Umwelt

Sonntag, 22. März 2009

Die Ohnmacht und Selbstüberschätzung des klimabwussten Verbrauchers ...

... stellt Oliver Geden stellt in seinem Essay
"Strategischer Konsum statt nachhaltiger Politik" (Transit, Heft 36) zur Diskussion. (Gefunden bei Raumzeit.)
Doch in gegenwärtigen Boom von Klimaratgebern und Öko-Lifestyle-Internetportalen, im Kauf von Autos mit Hybrid-Antrieb oder dem Wechsel zu Ökostrom-Tarifen drückt sich nicht nur ein fehlendes Vertrauen in den Politikbetrieb aus, sondern zugleich auch eine immense Überschätzung politisierter Alltagspraxis. Denn der aktive Versuch, im Vollzug des eigenen Alltags Impulse für "mehr Nachhaltigkeit" zu setzen und dadurch nicht nur die persönliche Umweltbilanz zu verbessern, sondern auch positiv auf Politik, Unternehmen und Mitmenschen einzuwirken, gelangt häufig kaum über die Sphäre der symbolischen Ökonomie eines Avantgarde-Bewusstseins hinaus. Auch die direkt messbaren Klima-Effekte fallen meist bescheiden aus.
Wie man unschwer schon aus diesem Zitat erkennt, hält Geden herzlich wenig von den Versuchen, durch "kritischen Konsum" etwas Substanzielles für die Umwelt zu tun. Nur eine privilegierte Kundenschicht mit mindestens durchschnittlichem Einkommen kann überhaupt ernsthaft an "Einschränkungen zugunsten der Umwelt" oder "umweltgerechten Konsum" denken. (Geden bringt das nahe liegende Beispiel des ALG II-Empfängerhaushalts nicht, in dem "Verzicht zugunsten der Umwelt" mangels Masse kaum noch möglich ist, und "ökologiebewußter Konsum" schlicht zu teuer wäre.) "Kauf Dir eine bessere Welt" sei der Slogan einer privilegierten Kundenschicht, deren politische Haltung zusehends zur Lifestyle-Attitüde verkommt. Der demonstrative Konsum "ökologischer" Produkte diene vor allem dem Distinktionsgewinn - man demonstriert durch Ökokonsum sichtbar, was für ein toll umweltbewusster Mensch man doch sei. Deshalb verkauft sich z. B. der Toyota Prius, der durch eine besondere Karosserie schon vom Weitem als Hybridauto erkannbar ist, sich weitaus besser, als andere Hybridfahrzeuge, die sich "nur" durch den Antrieb von herkömmlichen Autos unterscheiden.
Zudem bliebe das ökologisch korrekte Konsumverhalten aufgrund der komplexen klimapolitischen Zusammenhänge - erwähnt sei der Emissionshandel - weitgehend wirkungslos. (Das gilt sinngemäß auch für andere umweltschützende Ziele.)
Reale Durchschlagskraft hätten nur die politisch verordneten Rahmenbedingungen - Geden nennt das Energieeinspeisungsgesetz, ohne das der Boom der erneuerbaren Energien ausgeblieben wäre.
Geden verlangt eine De-Politisierung der Alltagspraxis und eine Re-Politisierung des Umweltbewusstseins.

Mich erinnert Gedens Position, der ich im Großen und Ganzen zustimme, stark an einer Rede, die Jutta Ditfurth vor über 20 Jahren hielt: sie warnte davor, dass sich die Umweltbewegung einschließlich der Partei der "Grünen", entpolitisieren könne. Dabei skizzierte sie die "Ökospiesser". Ökospiesser konzentrieren sich darauf, ihren Alltag "umweltgerecht" zu gestalten, vergessen darüber aber die politische Ebene. Ihre öffentlichen Aktivitäten erschöpfen sich darin, nicht-mülltrennende Nachbarn besserwisserisch zu ermahnen.
So wie es aussieht, ist Jutta Ditfurths Befürchtung weitgehend eingetreten.

Die von Geden angesprochenen "politisch verordneten Rahmenbedingungen", zumeist gegenüber der Industrie, sind allerdings nicht vom Himmel gefallen oder den Wohlwollen der Politiker - einschließlich der "Grünen" - entsprungen. Entscheidend waren öffentlicher Protest, öffentlicher Druck und Lobbyarbeit für Umweltbelange (nicht zu verwechseln mit Lobbyarbeit für Unternehmen, die vermeintlich oder tatsächlich "ökologische Produkte" auf den Markt bringen). Zusammen mit Protest kann auch "gezielter Konsum" etwas bewirken, etwa der Boykott der Produkte eines bestimmten Herstellers.

Jutta Ditfurth warnte allerdings neben den "Ökospiessern" auch vor "Ökofaschisten". Das sind nicht nur braun-grüne Neonazis oder jene leider gar nicht so seltenen Gestalten, die eine stramme Ökodiktatur befürworten. Ökofaschisten sind alle, die die Ansicht vertreten, dass zwecks der überlebensnotwendigen Unterwerfung des Menschen unter die Natur der "naturwidrige" Individualismus und Liberalismus der Aufklärung, einschließlich Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit vor dem Gesetz usw. "überwunden" werden müssen. Ökofaschisten eint "(d)er Hass auf die soziale Gleichheit und die Freiheit des Menschen" (Jutta Ditfurth). Dass sie den "Ökofaschismus"-Begriff in der schlechten Tradition linker Rhetorik so weit fasst, dass z. B. auch konservative Umweltschützer und die gesamte Esoterik-Szene darunter fallen, sei am Rande vermerkt, tut aber ihrer im Großen und Ganzen zutreffenden Einschätzung keinen Abbruch. (Näheres zum Ökofaschismus schrieb ich hier: Diktatur in Grün.)

Wenn das Pendel vom der Politisierung der Altagspraxis ("Ökospiesser") zu einer Re-Politisierung des Umweltbewusstseins zurückschwingt, dann besteht meines Erachtens leider auch die Gefahr, dass die Fans einer Öko-Diktatur wieder Oberwasser bekommen. Es ist auch aus meiner, irgendwo zwischen liberal, anarchistisch und basisdemokratisch angesiedelten Perspektive, schon schlimm genug, dass die (selbstgemachte) Krise des Kapitalismus die Freunde einer bürokratischen Kommandowirtschaft, bis hin zu den Bewunderern einer ach so effizienten "gelenkten Demokratie" Oberwasser gewinnen lässt.

Nach allen bisherigen Erfahrungen bekommen intakte Demokratien mit freier Presse, unabhängiger Justiz und einigermaßen transparenter Verwaltung Umweltprobleme erheblich besser in den Griff als autoritäre Staaten verschiedener Couleur. So gesehen gehören der politische Kampf für Umweltschutz und der politische Kampf für Menschen- und Bürgerrechte, für mehr Demokratie (auch in der Wirtschaft) untrennbar zusammen.

Donnerstag, 19. Februar 2009

Raubbau an geschützten Wäldern politisch legitimiert

Was macht man, wenn in einer Region schon gut die Hälfte der Holzausfuhren aus illegalem Holzschlag stammen? In Russland ist die Frage leider leicht zu beantworten: Die Rodungen werden politisch "legitimiert".

Die Forstverwaltung der Provinz Primorje (in Ostsibirien) hat 200 Waldparzellen innerhalb der geschützten russischen Amurregion für die Abholzung freigegeben. Völlig überraschend wurden Abholzungskonzessionen für die Waldstücke meistbietend versteigert. Die Parzellen liegen in einer Region, die unverzichtbarer Stabilisator des Weltklimas und Lebensraum für zahlreiche bedrohte Tierarten wie den Sibirischen Tiger und den Amurleopard ist.
WWF Deutschland: Umweltskandal in Russland
Die Bedingungen die Mitarbeiter des WWF sind gefährlich: Regelmäßig werden Anschläge auf sie verübt, Hütten abgebrannt oder Radmuttern gelöst. "Wir haben es vor Ort mit einer regelrechten Holzmafia zu tun“, meint WWF Amurexperte Frank Mörschel.

Diese erschreckende Nachricht zeigt wieder einmal, dass bestimmte Gebiete sozusagen "blinde Flecken" in der öffentlichen Wahrnehmung bzw. in der Berichterstattung unserer Medien sind.
Der "ferne Osten" Russlands ist medial gar praktisch nicht vorhanden.

Sie zeigt aber auch in aller Brutalität, wie korrupte Strukturen funktionieren: Aus politischen Erwägungen werden Kriminelle für ihr verantwortungsloses tun sozusagen belohnt.
In etwas "zivilisiertere" Form finden sich strukturelle Korruption aber auch bei uns - z. B. hier: Milliardärin Schaeffler von der Solidarität ihrer Angestellten zu Tränen gerührt.
(Wobei ich für die Schaeffer-Angestellten, die von Arbeitsplatzverlust bedroht sind, noch Verständnis habe, dass sie das Privat-Vermögen der Schaeffer schützen wollen, in der (m. E. trügerischen) Hoffnung ihr eigenes Einkommen damit zu sichern - nicht aber für Politiker ohne Rückrat.)

Donnerstag, 5. Februar 2009

Raubfischerei boomt - Fischerei-Verhaltenskodex wird oft ignoriert

Dass die Überfischung der Meere ein ernstes Problem ist, dürfte allgemein bekannt sein. Dennoch wird der Fischerei-Verhaltenskodex der UN weitgehend ignoriert.

Mindestens 28 der 53 wichtigsten Fischerei-Nationen beuten das Meer auf unverantwortliche und umweltschädigende Weise aus. Sie sind für 40 Prozent des weltweiten Fischfangs verantwortlich. Die restlichen Länder sind auch keine Musterknaben, sondern fischen lediglich nach gerade noch akzeptablen Standards. Nicht ganz überraschend ist, dass Island, Norwegen, Kanada, Australien und die USA einigermaßen gut abschnitten. Bezeichnenderweise machten die EU-Länder durchweg eine schlechte Figur, auch Deutschland hat nur knapp bestanden.
wissenschaft.de: Vergessener Fischer-Knigge.
Da der freiwillige Kodex so wenig Beachtung findet, soll er gegen ein verpflichtendes Abkommen ersetzt werden. Fragt sich, wie diese Verpflichtungen in der Praxis durchgesetzt werden sollen.

Donnerstag, 11. September 2008

Ein Naturschutz-Dilemma: Eingreifen zugunsten des Artenreichtums?

august08 016
(Heidekraut - Foto: MartinM)

Die typischen Heidelandschaften Norddeutschlands - etwa in der Lüneburger Heide - sind keine Naturlandschaften. Es sind Kultursteppen. Ursprünglich waren die sandigen Geestflächen bewaldet. Sie entstanden durch die großflächige Waldrodung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit - die Salinen Lüneburgs oder die Ziegelbrennereien auf der Holsteinischen Geest brauchten Unmengen an Feuerholz. Der Raubbau machte auch nicht vor jungen Bäumen halt. Auf den Sandflächen siedelten sich robuste Pionierpflanzen wie das Heidekraut an.
Es erfordert einigen Aufwand, um eine Heidelandschaft zu erhalten. Die Heidschnucken verbeißen junge Birke, Erlen und Kiefern - sonst würde da, wo heute noch Heide ist, in einigen Jahren ein junger Pionierwald stehen.

Ist dieser Eingriff in die Natur gerechtfertigt? Ohne die Eingriffe des Menschen sind Heidelandschaften kurzlebige Biotope, die da entstehen, wo auf sandigen Boden der ursprüngliche Wald etwa durch Waldbrände oder Sturmschäden gelichtet war, ein Übergangsstadium zum Pinierwald (aus schnell wachsenden, robusten Bäumen) zum Hochwald (auf den norddeutschen Sandböden ist das Buchenmischwald). Nun ist es aber so, dass es praktisch keine urwüchsige Wälder mehr gibt, entsprechend wenige natürliche Lichtungen und damit Heideflächen gibt es. Diese Heideflächen sind aber besonders artenreich, außer endemischen, an das Ökosystem Heidelandschaft gebundenen, Arten sind das Arten, die in intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen nicht überleben können.
So gesehen ist es also im Interesse des Naturschutzes, eine Kultursteppe künstlich zu erhalten.

Ein anderes Beispiel zeigt sich im Nationalpark Wattenmeer: In Nationalparks müssen menschliche Eingriffe so weit wie möglich vermieden werden. Durch das Verbot, Entwässerungsgräben in den Schutzzonen weiterhin offen zu halten, und durch das Verbot der Tierhaltung haben sich ehemals artenreiche (Kultur-)Landschaften oftmals in bloße "Schlickwiesen" verwandelt.

Die Salzwiese ist der natürliche Zustand der zeitweilig überfluteten Marsch, die an das bei Flut unter Wasser stehende Watt angrenzt.
Es gibt dabei drei Zonen:
  • Die artenarme Quellerzone, die bei Flut mehrere Stunden unter Wasser steht, un in der es ganze zwei Arten Blütenpflanzen gibt: das Salz-Schlickgras und der namengebende Queller.
  • Die Andelgraszone, die bei leicht erhöhten Wasserständen überflutet wird, und die schon einige Arten mehr aufweist: z. B. Strandsode, Stranddreizack oder Strandaster.
  • Und schließlich die Rotschwingelzone, die nur noch selten vom salzhaltigen Meerwasser erreicht wird, und die sehr artenreich ist.
Durch die Entwässerungsgräben fließt das Wasser nach der Überflutung schneller ab, es entstehen damit zusätzliche Lebensräume für die Pflanzen der Rotschwingelzone, der Artenreichtum der Salzwiese wird größer. Ohne die Entwässerung gewinnen die artenärmeren "Schlickwiesen" der Andelgras- und Quellerzone an Boden.

Hinzu kommt im Nationalpark ein weiteres Problem: es gibt keine wildlebenden Weidetiere mehr, und damit fehlt eine Komponente des ursprünglichen Ökosystems Marschland. Eine regelmäßig von Schafen abgegraste Wiese bieten mehr Arten Unterschlupf, als eine, auf der das Gras halbmeterhoch steht.

Ich denke, dass die Idealvorstellung der "unberührten Natur" unter mitteleuropäischen Verhältnissen in den meisten Fällen unrealistisch ist, und wie im Falle der Heideflächen ein "ökologischer Kompromiss" vor allem im Sinne des Artenschutzes sinnvoller ist.
Außerdem hadere ich mit einer Vorstellung von Naturschutz, die den Menschen als außerhalb der Natur befindlich, als reine "Störgröße", begreift.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Sonnencreme im Badesee macht Schnecken unfruchtbar

Da es bei uns im Raum Hamburg wieder warm und sonnig ist, ist vielleicht eine kleine kalte Dusche in Form einer Pressemeldung der Goethe-Universität Frankfurt am Main angebracht:

Die chemischen UV-Filtersubstanzen in den meisten Sonnencremes beeinflussen das Hormonsystem und auf diese Weise die Fortpflanzung von Wasserschnecken. Zu diesem Ergebnis kommt Dominic Kaiser vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe Universität in einer Studie, in der er die Wirkung der beiden häufigsten UV-Filtersubstanzen auf drei wasserlebende Organismen untersuchte. den Glanzwurm, die Zuckmücke und die Zwergdeckelschnecke. Während die Vermehrung von Wurm und Mücke von den Substanzen nicht beeinträchtigt wurde, produzierten die Schnecken weniger Embryonen im Laborversuch. Ganze Meldung.
Inwieweit Östrogen-aktive UV-Filter auch für den Menschen schädlich sind, ist bisher nicht untersucht. Sicher ist, dass sie über die Haut aufgenommen werden und anschließend für einige Stunden im Blut, Urin und auch in der Muttermilch nachweisbar sind. Rein physikalisch wirkende Sonnenschutzmittel, die z. B. mit fein verteiltem Titanoxid-Pigmenten arbeiten, sind in vielen Fällen eine Alternative. Außerdem sind nicht alle chemischen UV-Filter Östrogen-aktiv. (So untersuchte die Zeitschrift Öko-Test Kindersonnenschutzmittel. In 16 von 21 getesteten Mitteln steckten UV-Filter, die in den Verdacht geraten sind, hormonähnlich zu wirken.)

Allerdings sieht es für mich so aus, als ob die Sonnencreme nur die Spitze des Eisbergs wäre, denn die Östrogen-aktiven Substanzen kommen nicht nur in Sonnencremes, sondern auch in vielen anderen Kosmetika wie Shampoos, Hautcremes, Lippenstiften und Parfums vor. Diese Stoffe werden aber von biologischen Kläranlagen gut abgebaut, während Sonnencreme auch direkt in Badeseen eingetragen wird.

Freitag, 18. April 2008

Warum mir "Tierrechte" suspekt sind

Obwohl ich mich dem Motto: "Die Frage ist nicht: können sie denken? oder: können sie sprechen? sondern: können sie leiden?" des Vereins "Menschen für Tierrechte" anschließen kann, gilt das sicher nicht für das Konzept "Tierrechte".

Ich schrieb vor gut zwei Jahren über Tierschutz und Tierrechte und die Organisation PeTA:
Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden: Engagement für mehr Tierschutz ist bitter notwendig. Nach wie vor bestehen (grade in der deutschen Landwirtschaft) Tierhaltungsmethoden, die jeder Moral und jedem Mitgefühl Hohn sprechen. Engagement für die Erhaltung wildlebender Tiere und ihrer Lebensräume ist auch kein sentimentales Hobby, sondern Kernbestandteil des Umweltschutzes.
PETA geht es nach eigenen Angaben nicht um Tierschutz, sondern um Tierrechte. Womit nicht etwa das "Recht" auf nicht-quälerische Haltung gemeint ist. ("Recht" in Anführung, da Tiere keine Rechtssubjekte sind. Auch wenn meine Katze gerne auf "ihre Rechte" pocht.) PETA-Sprecher verkünden eine fragwürdige Ideologie, die Menschen und Tieren gleiche Rechte zubilligt. "Es gibt keinen Grund zu glauben, dass ein menschliches Wesen besondere Rechte hat," erklärte PETA-Gründerin und Vorsitzende Ingrid Newkirk. Von ihr stammt die Aussage: "Die Menschheit ist wie ein Krebsgeschwür gewachsen. Wir sind der größte Pesthauch auf diesem Planeten." Meiner Ansicht nach zeugt das mehr von Menschenhass als von Tierliebe.
Dieser Einschätzung bin ich treu geblieben - auch wenn ich heute den Link auf die "Achse des Guten" nicht mehr so leichthin setzen würde und meine Katze nicht mehr lebt. (Ich habe sie töten lassen, als sie an einem offensichtlich schmerzhaften und auf Antibiotika nicht ansprechendem schweren Abszess litt. Wohl gemerkt, ich vermeide den Euphemismus "einschläfern lassen". Als mein Bruder und ich sie im Wald beerdigt hatten, meinte mein Bruder, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach kein so schönes und würdevolles Grab erhalten würden. Ein seltsamer und paradoxer Gedanke.)

Nun ist "Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V." nicht PeTA und von der Überspanntheit, dem Fanatismus und der Heuchelei, den diese Organisation meiner Ansicht nach auszeichnet, offensichtlich ein gutes Stück weit entfernt.
Dennoch ist mir nicht ganz wohl bei dem Gedanken, welche Konsequenzen die "Tierrechts"-Ideologie hätte, würde sie jemals in die Tat umgesetzt. Das hat zum Teil ganz lebenspraktische Gründe: ich weiß, dass wichtige Gebiete der medizinischen Forschung auf Tierversuche angewiesen sind. Und obwohl ich weiß, dass um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, rechnerisch sieben Kilo Getreide benötigt werden, halte ich von einer veganen Lebensweise, die auch von "Menschen für Tierrechte" propagiert wird, nichts. Denn diese Betrachtung unterstellt, dass das Tierfutter alternativ für die menschliche Ernährung hätte genutzt werden können, was auf Getreide oder Soja zutrifft, nicht jedoch z. B. auf Gras.

Jeremy Bentham, von dem das Motto: "Die Frage ist nicht: können sie denken? oder: können sie sprechen? sondern: können sie leiden?" stammt, und der als einer der frühesten Tierrechtler gilt, ist meiner Ansicht nach ein Musterbeispiel dafür, wie "Aufklärung" tatsächlich dialektisch in "Barbarei" umkippen kann. (Frei nach "Horkdorno".) Jedenfalls denkt man bei seinem Namen heute weniger an Tierrechte, auch nicht an die Menschenrechte, deren unermüdlicher Anwalt er zeitlebens war, sondern an das Konzept des Panopticons. Dieses Gefängnis, in dem im Prinzip jeder Gefangene zu jeder Zeit unbemerkt beobachtet werden könnte, war von Bentham als Schritt zur Humanisierung des Strafvollzuges gedacht. Er hoffte, dass sich zu jeder Zeit alle Insassen regelkonform verhalten würden, da sie jederzeit davon ausgehen müssten, beobachtet zu werden. Das Verlockende am Panopticon ist, dass es zu einer massiven Kostensenkung im Gefängnis- und Fabrikwesen führt, denn das Verhältnis zwischen effektiv geleisteter Überwachungsarbeit und erzeugter Angst, beobachtet zu werden, ist sehr effizient. Auch für von Ängsten gebeutelte Sicherheitsexperten und Innenpolitiker stellt das Prinzip "tugendhaftes Verhalten und totale Sicherheit durch permanente Angst, bei Regelverstoß erwischt zu werden" eine "süße Droge" dar, die sie alle Menschen- und Bürgerrechte missachten lässt.

Dem klassischen Utililtarismus Benthams und seines wichtigsten Schülers, John Stuart Mill, liegt eine Ethik zugrunde, die allzu leicht ins "barbarische" umkippen kann: das "Prinzip des größten Glücks“ ("Maximum-Happiness-Principle"), vor allem in seine mathematisierten Form: Um zu beurteilen, ob eine Handlung Leid oder Glück nach sich zieht, wird sozusagen alles entstehende Einzelglück addiert, und davon das entstehende Einzelleid abgezogen, der Saldo ergibt den Gesamtnutzen der Handlung. Das Glück und Leid jedes Menschen besitzt gemäß dieser Ethik das gleiche Gewicht - was regelmäßig zu ethisch-logischen Kurzschlüssen wie: "das Leben eines Einzelnen hat gegenüber dem Leben der Vielen kein Gewicht" führt. Kein Wunder, dass massenmordende Diktatoren wie Mao oder Stalin gern utilitaristisch argumentierten - bzw. utilitaristische Motive für Massenmorde vorschoben.
Eine weitere Gefahren liegt darin, dass Glück (oder auch nur Zufriedenheit) und Leid sich nicht messen lassen - die Gefahr liegt u. A. in der Zwangsbeglückung. Bezieht man, wie es Bentham tat, auch nichtmenschliche Lebewesen in das "Prinzip des größten Glücks“ ein, dann sind die Konsequenzen nicht selten "unmenschlich" - die meisten Tiere wären über das Aussterben der Menschheit vermutlich glücklich. Meines Wissens gehen aber nur wenige Tierrechtler so weit, dass sie Menschenrechte auf Tiere - und zwar alle Tiere übertragen würden.
Aber selbst die moralische Forderung, dass das Leben aller Tiere zu respektieren sei, würde zum Tod unzähliger Menschen führen: Nagetiere, vor allem Ratten und Mäuse, sowie Heuschrecken und andere Insekten sind buchstäblich Nahrungskonkurrenten des Menschen, ohne jede "Schädlingsbekämpfung" würde ein großer Teil der Ernten ausfallen. Abgesehen davon halte ich ethische/moralische Debatten darum, ob man z. B. Katzen gezielt gegen Hausmäuse einsetzen dürfe, für einigermaßen hirnrissig.

Die Erfahrung lehrt, dass Menschen, die versuchen, neue moralische Maßstäbe zu setzen, dabei oft die alten vergessen und unversehens bei einer eiskalten Unmoral landen.
In den Normen eine tierrechtsorientierten Moral ist beispielsweise ein Wissenschaftler, der lebensrettende Medikamente an Tieren testet, ein Verbrecher. Ob diese Haltung, wie bei PeTA, in menschenfeindlichen Fanatismus umschlägt, hängt allein von der Integrität und dem Gewissen der einzelnen Tierrechtler ab.

Samstag, 1. Dezember 2007

Es wird finster in Deutschland

Aber nur, wenn es nach "Greepeace Deutschland" zusammen mit der BILD-"Zeitung", BUND, WWF, Google und ProSieben geht - und auch nur für fünf Minuten, am 8. Dezember. Danach dürfen die kitschigen Weihnachtsbeleuchtungen wieder die Einkaufstraßen mit altertümlichen Glühlampen beheizen, werden Gebäude, vor allem Kirchen, angestrahlt, und Leuchtreklamen sorgen für das, was man in Provinzstädten immer noch "weltstädtisches Flair" nennt.

Stefan Niggemeier kann ich nur zustimmen: Greenpeace geht ein Licht aus.

Sinnvoller als mal kurz das Licht auszumachen, ist es allemal, bis zum 27. 12. 2007 diese Online-Petition gegen Lichtverschmutzung an den Deutschen Bundestag zu unterzeichnen. Angestoßen wurde sie von den astronomischen Vereinigungen und Tierschützern. Eine gesetzliche Reduzierung der Lichtverschmutzung durch unnötige und unzweckmäßige (nicht gezielt nach unten, z. B. zur Straßen, sondern in alle Richtungen strahlende) Lichtquellen würde nicht nur den Blick auf den Sternenhimmel verbessern und die Tiere schonen, sondern auch noch Energie sparen (und somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn man das Umweltschutz-Motto "nicht ohne meinen Klimawandel" berücksichtigen will). Slowenien hat bereits Ende August 2007 als Vorreiter in der EU ein solches Gesetz beschlossen.

Donnerstag, 29. November 2007

... nicht weil es einfach wäre, sondern gerade weil es schwierig ist!

Treffend geriet "Telepolis" diese Überschrift: Apollo 2.0. Der aussagekräftige Vergleich stammt aus dem Weißbuch Clean Power from Deserts vom "Club of Rome". Solarkraftwerke in der Sahara können den Energiebedarf Afrikas, Europas und des Nahen Ostens decken. Solarthermische Kraftwerke sollen nicht nur Strom liefern (der über Gleichstrom-Höchstpannungsleitungen verlustarm in die Metropolen geschickt werden kann), sondern auch noch Prozesswärme und Süßwasser - etwa für die Bewässerung der Felder des Mittelmeerraums.
Auch wenn ich über den Club of Rome durchaus gemischte Ansichten habe, ist die u. A. von ihm angestoßene Trans-Mediterranean Renewable Energie Cooperation eines jener Projekte, mit dem ein ehrgeiziges - aber erreichbares - Ziel näher rückt: Eine von fossilen Brennstoffen unabhängige Energieversorgung, und zwar dergestalt, dass auch der sich absehbar steigernde Energiebedarf der heutige "Entwicklungsländer" gedeckt werden kann - und am Ende ein Versorgungsniveau steht, das "Wohlstand für alle" statt lediglich "gerecht verteilten Mangel" bedeutet.

Der Vergleich mit "Apollo" ist passend. Als US-Präsident John F. Kennedy 1961 ein Projekt ankündigte, dass noch vor 1970 einen Menschen zum Mond und heil wieder zur Erde zurückbringen sollte, da gab es weder eine Trägerrakete, die für diesen Zweck auch nur annähernd stark genug wäre, noch war bekannt, ob Menschen überhaupt in der die Schwerelosigkeit arbeiten könnten, es gab keinen Computer, der in die Raumkapsel hätte eingebaut werden können, die Frage, ob eine weiche Mondlandung überhaupt möglich wäre, war ungeklärt - kurz: bei "realistischer" Planung auf dem Stand des Jahres 1961 erschien Apollo ein unmögliches Unterfangen zu sein. Und doch - es gelang! Der Kontrast zu anderen technischen Unternehmen ist so krass, dass heute wissenschaftlich unhaltbare, aber "irgendwie" plausibel klingende Verschwörungstheorien, die behaupten, die Mondlandungen seien fingiert worden, ihre Anhänger finden.
Auch wenn man am Sinn des Mondfluges Zweifel anmeldet und die ausgegebenen Geldmittel (die etwa zwei Monaten Vietnamkrieg entsprachen) für verschwendet hält Ich halte es nicht: "Apollo" zeigte, dass wenn etwas technisch möglich ist und die Intention (politisch, aber auch gesamtgesellschaftlich) es trotz aller Hindernisse und Probleme zu schaffen, groß genug ist, auch das anscheinend Unmögliche machbar ist.

Da passt es, dass es das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war, das in diesem Jahr verschiedene Studien dazu veröffentlicht, die unter anderem vom Bundesumweltministerium (das offensichtlich doch zu mehr als zur Klimaschutz-PR zu gebrauchen ist) in Auftrag gegeben wurden.
Now, the rest is up to us, and there's a future to be won. We must turn our faces outward, we will do what must be done.

Donnerstag, 9. August 2007

Franz Alt entpuppt sich wieder mal als alter naiver Alternativer

Franz Alt behauptet in seinem Artikel Keine Angst vor Biosprit.
Was in die Tanks der Auto fließt, können wir nicht essen.
und zeichnet auch sonst ein recht rosiges Bild vom Einsatz von Agrar-Diesel und Agrar-Alkohol als Treibstoffe.

Nun, leider wird Agrar-Alkohol zumeist (noch) aus Pflanzen gewonnen, die bisher in erster Linie als Nahrungsmittel angebaut wurden. Angeblich wird bereites rund ein Viertel der US-Maisproduktion für die Treibstoffgewinnung genutzt (Wirtschaftswoche: Steigende Lebensmittel-Preise erzürnen die Amerikaner). Ob die Preissteigerungen für Mais in erster Linie darauf zurückzuführen sind, ist zwar fraglich, ohne Preisseffekt bleibt die "Maisverspritung" aber sicher nicht. Und überhaupt nicht fraglich ist, dass gestiegene Maispreise vor allem für das benachbarte Mexiko ein soziales Problem ersten Ranges sind.

Noch größer ist das Problem im Agrarsprit-Vorreiterland Brasilien. Die Energiepflanzen - vor allem Zuckerrohr - werden in riesigen Monokulturen angepflanzt, mit allen bekannte ökologischen Nachteilen. Hinzu kommt, so kritisiert der internationale Kleinbauernverband La via Campesina, dass nicht die Kleinbauern, sondern Großgrundbesitzer vom Energiepflanzenboom profitieren – auf Kosten von vielen Millionen Kleinbauern, die gerade in in Brasilien schon lange buchstäblich ums Überleben kämpfen.

Beim "Biodiesel" gibt es ein Problem, über das ich schon vor über eineinhalb Jahren bloggte - nämlich, dass für seine Herstellung im großen Umfang importiertes Palmöl eingesetzt wird, und dass für neue Palmöl-Plantagen Regenwald abgeholzt wird: Biokraftstoff ist schlecht für den Regenwald und Den Teufel mit dem Belzebub ... .

Alt jubelt:
Jetzt bekommen die Bauern endlich höhere Preise für ihre wertvollen Produkte. Sie haben eine Alternative zur bisherigen Lebensmittelproduktion. Bald könnte Schluss sein mit der Überproduktion und dem Vernichtungswahnsinn am Lebensmittelmarkt.
Ja, es könnte sinnvoll sein - da die EU-Landwirtschaft tatsächlich Überschüsse produziert. Aber: In der Europäischen Union sollen bis 2020 insgesamt zehn Prozent des Treibstoffes durch Agrar-Alkohol bzw. -Diesel ersetzt werden. Selbst für dieses vergleichsweise bescheidene Ziel reicht die Anbaufläche innerhalb der EU-Grenzen nicht aus, wenn man bei der herkömmlichen "Verspritung" bzw. Ölveresterung bleibt.
Aber statt das nahende Ende des Wahnsinns zu begrüßen, wird in Deutschland schon wieder gejammert: Die Flächen reichen nicht aus, um alle Autos mit Biosprit zu betanken!
Sie reichen nicht einmal für 10 % der Autos aus!
Wer will das denn? Biosprit ist selbstverständlich nur ein Teil der Lösung. Elektroautos, Wasserstoffautos, Hybridautos und vor allem kleinere, sparsamere Autos kommen hinzu.
Stimmt. Und auch der von Alt angesprochene Ausbau der öffentlichen Verkehrmittel dürfte sinnvoll sein.

Das Grundproblem bleibt aber, dass "Biotreibstoff" fast ausschließlich aus primären Agrarrohstoffen gewonnen wird - aus dem "Hauptprodukt" der angebauten Pflanze, das zugleich Nahrungmittel ist: Rapsöl, Maiskörner, Rohrzucker, Palmöl usw. . Sinnvoller ist es, die Biotreibstoffe aus sekundären Argarrohstoffen (z. B. Maisstroh) oder gar aus Abfällen zu gewinnen. Technisch machbar ist es, z. B. berichtete "nano" vor einiger Zeit über Treibstoff aus Müll.

Sehr lesenswert was im amerikanischen "Rolling Stone" online zu "Biosprit" steht: Ethanol Scam: Ethanol Hurts the Environment And Is One of America's Biggest Political Boondoggles

Freitag, 20. Juli 2007

Doch erhöhtes Leukämierisiko in der Nähe von Kernkraftwerken?

Ich las folgende Nachricht mit einiger Spannung:
In der Nähe von Kernkraftwerken erkranken mehr Kinder und Jugendliche an Leukämie. Das schließen amerikanische Wissenschaftler aus einer Studie, in der sie die Ergebnisse von 17 verschiedenen Untersuchungen zum Einfluss von Kernkraftwerken auf das Krebsrisiko zusammengefasst haben. (Auf "wissenschaft.de": Mehr Leukämien in der Nähe von Kernkraftwerken.)
Damit wäre die Vermutung, dass z. B. der "Leukämiecluster" in der Elbmarsch östlich von Hamburg auf den Einfluss des Kernkraftwerks Krümmel und der Forschungsreaktoren der GKSS zurückzuführen wäre, deutlich erhärtet worden. (Nebenbei wäre die - umstrittene und meine Ansicht nach nicht haltbare - Hypothese eines vertuschten Großunfalls bei der GKSS damit unnötig geworden: der Normalbetrieb von Reaktoren würde als Risikofaktor ausreichen.)

Beim näheren Hinsehen war ich allerdings enttäuscht: Es handelt sich bei dieser Studie um eine Meta-Analyse mehrerer statistischer Erhebungen. Das statistische Grundproblem, dass kindliche Leukämie so selten ist, dass schon einige wenige Fälle zu beachtlichen Abweichungen vom landesweiten Durchschnittswert führen, bleibt bestehen. Auch ein anderes Problem bleibt: warum gibt es bei einigen Reaktoren "Leukämiecluster", bei anderen hingegen nicht? (Aus diesem Dilemma resultiert die These, dass die Kombination von Strahlung und bestimmten anderen Umweltbedingungen das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen könnte.)

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