Sonntag, 11. April 2010

Warum Zensur? "Weil wir es können"?

Es gibt zahlreiche Gründe - und noch mehr Vorwände - aus denen die Zensurinfrastruktur für soziale Medien auch in demokratischen Staaten vorangetrieben wird - was, wie z. B. ein Blick nach Großbritannien zeigt, auch "nicht-elektronische soziale Medien", sprich die Briefpost, betrifft: im Vereinigten Königreich soll zukünftig die private Post ohne Mitteilung, Kontrolle oder Möglichkeit des Einspruchs geöffnet werden können. Intercepting mail is worthy of the Stasi (guardian.co.uk). (Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht die Post-Überwachungs-Aktionen im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm vergessen.)

Zensur ist nicht nur eine Möglichkeit, beispielsweise zu verhindern, dass "gefährliche" oder "unerwünschte" Informationen verbreitet werden. Einer der entscheiden Gründe für offen ausgeübte Zensur:
Sie ist eine wirksame Machtdemonstration!
Morozov:Zunächst einmal hat die Zensur symbolische Bedeutung. Die Zensur hilft beispielsweise der iranischen Regierung, dem Rest der Welt zu zeigen, dass sie das Heft noch in der Hand hat. Den Behörden wäre es sehr lieb, wenn jeder glauben würde, dass sie mit ihren Versuchen, Facebook zu sperren, erfolgreich sind - auch wenn das genau genommen nicht stimmt. Am liebsten würden sie eine Presseerklärung herausgeben: „Ja, wir sperren Facebook, weil immer noch wir das Sagen haben. Wir können es tun, und wir werden es tun.“
Aus: Das Unbehagen an der digitalen Macht (FAZ.net) Ein, da gebe ich markus auf netzpolitik.org recht, spannender Dialog zwischen Clay Shirky und Evgeny Morozov, die kontrovers und sachkundig diskutieren. Es geht um die Rolle von sozialen Medien als neue Öffentlichkeiten, vor allem in repressiven Regimen.

Außer der symbolischen Macht wirkt offen ausgeübte Zensur, wie andere Formen der offen ausgeübte Überwachung, im Sinne des Panoptikums: Jederzeit kann jeder beobachtet und für als falsch gewertete Handlungen bestraft werden. Und der Beobachtete weiß, dass sein Handeln beobachtet werden könnte. Daher wird er sein Verhalten so konzipieren, dass er gerade diesen potenziellen Blick der Überwacher einbezieht. "Vorsichtig sein: Staat liest mit!"
Für jeden, der Macht mittels Überwachung ausüben will, sind vier Regeln wichtig:
  1. Lasse die Überwachten wissen, dass sie grundsätzlich niemals sicher sein können, nicht überwacht zu werden!
  2. Sorge dafür, dass hinsichtlich der verwendeten Methoden, ihrer Leistungsfähigkeit und der Befugnisse der Überwacher allgemeine Ungewissheit besteht! Im Sinne des Panoptikums sind Gerüchte über eine unfehlbare Überwachungsmethode und unbegrenzte Vollmachten der Polizei und der Geheimdienste auch dann "nützlich", wenn an ihnen nichts dran ist.
  3. Formuliere die Regeln, welche Verhaltensweisen strafbar sind, so unscharf, umfassend und gummielastisch wie möglich!
  4. Sorge dafür, dass der Satz: "Wer nicht zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten" Allgemeingut wird! Das verstärkt die soziale Kontrolle ungemein und erleichtert es, Opfer der Überwachung als Täter erscheinen zu lassen.
In diesem Sinne ist das Blockieren von Facebook (Iran), das zeitweilige Abschalten aller SMS-Dienste (Kambodscha) oder der Blogs (Singapor) weitaus wirksamer, als wenn "nur" einzelne "Unruhestifter" überwacht und zensiert würden. Die öffentliche Signalwirkung ist ähnlich wie die des Verbotes einer Zeitung. Aber anders als die etablierten Massenmedien haben die internet-basierten sozialen Medien (das "Web 2.0") ein "Schmuddelimage", das dafür sorgt, dass solche Abschaltungen für weniger Empörung sorgen, als wenn eine Zeitung oder ein Fernsehsender geschlossen würde.
Daher ist es im Sinne einer quasi "machiavellistischen" Machterhaltspolitik sehr wichtig, dass die internet-basierten sozialen Medien, besser noch, das ganze "Internetzdingens" ein Schmuddelecken- und Unterwelt-Image erhält.
Um so "machiavellistisch" zu denken, muss man kein Machthaber in einer Diktatur oder Helfer oder Helfershelfer eines autoritären Regimes sein. Dazu reicht es offensichtlich aus, im Bund Deutscher Kriminalbeamter zu sein: Notruf online: Kripo will Screenshot-Button im Browser.
Jansen und sein Verband treten dagegen offensiv für die Durchsetzung der staatlichen Datenvorratsspeicherung ein. Jansen bezeichnete das Internet als "Universität des Terrors" und beklagte "fehlende Begrenzbarkeit der Inhalte und der Verfügbarkeit" des Internets. Mit Web Patrol sollten Nutzer neben Kinderpornografie auch radikales Gedankengut melden, heißt es auf der Projektseite.
Offen bleibt (aus "gutem" Grund, siehe Punkt 3), was denn nun "radikales Gedankengut" sein soll.

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