl vieles auf bronzezeitlichen Handel zwischen Jütland und Ost-England hindeutet.)

Dass es in der Bronzezeit im südlichen Skandinavien Schiffbau gegeben hat, ist angesichts der vielen Schiffsdarstellungen unstrittig. Auf den hunderten jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen "Hällristningar-Schiffen", in Felsen geritzte Zeichnungen von Booten und Schiffen, z. B. in Brandskogen (Schweden) Fossum (Schweden), Hegra (Norwegen) und vielen Orten mehr, ist aber nirgendwo eine Besegelung zu erkennen. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass in Nordeuropa das Segel nicht bekannt war? Nicht ganz, denn auf den hochbronzezeitlichen Felszeichnungen von Järrestad (Südschweden) ist ein Schiff zu erkennen, dass eindeutig eine Takelage hat. Damit ist die Frage wieder offen. (Und es stellt sich die Frage, wieso denn sonst nur Boote und Schiffe ohne Mast und Segel abgebildet wurden.)
Interessant für die Frage, ob im bronzezeitlichen Nordeuropa Segelschiffe gab, sind auch die im Skandinavien und Dänemark nicht seltenen Schiffssetzungen. Das sind Steinsetzungen bzw. "Steinkreise" mit schiffsförmigen Umrissen. Die berühmteste Schiffssetzung ist die frühmittelalterliche Anlage von Kåseberga (in Südschweden bei Ystad und in jedem zweiten "Komissar Wallander"-Fernsehkrimi zu bewundern), deren größtes "Steinschiff" immerhin 67 m lang ist, bei für Wikingerschiffe realistischen Proportionen - vielleicht ein Hinweis auf wirkliche Schiffe dieser Größe. Interessanter für unsere Frage sind aber die aus kleineren Steinen bestehenden Schiffssetzungen aus der Bronzezeit. Sie sind meistens relativ klein, mit Längen zwischen 8 und 16 Metern, aber es gibt auch viel größere, wie das Steinschiff von Gannarve mit 29 m Länge oder die beiden Schiffe von Gnisvärd (auf Gotland), von denen das kleinere immerhin 37 m, das größere sogar 45 m lang ist. Interessant ist, dass die Stevensteine an Bug und Heck wie auf einem echten Schiff höher sind, und das die Höhe der übrigen Steine den Sprung des Dollbordes korrekt nachbildet, d. h. sie sind mittschiffs am niedrigsten und werden zum Bug und Heck in einer ansteigenden Kurve höher. Interessant ist das Verhältnis von Länge und Breite - es beträgt bei den großen Schiffen 1 : 6, bei den kleineren dagegen nur 1 : 4 oder nur 1 : 3. Das gibt die Proportionen wirklicher Schiffen wieder, die relativ gesehen bei großen Schiffen stets schlanker sind als bei kleinen.
Das deutet darauf hin, dass reale Schiffe als Vorbilder dienten.
Was auch noch auffällt: es sind für Segelschiffe typische Breite-Längeverhältnisse. Nordeuropäische Ruderschiffe, wie das berühmte Nydam-Boot oder das Schiff von Kvalsund, sind erheblich schlanker, ihre Breite - Längeverhältnis liegt zwischen 1 : 6 und 1 : 8.
All das deutet darauf hin, dass es wahrscheinlich schon lange vor der "Wikingerzeit" Segelschiffe in Nordeuropa gab. Allein - der wirklich hieb- und stichfeste Beweis dafür steht noch aus.
"Atlantis"-Lokalisierungstheorien, die das Reich aus Platons Lehr-Mythos in den Norden verlegen, stehen auf einem ganz anderen Blatt. Einem, das man meines Erachtens unter "pseudowissenschaftliche Spekulationen" abheften kann.

Samstag, 25. August 2007

Alles schön bunt hier ... der "Farbfernsehkrieg"

Vor genau 40 Jahren, am 25. August 1967, begann das das deutsche Farbfernsehzeitalter mit einer entlarvenden Panne: wenige Sekunden bevor der damalige Vizekanzler, Bundesaußenminister Willy Brand per Knopfdruck den "Startschuss" für das
Farbfernsehen
gab, wurde bereits im Regieraum die "Farbe aufgeschaltet". Da es allerdings nur wenige Farbfernsehzuschauer der erste Stunde gab (es gab nur 5800 angemeldete Farbgeräte), blieb das ungewollt treffende Symbol eines symbolisches Aktes dem Publikum verborgen - jedenfalls bis zum Erscheinen der Tageszeitungen am nächsten Tag: der Druckknopf war nichts als eine Attrappe.

Im selben Jahr, am 1. Oktober 1967, begann auch in Frankreich das Farbfernsehzeitalter: mit einem eigenen Farbfernsehverfahren, abgekürzt SECAM, dass mit dem deutschen PAL-Verfahren inkompatibel war. Schon 1954 startete in den USA das Farbfernsehen nach der NTSC-Norm (National Television System Committee), die allerdings gegenüber Farbtonverfälschungen durch Übertragungsfehler anfällig war, die von Hand nachjustiert werden mussten ("Never The Same Color"). SECAM (Système En Couleur Avec Mémoire) und PAL (Phase Alternation Line) beseitigten diesen Nachteil um den Preis eines größeren Schaltungsaufwands.
Zu den technischen Aspekten von PAL, SECAM und NTSC verweise ich auf die Wikipedia.

Im Streit um die verschiedenen Farbfernsehsysteme ging es nicht etwa um das technisch beste System - der Konflikt wurde von wirtschaftlichen und politischen Interessen bestimmt. Da die Fernsehsysteme Patentschutz genossen, hatte die an der Entwicklung beteiligte Industrie ein sehr starkes Interesse daran, dass "ihr" System möglichst weit verbreitetet wurde.
Die us-amerikanischen (und japanischen) Elektronikindustrie hätte es gern gesehen, wenn sich die Union der Europäischen Rundfunkanstalten (EBU) dem in jenen Ländern eingeführten NTSC-System zuzustimmen. Die meisten Mitglieder der EBU verwiesen aber darauf, dass SECAM und PAL qualitativ besser seien - was allerdings nur ein Teil der Wahrheit war: Der ohnehin nicht leicht zu erschließende Markt für die zunächst teuren Farbfernsehgeräte (sie waren anfangs etwa viermal so teuer wie Schwarzweiß-Geräte) musste sich schon über Europa erstrecken, um für einen Hersteller überhaupt interessant zu sein. Was man am wenigsten wollte, war zusätzliche Konkurrenz aus den USA und Japan auf dem "heimischen Markt" - wenn z. B. Sony unbedingt Farbfernseher auf dem europäischen Markt anbieten wollte, dann sollten die Japaner wenigsten ordentlich Lizenzen für die Patente zahlen. ("Pay Another License" für PAL oder "Système Élégant Contre l'AMérique" für SECAM.)
Bemerkenswert ist, wie lange der Streit um eine möglichst einheitliche europäische Fernsehnorm den Start des Farbfernsehens verzögerte.SECAM wäre schon Ende der 1950er Jahre einsetzbar gewesen - 1956 meldete Henri de France sein SECAM-Verfahren zum Patent an. Der französische Präsident Charles De Gaulle verfolgte seit 1958 eine Politik, die Frankreich als technologische Großmacht etablieren sollte. Das eigene Farbfernsehsystem bot De Gaulle dafür optimale Chancen, denn als einer der ersten Politiker Europas hatte er die Macht und die Möglichkeiten des Fernsehens erkannt.
Die Entwicklung von PAL war ursprünglich nicht geplant gewesen. Der Ingenieur Walter Bruch erhielt von seinem Arbeitgeber, den Telefunken-Werken, den Auftrag, sich die beiden konkurrierenden Systeme einmal näher anzusehen. Dass er ein neues Farbfernsehsystem entwickeln sollt, stand nicht in seinem Auftrag. Telefunken erkannte aber schnell die kommerziellen Möglichkeiten, die das von Bruch zunächst auf eigene Faust entwickelte System bieten würde, und schaffte es, andere Elektronikhersteller mit ins Boot zu bekommen - besonders wichtig waren dabei die niederländischen Phillips-Werke, die sich damals zum ersten transnationalen Elektronikkonzern entwickelten. (Auch das englische Akronym "PAL" sollte den "internationalen Charakter" betonen - gerade Telefunken litt - durchaus zu Recht - unter dem Image, allzu eng mit den Nazis und der Rüstungsindustrie "verheiratet" gewesen zu sein.) Da PAL SECAM qualitativ überlegen war, machte sich die "PAL-Koalition" einige Hoffnungen, dass sich ihre Entwicklung durchsetzen könnte. Telefunken startete nach der Patentanmeldung 1963 eine aufwendige internationale Werbetournee für das PAL-System.
Damit begann eine heikle politische Gradwanderung. Speziell vor dem Hintergrund des 1963 geschlossenen deutsch-französischen Freundschaftsvertrages war die Konkurrenz auf fernsehtechnischem Gebiet für die Politiker beider Staaten eine brisante Situation. In Frankreich übersetzte man "PAL" damals mit "Provocation ALlemand".
1965 eskalierte der Konflikt, als ein Skandal alle bis dahin geschehenen Bemühungen um ein einheitliches europäisches System zunichte machte. Bei ihrer Zusammenkunft auf der CCIR-Konferenz in Wien, wo Techniker aus ganz Europa über ein einheitliches Farbfernsehsystem diskutieren wollten, erfuhren die Fernsehexperten aus der Presse von einem sowjetisch-französichen Vertragsschluss. Die UdSSR war mit der Einführung eines eigenen Farbfernsehsystems (NIR) gescheitert und entschied sich auch aus politischen Gründe für SECAM, denn eine Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland, die damals mit den "Ostblock"-Staaten (außer der UdSSR) keine diplomatischen Beziehungen unterhielt, war problematisch, und Frankreich war bereit, die Ausfuhr von Studio- und Übertragungstechnik in den "Osten" zu subventionieren.
Zwei Tage vor der entscheidenden Konferenz waren somit für den gesamten "Ostblock" die Würfel für SECAM gefallen. Die erwartete Sogwirkung auf die westeuropäischen Staaten blieb aber aus. Trotz zahlreicher SECAM-Vorführungen auf der ganzen Welt und massivem politischen Druck war das deutsche PAL-System nicht vom Markt zu verdrängen - was auch an der Hartnäckigkeit der hinter PAL stehenden Industrie zu verdanken waren. Europa war in der Folge durch eine "Farbfernsehgrenze" getrennt, im Nahe Osten entstand sogar ein Farbsystem-Flickenteppisch (der inzwischen zugunsten von PAL bereinigt ist).
Auf den Märkten Südamerikas und Ostasiens war NTSC auch noch nicht aus dem Rennen - sein Vorteil: die Empfänger waren einfacher und damit preisgünstiger. PAL wurde als "Pay Additional Luxury" (bezahle für zusätzlichen Luxus) verspottet. Mit den sich damals durchsetzenden Transitorschaltungen verringerte sich der Preisvorteil von NTSC deutlich.

Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil ist das entscheidende Hindernis bei der Konventierung unterschiedlicher Fernsehnormen nicht das jeweilige Farbfernsehverfahren. Als das Fernsehen der DDR 1969 zum 20.Jahrestag der DDR-Gründung den SECAM-Betrieb aufnahm, tauchten schon sehr bald einfache, oft selbgebastelte PAL-Adapter für das "Westfernsehen" auf. In den 1980er-Jahren waren die meisten in der DDR verkauften Farbfernseher schon werkseitig zweisystemtauglich, was die Umstellung auf PAL "nach der Wende" erheblich erleichtete. (Übrigens arbeitete das DDR-Fernsehen, wie die meisten SECAM-Länder, schon vor der Wende mit PAL, da Überblendungen in SECAM-Format nicht möglich sind und wandeln das Signal erst vor der Ausstrahlung nach SECAM um. Deshalb konnte man auch das DDR-Fernsehen nach der Wende problemlos auf PAL umstellen.) In Brasilen gab es einige Zeit lang nebeneinander PAL und NTSC, ohne das dass zu nennenswerten Probleme geführt hätte.

Schwierigkeiten bei der Konvertierung machen vielmehr unterschiedliche Abtastgeschwindigkeiten (30 Bilder pro Sekunde in den USA, 25 Bilder pro Sekunde in Europa) und Bildauflösungen (486 Zeilen in den USA, 625 Zeilen in Europa). Allerdings werden diese Schwierigkeiten mit Fortschreiten der Digitaltechnik zunehmend geringer, wie auch die Bedeutung der analogen Fernsehsysteme zusehens schrumpft. Zwischen PAL und SECAM besteht auf einem digitalen Medium kein Unterschied mehr – ein PAL-DVD-Player erzeugt aus einer "PAL-DVD" ein analoges PAL-Videosignal, ein SECAM-DVD-Player aus der gleichen DVD ein analoges SECAM-Videosignal. Fast alle PAL-DVD-Spieler erzeugen aus NTSC-DVDs ein PAL-60 genanntes PAL-ähnliches Signal, mit dem fast alle neueren PAL-Fernsehgeräte problemlos zurechtkommen.

ZEIT-Artikel von 1966 über den "Farbfernsehkrieg": Warten auf die bunte Scheibe.

Dienstag, 26. Dezember 2006

"Alteisen Schlachtschiff" - oder: ein nur scheinbar unwichtiges Detail in einer beliebten Verschwörungstheorie

In den Raunächten, zwischen dem 22. Dezember und dem 2. Januar blogge ich Texte, die ich irgendwann einmal angefangen habe und die lange als halbfertige Entwürfe oder als Notiz herumlagen, aber auch Ergänzungen älterer Artikel. Das hier ist eine ausstehende Anwort auf einen kenntnissreichen kritischen Kommentar.

Das hier ist ein ergänzender Beitrag zu Die Legende vom Perlenhaufen in dem ich auf die Verschwörungstheorie um den japanischen Angriff auf Pearl Habor einging, und vor allem auf den Kommentar, den "Njörd" dazu gab: er ist der Ansicht, dass Schlachtschiffe 1941, von ganz konservativen Admiralen und einer "Schlachtsschifflobby" abgesehen, unter Experten allgemein als veraltet angesehen wurden. Kommentar von Njörd

Diese Frage sieht nach militärhistorischer Haarspalterei aus. Weil sich an ihr einige typische Eigenheiten militärischer Verschwörungstheorien zeigen lassen, und weil die "Pearl Habor-Verschwörungstheorien" die direkte Vorbild aktueller Verschwörungstheorien, vor allen der "11. September 2001 Verschwörungstheorien" ist, habe ich mich darauf eingelassen.
Dabei ist es von Vorteil, dass "Njörd" kein "echter" Verschwörungsfan ist.

Von Verschworungstheoretikern wird allgemeinen vorausgesetzt, dass die Verschwörer nicht nur sehr viel besser informiert sind als der normale Bürger, sondern auch als "gewöhnliche" hohe Offiziere oder "gewöhnliche" Regierungsmitglieder und selbst "gewöhnliche" Geheimdienstler. Alle relevanten Fakten stünden den "grauen Emminenzen" zur Verfügung.
Reale Geheimprojekte, wie die "Operation Ultra" zur Entschlüsselung der mittels der Verschlüsselungsmaschine "Enigma" übermittelten Geheimbotschaften, nährten diese Gerüchte. Allerdings sind "Informationen" und "Wissen" nicht dasselbe. In der historischen Erfahrung hat sich oft gezeigt, dass, obwohl die "Entscheider" über alle wichtigen Informationen verfügten, es ihnen nicht gelang, die richtigen Entscheidungen zu fällen, weil ihr Weltbild in entscheidenden Punkten nicht stimmte. Die Bürgerrechtsbewegung in der DDR war flächendeckend mit Spitzeln durchsetzt, die Stasi kannte intimste Details aus dem Leben aller auch nur halbwegs wichtigen Oppositionellen - was der politische Führung der DDR allerdings nicht half, weil sie Gesamtsituation falsch einschätzte. Aus dem selben Grund bewahrte "Ultra" die alliierten Truppen nicht vor empfindlichen Rückschlägen infolge der Fehleinschätzung des Gegners.

Die "Pearl Habor Verschwörungen" setzen drei Dinge voraus: 1. die hochrangigen Verschwörer wußten bzw. nahmen an, dass Schlachtschiffe im kommenden Seekrieg gegen Japan entbehrlich sein würden, 2. sie waren über die japanischen Angriffspläne informiert und 3. sie schätzten die Japaner jederzeit richtig ein. Das setzt erheblich mehr voraus, als das eine Geheimdienststelle rechtzeitig in den japanischen Schlüssel eingebrochen wäre. Sie setzten ein zutreffendes Bild der Gesamtlage voraus. Im Nachhinein ist diese Bild relativ einfach zu gewinnen, zur Zeit der Geschehens war es reine Glückssache, ob die vorhandenen Puzzleteile rechtzeitig zusammengesetzt worden wären.

Bei einer Vorwarnzeit von weniger als einem Tag wäre es z. B. nicht mehr möglich gewesen, die Schlachtschiffe auslaufen zu lassen (sie hätten erst seeklar gemacht werden müssen, z. B. hätte die Kessel erst angeheizt werden müssen, Heizöl gebunkert und Munition übernommen und die im Landurlaub befindlichen Besatzungen zusammengetrommelt werden müssen - und die USS Pennsilvania lag sogar ohne Propeller zur Überholung im Dock).
Es wäre den Verschwörern aber auch bekannt gewesen, dass japanische U-Boote von der Hafenausfahrt postiert werden sollten, die die auslaufenden Schiffe torpedieren sollten. Wegen dieser Gefahr wäre die "dicken Pötte" vermutlich trotz Warnung "auf dem Präsentierteller" der Battleship-Row geblieben, weil nach allgemeiner Auffassung das Risikos eines Torpedoangriffs im Hafen relativ gering war (trotz des erfolgreichen Angriffs auf die italienische Flotte in Taranto) es aber nach den bitteren Erfahrungen der Briten ohne weiteres möglich war, Schlachtschiffe mit U-Boot-Torpedos zu versenken. (Die Briten hatten bis zum 7. Dezember 1941 zwei Schlachtschiffe und zwei Flugzeugträger durch deutsche U-Boote verloren.) Auch Admiral Yamamoto war sich bis zuletzt keineswegs sicher, dass sein Plan funktionieren würde.

Am Rande bemerkt: Ein weiterer Aspekt wird von den meisten Verschwörungstheoretikern gern falsch eingeschätzt: "Cover up", groß angelegte Vertuschung, setzt nicht zwangsläufig eine vorangegangene Geheimplanung voraus. Oft werden "nur" Inkompetenz und Chaos verschleiert. Inkompetenz und Chaos gab es im Umfeld von "Pearl Habor" allerdings in einem peinlichen Ausmaß. (So peinlich, dass es noch der Film "Pearl Habor" von 2001 kräftig schönfärbte und verschleierte. Im Gegensatz übrigens zum weitaus ehrlicheren Film "Tora, Tora, Tora!")

Zu den Schlachtschiffen: wie ich schon in meinen vorangegangenen Artikel erwähnte, waren die in Pearl Habor liegenden Schlachtschiffe, gemessen an den Schlachtschiffen anderer Marinen, vor allem den japanischen, keinesweg veraltet oder auch nur sonderlich alt.

Drei Faktoren sind zu berücksichtigen: 1. Schlachtschiffe waren die teuersten Waffensysteme ihrer Zeit. Der Bau eines Schlachtschiffs der "North Carolina" Klasse kostete etwa so viel wie der zweier großer Flugzeugträger der "Essex"-Klasse, von zwölf großen Zerstörern, z. B. der "Fletcher"-Klasse oder von 40 U-Booten. Die Folgerung: der taktische und strategische Nutzen eines Schlachtschiffes (und sein Prestigewert) mußte schon sehr hoch eingeschätzt werden, um Neubauten zu rechtfertigen. Das schlechte "Kosten-Nutzen-Verhältnis" war der Hauptgrund, weshalb nach dem 2. Weltkrieg die Schlachtschiff-Ära endete.
2. Es dauerte rund fünf Jahre vom Baubeginn bis zur Einsatzreife eines Schlachtschiffes. Das heißt: das Flottenbauprogramm ist extrem träge. Die Japaner konnten sich also genau ausrechen, dass sie ab 1943 der US-Flotte bei Flugzeugträgern und Schlachtschiffen hoffnungslos unterlegen waren. Was auch zwanglos erklärt, weshalb Yamamoto seine Piloten anwies, nur Schlachtschiffe und Flugzeugträger zu versenken - weil ein eventueller Ersatzbau eines Dickschiffes erst 4 bis 5 Jahre später frontreif gewesen wäre, zu spät für den gerade begonnenen Krieg. Das erklärt auch die aufwendigen Bergungen, Reparaturen und Modernisierungn von sechs in Pearl Habor versenkten bzw. beschädigten Schlachtschiffe - es ging weitaus schneller als ein Neubau.
Übrigens belegt die Wiederindienststellung der Pear Habor-Schlachtschiffe wie die Tatsache, dass die USA 1939, beim Beginn des Krieges in Europa, zehn Schlachtschiffe, aber "nur" sechs Flugzeugträger im Bau hatten, dass Schlachtschiffe nach allgemeiner Ansicht noch nicht als veraltet gegolten haben können.

Selbst wenn die Marineleitung der USA 1941 der Meinung gewesen wäre, dass Schlachtschiffe veraltet seien - sie mußten das Material nehmen, das bereits vorhanden war, und nicht die theoretisch beste Marine für den Kampf gegen Japan und (nicht zu vergesessen) die im Atlantik aktiven deutschen U-Boote.

Waren Schlachtschiffe 1941 tatsächlich Alteisen?

1921 bewies US-Brigadegeneral Billy Mitchell zwar durch Versuche, dass Flugzeuge mit Bomben oder Torpedos jedes Schiff versenken konnten - sehr zum Mißvergnügen der Admiralität. Allerdings zeigte sich bald, dass der Deckspanzer moderner Schlachtschiffe, anders als der noch relativ schwache Deckspanzer der durch Mitchells Flieger versenkten "Ostfriesland", nicht nur Granaten, sondern auch Bomben gut standhalten konnte. Im 2. Weltkrieg zeigte sich, dass Schlachtschiffe nur durch Präzisionsbombardement mit aus großer Höhe abgeworfenen Panzersprengbomben versenkt werden konnten - was nur möglich war, wenn das Schiff sich nicht bewegte. Erstmals gelang das den Japanern bei der Versenkung der USS "Arizona" in Pearl Harbor.

Anders der Flugzeugtorpedo: damit war es tatsächlich möglich, ein Schlachtschiff auf See zu versenken. In der Praxis lief das darauf hinaus, dass das Schlachtschiff durch Torpedotreffer an der "Archillesferse" der gepanzerten Riesen, den Propellern und der Ruderanlage, "gelähmt" wurde, um dann durch weitere Torpedos, Bombentreffer oder auch Schiffsartellerie "erledigt" zu werden. Aber auch hier war ein Schlachtschiff aufgrund der enormen Feuerkraft seiner Flak kein angenehmer Gegner für angreifende Flieger.

Der zweite "Schlachtschiff-Killer" war das U-Boot. Allerdings waren solche Angriffe für die U-Boot-Besatzungen äußerst riskant, auch wegen der in der Regel die Schlachtschiffe begleitenden "Hauptfeinde" des U-Bootes, der Zerstörer.

Nicht zu vergessen: selbst im 2. Weltkrieg war der gefürchtetste Gegner eines Schlachtschiffes ein anderes, womöglich stärkeres Schlachtschiff. Es gab im Japanisch-Amerikanischen Seekrieg sogar noch einmal eine "klassische" Seeschlacht ohne Flugzeug- und U-Boot-Angriffe.
Allerdings war das Konzept der "Schlachtentscheidung" in 2. Weltkrieg völlig überholt und die Vorstellung von der praktisch unversenkbaren schwimmenden Festung, an der einige Admiräle noch bis 1939 festhielten, widerlegt. Es war eine makabere Kosten-Nutzenrechnung: die beiden Schlachtschiffe, deren Versenkung am teuersten war, waren die deutschen Schlachtschiffe "Bismark" und "Tirpitz". Aber selbst wenn man den Verlust des riesigen, aber gut 20 Jahre alten Schlachtkreuzers HMS "Hood" einrechnet, waren die britischen "Investitionen" zur Versenkung der "Bismark" geringer als die Baukosten des deutschen Schlachtschiffes.
(Solche makaberen Gewinn- und Verlustrechnungen sind ein entscheidender Faktor in der Kriegsführung. Sogar die Ausbildungskosten für die im Gefecht getöteten oder beim Sinken ertrunkenen Soldaten werden dabei eingerechnet.)

Selbst ein allwissender Verschwörer wäre 1941 zu dem Schluß gekommen: Neubau von Schlachtschiffen rechnet sich kriegsökonomisch nicht, aber aus den schon vorhandenen Schlachtschiffe muß maximaler "Nutzen" herausgeholt werden.
Schlachtschiffe waren nach wie vor "nützlich" zur Beschießung von Landzielen mit überschwerer Atellerie und als schwere Begleitschiffe für Flugzeugträger. Speziell für diese Zwecke waren die letzten Schlachtschiffe, die vier schnellen Schlachtschiffe der "Iowa"-Klasse konstruiert, die noch bis in die 1990 Jahre einsatzfähig gehalten wurden.
Nach dem Ende der 2. Weltkriegs fehlten den noch vorhandenen britischen und amerikanischen Schlachtschiffen buchstäblich die Feinde - die UdSSR, Gegner im Kalten Krieg, war erst ab den 1960er Jahren eine ernstzunehmende Seemacht. Die dicken Pötte waren schlicht überflüssig.
Übrigens galten auch die Flugzeugträger nach dem 2. Weltkrieg wegen ihrer erwiesenen relativ leichten Verwundbarkeit als veralteteter Schiffstyp. Generalsekretär Nikita Chrustschow nannte sie noch bei seinem USA-Besuch 1958 "schwimmende Särge". Es war schon der Koreakrieg, der zeigte, dass die Träger für amphibische Operationen unentbehrlich waren.

Zuletzt noch zwei hypothetische Szenarien: was wäre, wenn die Schlachtschiffe rechtzeitig ausgelaufen wären und die Flugzeuge auf den Rollfeldern nicht zerstört worden wären?
Trotzdem wäre der Angriff auf Pearl Harbor ein mobilisierender Schock für die US-Bevölkerung gewesen. Wenn es überhaupt eines solchen Schocks für einen Kriegseintritt noch bedurft hätte.
Was wäre, wenn aber die beiden Flugzeugträger versenkt worden wären? Ein Blick auf die Flottenbauprogramme und die vorhandenen Reserven zeigt: das wäre allenfalls eine vorübergehende Schwächung der US-Navy gewesen. Im Jahre 1942 verloren die USA immerhin vier große Flugzeugträger - und erst Anfang 1943 waren die ersten beiden neuen Träger der "Essex"-Klasse fertig. Die Zeit und die stärkere Rüstungindustrie arbeitete für die USA.
Ein weitaus schmerzlicher Verlust wären die Tanklager von Pearl Habor gewesen. Treibstoffmangel hätte die USA-Streitkräfte stark in die Defensive gedrängt. Allerdings hätte auch in dieser Konstallation Japan den Krieg gegen die USA nicht gewinnen können, da der deutsche Verbündete selbst in der Defensive war und längst nicht so viele allierte Kräfte binden konnte, wie es Japan erhofft hatte.
Wäre der 2. Weltkrieg ein Stategiespiel, wäre er Ende 1941, nachdem der deutsche Vormarsch vor Moskau gestoppt worden war, vorbei gewesen. Er war für die "Achsenmächte" nicht mehr zu gewinnen. Leider sind Kriege keine Strategiespiele.

Dienstag, 19. September 2006

Har, har - heute ist "Talk like A Pirate Day"

Persönliches Blogbuch Martin M., Kommandant der "Senfpott", auf Kaperfahrt im Webozean, derzeitige Position 53 Grad 30 Minuten Nord, 10 Grad 11 Minuten Ost:
Dreki "Cynx" auf Kurs Nord-Nord-West ausgemacht. Längsseits gegangen. Erfuhren von der
"Cynx" dass heute Talk like A Pirate Day" ist.

Trifft sich gut, denn die letztes Wochenende erfolgreich Jubliäum gefeiert habenden Rebellen des Hamburger Hafenrandes haben es ja auch ganz schwer und heftig mit den Piraten. Pirate Content ist sowieso schon regelmäßiger Törn auf meinem Blog-Ewer - hier: Pirate Content, hier Piratenflagge Schwarzrotgold und hier:Sozialromantische Piraten.

Confiance kapert Kent
Die "Confiance" kapert die "Kent"(Bild gekapert bei Wikipedia.)

Klönen wir mal ´n bischen über Piratenschiffe. Da ist mir neulich was aufgefallen, in der Wikipedia. Da steht:
Will man Filmen und Abenteuerliteratur glauben, so führten die Piraten Fregatten oder Linienschiffe.
(Kommt schon vor, aber da hat der Autor wohl andere Bücher gelesen als ich.)
Im allgemeinen waren die Schiffe der Piraten aber tatsächlich fast lächerlich klein.
Das stimmt allerdings, von einigen Staatspiraten, pardon Kaperfahrern, und den ganz dicken Haien mal abgesehen.
Schnelligkeit und Wendigkeit eines Schiffes nehmen ab, je größer das Schiff wird.
Ja, und das ist falsch! Bei Seglern heißt es nicht umsonst "Länge läuft". Aus gleich zwei Gründen: Die theoretische Rumpfgeschwindigkeit nimmt mit der Wasserlinienlänge zu. Sie beträgt bei einer Wasserlinienlänge von 40 m (z. B. einer Fregatte) etwa 15,4 Knoten bzw. 28,5 km/h - in der Praxis kann ein "klassischer Verdränger" etwas, aber nicht viel, schneller sein - die schnellsten Segelfregatten schafften bei sehr gutem Wind 16 Knoten. Ein typisches Kaperschiff, z. B. eine Brigantine, ist vielleicht halb so lang - 20 m - und hat eine Rumpfgeschwindigkeit von großzügig gerechnet knapp 11 Knoten (etwas über 20 km/h). Der andere Grund ist, dass lange Schiffe ein schlankeres Längen-Breitenverhältnis haben können, ohne die gerade für Segelschiffe so wichtige Formstabilität zu gefährden. Schlankere Schiffe sind im Verhältnis zu Gesamtgröße schneller.
(In der Praxis habe ich das vor Jahren an Bord der "Seute Deern II" erlebt. Dieser ehemaliger Frachtsegler überholte locker reihenweise schnittige Sportyachten. (Theoretische Rumpfgeschwindigkeit der "Seute Deern" ca. 13 kn, theoretische Rumpfgeschwindigkeit einer 12m-Yacht ca. 8,4 kn, Längen-Breitenverhältnis der SD ca. 5 : 1, der Yacht 3 - 3,5 : 1 .) Die "Seute Deern" lief damals übrigens 9 Knoten, und in der Praxis hat sie niemals mehr als 12 Knoten bei besten Bedingungen geschafft (eher weniger) - aber von 9 Knoten kann eine kleine Einrumpf-Yacht nur träumen.)
Was stimmt: kleine Schiffe sind wendiger, was ihnen auf Kreuzkursen durchaus Geschwindigkeitsvorteile verschafft. Aber ein Handelsschiffkapitän wird bestimmt nicht gegen den Wind kreuzen, wenn er ein Piratenschiff im Kielwasser hat.

So, Leudde, mit diesem Wissen im Hinterkopf wird's amüsant:
Die Piraten gaben den Segeleigenschaften und der Beweglichkeit im Manövrieren den Vorzug. Der Korsar Robert Surcouf zum Beispiel hätte als einer der reichsten Männer Frankreichs durchaus das Geld gehabt, sich ein Linienschiff mit 100 Kanonen bauen zu lassen. Aber dieses Schiff hätte bestenfalls 7 Knoten gemacht.
Har - Nelsons "HMS Victory" schaffte nachweislich über 9 Knoten. Ein in etwa baugleicher, aber zugunsten der Fracht nur leicht bewaffneter Ostindienfahrer - Surcoufs bevorzugte Beute - war etwa genau so schnell.
Stattdessen fuhr er lieber mit einer leichten Korvette mit 18 Kanonen und extrem hoher Takelage und war damit schneller als seine Gegner oder Opfer.
Surcoufs "Confiance" war für ein Kaperschiff schon außerordentlich groß - 57 m Länge über Bugsprit, 39 m Länge über alles, gut 35 m Wasserlinienlänge, damit über 14 kn Rumpfgeschwindigkeit - mit so einem Schnellsegler konnte er die Taktik der Verfolgungsjagd anwenden, die sich Otto Normalpirat mit seiner ollen Schaluppe verkneifen mußte. Aber vor den noch schnelleren und vor allem mit 32 - 46 Kanonen bewaffneten britischen Fregatten mußte auch ein Surcouf sich hüten. (1805 wurde die "Confiance" von der britischen Fregatte HMS "Loire" aufgebracht.)
Zum Bild: es stammt vom französischen Marinemaler Ambroise Louis Garneray und wurde 1816, 16 Jahre nach dem Gefecht, angeblich nach Augenzeugenberichten, gemalt. Die "La Confiance" ist korrekt wiedergegeben, der Ostindienfahrer "Kent" im Großen und Ganzen auch (er war aber weniger hochbordig) aber die Größenverhältnisse sind herorisierend verzerrt. (Die "Kent" war "nur" etwa doppelt so groß wie die "Confiance".) Außerdem wirkt der Frachtsegler "Kent" auf dem Bild wie ein sich heftig wehrendes schwer bestücktes Kriegsschiff. Entgegen französischen Angaben, die der "Kent" 40 Kanonen und 400 Mann Besatzung andichteten, hatte das Schiff "nur" 26 Kanonen und dürfte rund 150 Mann Besatzung gehabt haben - die "La Confiance" immerhin 18 (nach anderen Quellen: 20) Kanonen und 160 Mann Besatzung. Surcouf war schon ein toller Hecht, aber ein so toller Kaperfahrer, wie es die französische Legende will, auch wieder nicht.
La Confiance und Kent
Dieses in der französischen Wikipedia gefundene Bild gibt die Größenverhältnisse besser wieder - die Windverhältnisse hingegen wohl nicht. (Man beachte die Richtungen, in die die Flaggen auswehen.)

Mittwoch, 12. April 2006

12. April 1961

Heute vor 45 Jahren flog Juri Gagarin als erster Mensch mit der Raumkapsel "Wostok 1" ins All. Eine außerordentliche technische Pionierleistung - und ein lebensgefährliches Unternehmen. Erst nach dem Ende der UdSSR wurde im vollem Umfang bekannt, wie gefährlich die ersten sowjetischen Raumflüge gewesen waren.
Encyclopedia Astronautica: Vostok 1

Genau 20 Jahre später, am 12. April 1981, flog erstmals ein wiederverwendbare Space Shuttle Orbiter, die "Columbia". Encyclopedia Astronautica: STS1

Sonntag, 19. Februar 2006

Heute vor 20 Jahren: Mir erreicht den Orbit

Nur kurz nach der bis dahin größten Katastrophe der US Raumfahrt (Vor 20 Jahren: Space Shuttle CHALLENGER explodiert) errang die bemannte Raumfahrt der UdSSR ihren letzten Triumpf. Der Basisblock der modular aufgebauten Raumstation MIR erreichte die Umlaufbahn. Anfangs ging das Projekt in den Medien etwas unter, denn der Basisblock war nicht viel größer als die bisher verwendeten kleinen Orbitalstationen vom Typ SALJUT - und wesendlich kleiner als die US-Station SKYLAB von 1973. Leider fanden die scheinbar zahlreichen Pannen (die bei einem experimentelllen Projekt nicht zu vermeiden sind) und einige spektakuläre (aber gemeisterte) Unfälle mehr Beachtung als die dort geleistete Forschungs- und Entwicklungarbeit.

Durch den ständigen Ausbau wuchs die Mir zu einem leistungsfähigen Außenposten im All heran. Neben vielen wissenschaftlichen Experimenten wurden hier vor allem Erfahrungen über den Langzeitaufenthalt im Weltraum gesammelt. Einzelne Kosmonauten hielten sich bis zu einem Jahr in der Raumstation auf. Der modulare Aufbau der Mir wurde zum Vorbild für die spätere Internationale Raumstation ISS. In ihrer 15-jährigen Geschichte umrundete die ursprünglich nur für eine Lebensdauer von 7 Jahren ausgelegte Mir die Erde 86.325 Mal in einer Höhe von 390 km über der Erdoberfläche.

Als die Mir startete, war der "kalte Krieg" noch nicht ganz beigelegt, die Pläne der beiden großen Raumfahrtnationen, sich gegenseitig im All zu bekriegen auf beiden Seiten noch aktuell.
Aber schon vor dem Ende der UdSSR wurde die Mir zum Musterbeispiel internationaler Zusammenarbeit auf wssenschaftlichem und technischem Gebiet. Legendär wurde die Mission der Kosmonauten Alexander Wolkow und Sergej Krikaljow, die 1991 noch in der UdSSR starteten - und bei deren Rückkehr 1992 es die UdSSR nicht mehr gab.
1995 dockte der Space Shuttle ATLANTIS zum ersten Mal an die russische Raumstation an.
Am 23. März 2001 wurde die Mir mit drei Bremsschüben des letzten Progress-Raumfrachters zum kontrollierten Wiedereintritt in die Atmosphäre gebracht. Die nicht verglühten Trümmer der Station stürzten um 6.57 Uhr im Zielgebiet in den Pazifischen Ozean.

Die Mir trug ihren Namen, der sowohl "Welt" wie "Frieden" bedeutet, zurecht.

Nachzutragen: Ein wichtiges, ein schönes Lied: Blauer Planet

Für jene, die uns wahrhaft zeigten, dass wir auf einem Planeten leben, und dieser Planet blau ist - ein blauer Saphir im schwarzem Samt des Alls, kostbar und zerbrechlich.

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