Dienstag, 19. September 2006

Har, har - heute ist "Talk like A Pirate Day"

Persönliches Blogbuch Martin M., Kommandant der "Senfpott", auf Kaperfahrt im Webozean, derzeitige Position 53 Grad 30 Minuten Nord, 10 Grad 11 Minuten Ost:
Dreki "Cynx" auf Kurs Nord-Nord-West ausgemacht. Längsseits gegangen. Erfuhren von der
"Cynx" dass heute Talk like A Pirate Day" ist.

Trifft sich gut, denn die letztes Wochenende erfolgreich Jubliäum gefeiert habenden Rebellen des Hamburger Hafenrandes haben es ja auch ganz schwer und heftig mit den Piraten. Pirate Content ist sowieso schon regelmäßiger Törn auf meinem Blog-Ewer - hier: Pirate Content, hier Piratenflagge Schwarzrotgold und hier:Sozialromantische Piraten.

Confiance kapert Kent
Die "Confiance" kapert die "Kent"(Bild gekapert bei Wikipedia.)

Klönen wir mal ´n bischen über Piratenschiffe. Da ist mir neulich was aufgefallen, in der Wikipedia. Da steht:
Will man Filmen und Abenteuerliteratur glauben, so führten die Piraten Fregatten oder Linienschiffe.
(Kommt schon vor, aber da hat der Autor wohl andere Bücher gelesen als ich.)
Im allgemeinen waren die Schiffe der Piraten aber tatsächlich fast lächerlich klein.
Das stimmt allerdings, von einigen Staatspiraten, pardon Kaperfahrern, und den ganz dicken Haien mal abgesehen.
Schnelligkeit und Wendigkeit eines Schiffes nehmen ab, je größer das Schiff wird.
Ja, und das ist falsch! Bei Seglern heißt es nicht umsonst "Länge läuft". Aus gleich zwei Gründen: Die theoretische Rumpfgeschwindigkeit nimmt mit der Wasserlinienlänge zu. Sie beträgt bei einer Wasserlinienlänge von 40 m (z. B. einer Fregatte) etwa 15,4 Knoten bzw. 28,5 km/h - in der Praxis kann ein "klassischer Verdränger" etwas, aber nicht viel, schneller sein - die schnellsten Segelfregatten schafften bei sehr gutem Wind 16 Knoten. Ein typisches Kaperschiff, z. B. eine Brigantine, ist vielleicht halb so lang - 20 m - und hat eine Rumpfgeschwindigkeit von großzügig gerechnet knapp 11 Knoten (etwas über 20 km/h). Der andere Grund ist, dass lange Schiffe ein schlankeres Längen-Breitenverhältnis haben können, ohne die gerade für Segelschiffe so wichtige Formstabilität zu gefährden. Schlankere Schiffe sind im Verhältnis zu Gesamtgröße schneller.
(In der Praxis habe ich das vor Jahren an Bord der "Seute Deern II" erlebt. Dieser ehemaliger Frachtsegler überholte locker reihenweise schnittige Sportyachten. (Theoretische Rumpfgeschwindigkeit der "Seute Deern" ca. 13 kn, theoretische Rumpfgeschwindigkeit einer 12m-Yacht ca. 8,4 kn, Längen-Breitenverhältnis der SD ca. 5 : 1, der Yacht 3 - 3,5 : 1 .) Die "Seute Deern" lief damals übrigens 9 Knoten, und in der Praxis hat sie niemals mehr als 12 Knoten bei besten Bedingungen geschafft (eher weniger) - aber von 9 Knoten kann eine kleine Einrumpf-Yacht nur träumen.)
Was stimmt: kleine Schiffe sind wendiger, was ihnen auf Kreuzkursen durchaus Geschwindigkeitsvorteile verschafft. Aber ein Handelsschiffkapitän wird bestimmt nicht gegen den Wind kreuzen, wenn er ein Piratenschiff im Kielwasser hat.

So, Leudde, mit diesem Wissen im Hinterkopf wird's amüsant:
Die Piraten gaben den Segeleigenschaften und der Beweglichkeit im Manövrieren den Vorzug. Der Korsar Robert Surcouf zum Beispiel hätte als einer der reichsten Männer Frankreichs durchaus das Geld gehabt, sich ein Linienschiff mit 100 Kanonen bauen zu lassen. Aber dieses Schiff hätte bestenfalls 7 Knoten gemacht.
Har - Nelsons "HMS Victory" schaffte nachweislich über 9 Knoten. Ein in etwa baugleicher, aber zugunsten der Fracht nur leicht bewaffneter Ostindienfahrer - Surcoufs bevorzugte Beute - war etwa genau so schnell.
Stattdessen fuhr er lieber mit einer leichten Korvette mit 18 Kanonen und extrem hoher Takelage und war damit schneller als seine Gegner oder Opfer.
Surcoufs "Confiance" war für ein Kaperschiff schon außerordentlich groß - 57 m Länge über Bugsprit, 39 m Länge über alles, gut 35 m Wasserlinienlänge, damit über 14 kn Rumpfgeschwindigkeit - mit so einem Schnellsegler konnte er die Taktik der Verfolgungsjagd anwenden, die sich Otto Normalpirat mit seiner ollen Schaluppe verkneifen mußte. Aber vor den noch schnelleren und vor allem mit 32 - 46 Kanonen bewaffneten britischen Fregatten mußte auch ein Surcouf sich hüten. (1805 wurde die "Confiance" von der britischen Fregatte HMS "Loire" aufgebracht.)
Zum Bild: es stammt vom französischen Marinemaler Ambroise Louis Garneray und wurde 1816, 16 Jahre nach dem Gefecht, angeblich nach Augenzeugenberichten, gemalt. Die "La Confiance" ist korrekt wiedergegeben, der Ostindienfahrer "Kent" im Großen und Ganzen auch (er war aber weniger hochbordig) aber die Größenverhältnisse sind herorisierend verzerrt. (Die "Kent" war "nur" etwa doppelt so groß wie die "Confiance".) Außerdem wirkt der Frachtsegler "Kent" auf dem Bild wie ein sich heftig wehrendes schwer bestücktes Kriegsschiff. Entgegen französischen Angaben, die der "Kent" 40 Kanonen und 400 Mann Besatzung andichteten, hatte das Schiff "nur" 26 Kanonen und dürfte rund 150 Mann Besatzung gehabt haben - die "La Confiance" immerhin 18 (nach anderen Quellen: 20) Kanonen und 160 Mann Besatzung. Surcouf war schon ein toller Hecht, aber ein so toller Kaperfahrer, wie es die französische Legende will, auch wieder nicht.
La Confiance und Kent
Dieses in der französischen Wikipedia gefundene Bild gibt die Größenverhältnisse besser wieder - die Windverhältnisse hingegen wohl nicht. (Man beachte die Richtungen, in die die Flaggen auswehen.)

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 6745 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren