Der Afghanistan-Krieg und eine unbequeme Frage

Auf "haGalil" fand ich einen sehr nachdenklich stimmenden Artikel über den Umgang mit den deutschen Toten des Afghanistan-Kriegs:
Statt Heldentod nur eine namenlose Leiche.
Es ist gut, dass nicht mehr von "Heldentod" die Rede ist, und auch, dass auf die Familie Rücksicht genommen wird.
Aber die extreme "Diskretion" finde ich schon bemerkenswert - und ich habe so meine Zweifel, dass sie allein dem "Schutz der Familie" dient.

So wurde nirgendwo erwähnt, wie viele deutsche Soldaten bisher beim Einsatz in Afghanistan seit 2001 gefallen sind, durch Unfälle, im Kampf oder infolge von Anschlägen der Taliban. Sicher, die Zahlen sind nicht geheim - aber unsere Medien sind auffallend "diskret" mit diesen Angaben.

Ulrich W. Sahm stellt in seinem Artikel die Frage
Will die deutsche Bevölkerung gar nicht am Schmerz der betroffenen Familien teilhaben oder will die Regierung den Tod deutscher Soldaten aus dem Rampenlicht heraushalten, aus welchen Gründen auch immer?
Ich fürchte, dass beide Antworten stimmen.

Die Bundesregierung weiß, dass der Afghanistan-Krieg unpopulär ist. Nicht von ungefähr hat sie jahrelang versucht, den Einsatz der Bundeswehr als eine Art "Entwicklungshilfe unter Waffen" darzustellen. Sie weiß auch, dass dieser Einsatz nur schwer mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist. Wahrscheinlich ist sie sich auch darüber im Klaren, dass "Guerillabekämpfung", asymetrischer Krieg, in der Praxis fast immer "schmutziger Krieg" bedeutet. Sie hat also allen, wenn auch schlechten, Grund, die Kriegstoten "aus den Schlagzeilen zu halten".

Was die deutsche Bevölkerung angeht (und die deutschen Medien): da sehe ich die (typisch deutsche?) Tendenz zur Verdrängung und Verniedlichung unangenehmer Tatsachen. Außerdem habe ich den Verdacht, dass die weit verbreitete Ansicht: "Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen" sich oft gegen die Soldaten wendet, die ja, mehr oder weniger freiwillig, in Afghanistan dienen - dass sie als "Täter" (Söldner?) gesehen werden, die kein Mitleid verdienen. Und dass sich diese Abneigung zu Hass, der sich auch auf die Angehörigen erstreckt, ausweiten könnte. Weil "man" an die Bundesregierung, die NATO und die Bundeswehrführung nicht herankommt.
Eine Haltung, die ich ebenso widerlich finde, wie die Verschleierung der unbequemen Wahrheit seitens der "Obrigkeit".

(Ergänzung: anscheinend hat auch der Bundeswehrverband von der Verschleierungstaktik der Bundesregierung die Nase voll: tagesschau.de: Jung auf Truppenbesuch - viel Kritik daheim. Wobei die Tagesschau sehr wohl ihren Anteil an der Verschleierung der unangenehmen Tatsache "Wir befinden uns im Krieg" hat.)

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