Samstag, 24. April 2010

"Da fass' ich mir doch an 'n KOPP!"

Jutta Ditfurth warnte schon vor gut 15 Jahre, dass eine faschistoide Bewegung, die in Deutschland regierungsfähig wäre, nicht von den offen auftretenden Neonazis und auch nicht von der Neuen Rechten getragen würde, sondern von der "verbürgerlichten" früheren Alternativ-Szene. Als Bindeglied zwischen nach eigenen Verständnis "eher linken" Alternativlern und "rechten" Ideen von Ungleichheit, Führerprinzip, Sozialdarwinismus, Ausgrenzung von Minderheiten, Auserwähltheitsdenken, Elitenkult, Selbstoptimierung usw. sah sie die "Esoterik-Szene" an.
Ich bin - das wissen die Götter - nicht in vielen Dingen einer Meinung mit Frau Ditfurth, und teile ihre sehr negative Einschätzung von allem, was mit "Esoterik" auch nur entfernt zu tun hat, nicht. In Hinblick auf das Verlagswesen muss ich ihr allerdings recht geben. Nicht ausgesprochene Rechtsextremisten-Verlage sind das Problem, auch wenn sie - wie z. B. der Arndt-Verlag (deutlich erkennbare Zielgruppe: NS-Nostalgiker) auch scheinbar seriöse Schwesterverlage wie z. B. Orion-Heimreiter unterhalten. (Hierzu: Unverlangte Buchbesprechung eines Buches aus dem "Arndt"-Verlag.)
Auch ausgesprochene Esoterik-Verlage erreichen nur "ihre" Szene. In der vielziertierten "Mitte der Gesellschaft" dürften die meisten dort erschienenen Bücher und Videos als "Spinnereien" abgetan werden.
Für wirklich bedenklich halte ich Verlage wie den KOPP-Verlag, den ich, als bei weitem größten der Szene, herausgreife. Die Bücher, die bei Kopp erscheinen, sind, weil sie an die Vorstellungswelt "normaler" Leser, Zuhörer und Zuschauer anknüpfen, deutlich wirksamer als z. B. die erzrassistischen Schriften von Ariosophen wie Guido von List oder Jörg Lanz "von Liebenfels" (die leider auch in unkommentierter Neuauflage und begleitet von sensationsheischender Werbung zu haben sind).
Kopp ist - oberflächlich gesehen - nicht einer bestimmten Weltanschauung zuzuordnen. Bei Kopp erscheinen sowohl Bücher, deren Autoren christlich-fundamentalistische Positionen vertreten, wie solche, in denen alles Übel der Welt von den "Wüstenreligionen" (Christentum, Islam, Judentum) stammt. Bücher, deren Autoren "beweisen", dass die Mondlandung 1969 technisch nicht möglich gewesen wäre, finden sich neben solchen, in denen "bewiesen" wird, dass die "Reichsdeutschen" schon so um 1945 zum Mond – und weiter – fliegen konnten.

Ich rechne den Kopp-Verlag zur "Esoterik"-Szene, weil der überwiegende Teil des Sortiments aus grenzwissenschaftlichen (bis pseudowissenschaftlichen) Sachbüchern und "Esoterik" besteht. Auch die Bücher und Medien, die Kopp als Versandbuchhandlung vertreibt, gehören überwiegend in diese Richtung. Für seriöse Sachbuchautoren kann es eine unangenehme Überraschung sein, ihre Bücher auf einmal im Kopp-Katalog etwa an der Seite des meines Erachtens ebenso paranoiden wie antisemitischen Verschwörungstheoretikers "Jan van Helsing" wiederzufinden. Wer allerdings bei Kopp selbst veröffentlicht, dürfte wissen, was sie oder er da tut.

Meine Einschätzung, der Verlag sei "braunstichig", ist wegen der scheinbaren Vielfalt der weltanschaulichen Ansätze nicht ganz so leicht zu belegen. Eine auffällige Gemeinsamkeit vieler bei Kopp erschienenen Bücher ist der behauptete "Tabubruch" - wobei das angebliche "Tabu" meistens ein Strohmann ist, denn es fehlt ja z. B. weder an seriösen israelkritischen Bücher, Sendungen und Artikeln, noch an solchen, in denen die z. B. die Gefahr des Islamismus beschrieben oder auf Unzulänglichkeiten des Weltfinanzsystem hingewiesen wird. Das gebrochene "Tabu" besteht meines Erachtens oft darin, ungehemmt z. B. antisemitische, antiislamische oder nationalistische Behauptungen zu verbreiten.

Das Bindeglied zwischen den "tabubrechenden Enthüllungsbüchern" mit Anschluss an gerade unter sich für kritisch haltenden Menschen weit verbreiteten Vorstellungen aus der "Mitte der Gesellschaft" und dem Bereich für Esoteriker und UFO-Gläubige liegt im bei Kopp auffällig gut vertretene Bereich der "Nazi-Esoterik", wo über "Reichsflugscheiben", außerirdische "Arier" und anderen unterirdischen Unfug schwadroniert wird.

Der Kopp-Verlag unterhält auf seiner Website ein Nachrichtenblog dessen enthüllungsjournalistischer Anspruch einem schon aus der Titelzeile Informationen, die Ihnen die Augen öffnen! in die Augen sticht.
Hierfür schreiben Autoren, die meistens auch schon bei Kopp Bücher veröffentlichten, und unter denen einige früher einmal als seriöse Journalisten galten, z. B. Eva Hermann, Udo Ulfkotte, Gerhard Wisnewski und hin und wieder auch Jürgen Elsässer.
Wisnewski, Autor erfolgreicher Weltverschwörungsbücher (z. B. "Lügen im Weltraum") veröffentlichte bei Kopp das Buch "Jörg Haider – Unfall, Mord oder Attentat?", das vor allem unter österreichischen und deutschen Rechtsextremisten auf breite Zustimmung stieß, woraus sich schließen lässt, dass der ehemalige ehemals angesehene Fernsehjournalist ziemlich weit "rechts" angekommen ist.
Dagegen ist Jürgen Elsässer ein "Linker", der früher für "konkret" und das "Neue Deutschland" schrieb, bis ihm Populismus, Nationalismus und Homophobie vorgeworfen wurde (meines Erachtens zurecht) und er eine "Volksinitiative gegen das Finanzkapital" gründete, die in meinem Augen unangenehm nach "Querfront" mit "völkisch" denkenden "Antikapitalisten" / "nationalen Sozialisten" aussieht.
Udo Ulfkotte, bis Ende 2003 außenpolitischer Redakteur der FAZ und bis zu seinem im selben Jahr erschienenen Buch "Der Krieg in unseren Städten" ein geschätzter Fachjournalist für Sicherheitsfragen und gefragter Islamexperte, ist eher im christlich-konservativen Feld zuhause - ein selbst ernannter "Verteidiger des christlichen Abendlandes". Ebenfalls deutlich christlich konservativ ist die Kopp-Autorin und ehemalige Tageschausprecherin, Talkshow-Moderatorin und Fernsehjournalistin Eva Herman.

Gemeinsam ist diesen so verschiedenen Autoren, dass sie nach einem Fauxpas ihr bisheriges journalistisches Wirkungsfeld verloren. Ihre weiteren Gemeinsamkeiten sind eine (verkürzte) Kapitalismuskritik, ein Hang zum "Sündenbockdenken" und ein Weltbild, das am ehesten als "antiliberal" umschrieben werden kann. Und ganz entschieden: Angst. Es sind, da bin ich mir ziemlich sicher, Menschen, die selbst von Ängsten geplagt werden, die aber auch ganz bewusst Angst schüren. Und die - wie der Kopp-Verlag - mit Angst Geld verdienen.

Was die von mir genannten Autoren noch gemeinsam haben, ist ihr Hang zu "(Welt-)Verschwörungstheorien".
Nicht Verschwörungen (die es in begrenzte Umfang sehr wohl gibt), sondern eher "gegenseitige Instrumentalisierung", Klüngeln, Günstlingswirtschaft, "Eliten", die "unter sich bleiben" (über die Häfte des deutschen Top-Managements stammt aus dem winzigen 0,5 % Segment der reichsten deutschen Familien), Schmalspurdenken / TINA-Denken ("There Is No Alternative!") und vor allem utopisches Wunschdenken / Realitätsblindheit, sind unabhängig von der jeweiligen konkreten Ideologie (die kann marktradikal-"neoliberal", konservativ, religiös, fallweise sogar "sozialistisch" sein), die Gefahren für eine offene, demokratische und halbwegs gerechte Gesellschaft.
Statt auf hypothetische Verschwörungen (etwa in dem Sinne, dass die "Bilderberger" die "wirkliche Regierung" wären) sollte der aufklärerische Fokus eher auf den (keineswegs hypothetischen) Kampagnien liegen. Die angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak, die den Angriff der "Koalition der Willigen" rechtfertigten, existierten bekanntlich nur in der Propaganda - irgendwelche "Inside-Jobs", "false flag operations" oder "Inszenierungen" waren dazu nicht nötig - ein paar geschickt lancierte Lügen und etliche unkritische Journalisten reichten aus. Und die Bertelsmann-Stiftung übt ihren problematischen Einfluss nicht etwa im Mafia-Stil aus - wozu heimlich Fäden ziehen, wenn man ganz offen beraten kann?

Der Kopp-Verlag ist ein Bindeglied zwischen verschiedenen, aber in entscheidenden Fragen übereinstimmenden Szenen. Kritische, unabhängige und unbequeme, unterdrückte Informationen sind wichtig, sogar überlebenswichtig für die gefährdete Demokratie. Allerdings ist Kopp eine denkbar schlechte Quelle für Aufklärung und Enthüllungen.

Übrigens habe ich mich mal an einer Parodie auf einen rechtsesoterischen und verschwörungsorientierten Verlag versucht - versucht, denn es ist praktisch unmöglich, das Angebot so eines Verlages satirisch zu überhöhen.
ARIO-Verlag.

Montag, 19. April 2010

Wie im Katastrophenfilm - von Vulkanen und Airlines

Die Aschenwolke des Vulkans unter dem Eyarfjallajökull und die Reaktionen mancher Fluglinien-Manager auf die Flugverbote erinnern lebhaft an einen typischen, klischeehaften Katastrophenfilm. (Da gebe ich Sven Scholz recht, bei dem ich das irgendwo auf seiner facebook-"Wand" fand:
... weil da ja nichts ist, wie schon wieder manche "Entscheider" zu glauben wissen (Wozu gibts denn bitte seit den 70gern regelmäßig Katastrophenfilme, die stets damit beginnen, dass irgendwelche Geld-Denker irgendwas völlig unterschätzen und deshalb tausende Leute in die Scheiße reiten)
Wie im klassischen Katastrophenfilm regiert auch bei der Aschewolke des Vulkans unter dem Eyjafjallagletscher "Murphies Law": Was schiefgehen kann, geht schief. Denn offensichtlich hat der Vulkanausbruch Europa mit heruntergelassenen Hosen erwischt - auf so ein Ereignis war man offensichtlich nicht im Mindesten eingestellt. Das gilt auch und vor allem in Deutschland: bis hinreichend zuverlässige Informationen über die Aschenverteilung vorliegen, werden wohl noch einige Tage vergehen. Heute startet ein Testflug der DLR - eher ging es nicht, da in die Maschine erst die notwendigen Geräte installiert werden mussten. Die stationären Messstationen des Deutsche Wetterdiensten werden ebenfalls erst umgerüstet. Die Idee "die müssen doch nur ein paar Wetterballons steigen lassen, um Bescheid zu wissen" krankt daran, dass sie auch erst mit geeigneten Instrumenten ausgerüstet werden müssen. Es scheint so, dass in Europa allenfalls die italienischen Vulkane, nicht aber die isländischen "auf der Rechnung" waren. Ganz so wie im Katastrophenfilm: zuerst wird die Gefahr völlig übersehen.
Forscher bereiten Flug in die Aschewolke vor (Spon).
Es ist kein Katastrophenfilmklischee, sondern die Lebenserfahrung, die lehrt, in Situationen, in denen offensichtlich "Murphy" das Sagen hat, also in denen schon viel schief gegangen ist, auf keinen Fall irgendwelche unnötigen Risiken einzugehen: "Wird schon schiefgehen" bedeutet in solchen Lagen oft: "Es wird schief gehen".
Das ist in solchen Ausnahmesituationen kein finsterer Pessimismus, sondern einfach nur realistisch: auf unzureichender Grundlage gefällte Entscheidungen neigen nun einmal dazu, falsch zu sein. Aber die Flugsicherung hat recht, wenn sie im wesentlichen aufgrund einer - vielleicht unzutreffenden - Computersimulation den Luftraum sperrt.
Die Aschenwolken sind kaum zu sehen und können durch das Bordradar nicht geortet werden. Daher entschied die Flugsicherung völlig zurecht: in Gebieten und Flughöhen, in denen auch nur theoretisch gefährliche Aschenkonzentrationen herrschen könnten, hat ein Passagierflugzeug nichts verloren. Diese unbefriedigende Lage, in der man besser übervorsichtig ist, wird sich, wenn bessere Daten vorliegen, ändern, aber erst dann.
Wer von den Verantwortlichen will das Risiko eingehen, den Luftverkehr freizugeben, und dann passiert doch ein Unglück?
Bisher ist noch kein Mensch durch die Aschenwolke umgekommen. Aber das könnte sich ändern, wenn die Airlines, die aus finanziellen Gründen (in einige Fällen geht es um die Existenz des Unternehmens) bereit sind, etwas mehr zu riskieren, sich politisch durchsetzen.

Die Gefahren durch die Vulkanasche sind, entgegen einiger vollmundiger Behauptungen, nicht aus der Luft gegriffen. Untersuchungen an Jets der finnischen Luftwaffe, die durch die verdünnte und kaum zu sehende Aschenwolke flogen, zeigen erhebliche Triebwerksschäden: Finnish F-18 engine check reveals effects of volcanic dust (flightglobal).
Auch bei mehreren Kampflugzeugen der NATO vom Typ F-16 wurden Triebwerksschäden durch Vulkanasche entdeckt: NATO: F-16 fighters damaged by volcanic ash (ap).
Die US-Airforce bestätigte, dass bei auch bei einer US-amerikanischen F-18 Glas an den Turbinenschaufeln gefunden wurde, das auf die Vulkanasche zurückzuführen sei. Der Jet habe sich zuvor auf einem Testflug über Europa befunden. Dabei sei die Asche in das heiße Triebwerk gelangt. Man könne fliegen, aber es sei sehr gefährlich.
Auch Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bestätigten nach Messungen, dass die Vulkanasche gefährlich ist:
Forscher bestätigen Gefahr für Flugzeug-Triebwerke (tagesschau.de).

Obwohl es bisher so ablief wie im Katastrophenfilm, hoffe ich doch sehr, dass es nicht wie im Kino weitergeht.

Übrigens, an die Fluggesellschaften, die fürchten, dass das Flugverbot an ihre finanzielle Substanz geht: Eine "risikofreudige" Airline, der ein Flugzeug wegen der Vulkanasche abstürzen würde, könnte einpacken. (Man denke z. B. an den Fall der Crossair.)

(Dank auch an Karan Troubadoura.)

Samstag, 17. April 2010

Macht twittern unglücklich?

Wer wenig oberflächlichen Smalltalk und viele tiefergehende Gespräche führt, ist zufriedener im Leben. Diese Binsenweisheit haben Psychologen der University of Arizona nun wissenschaftlich belegt. Sie untersuchten, was die Gespräche von Personen, die sich als “glücklich” bezeichnen, von denen unglücklicher Menschen unterscheidet. Zuviel Smalltalk macht unglücklich (pharmacon.net)
“Glücklich ist man im Leben eher dann, wenn man soziale Kontakte pflegt und in den Konversationen an die Substanz geht”, so die Forscher um Matthias R. Mehl.

Das ist in der Tat unter Menschen, die sich ein klein wenig mit Psychologie auskennen, eine Binsenwahrheit. Allerdings eine jener Wahrheiten, die gerne verdrängt werden - denn Smalltalk ist ungefährlich, Smalltalk geht immer, Smalltalk ist bequem. Und ein wenig unverbindlich-freundlich-oberflächliche Konversation ist recht erfreulich. Obgleich es beim Smalltalk völlig nebensächlich ist, worüber geredet wird - Wetter, Fußball, Fernsehprogramm, Mode - kann er sozial wichtig sein. Führe ich eine noch so seichte Konversation mit jemandem, zeige ich, dass ich mich für ihn interessiere - oder gebe es zumindest vor.
Wahrscheinlich macht es die Dosis, ob Smalltalk bekömmlich ist, oder nicht.
Ein ernsthaftes Gespräch strengt hingegen manchmal richtig an. Man kann es nicht überall, und nicht mit jedem führen. Der Vergleich drängt sich auf: Smalltalk, das sind Süßigkeiten, Unterhaltungen, die in die Tiefe gehen, vollwertige Mahlzeiten. Ein gutes Gespräch ist Seelennahrung. (Soulfood to go fällt mir dazu ein - gut, das ist Musik, und zwar gute.)
Warum schadet zu wie Smalltalk dem Wohlbefinden? Selbst wenn man sich nicht an die klassischen vier Verbote der gepflegten Party-Konversation hält - "Rede nie über Politik, Sex, Religion oder Geld" - wird Smalltalk von unzähligen ungeschriebenen Höflichkeitsregeln beherrscht, die als sozialer Schmierstoff sinnvoll sind, aber jede echte Gefühlsäußerung unterbinden. Smalltalk, über längere Zeit aufrechterhalten, wird zum Heuchelsprech. So "echt" und "tief" wie das aufgesetzte Dauerlächeln eines Wunderdecken-Verkäufers auf einer "Kaffeefahrt". Und so "ehrlich" wie sein Verkaufsgespräch.

Wie ist das mit den "sozialen Dienste im Internet"? Das hängt vom jeweiligen Dienst ab und wozu man ihn verwendet. Microblogging wie z. B. Twitter eignet sich mit den auf 140 Zeichen beschränkten Posts nicht für tiefsinnigen Gedankenaustausch, aber auch nicht für Smalltalk im eigentliche Sinne. Der ist eher auf Chats, Foren oder Communities wie Facebook zu finden.
Ich würde Twitter nicht benutzen, wenn es kein "Kaffeepausenmedium" wäre. Interessanterweise tritt es, bei mir, nicht in Konkurrenz zum Pausengespräch mit Arbeitskollegen - das den Smalltalk-Rahmen meistens übersteigt. Twitter verdrängt bei mir das Pausen-Kreuzworträtsel oder das Pausen-Sudoko. Oder das Browserspiel. Texten statt spielen.

Tatsächlich sind auch die Mechanismen der Online-Konversation nicht mit dem Smalltalk im persönlichen Gespräch oder am Telefon zu vergleichen. Trotzdem habe ich den Verdacht, dass etwa Facebook zu einer Art Pseudo-Kommunikation führt: ich erfahre einiges über meine "Freunde", aber zu einem Austausch auf "tieferer Ebene" kommt es - sinnvollerweise, wenn man das Datenschutzproblem bedenkt - dort nicht.

Vielleicht macht Online-Kommunikation auf nicht sicher vertraulichen Plattformen auf die Dauer ebenso unglücklich wie Smalltalk - weil der Austausche tieferer Gedanken und Gefühle unterbleibt. Und weil sie, wie der Smalltalk, meist so viel bequemer ist, als etwa ein Telefonanruf oder gar ein persönliches Gespräch.

Freitag, 16. April 2010

Tillykke med fødselsdagen

Heute, am 16. April, feierte die dänische Grafikerin, Malerin, Designerin Bühnenbildnerin und Kostümbildnerin Ingahild Grathmer ihren 70. Geburtstag. Ihre bekanntesten Werke sind die Illustrationen der dänische Ausgabe des "Herrn der Ringe" von J. R. R. Tolkien und das Dekor für den Film "Die wilden Schwäne" nach Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen.
Übrigens hat die vielseitige und sympathische Künstlerin einen recht interessanten Zweitberuf.

Mittwoch, 14. April 2010

Gedanke zum "Social Networking" im Internet (speziell Facebook)

Es stimmt, ich habe einen Account auf Facebook, und finde diesen Dienst auch durchaus praktisch.
Trotzdem - er behagt mir nicht. Man könnte auch sagen: ich fühle mich da nicht wohl. Das ist teils auf den bekanntermaßen schludrigen Datenschutz dort zurückzuführen, teils aber auch auf das Geschäftsmodell: Facebook betreibt Data mining. Das macht z. B. "Datenkrake" Google auch, aber die Möglichkeiten, einige Dienste von Google zu nutzen, ohne allzu viel von sich und seinen Surfgewohnheiten preiszugeben, besteht.
Bei Facebook ist das leider nicht so ohne Weiteres möglich.

Dass ich kein "Datenschutz-Paranoiker" bin, merkt man allein daran, dass ich blogge und dabei Dinge preisgebe, die mir z. B. bei einem Vorstellungsgespräch sehr wohl schaden könnten. (Wobei ich mich frage, was ich als Personalchef denken würde, wenn ich über einen Bewerber keinen, aber absolut keinen, Makel in dessen Webauftritten finden würde, noch nicht mal ein peinliches Urlaubsfoto. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich so einen Bewerber für ehrlich und aufrichtig halten würde.)
Meine Faustregel: ich gebe vieles Persönliches von mir Preis, aber es gibt Dinge, die ich aus guten Gründen für mich behalte. Es gibt einen Unterschied zwischen "persönlich" und "privat".
Pragmatisch gesehen bedeutet das: auf Facebook (twitter, myspace, ipernity usw.) gebe ich nur das Preis, was ruhig jeder wissen darf.

Trotzdem: "facebook ist wie eine Vernehmung durch die Polizei: alles, was ich sage, kann gegen mich verwendet werden."

Facebook ist so konstruiert, dass seine Struktur einem sozialen Beziehungsgeflecht zwischen Freunden und Bekannten im echten Leben entspricht. Es bildet aber das echte Beziehungsgeflecht in keiner Weise ab - niemand kann sagen, wie nahe ich einem "Freund" wirklich stehe.
Ein normaler Mensch wird nicht so naiv sein, das "Web 2.0"-Beziehungsgeflecht mit dem realweltlichen Beziehungsgeflecht zu verwechseln - oder auch nur weitreichende Rückschlüsse daraus zu ziehen.

Aber leider gibt es nicht-normale Menschen, die in der Tat so naiv (oder besser: betriebsblind) sind. Im "Datamining" gibt es Verfahren, denen ich eine rührende Naivität zusprechen würde, wenn diese Praktiken nicht so ärgerlich wären. Ein bekanntes Beispiel ist die Einstufung der Kreditwürdigkeit nach Wohngegend. Wenn es in meiner Nachbarschaft viele Langszeitsarbeitslose und Sozialrentner gibt, bin ich weniger kreditwürdig, als wenn ich, bei gleicher Bonität, in einer "Gutverdienergegend" wohne. Da kann unter Umständen die "richtige" Straßenseite über die Kreditvergabe entscheiden.

Noch ein Aspekt, der mir Unbehagen bereitet: Oben schrob ich, ich fände Facebook praktisch. Das Praktische, Verführerische und vielleicht Fatale ist, dass man - scheinbar - alles aus einer Hand hat: Chatten, Kurznachrichten, Micro-Blogging, Spielen, Fotoalbum usw. usw. - allles da, alles bequem miteinander verknüpft. Wohl ist mir dabei nicht. Denn ich weiß: aus der Sicht der Betreiber sind das alles leicht und ohne großen Aufwand zu erntende Informationen

Aber eines "vergessen" Politiker, Journalisten und "Experten", die so gern darauf herumreiten, wie fahrlässig doch "intimste Geheimnisse" im "Web 2.0" preisgegeben würden (wobei dann zwischen den Zeilen steht, deshalb möge man sich über ein bisschen Vorratsdatenspeicherung nicht aufregen): Facebook ist freiwillig! Und das, was ich da hineinschreibe, das entscheide allein ich. Niemand wird aus Facebook entnehmen können, was ich mittags esse oder wo ich mich gerade aufhalte, wenn ich es nicht hineinschreibe.
Bankdaten, Flugdaten, Telefon- und Internetverbindungsdaten müssen absolut unfreiwillig hergegeben werden.
Und - um im "privaten Sektor" zu bleiben: meine Kundendaten z. B. im Versandhandel sind meiner Erachtens erheblich sensibler, als alles, was es über mich über Facebook usw. zu erfahren gäbe. Sicher sind solche Daten, wie zahlreiche Skandale zeigen, nicht.

Die "Selbstentblößung im Internet" ist meiner Ansicht nach unter Datenschutzaspekten ein Nebenproblem - und vor allem eines, das jeder Einzelne weitgehend selbst in der Hand hat.

Sonntag, 11. April 2010

Warum Zensur? "Weil wir es können"?

Es gibt zahlreiche Gründe - und noch mehr Vorwände - aus denen die Zensurinfrastruktur für soziale Medien auch in demokratischen Staaten vorangetrieben wird - was, wie z. B. ein Blick nach Großbritannien zeigt, auch "nicht-elektronische soziale Medien", sprich die Briefpost, betrifft: im Vereinigten Königreich soll zukünftig die private Post ohne Mitteilung, Kontrolle oder Möglichkeit des Einspruchs geöffnet werden können. Intercepting mail is worthy of the Stasi (guardian.co.uk). (Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht die Post-Überwachungs-Aktionen im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm vergessen.)

Zensur ist nicht nur eine Möglichkeit, beispielsweise zu verhindern, dass "gefährliche" oder "unerwünschte" Informationen verbreitet werden. Einer der entscheiden Gründe für offen ausgeübte Zensur:
Sie ist eine wirksame Machtdemonstration!
Morozov:Zunächst einmal hat die Zensur symbolische Bedeutung. Die Zensur hilft beispielsweise der iranischen Regierung, dem Rest der Welt zu zeigen, dass sie das Heft noch in der Hand hat. Den Behörden wäre es sehr lieb, wenn jeder glauben würde, dass sie mit ihren Versuchen, Facebook zu sperren, erfolgreich sind - auch wenn das genau genommen nicht stimmt. Am liebsten würden sie eine Presseerklärung herausgeben: „Ja, wir sperren Facebook, weil immer noch wir das Sagen haben. Wir können es tun, und wir werden es tun.“
Aus: Das Unbehagen an der digitalen Macht (FAZ.net) Ein, da gebe ich markus auf netzpolitik.org recht, spannender Dialog zwischen Clay Shirky und Evgeny Morozov, die kontrovers und sachkundig diskutieren. Es geht um die Rolle von sozialen Medien als neue Öffentlichkeiten, vor allem in repressiven Regimen.

Außer der symbolischen Macht wirkt offen ausgeübte Zensur, wie andere Formen der offen ausgeübte Überwachung, im Sinne des Panoptikums: Jederzeit kann jeder beobachtet und für als falsch gewertete Handlungen bestraft werden. Und der Beobachtete weiß, dass sein Handeln beobachtet werden könnte. Daher wird er sein Verhalten so konzipieren, dass er gerade diesen potenziellen Blick der Überwacher einbezieht. "Vorsichtig sein: Staat liest mit!"
Für jeden, der Macht mittels Überwachung ausüben will, sind vier Regeln wichtig:
  1. Lasse die Überwachten wissen, dass sie grundsätzlich niemals sicher sein können, nicht überwacht zu werden!
  2. Sorge dafür, dass hinsichtlich der verwendeten Methoden, ihrer Leistungsfähigkeit und der Befugnisse der Überwacher allgemeine Ungewissheit besteht! Im Sinne des Panoptikums sind Gerüchte über eine unfehlbare Überwachungsmethode und unbegrenzte Vollmachten der Polizei und der Geheimdienste auch dann "nützlich", wenn an ihnen nichts dran ist.
  3. Formuliere die Regeln, welche Verhaltensweisen strafbar sind, so unscharf, umfassend und gummielastisch wie möglich!
  4. Sorge dafür, dass der Satz: "Wer nicht zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten" Allgemeingut wird! Das verstärkt die soziale Kontrolle ungemein und erleichtert es, Opfer der Überwachung als Täter erscheinen zu lassen.
In diesem Sinne ist das Blockieren von Facebook (Iran), das zeitweilige Abschalten aller SMS-Dienste (Kambodscha) oder der Blogs (Singapor) weitaus wirksamer, als wenn "nur" einzelne "Unruhestifter" überwacht und zensiert würden. Die öffentliche Signalwirkung ist ähnlich wie die des Verbotes einer Zeitung. Aber anders als die etablierten Massenmedien haben die internet-basierten sozialen Medien (das "Web 2.0") ein "Schmuddelimage", das dafür sorgt, dass solche Abschaltungen für weniger Empörung sorgen, als wenn eine Zeitung oder ein Fernsehsender geschlossen würde.
Daher ist es im Sinne einer quasi "machiavellistischen" Machterhaltspolitik sehr wichtig, dass die internet-basierten sozialen Medien, besser noch, das ganze "Internetzdingens" ein Schmuddelecken- und Unterwelt-Image erhält.
Um so "machiavellistisch" zu denken, muss man kein Machthaber in einer Diktatur oder Helfer oder Helfershelfer eines autoritären Regimes sein. Dazu reicht es offensichtlich aus, im Bund Deutscher Kriminalbeamter zu sein: Notruf online: Kripo will Screenshot-Button im Browser.
Jansen und sein Verband treten dagegen offensiv für die Durchsetzung der staatlichen Datenvorratsspeicherung ein. Jansen bezeichnete das Internet als "Universität des Terrors" und beklagte "fehlende Begrenzbarkeit der Inhalte und der Verfügbarkeit" des Internets. Mit Web Patrol sollten Nutzer neben Kinderpornografie auch radikales Gedankengut melden, heißt es auf der Projektseite.
Offen bleibt (aus "gutem" Grund, siehe Punkt 3), was denn nun "radikales Gedankengut" sein soll.

Samstag, 10. April 2010

Besser kann man es nicht sagen (oder wenigstens: Ich kann es nicht)

Manchmal stoße ich auf Formulierungen, die einen Gedanken so gekonnt in Worte fassen, dass ich mich ärgere, dass mir so etwas nicht einfällt.

Die Einleitung von Hans Schmids Ein deutsches Schicksal - Das Dritte Reich im Selbstversuch, Teil 2: Hans Westmar drückt mit wenigen Worten etwas aus, was ich, vielleicht aus Betriebsblindheit, so nicht hätte formulieren können:
Die Nazis hatten vor, das Christentum durch etwas zu ersetzen, von dem sie gern glauben wollten, dass es die Religion der alten Germanen gewesen sei. Diese Religion war angeblich in Deutschlands Wäldern entstanden (wahrscheinlich in einer Fichten-Monokultur), und es gab diverse Forschungsprojekte, die das beweisen sollten. Die Phantasien von der Fortsetzung des Germanentums führten zu immer abstruseren Gedankengängen. Vielleicht stimmt deshalb sogar die Geschichte, dass im Himalaya in Himmlers Auftrag der Yeti gefangen werden sollte, um ihn mit einer Südtirolerin zu kreuzen und so den Urgermanen zu züchten, den neuen/alten deutschen Übermenschen.
Genial! Allenfalls gäbe es zu bemäkeln, dass längst nicht allen Nazis ein stark ariosophisch geprägter "Germanenglaube" vorschwebte - er konkurrierte vor allem mit dem Modell "entjudifiziertes Christentum" ("Deutsche Christen"), das ein Menschenbild hatte, das etwa so "christlich" war, wie das Religionskonstrukt der falschen Freunde Odins unter den Nazis "germanisch" war. Die meisten Nazis in Machtpositionen verstanden sich nachweislich als "christlich" - oder behaupteten wenigstens, Christen zu sein. Andere Nazis waren Nihilisten, es gab sogar "Nazi-Esoteriker", die ihren "Ariermythos" mit hinduistischen Elementen garnierten oder mit Versatzstücken aus dem "alten Tibet" - was sich u. A. in den Himalaya-Expeditionen zeigte. Entgegen mancher Behauptungen, vor allem von römisch-katholischer Seite, spielte der Atheismus in der NS-Weltanschauung keine Rolle und stand immer unter Marxismusverdacht. In der SS waren bekennende Atheisten unerwünscht, das gleiche galt für die NSDAP.

Aber genug davon. Tatsächlich waren die realen "Germanen" (in Anführung, weil es sie als Volk, Staat oder gar "Rasse" nie gegeben hat) so verschieden vom Wunschbild der Nazis hinsichtlich der "großartigen Vorfahren", dass es den Archäologen im SS-Ahnenerbe sichtlich schwer fiel, ihre Forschungsergebnisse mit der "gewünschten" Weltanschauung in Einklang zu bringen. Hitler soll gelästert haben, die alten Griechen hätten schon großartige Bauten gehabt, als die Germanen noch in Lehmhütten gelebt hätten - und dieser Himmler hätte nichts Besseres zu tun, als diese Lehmhütten ausgraben zu lassen. Die propagandistische Darstellung der "Germanen" als "urwüchsige unverdorbene" Naturburschen hatte allerdings ihre Grenzen - vor allem, wenn es galt, ihre"rassische und kulturelle Überlegenheit", etwa gegenüber den "Völkern des Orients" zu "beweisen". Was dann zu völlig abstrusen Gedankenkonstrukten führte.

Die "Germanen" im Nazi-Verständnis entsprechen tatsächlich nicht dem lebensstrotzenden Chaos eines Urwaldes, sondern der Gradlinigkeit und Gleichförmigeit einer Monokultur. Das Nazi-Verständnis von "Gleichheit" in der "Volksgemeinschaft" war nicht das von "Egalität", sondern von "Homogenität". Wer "irgendwie anders ist", dem ist nicht zu trauen, und Individualismus ist sowieso dekadent. Eine Einstellung, die im heutigen Deutschland auch nicht gerade selten ist.

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