Medien, Lobby & PR

Montag, 3. November 2008

"Neuer Kenntnisstand" - oder: ein Lehrstück zu lancierten Studien

Der Titel, unter dem "Heise" über einen bizarren Vorgang berichtet, kann man "sehr diplomatisch" nennen. Krebs-Studie: Mobilfunkkritiker räumt Fehler ein. Der "Fehler" liegt darin, dass Salzburger Mobilfunk- und WLAN-Gegner Dr. Gerd Oberfeld einen C-Netz-Sender, der angeblich zu einem erhöhten Krebsrisiko bei Anwohnern führte, einfach erfunden hat. Kein "Fehler", sondern eine Lüge.

Der Vorfall ist ebenso absurd wie bezeichnend: Dr. Gerd Oberfeld hatte Anfang diese Jahres eine Langzeitstudie (1984 bis 1997) veröffentlicht, die in österreichischen Medien mit Schlagzeilen wie "Handymasten verursachen Krebs" rezipiert wurde. In der Studie wurde ein erhöhtes Krebsrisiko bei Anwohnern einer österreichischen C-Netz-Mobilfunkanlage (NMT 450 MHz) festgestellt. Tatsächlich gab es an dem Standort aber gar keine Sendeanlage.

Die Mobilkom Austria forderte Oberfeld daher auf, seine Studie zurückzuziehen. Als er der Aufforderung nicht nachkam, klagte das Unternehmen. Noch vor der zweiten Verhandlung haben sich die Parteien nun verglichen. "Späte Einsicht: Dr. Gerd Oberfeld zieht Mobilfunk-Studie zurück", freut sich die Mobilkom in einer Mitteilung.
Doch Oberfeld widersprach gegenüber heise online dieser Darstellung: "Ich nehme zur Kenntnis, dass an dem Standort keine C-Netz-Anlage war." Jedoch ziehe er seine Studie nicht zurück, sondern werde sie "an den neuen Kenntnisstand anpassen."
Nun ist der Satz "Ich passe mich dem neuen Kenntnisstand an" im besten Falle ein Ausdruck von Kritikfähigkeit und Realismus. Jeder Forscher kann Fehler machen. Es ist für mich aber sehr schwer vorstellbar, dass Oberfeld tatsächlich nicht wusste, dass es an dem von ihm untersuchten Standort im steirischen Hausmanstätten nie eine C-Netz-Sendeanlage gegeben hat. Ich glaube auch, anders als ein Kommentator bei "heise", nicht, dass der Mann nicht den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität verstanden hätte und ernsthaft den jeder Logik spottenden Umkehrschluss zog: "Sendemasten verursachen Krebs, wo es also mehr Krebserkrankungen als gewöhnlich gibt, muss es auch Sendemasten geben". (Warum nicht gleich eine gut getarnte Atomversuchsanlage? Dann hätte er wenigstens in das gut gehende Geschäft der professionellen Verschwörungstheoretiker einsteigen können.)

Was Dr. Oberfeld hingegen gut verstanden hat, ist, wie man mittels Studien Stimmungen erzeugen kann. Nur bei der Durchführung verhält er sich noch etwas unprofessionell. Lobbybuden wie die INSM gehen im Prinzip auch nicht anders vor, wie am Beispiel der Städte-Rankings besonders deutlich wird: Rankings: Wie bastel ich mir eine Spitzenposition? und INSM vergleicht Äpfel mit Birnen.

Das Prinzip der lancierten Studie beruht zunächst auf der simplen Erkenntnis, dass faule oder überforderte oder unfähige oder auch nur extrem überlastete Journalisten - und davon gibt es anscheinend sehr viele - auf Recherchen verzichten. Oft unterbleibt sogar die Ac-Hoc-Plausibilitätsprüfung.
Der zweite wichtige Punkt ist die "Glaubwürdigkeit". Schon die Tatsache, dass Dr. Oberfeld Arzt ist, erhöht seine subjektive Glaubwürdigkeit enorm. "Wissenschaftliche Langzeit-Studie" klingt auch schon mal gut. Aber der entscheidende Punkt ist der, dass Dr. Oberfeld behauptete, etwas nachgewiesen zu haben, das ohnehin zahlreiche Menschen für wahr halten, nämlich dass die Strahlung von Handymasten Krebs verursacht.
Wäre dem guten Doktor nicht der peinliche Patzer mit dem fehlenden Sendemast unterlaufen, würde seine Studie von zahllosen Mobilfunkgegenern überall in der Welt als Beweis für die üblen Wirkungen von Sendemasten zitiert werden.

Viele Studien, egal, ob sie die Unwirksamkeit von Konjunkturprogrammen oder die gesundheitsfördernde Wirkung von Pflanzenmagarine belegen, oder ob sie zeigen, dass es ALG II-Empfängern noch viel zu gut geht, sind beim näheren Hinsehen zweifelhaft. Der Fall "nicht existierender Sendemast verursacht Krebs" sollte deshalb Anlass zur Skepsis sein.

Mittwoch, 3. September 2008

Der Afghanistan-Krieg und eine unbequeme Frage

Auf "haGalil" fand ich einen sehr nachdenklich stimmenden Artikel über den Umgang mit den deutschen Toten des Afghanistan-Kriegs:
Statt Heldentod nur eine namenlose Leiche.
Es ist gut, dass nicht mehr von "Heldentod" die Rede ist, und auch, dass auf die Familie Rücksicht genommen wird.
Aber die extreme "Diskretion" finde ich schon bemerkenswert - und ich habe so meine Zweifel, dass sie allein dem "Schutz der Familie" dient.

So wurde nirgendwo erwähnt, wie viele deutsche Soldaten bisher beim Einsatz in Afghanistan seit 2001 gefallen sind, durch Unfälle, im Kampf oder infolge von Anschlägen der Taliban. Sicher, die Zahlen sind nicht geheim - aber unsere Medien sind auffallend "diskret" mit diesen Angaben.

Ulrich W. Sahm stellt in seinem Artikel die Frage
Will die deutsche Bevölkerung gar nicht am Schmerz der betroffenen Familien teilhaben oder will die Regierung den Tod deutscher Soldaten aus dem Rampenlicht heraushalten, aus welchen Gründen auch immer?
Ich fürchte, dass beide Antworten stimmen.

Die Bundesregierung weiß, dass der Afghanistan-Krieg unpopulär ist. Nicht von ungefähr hat sie jahrelang versucht, den Einsatz der Bundeswehr als eine Art "Entwicklungshilfe unter Waffen" darzustellen. Sie weiß auch, dass dieser Einsatz nur schwer mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist. Wahrscheinlich ist sie sich auch darüber im Klaren, dass "Guerillabekämpfung", asymetrischer Krieg, in der Praxis fast immer "schmutziger Krieg" bedeutet. Sie hat also allen, wenn auch schlechten, Grund, die Kriegstoten "aus den Schlagzeilen zu halten".

Was die deutsche Bevölkerung angeht (und die deutschen Medien): da sehe ich die (typisch deutsche?) Tendenz zur Verdrängung und Verniedlichung unangenehmer Tatsachen. Außerdem habe ich den Verdacht, dass die weit verbreitete Ansicht: "Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen" sich oft gegen die Soldaten wendet, die ja, mehr oder weniger freiwillig, in Afghanistan dienen - dass sie als "Täter" (Söldner?) gesehen werden, die kein Mitleid verdienen. Und dass sich diese Abneigung zu Hass, der sich auch auf die Angehörigen erstreckt, ausweiten könnte. Weil "man" an die Bundesregierung, die NATO und die Bundeswehrführung nicht herankommt.
Eine Haltung, die ich ebenso widerlich finde, wie die Verschleierung der unbequemen Wahrheit seitens der "Obrigkeit".

(Ergänzung: anscheinend hat auch der Bundeswehrverband von der Verschleierungstaktik der Bundesregierung die Nase voll: tagesschau.de: Jung auf Truppenbesuch - viel Kritik daheim. Wobei die Tagesschau sehr wohl ihren Anteil an der Verschleierung der unangenehmen Tatsache "Wir befinden uns im Krieg" hat.)

Sonntag, 10. August 2008

Chinas Olympia-Organisatoren übertreffen sich selbst

Sie überlassen wirklich nichts dem Zufall. Olympische Illusion: TV-Bilder der Eröffnungsfeier waren teilweise manipuliert.
Es passt hervorragend zum Leistungssport (wie er wirklich ist), zum IOC (wie es wirklich ist) und ganz besonders zu China (wie es brutal wirklich ist). Trotzdem musste ich über diese Fälschung lachen: Sie ist so überzogen, so auf die Spitze getrieben, wie es kein Satiriker besser hätte erfinden können.

Freitag, 8. August 2008

Wieso gibt es das Sommerloch?

Der vorangegangen Beitrag wirft die Frage auf, wieso eigentlich jedes Jahr das "Sommerloch" mit den dazugehörigen Themen aufreißt. Denn die klassische Erklärung, es sei eine "nachrichtenarme Zeit" stimmt nicht.

Dennoch ist dieser Ansatz nicht ganz falsch. Sieht man sich eine typische deutsche Tageszeitung an, fällt auf, dass sich im Resort "Politik" auffallend viele Artikel sich parteipolitischen Machtkämpfen widmen. Wenn der Bundestag Sommerpause macht, fehlt Journalisten, die sich auf Machtkampfberichterstattung und "Hofberichterstattung" (spöttische Bezeichnung für distanzlose Regierungspropaganda) spezialisiert haben, der Stoff. Die Folge des "Berliner Sommerlochs" ist das "politische Sommertheather" (Machtkämpfe auf "Nebenkriegsschauplätzen" finden Beachtung). Leider führt das "Sommerloch" selten dazu, dass umstrittene Gesetzesinitiativen, die bevorzugt kurz vor der Sommerpause oder dem Weihnachtsurlaub abgehandelt werden, die angemessene kritische Öffentlichkeit finden. Im Schatten des Sommerlochs.
Was für das Politikresort zutrifft, trifft weitgehend auch auf den Sportteil zu: Sommerpause in den oberen Fußball- und Handball-Ligen bedeutet, wenn nicht gerade Fußball-EM oder Olympische Spiele sind, viel Platz für "exotische" Sportarten, Spekulationen um mögliche Mannschaftswechsel und reichlich "Personalien".

Es gibt aber auch einen anderen Grund, wieso in der zweiten Sommerhälfte die "Silly season" (alberne Jahreszeit) ausbricht.
Ein bekanntes Phänomen: bestimmte, meist anspruchsvolle, Arbeiten bleiben in der Ferienzeit oft einfach liegen, obwohl diese Arbeiten theoretisch durchaus von der verbleibenden Belegschaft erledigt werden könnten. Das liegt oft daran, dass bei knapper Personaldecke (im öffentlichen Dienst, einst als "Wasserkopf" gescholten, inzwischen die Regel, ebenso in weiten Bereichen der "freien Wirtschaft") und hoher Spezialisierung nur wenige Fachleute ausfallen müssen, bis einfach niemand mehr da ist, der die anstehende Arbeit machen könnte. Herr A. ist im Urlaub, Frau B. krank - und schon kommt niemand mehr mit dem LAN-Server zurecht. Hinzu kommt, dass es in jeder Belegschaft "informelle" Hierarchien und Arbeitsabläufe gibt, während Urlaubsvertretungsregelungen nur die "offiziellen" Hierachien und Abläufe berücksichtigen. Es gibt z. B. Schlüsselpersonen, die bei Entscheidungen ungern übergangen werden. ("Damit warten wir besser, bis Herr C. aus dem Urlaub zurück ist, sonst mosert er wieder ´rum, welchen Mist wir verzapft hätten.")
Nun sind Redaktionen in der letzten Jahren erheblich personell ausgedünnt worden, was schon im "Normalbetrieb" dazu führt, dass nur noch selten gründlich recherchiert wird und ein großer Teil der Arbeit an Volontären und Praktikanten hängen bleibt.
Dass führt beinahe zwangläufig dazu, dass Meldungen noch weniger geprüft werden, als außerhalb der Urlaubszeit.
Ein weiterer Effekt: Dünne Personaldecke bedeutet meistens auch dünne Nerven - die "Restbelegschaft" fühlt sich oft ständig überfordert.

Dünne Nachrichtenlage im Politikressort und urlaubsbedingt dünne Kontrollen und dünne Nerven - das sind ideale Bedingungen, um gezielt Themen zu placieren. Diese Möglichkeit wird gern von Lobbyisten genutzt - es ist kein Zufall, dass das Thema "demographische Zeitbombe" so oft das Sommerloch füllt.

Mittwoch, 6. August 2008

Noch stecken wir im "Sommerloch"

Ich finde immer wieder erstaunlich, wieso es das journalistische "Sommerloch" eigentlich gibt - schließlich kann von einer "nachrichtenarmen Zeit" im Juli / August keine Rede sein. Selbst in der deutschen Unpoltitik Parteipolitik bemerkt man dieses Jahr kaum, dass die Parlamente Ferien haben.

Dennoch tauchen die Klassiker des Sommerlochs auch dieses Jahr auf:
  • Die Bergsteiger-Dramen - ersatzweise werden in manchen Sommern auch Segler-Dramen oder Expeditions-Dramen genommen. Gemeinsames Merkmal: sonst im Jahr schaffen es solche "Dramen", sprich Freizeitunfälle bei nicht alltäglichen Hobbys, allenfalls in die Rubrik "Vermischtes".
  • Umwelt- oder Lebensmittelskandale, die bei näheren Hinsehen garn nicht so skandalös - und vor allem: eigentlich schon seit Monaten bekannt - sind. Vor einigen Jahren war es Acrylamid in den Pommes, diese Jahr ist es Uran im Trinkwasser. (Ja, der Beitrag ist tatsächlich vom 21. Februar. Warum er damals keine Schlagzeilen machte? War eben grade kein "Sommerloch"!)
  • Vor allem in der Regional- und Lokalpresse gern genommen: der Streit ums Nacktbaden, gern mal zum "Höschenkrieg" aufgemotzt. Grundschema: irgend jemand regt sich lautstark aus meistens nicht ganz leicht nachvollziehbaren Gründen über FKKler auf. Gern genommen, da es einen hervorragender Vorwand für Fotostrecken mit gut gebauten, meist weiblichen, Nackten (Softporno für Leute, die ungern zugeben, dass sie so was gerne sehen) oder - seltener - Fotostrecken mit hässlichen, fetten oder faltigen Nackten (für die angenehme Klischeebestätigung) ist. Dieses Jahr sogar überregional (SZ) und international, da sich ein polnischer Lokalpolitiker (künstlich?) aufregt: Nackte Wut - Kulturkampf an der Ostsee: In Swinemünde empören sich konservative Polen über deutsche FKK-Anhänger. (Via: Zettel.)
  • Es fehlt bisher nur noch das entlaufene und/oder gefährliche Tier (Alligator, Bär, Wolf, Wels, Boa usw. - in schwachen Jahren auch mal Feuerquallen - wie wärs dieses Jahr mit "Kuno, dem Killer-Karpfen"?)
Dabei gibt es so viele Themen, über die sich zu berichten lohnt, weil z. B. der Abbau der Bürgerrechte keine Sommerpause macht - weshalb man als Bürgerrechtler auch keine Pause machen sollte: Aufruf zur Demo "Freiheit statt Angst 2008".

Noch zwei Themen, die nur am Rande mit dem Sommerloch, aber im Kern mit dem "deutschen Qualitätsjournalismus" zu tun haben:
Internet-Zensur in China, revisited in Burks Blog, in dem er die Heuchelei und schlechte Recherche der "Tagesschau" kritisiert.

Meine Meinung: Es mag ja sein, dass der frühere Grünen-Politiker und ehemalige NRW-Sportminister Vesper im Weltspiegel Äpfel mit Handgranaten verglichen hat, als er sagte, dass in allen Ländern der Welt Webseiten blockiert würden. Aber auf der rein sachlichen Ebene hat er recht: "Bei uns sind es rechtsradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden." Ein saublöder Vergleich, sicher, und "einzelne Seiten" ist die Untertreibung des Jahres, aber es gibt auch in Deutschland Internetzensur, und, was schlimmer ist, es gibt in Deutschland Politiker, die gerne noch weitaus mehr im Internet blockieren, verbieten, sperren und vor allem überwachen, kurz: zensieren, möchten.
Weil das ZDF keine Journalisten beschäftigt, darf in einem Beitrag von “Frontal 21″ ein Mercedes-Ingenieur als Fachmann erklären, wieso BMW nur Mist produziert. Fast. Einzig die Branche ist eine andere:
meint "Bildschirmarbeiter" David Harnasch TV-Kritik: Frontal21 deckt auf - Information taucht ab. Obwohl ich Harnasch Öffentlich-Rechtlichen-Schelte nicht ganz nachvollziehen mag - denn schließlich sind auch ARTE, 3Sat, Phönix (die drei Gründe, aus denen ich noch Fernsehen habe), D-Radio-Kultur und Deutschlandfunk öffentlich-rechtliche Sender - im Kern hat er recht: wenn ein Anbieter eines Energieversorger-Vergleichsrechners anderen Anbietern von Energieversorger-Vergleichsrechnern, die im wesentlichen mit den gleichen Tricks Methoden arbeiten, "Unseriösität" vorwirft, dann ist das kein Journalismus, sondern kostenlose Schleichwerbung.

Montag, 2. Juni 2008

Meckerei am Rande: Wenig informative Überschriften in Nachrichtenportalen

Daran, dass Artikel, egal ob online oder auf totem Baum, mit Symbolfotos illustriert werden, bei denen man nur mit vielem guten Willen und viel Phantasie einen eventuellen Bezug zu Inhalt vermuten könnte, habe ich mich ja schon gewöhnt.
Daran, dass die Aussagen von Werbebannern mitunter heftig mit dem Inhalt der Seite, auf der sie erscheinen, kollidieren, brauche ich mich glücklicherweise nicht zu gewöhnen: DWDLs unglückliche Geschmackslosigkeit (Thomas Knüwer). Zum Glück schützt das Firefox Add-On Adblock-Plus recht zuverlässig vor solchen Belästigungen.

Problematischer finde ich die herrlich kreativen und wunderschön aussagefreien Überschriften in Nachrichtenportalen. Was verbirgt sich etwa hinter der Überschrift Toilettenteile ins All geschossen? Umkreisen jetzt Klodeckel die Erde? Sind Dichtungsringe auf dem Weg zum Mars? Nein, es geht um Ersatzteile für die defekte Toilette der Internationalen Raumstation. "Raumtransporter mit Toiletten-Ersatzteilen gestartet" ist sicher dröge, nicht sonderlich hipp und geht aufmerksamkeitsökonomisch gar nicht - aber ist irgendwo doch informativer.

Auch nicht schön sind Überschriften die falsch informieren: «Salpeter-frei» an Schule: Göttinger Gymnasium nach Explosion geräumt. Erst einmal finde ich es nicht sonderlich geschmackvoll, wenn eine Schule wegen eines schweren Unfalls im Chemieraum evakuiert werden muss und das mit eher harmlosen Ereignissen wie "Hitzefrei" oder "Schneefrei" gleichgesetzt wird. Außerdem ist da nicht etwa Salpeter, sondern ein Glasgefäß mit Salpetersäure explodiert.

Die BILD-"Zeitung" ist, nach Angaben der BILD-Redaktion, ein "Leitmedium". Das mag sein oder nicht. Auf alle Fälle scheinen ihre reißerischen und unsachlichen Schlagzeilen in vielen Redaktionen als vorbildlich zu gelten.

Freitag, 30. Mai 2008

Geahnt hatte ich das schon immer

Gute Schreiber schreiben ‘ich’ - und lange Sätze …
Das fand Klaus Jarchow heraus, als er sich Texte wirklich guter journalistischer Schreiber ansah - und mit dem verglich, was in Deutschland üblicherweise als "guter journalistischer Stil" gilt:
Journalismus in der ersten Person: Ich? Ich!

Mittwoch, 5. März 2008

Eine gute Ergänzung

zu meinem vorherigen Beitrag ist dieser Artikel in der (des Antikapitalismus unverdächtigen) Financial Times Deutschland: Reise in die Twilight Zone. (Gefunden bei Jens.)

Die wahre Parallelgesellschaft, das ist nicht die Welt, in der die Kinder schlecht intergrierter Einwanderer aufwachsen, sondern die Welt der elitären Bildungseinrichtungen, auf die wohlhabende Eltern ihre Kinder schicken.
Die Bosse von morgen verlassen ihre hermetische Welt kaum. Vom Kindergarten werden sie in die internationale Grundschule, von Schloss Salem an die EBS und weiter zu McKinsey und Siemens gereicht. Bald halten sie deren Moral und Maßstäbe - oder den Mangel an beidem - für normal. "Den obersten 3,5 Prozent wird vermittelt, dass sie Regeln geben und nicht empfangen", sagt Elitenforscher Hartmann. "Die Elite macht die Regeln, die Elite bricht die Regeln wie es ihr gerade passt."
Überträgt man den Mechanismus, mit dem die durch Macht und Geld definierte deutsche Oberschicht über ihre Kinder ihren Status halten oder ausbauen will, auf die Mittelschicht, dann ist es, denke nicht, nicht weiter erstaunlich, dass in keinem anderen europäischen Land die Bildungschancen der Kinder so sehr vom Status der Eltern abhängen wie in Deutschland.

Hierzu auch: Unsichtbare Sprachbarrieren und die Türsteher der Eliten

Dienstag, 26. Februar 2008

Weggelassen

Die Macht der Zeitungen besteht im Weglassen.
Arthur Schopenhauer

Recht hat er, der Schopenhauer, und zwar auch für Nachrichtenmedien, die er noch gar nicht kannte!

ZAF nahm sich des Themas der angeblichen Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehanstalten an. Über den EU-Reformvertrag bzw. dem Vertrag von Lissabon erfährt man dort z. B. herzlich wenig und vor allem wenig Kritisches. Wobei, nebenbei bemerkt, auch die "Privaten" nicht weniger staatstragend sind, wenn es darum geht, dem Medienkonsumenten wichtige Informationen vorzuenthalten.

Ohne Internetzugang wüsste ich z. B. gar nicht, dass, damit der Vertrag von Lissabon von Deutschland ratifiziert werden kann, der Artikel 23 des Grundgesetzes geändert werden muss. Vielleicht wüsste ich nicht einmal, dass der Reformvertrag im Großen und Ganzen der in Frankreich und den Niederlanden im Volksentscheid gescheiterten Verfassung entspricht.

Näheres zu einigen vernachlässigten und relevanten Themen findet man auf der Website: Der blinde Fleck der "Initiative Nachrichtenaufklärung. Allerdings sollte man auch den Meldungen, die dort behandelt werden, gegenüber kritisch sein.

Der Vollständigkeit halber:
Auf Platz eins der vernachlässigten und relevanten Themen wählte die Jury der "Initiative Nachrichtenaufklärung" das Thema: Absprachen über Terminierungsentgelte im deutschen Handynetz. (Ein Problem, das von der intensiven Mediendebatten über zu hohe Roaminggebühren überdeckt wurde.)
2. - Politiker behindern Ombudsstellen
3. - Qualitätsverluste im Journalismus.
4. - Chemikalien gefährden die Fruchtbarkeit - eine "tickende Zeitbombe"?
5. - Städte kippen den Baumschutz
6. - Die Schweiz beschließt neue Atomkraftwerke
7. - Fragwürdige Geschäfte der WestLB
8. - Bundestag debattiert erstmals über Entschädigung für deutsche Kolonialverbrechen - und keiner berichtet
Wobei einiger dieser Themen inzwischen nicht mehr verschwiegen werden - z. B. die fragwürdigen Geschäfte der WestLB.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Ein gerapter Kommentar zur Musikindustrie

Rap gehört zu den wenigen Musikrichtungen, bei denen fast alles vom Text abhängt. Jedenfalls früher und jedenfalls beim deutschsprachigen Rap. Tatsächlich verdanken Bands wie die "Fantastischen Vier" oder "Fettes Brot" ihren Einstieg in den "kulturellen Mainstream" der Qualität ihrer Texte. Im Rap gab es etwas, was im Deutschland der Nach-Kohl-Ära eher selten ist: Lieder mit sozialkritischen Texten und kommerziellem Erfolg. (Bekanntes Beispiel: "Weck Mich ..." von Sammy De Luxe.)

Seit einiger Zeit sieht das anders aus. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass deutschsprachiger Rap am Ende ist. Dass Möchtegern-Gangster-Rapper mit primitiven und oft hasserfüllten Texten die Charts dominieren. Wobei ich mich oft frage, was mich mehr ankotzt: der angeblich "authentische" Hass auf Schwule, Juden und andere Minderheiten, die ebenso "authentische" Frauenfeindlichkeit - oder doch das garantiert authentische Interesse am großen Abkassieren. Okay, ist bestimmt auch ein Generationenproblem, und Martin Reichert von der "taz" hat sicher auch recht, wenn er schreibt:
Doch unterdessen hat sich unter deutschen Jugendlichen ein Klima entwickelt, das Menschen, die sich dem Mittelschichts-Verdikt der Political Correctness verpflichtet fühlen, den Atem nimmt: Die Jugend von heute, gleich welcher sozialen Herkunft, macht Witze über Juden, Schwule und "Blondinen", also frauenfeindliche Witze. Im wesentlichen ist sie also genauso beschaffen, wie die Jugend von gestern: Sie möchte sich von der älteren Generation abgrenzen und springt daher auf deren Nervenkostüm herum, wie auf einem Trampolin.
Rap gegen Homos - Tourette-Selbsthilfegruppe im Tonstudio

Aber irgendwie fällt es doch auf: Warum setzten die sonst eher konservativen Major-Labels seit einer Weile auf Aggro-Rap? Klar, das Zeugs verkauft sich gut, aber irgendwie fällt schon auf, dass das "Wertesystem" der Aggro-Rapper voll kompatibel zu einen unverhüllt egoistischen und sozialdarwinistischen Brutal-Kapitalismus ist, der in linken Kreisen gerne (und meist zu Unrecht) "Neoliberalismus" genannt wird. Besonders massiv fällt das bei dem stark gehypten Rapper "Massiv" auf. Warum?

Eine mögliche Antwort, passenderweise in gut anhörbaren Rap gegossen, gibt die Band "Pan" - MASSIV Gegendarstellung".


Die wahre Geschichte von "Massiv", der angeblichen "deutschen Antwort auf 50 Cent". Mag sein, dass der Brückenschlag vom Medienkonzern Sony-BMG (BMG steht für "Bertelsmann Music Group) zur Bertelsmann-Stiftung etwas gewagt ist, mag sein, dass Pan den Einfluss dieses "Think Tanks" auf politische Entscheidungen überschätzt - aber wie sie selber rappen: "das ist keine Verschwörungstheorie". Es geht nicht darum, die "Bertelsmänner" als finstere Drahtzieher im Hintergrund zu zeigen, sondern um ein System gegenseitiger Abhängigkeiten, das etwa so transparent wie Milchglas ist, und in dem Demokratie, Liberalismus oder soziale Marktwirtschaft nicht viel mehr als Worthülsen sind.

Immerhin zeigt die Beliebtheit des "Pan"-Videos (in etwa zwei Wochen 75000 mal angesehen und etwa 1000 mal kommentiert), was "wir" machen können: Selber machen! Ohne die mediale Großindustrie. Heute haben wir, anders als noch vor 15 Jahren, die Mittel dazu.

(Gefunden bei zappi: Massiv Kritik und die Bertelsmänner)

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