Kulturelles

Sonntag, 15. April 2007

Quadratisch, praktisch, mutig

Ich habe mich endlich aufgerafft. Zum Besuch der vieldiskutierten Ausstellung "Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch" in der
Hamburger Kunsthalle.

Das meistdiskutierte Stück der Ausstellung thront unübersehbar zwischen dem Altbau der Kunsthalle und dem steinernen hellen Würfel der Galerie der Gegenwart. Ein schwarzer Würfel, aus Tuch. Sehr passend als Hommage an Malewitschens Provokation, weil (ungewollt) provokativ.
Wobei: der einzige Grund, aus dem Gregor Schneiders 14 Meter hoher Würfel provokativ ist, ist das vorherrschende Gefühl und Motiv unserer "Mächtigen", unserer "Entscheider", in Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur - Angst. Angst vor Kontrollverlust: Alles, was nicht "beherrschbar" ist, ist bedrohlich. Und Angst, Angstmache, als Machttechnik: wer vor Angst nicht aus noch ein weiß, ist Beherrschbar.
Der Stoffwürfel entlarvte schon zweimal dieses "Lebensgefühl" des "Westens".
Eigentlich hätte Schneiders schwarzer Würfel als "Cube Venice" bereits zur Biennale in Venedig 2005 zu sehen sein sollen. Gregor Schneider erhielt eine Absage - weil der schwarze Kubus nicht nur ans schwarze Quadrat erinnert, sondern an die muslimische Kaaba in Mekka. Terrorgefahr!
Dann plante der "Hamburger Bahnhof" in Berlin die Installation des Kunstwerks - aber wieder eine Absage, aus Angst. Vorauseilender Kapitulation vor einem selbst an die Wand gemalten Teufel: denn für die Kaaba in Mekka den wichtigsten Wallfahrtsort der Muslime, besteht kein Abbildungsverbot. Wovon man sich, wenn man will, in jeder zweiten türkischen Teestube und jeden islamischen Zentrum mit eigenen Augen überzeugen kann.
Angst schafft eine eigene Realität. Es war eine groteske Mischung aus Unkenntnis, Paranoia und Medienspektakel - denn nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, und wozu eine gute Panik-Story mit einem Blick ins Lexikon "totrecherchieren" - die angesichts halluzinierter befürchteter muslimischer Proteste zu dem vorauseilenden Kubus-Baustopp führte.
Anders in Hamburg. Vertreter der islamischen Gemeinden, die in Hamburg vor dem Bau des Kubus konsultiert wurden, hatten keinerlei Bedenken gegen ein Kunstwerk, das an die Kaaba erinnert: Ganz im Gegenteil! Man fühlt sich geehrt.
Und ganz im Sinne des Künstlers, denn Schneider selbst sieht seine Skulptur durchaus auch als eine Huldigung an das islamische Heiligtum und will damit für mehr interkulturelles Verständnis werben.

Mich selbst erinnert der schwarze Würfel an ein Gebilde, dass nur deshalb kein schwarzer Würfel war, weil selbst ein Stanley Kubrik Angst hatte, ein schwarzer Kubus könne als Abbild der Kaaba mißverstanden werden: der geheimnisvolle schwarze Monolith aus dem Film "2001 - Odysee im Weltraum". Wobei Kubrik nicht vor muslemischen, sondern christlich-evangelikalen Prostesten Angst hatte. Obwohl ich wußte, dass der Würfel nur ein stoffbespanntes Gestell ist, strahlt er (jedenfalls für mich) etwas unheimliches, außerweltliches, aus. Eine Projektionsfläche. Als ich den Kubus mit eigenen Augen sah, begriff ich, wieso es Menschen gibt, die vor ihm, vor dem, wofür er steht, Angst haben. Angst vor der Reflektion, Angst auch vor dem nicht sofort Erklärbaren, die sich dann nachträglich rationalisieren und z. B. auf den derzeitigen "Lieblingsfeind", den islamistischen Terror, projezieren.
Kaaba, Melewitsch Quadrat, der schwarze Monolilth aus "2001" und der Stoffwürfel sind - oder symbolisieren - Orte der Selbstverwandlung wie auch die spirituelle Dimension. Bei Malewitsch ist das keine Spekulation - "Ich aber verwandelte mich in die Nullform und kam jenseits der Null bei -1 heraus", schrieb Malewitsch in seinem Manifest 1915.

Und die Austellung? Sehenswert. Sie macht überzeugend deutlich, wieso ein harmloses (und im Grunde banales) "Schwarzes Quadrat auf weißem Grund" im frühen 20. Jahrhunderts in Europa und Amerika so provoziert und zur Auseinandersetzung angeregt hat.

Wie revolutionär seine Idee war, wird schon im Eingangsraum deutlich. Historiengemälde des 19. Jahrhunderts - keineswegs Kitsch, für sich genommen jedes durchaus sehenswert - in der damals üblichen "engen Hängung", in der sie die pompösen Gemälde sich gegenseitig erschlagen. Die Sackgasse, in der sich die etablierte Kultur in späten 19., frühern 20. Jahrhundert verrannt hatte.
Und als absoluter Kontrast: das in seiner Schlichtheit nicht zu überbietende "schwarze Quadrat". Tabula rasa. Neuanfang.

Gemälde, Installation, Skulpturen und Videofilme von fast 50 Künstlern gruppieren sich um das "schwarze Quadrat". Darunter (ich schreibe die Namen einfach mal ab) zahlreiche Werke von Malewitsch und seinen Zeitgenossen wie El Lissitzky oder Olga Rosanowa. Den großen Anteil an der Ausstellung haben Gegenwartskünstler: Richard Serras Stahlskulpturen, Carl Andres minimalistische Bodenarbeiten, Wandobjekte von Donald Judd oder Kompositionen von Imi Knoebel.
Alles Erben des "Schwarzen Quadrates". Jeder Werk für sich respektabel. Und doch drängt sich für mich jedenfall, der Eindruck auf, dass "die Moderne" auf ihre Weise ähnlich verrannt und erstarrt ist wie die akademische Kunst vor 100 Jahren. Irgendwie paßt die moderne Kunst gut zu Powerpoint-Präsentationen und Säulendiagrammen.
Die Rebellen sind tot. Es leben die ängstlich Angepassten. Ein Grund mehr, Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner und dem Künstler Gregor Schneider Beifall zu zollen.

Freiheit wird aus Mut gemacht!

Samstag, 14. April 2007

Wie hat MZB es geschafft, Bestseller-Autorin zu werden?

Anknüfend an einen Beitrag bei Volkmar: Marion Zimmer Bradley - was ich an ihr auszusetzen habe.
Anfang der 80 Jahre machte ein Fantasy-Roman weltweit Furore:
"Die Nebel von Avalon" von Marion Zimmer Bradley (im Szene-Jargon meistens MZB abgekürzt). Obwohl mein Urteil über diesen Roman nicht ganz so vernichtend ist wie Volkmars, stimme ich ihm darin zu, dass "Die Nebel" alles andere als ein literarisches Meisterwerk ist. Weder stilistisch, noch vom Spannungsaufbau her, noch von den Personenschilderungen ragt das Buch, MZBs Ambitionen zum Trotz, über das übliche Fantasy-Niveau heraus. Besonders störend - aus meiner Sicht - sind ihre wortreichen Passagen, in denen das Seelenleben der Protagonisten ausgebreitet wird, ohne dass ihre Motive dadurch klaren oder die Personen glaubwürdiger würden, die zähe Handlungsschilderung, und unlogische Handlungen - z. B. scheint der einzige Grund für die Gralssuche der zu sein, dass zu einem Arthusroman nun mal eine Gralsuche gehört.

Womit sich die Frage stellt, wieso MZB es ausgerechnet mit diesen Roman schaffte, weltweite und sogar von der Kritik beachtete Bestsellerautorin zu werden. Es kommt nicht nur auf den Inhalt oder den Stil an, ob ein Buch ein Erfolg wird.

Der Erfolg von MZB mit "The Mists of Avalon" ist geradezu ein Mustrnbeispiel, wie es das "richtige" Buch zum "richtigen" Zeitpunkt und über den "richtigen" Agenten und Verlag schaffte.
  1. MZB hatte einen sehr guten literarischen Agenten, nämlich Lester del Rey, der selber erfolgreicher Science-Fiction Autor war, die "Del Ray"-Taschenbücher (SF & Fantasy) herausgab, und mit allen Herausgebern, den meisten Autoren und fast allen Kritikern im SF/Fantasy-Sektor gut bekannt war.
  2. Sie hatte - dank ihrer "Darkover-Romane" - nicht nur bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad, sondern auch eine regelrechte Fan-Szene, ein "Fandom". Diese Fan lasen einfach alles, was aus MZBs Schreibmaschine floss, damit war ein Teil der Startauflage praktisch schon verkauft - und die Mundpropaganda gesichtert.
  3. Der Roman spricht heimliche Wünsche, vor allem Sex- und Machtphantasien an - und das ohne wie z. B. Conan als "sexistisch" oder "reaktionär" denunzierbar zu sein oder gar in Pornoverdacht zu geraten.
  4. MZB veröffentlichte "Mists of Avalon" auf dem Höhepunkt der bisher größten Fantasy-Welle Anfang der 1980er Jahre. Zu dieser Zeit verkauften sich noch erheblich schlechtere Fantasy-Romane wie geschnitten Brot.
  5. In der Esoterik-Szene wurden zu dieser Zeit gerade die Kelten entdeckt.
  6. Sie griff eine alte, unzählige Mal nacherzählte, und deshalb etablierte Themtik aus einer ungewöhnlichen Perspektive auf.
  7. Die Wirkung des neuen Blickwinkels war besonders stark, weil sie die stark patriarchalische Artus-Sage aus weiblicher Sicht aufgriff. Das sicherte schon einige Pluspunkte bei den FeministInnen.
  8. Ausserdem gab es um 1980 eine Diskussion um den geringen Frauananteil in der Genre-Literatur: "Wo stecken bloß die weiblichen Scienc Fiction / Fantasy / Horror-SchreiberInnen?" - Um 1980 waren das tatsächlich noch relativ wenige, MZB hatte also einen "Frauenbonus".
  9. Historische Romane - und "Avalon" wurde von vielen Rezensenten fälschlicherweise dafür gehalten - werden stärker beachtet als Fantasy-Romane. MZB spielte unbeabsichtigt in der falschen, aber angeseheneren, Liga.
  10. Kleine Skandale sind gut für den Verkauf. Die Themen "Inzest", "Ehehelfer", "ritueller Sex" und "positiv geschildertes Heidentum" sorgten im eher prüden Medienklima der USA für die gewünschte Diskussion. Das Buch profitierte von der alten Faustregel: "Die Schmöcker, die im Kirchenblatt verissen werden, muss man unbedingt lesen!"
  11. Die bescheidene stilistischen Fähigkeiten MZBs förderte eher noch ihre Beliebtheit bei jungen Lesern. Dasselbe gilt für den reichlich vorhandenen Kitsch - vor allem weibliche Teenager mögen so etwas offensichtlich.
  12. Im Gegensatz zu vielen anderen Fantasy-Autoren überforderte MZB nicht die Denkgewohnheiten auch intellektuell schlicht gestrickter Leser: Ihre "Religion der Großen Mutter" ist im Grunde genommen eine Mischung aus alternativem Christentum und (mit Zuckerwasser?) auf "Genusstärke" abgeschwächtes Wicca.
    Ungewohnte Konzepte wie Pantheismus, Animismus, Polytheismus usw. kommen nicht vor - der "Liebe Gott" ist halt eine Frau, sonst ändert sich nicht viel.
Es gibt noch mehr Gründe für MZBs Erfolg, aber das wären die wichtigsten. Eine ähnliche Liste ließe sich auch bei anderen Bestsellern finden.
Letzten Endes ist ein Roman eine Ware wie ein paar Schuhe - Qualität allein ist für den Erfolg nicht entscheidend.

Wobei ich mir völlig darüber im Klaren bin, dass es für die Literatur veheerend ist, wenn gute Verkäuflichkeit das einzige Kriterium ist, das darüber entscheidet, ob ein Buch überhaupt erscheint.

Freitag, 13. April 2007

"Ariosophische Bauten" zwischen Schonkaffee und Atlantis

Im ersten Teil von Der Backstein-Expressionismus und der völkische Okkultismus widmete ich mich Architekten des Backstein-Expressionismus, die mehr oder weniger tief in das völkisch-esoterische Denken verstrickt waren. Es gibt aber auch Bauten, die gewissermaßen gebaute Ariosophie sind. Zu ihnen gehört ausgerechnet "Bremens gute Stube", der Touristenmagnet Böttcherstaße

In der Bremer Innenstadt hatte der "Kaffee-Baron" und Mäzen Ludwig Roselius in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg die heruntergekommenen Gebäude einer ganze Straße, der Böttcherstraße, aufgekauft und nach seinen völkischen Ideen neu aufbauen lassen. Roselius' hatte nicht nur Marketing-Talent für Kaffee HAG und Kaba, sondern auch für völkisches Karma. Ein "Haus Atlantis" war dabei dem "Andenken der arisch-germanischen Vorfahren" gewidmet und enthielt eine ständige Außstellung "Väterkunde". Mit Prä- und frühhistorischen Ausstellungsstücken wollte Roselius hier die Theorie der "atlantischen Germanen" und die Überlegenheit ihrer Kultur, die er als "Urkultur" aller Hochzivilisationen sah, belegen.

Es ist nicht schwer, den zumeist wuchtig-einschüchternden Momentalbauten des "Dritten Reiches" die dahinterstehende menschenverachtende Ideologie anzusehen. Bei der Bötcherstraße ist das anders: die Häuser sind verspielt und originell, die Architektur hat "menschliches Maß", sie wirken teilweise ausgesprochen gemütlich. Auch ich muß mir eingestehen, dass mich die expressionistische "Fantasy-Architektur" dieser Häuser sehr anspricht.
Schon über dem Eingang hängt ein 1936 angebrachtes, vergoldetes Relief namens „Der Lichtträger“ von Bernhard Hoetger. Die wenigsten Bewunder dieser vielfotographierten Plastik wissen, dass sie Adolf Hitler gewidmet war - und zwar als versöhnliche Geste des überzeugten Hitler-Anhängers Roselius und des trotz Anfeindungen treuen NSDAP-Mitgliedes Hoetger an den "Führer" - nachdem dieser Roselius' völkischen Okkultismus scharf kritisiert hatte. Bremer, die das wissen, nennen das Relief deshalb manchmal "den Schleimträger" oder "goldener Mann ohne Rückgrat".

Auch wenn Hitler die "Böttcherstraßenkultur" ablehnte und die Straße später sogar als "entartete Kunst" galt, so war sie zum Zeitpunkt ihrer Neugestaltung in den 20er und frühen 30er Jahren Teil der völkisch-esoterischen Suche nach dem "versunkenen Reich". Hoetger schuf seinem Baumeister Ludwig Roselius eine von völkisch-"germanische" Ideen inspirierte Architektur. ""Ein Versuch, deutsch zu denken", mit dem Konzept"aus Verfall und Schmutz ein reines und starkes Deutschland entstehen" zu lassen. Ein Umstand, der bis heute in Bremen gern unter den Teppich gekehrt wird, wohl um die Besucher der "guten Stube Bremens" nicht mit Ambivalenzen vor den Kopf zu stoßen. Ideologisch "saubere" Kulturdenkmale auf der einen, "betroffen machende" Mahnmale auf der anderen Seite sind eben besser für den Fremdenverkehr.

Die ganze Problematik um die Böttcherstraße drückt sich gleichsam konzentriert in der runenverzierten Wotanskulptur von Hoetger, die die ursprüngliche Fassade des "Haus Atlantis" beherrschte:
Haus Atlantis, alte Fassade
Die Skulptur stellt Wotan (bzw. Odin) dar, wie er neun Tage und Nächte am Weltenbaum Yggdrasil hängt. Die Bildsprache, in der dieses heidnische Thema behandelt wird, ist aber eindeutig die christlicher Kruzifixe. Wie ein Absender der zugrundeliegende ariosophischen Ideologie wirken die Runen: sie entstammen dem ahistorischen "Armanenfurthork" Guido "von" Lists.
Bei der Rekonstruktion des im Krieg stark beschädigten "Haus Atlantis" wurde eine völlig andere Fassade vorgesetzt. Sozusagen "Verdrängung in Stein".
Von allen Häusern der Böttcherstraße druckt das "Haus Atlantis" die völkisch-esoterische Lehre ohnehin am deutlichsten aus. Das Art-Deco-Treppenhaus, zugleich modern in seiner Stahl Glas und Betonbauweise wie märchenhaft-bizarr in seine "Unterwasser"-Anmutung, führt in den Himmelssaal mit seiner parabelförmigen Bundglas-Decke, dessen Wände ursprünglich mit den Namen der großen "deutschen Tatmenschen" von Arminius bis Adolf Hitler versehen waren.

Das Problem bei den Böttcherstraßenhäuser ist, dass sie genau in das Konzept der "Neuen Rechten" passen: sie sind völkisch, nationalistisch, "Blut- und Boden"-orientiert – aber sie sind nicht "hitleristisch", und haben sogar einen "Persilschein", weil sie "unter Adolf" als "entartete Kunst" verpönt waren.

Was dagegen hilft? Vor allem erst mal drei Dinge: Aufklärung, Aufklärung und Aufklärung! Es hülfe auch sehr, wenn endlich eine kulturelle Sichtweise entstünde, die Ambivalenzen besser erträgt als die gegenwärtig in Deutschland übliche. Denn eine (gut gemeinte) Verpönung der Böttcherstraße als "Völkischer Kitsch" macht sie für Rechtsextremisten erst recht attraktiv.
In der Böttcherstraße ließe sich hervorragend illustrieren, dass es trotz moderner Ästhetik oft nur ein Schritt zum rassistischen Überlegenheitswahn der Nazis war.
Leicht gesagt: auch ich tue mich allzu schwer, Ambivalenzen zu ertragen: als politischer Mensch und überzeugter Demokrat bedauere ich es zu tiefst, dass die Chance, die teilzerstörte Böttcherstraße nach dem Krieg nicht zu restaurieren, sondern durch Neubauten zu ersetzen, nicht genutzt wurde. Als Freund der "klassischen Moderne" und vor allem des Expressionismus würde ich es dagengegen sehr bedauern, gäbe es diese Häuser nicht mehr.

(In Vorbereitung: Exkurs 1 - Ludwig Roselius und seine "nordisch-völkische" Ideologie
Exkurs 2 - Bernhard Hoetger - ariosophischer bauender Bildhauer )

Ergänzend:
Böttcherstraße: Der Weg nach Atlantis führt zu den Barbaren (Mit einer Abbildung des Reliefs "Der Lichtbringer".)

radio bremen: Böttcherstraße.

Artikel von 2005 aus der "taz", die eine auf den ersten Blick überraschende Verbindung zwischen Hoetger, der Böttcherstraße und Joseph Beuys herstellt: Bitte ein Beuys

Ebenfalls aus der taz, von 2001: Das Moor und die Moderne
Worpswede und Böttcherstraße zählen zu Bremens dicksten touristischen Pfunden. Zudem liefern beide Orte hervorragendes Anschauungsmaterial für die Affinität expressionistischer Künstler zur NS-Ideologie.
Die "offizielle" Bötcherstraßen-Website: Die Bötcherstraße zu Bremen.

Buch zum Thema:
Arn Strohmeyer: Der gebaute Mythos. Das Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße. Ein deutsches Mißverständnis, Donat-Verlag, Bremen 1993, ISBN 3-924444-67-6

Donnerstag, 12. April 2007

"Ich werde immer etwas Lustiges sagen, auch unter den entsetzlichsten Umständen"

Gestern erlag der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut im Alter von 84 Jahren seinen schweren Kopfverletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hatte.
Seine Spezialität waren sarkastisch-schwarzhumorige, extrem kritische, oft aber auch bewußt triviale Kurzgeschichten, Dramen und Romane. Damit wird man normalerweise nicht berühmt, schon gar nicht, wenn man hauptsächlich Science Fiction schreibt.

Sein verdienter Ruhm gründet sich auf den genialen Roman "Schlachthof 5": Die teils autobiographisch gefärbte, teils phantatisch-"psychedelische" Geschichte des US-Kriegsgefangenen Billy Pilgrim, der in die Wirren der Bombardierung Dresdens gerät.
Sie erschien auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges und machte Vonnegut zum Idol der US-amerikanischen Gegenkultur.

Es gibt viele gefährliche und problematische Wege, an die Bombadierung Dresdens 1945 zu erinnern.
Zum Beispiel die "deutsche Erinnerungskultur" im Stile der "Dresden" Fernseh-Schmonzette und in der "offizieller Gedenkveranstaltungen": eine Mischung aus Selbstmitleid, Verdrängung, Schuldprojektion, verpackt in Sentimentät, die mit echter Trauer nichts zu tun hat.
Oder - noch schlimmer - die Aufrechen- , Vergleichs-, Relativierungs- und Verharmlosungskultur eines lange Zeit bei Deutschen höchst populären deutsche Vernichtungskriegs nicht "nur" von Rechtextremisten, sondern auch in "der Mitte der Gesellschaft": "Die anderen haben aber auch - guck mal nach Dresden ´45 ..."
Oder - weniger schlimm, aber gründlich verquast - die "antideutsche" Position: "Keine Träne um Dresden" oder sehr "deutsch" in der Argumentation: "Über 80% der Deutschen waren für Hitler - es traf also keine Unschuldigen".

Eine angemessene Reaktion ist schwarzer Humor. So schwarz, dass man beim Lachen zugleich entsetzt in Tränen der Wut und Trauer losbrüllen möchte.
Wie der Humor von Kurt Vonnegut in seinen Dresden Roman "Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzug". Vonnegut erlebte die Zerstörung Dresdens als kriegsgefangener US-Soldat:
Dresden war die erste wirklich schöne Stadt, die ich gesehen habe. Ich hatte keine Ahnung, daß es so etwas überhaupt gibt. Und ich hatte sie kaum gesehen, da hatte man sie schon zerstört. Nebenbei gesagt: Die Deutschen scheren sich einen Dreck um die Zerstörung dieser oder irgendeiner anderen Stadt. Es ist ganz schön komisch, daß ich mir darüber Gedanken gemacht habe, während es ihnen völlig wurscht ist. Ich glaube, es macht ihnen nichts aus, alles wieder neu aufzubauen.
Aus einem Interview mit Charles Pratt, in: Gestalter der Zukunft, Hohenheim, 1982
(Vonnegut war immer wieder durch die in seine Augen erstaunliche Verdrängungsleistung der Nachkriegsdeutschen und ihrem Unwillen zur nicht-selbstmitleidigigen Reflexion erstaunt. Man sollte "Schlachthof 5" und "Die Unfähigkeit zu Trauern" des Ehepaars Mitscherlich in einem Schuber anbieten.)

Der Mensch sei letztlich unfähig, sein Tun zu begreifen und aus der Geschichte zu lernen, so eine seiner Thesen. Was ihm weder den bissigen Humor noch die die Lust am Disput nahm: In Romanen, Kurzgeschichten und Essays zeigte sich der Freidenker und Religionsskeptiker immer wieder als brillanter Sozialkritiker. Zuletzt machte er als scharfzüngiger Kritiker der Bush-Regierung von sich reden.

Donnerstag, 15. März 2007

Vielleicht tu ich ihr Unrecht ...

der schwedischen Sängerin und Schauspielerin Sara Stina Leander, geb. Hedberg, gerufen "Stina", die heute 100 Jahre geworden wäre.

Zarah Leander sang und schauspielte zwischen 1937 und 1943 für die Deutschen und sorgte für die gute Laune, die Goebbels als wichtigste Waffe im Krieg bezeichnete. Dafür fiel sie in ihrem Heimatland Schweden in Ungnade (allerdings bezeichnenderweise erst nach 1945, zuvor waren ihre deutschen Filme auch in Schweden beliebt) und gilt dort bis heute als die verlorene Tochter. (Die war gelegendlich kolportierte Legende, sie wäre vor ihrem Erfolg in Österreich und Deutschland nur ein Revuegirl aus Schweden, das durch Skandinavien tingelte, gewesen, stimmt nicht. Sie nahm in Schweden bis 1936 80 Lieder auf, womit sie zu den aktivsten schwedischen Sängerinnen der damaligen Zeit gehörte. Von 1929 bis 1935 hatte Zarah Leander in zahlreichen Revuen, Operetten und Musicals wichtige Rollen und drehte in Schweden immerhin drei Spielfilme. Finanziell war der deutsche Markt allerdings attraktiver.)

Zarah Leander sang für die Deutschen - und spionierte für Russland, behauptet der angesehene russische Publizist Arkadi Waksberg. Tonbandprotokolle aus Moskauer Geheimarchiven scheinen das alte Gerücht zu bestätigen. Unter dem Decknamen "Rose-Marie" soll Zarah dem sowjetischen Geheimdienst Informationen geliefert haben

Radioprogramm ARD.de: Kluge Frauen sagen nur "Vielleicht".

Tatsächlich paßte Stina Leander, trotz ihrer "nordischen Erscheinung", überhaupt nicht in das NS-offizielle Frauenbild: persönlich emanzipiert und äußerst selbstbewußt fiel es ihr leicht, die "femme fatale" zu spielen oder als etwas verruchte Dame durchzugehen. Ein interessante Abwechslung zur sonst propagierten Heimchen-am-Herd-Idylle, die wohl bewußt von Propagandaminister Goebbels zugelassen wurde. (Er soll angeblich sehr geschätzt haben - aber welche attraktive Frau schätze der nicht? )

Ihr größtes Kapital war aber ihre wunderbare Kontra-Alt-Stimme, tief, aber dennoch unverkennbar weiblich. Ihre politische Haltung hielt sie immer hinter dem Berg, sie bezeichnete sich als "unpolitisch", auch wenn sie es nicht war.

Meiner Einschätzung nach war sie kühl berechnende Opportunistin. Sie kehrte Deutschland 1943 den Rücken, als ihr Haus in Berlin-Grunewald ausgebomt wurde und die Wehrmacht gegenüber der Sowjetarmee hoffnungslos in die Defensive geriet. Loyalität zu Deutschland hatte sie wohl keine.
Ich vermute, sie spionierte eher für ihre eigenen Interessen, als für die Sowjetunion oder gegen Hitler.

Dienstag, 20. Februar 2007

Biikebrennen in Nordfriesland

Am Aschermittwoch ist in den Karnevalshochburgen "alles vorbei" ("endlich!" werden viele sagen), für streng observante Katholiken beginnt die vorösterliche Fastenzeit - und an den Stränden Nordfrieslands findet am 21. Februar das Biikebrennen statt.

Was beim Karneval gern von (vorwiegend katholischen) Experten bestritten wird, nämlich, dass viele Fastnachtsbräuche (auch) auf jahreszeitliches Brauchtum, vulgo "Winteraustreiben" genannt, zurückgehen, ist beim friesischen Biikebrennen weitgehend unstrittig: Biike ist heidnischen Ursprungs. Das Wort bedeutet in etwa Feuerzeichen und die waren als Opferfeuer Abschluss der Winterfeste. Bis 1867 (!) die preußische Gerichtsbarkeit das Laiengericht der Ratsmänner aufhob, war der 21. Februar in Nordfriesland Thingtag (Gerichtstag).
Ob tatsächlich, wie die ältere Volkskunde behauptet, Wotan, als Herrscher über Krieg und Sturm, dabei milde gestimmt werden sollte, ist nicht gesichert. Gesichert ist hingegen, dass der Brauch in historischer Zeit als Verabschiedung der Männer, die als Walfänger zu See fuhren, diente. Obligatorisch ist das Grünkohlessen.

Biikebrennen
Biikebrennen auf Föhr. Quelle: Pixelquelle

In einige Dörfern wird im Biike-Feuer eine Strohpuppe verbrannt, die "Petermännchen" genannt wird und vielleicht den Winter ymbolisiert.
Die in der "wikipedia" geäußete Vermutung, dass "Petermännchen" nichts mit dem heiligen Petrus, sondern mit dem Papst (also dem Petrus Amt) und dem damit verbundenen christlichen Glauben zu tun hätte, ist meines Wissens ungesichtert. Es stimmt zwar, dass die christliche Missionare es bei den Friesen nicht leicht hatten - etliche Märtyrer, allen voran Bonifatius, verdanken ihren Status friesischen Streitäxten - und es stimmt auch, dass sich manches eindeutig heidnischen Brauchtum dort bis in die Gegenwart gehalten hat. Da man in den norddeutschen Küstenlandstriche traditionell zur Rebellion gegen unerwünschte Obrigkeiten neigte, und eine frühe Hochburg der Reformation war, braucht eine symbolische Papstverbrennung, wenn es denn eine ist, nicht zwangsläufig heidnisch zu sein. Immerhin, die wikipedia hat in Einem recht: Am folgenden Tag, dem 22. Februar, feiert die katholische Kirche das Fest Kathedra Petri, also den Stuhl des Papstes, bzw. die Vorrangstellung des Petrus-Amtes, was das Lehramt betrifft. Ein Zusammenhang des Petermännchens, das in das Biikefeuer geworfen wird, mit dem Amt des Papstes in Rom liegt somit nahe.
Auf den dänischen Wattenmeerinseln und in Jütland ist das Biikebrennen als Pers Awten (jütisch für Peters Abend) bekannt.

Heute ist Biike-Brennen auch, aber zum Glück nicht nur, eine Touristenattraktion. Es werden dieses Jahr wieder rund 80 Feuer zwischen Sylt und St. Peter Ordung entzündet werden.

NDR: Biikebrennen lockt Besucher nach Nordfriesland

Samstag, 17. Februar 2007

"No future!" oder ... Geschichte wird gemacht!

Einige Gedankensplitter - angeregt durch einen Artikel, den Volkmar vor einiger Zeit schrieb 1982 - 2007 - Veränderungen.

Das Erste, was mir zur "Zukunftsvisionen 1982" einfällt, ist paradoxerweise der alte Punk-Slogan "No Future!" - Auf der ersten Blick überraschend: nach meinen höchst subjektiven Erinnerungen an "80er" gab es eine auffällig große Schnittmenge zwischen der Punkern und Science-Fiction-Fans. Das läßt nicht unbedingt auf ein Desinteresse an der Zukunft oder an Glaube die (damals in der Tat besonders weit verbreiteten) Weltuntergangsängste schließen. (Es entbehrt nicht einer gewissen Logik, dass eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Punk-Szene Chefredakteur der auflagenstärksten Science-Fiction-Romanserie des uns bekannten Universums ist.)
Was könnte "No Future" für die Punks der frühen '80er bedeutet haben? Angesichts des ausgeprägten Nonkonformismus und des krassen Individualismus dieser bunten Szene gibt es dafür vermutlich mehr Antworten als es jemals Punks gegeben hat.

Eine mögliche Bedeutung von "No Future!" ist die Absage an das übliche lineare Modell der Zeit - die Zukunft gibt es gar nicht. Hierzu mehr hier Orakelzeit, hier No Future - Warum das Germanische keine Zukunft hat und hier: Im Zeitstrom des Lebens. Eine andere, vielleicht Naheliegendere: "Die Sorte "Zukunft" die "Ihr" uns zugedacht habt, die woll'n wir nicht!" - Etwas großkotzig formuliert: Utopiekritik. Was nebenbei auch die punkige Vorliebe für Science Fiction erklären könnte - denn SF ist nicht zuletzt utopiekritische Literatur. Es ist bestimmt kein Zufall, dass die wichtigste neue Richtung der SF der '80er (und seither) Cyberpunk genannt wurde (ungeachtet der vielfältigen Bedeutungen und Nebenbedeutungen, die "punk" im Englischen hat). Die "Cyberpunk"-SF schilderte jedenfalls eine Zukunft, die den den Erwartungen und Ängsten zumindest einer großen Minderheit in den damaligen "linksalternativen", autonomen, non-konformistischen "Szenen" entsprach.
Es war aber auch die Zeit der (unabsichtlich einen bedeutenden Denker beleidigenden) "Popper", die sich bestenfalls Gedanken über die eigene Zukunft machten - und auch die Zeit einer dumpf-technikfeindlichen Gesinnung auf dem "rechten", "Blut und Chlorophyll"-Flügel der damaligen Umwelt- & Alternativ-Bewegung, die die "Zukunft" eher in der vorindustriellen und voraufgeklärten Vergangenheit sahen. (In den Medien ob seiner gewissen optischen Originalität damals präsentester Vertreter der "Braun-Grünen": Öko-Bauer Baldur Springmann, heute bei den "Grünen" zurecht verdrängt und eher ein Idol der inwändig Tiefbraunen:
Springmanns Todesanzeige in der
Todesanzeige in der "Nordischen Zeitung", Organ der vom Neo-Nazi-Multifunktionär Jürgen Rieger geführten "Artgemeinschaft" - man beachte das originelle Datum "nach Stonehenge!"


In der DDR dürfte "No Future!" eine besonders brisante Bedeutung gehabt haben, denn dort herrschte staatlich verordneter Optimismus und hochgradiger Verplanung des Lebens des Einzelnen (von Ostalgikern gern als "Sicherheit und Geborgenheit" ver-rosabrillt) und ein politisches und ökonomisches System, das seinen eigenen Ansprüchen immer weniger gerecht wurde. Es erforderte viel Mut, in der DDR "Punker" zu sein.

Zum Lebensgefühl 1982 fällt mir persönlich ein Song ein, der damals in den Charts war, obwohl er schon 1980 erschienen war und der der größte Erfolg der Band "Fehlfarben" war, obwohl (oder weil?) er für diese Band einigermaßen untypisch ist. Besonders beliebt war der Song bei "irgendwie" links-autonom oder anarchistisch Politisierten und An-Politisierten, vor allem in der Hausbesetzerszene und bei ihren Sympathisanten. In der Presse wurde das Stück sogar als Hausbesetzerhymne bezeichnet Aus den Text spricht eine Weltsicht, die sich - wie die des Cyberpunks - als erstaunlich realistisch erwiesen hat: Ein Jahr besser bekannt als: Es geht voran.

Keine Atempause - Geschichte wird gemacht!
Es geht voran!
Spacelabs fall'n auf Inseln. Vergessen macht Frei!
Es geht voran!
Berge explodieren. Schuld hat der Präsident!
Es geht voran!
Graue Helden regieren - regieren bald die Welt!
Es geht voran!

Natürlich ist der Text vieldeutig. Und er ist zeitbezogen - "Spacelabs fall´n auf Inseln" bezieht sich wahrscheinlich auf den Absturz der US-Raumstation Skylab im Pazifik 1979, und "Berge explodieren" auf den Ausbruch des Vulkans Mont Sanct Helen. Man kann aber ohne Weiteres andere schlagzeilenträchtige Katastrophen einsetzen.

Ich interpretierte den Text damals als Persiflage auf das "Politikersprech", das "Sachfragen-Handlungsbedarf"-Geschnurre vor Fernsehkameras und die markigen Sprüche, die geistige Windstille kaschierten. Heute bin ich mir dessen nicht mehr sicher. "Vergessen macht frei" könnte z. B. das heimliche Motto der deutschen Gesellschaft sein - gezieltes "Vergessen" und Vergessen machen, wohlgemerkt - was sich weistyr nicht nur auf die Nazizeit beschränkt. Ein hochselektives Gedächtnis ist unverzichtbares Zubehör der deutschen "Eliten" und jener, die es gerne wären. Bei "Schuld hat der Präsident" denke ich heute an pauschale Schuldzuweisungen an (unbeliebte) Politiker. (Bezogen auf heute: nicht hinter allem, was in dieser Welt schief geht, steht George Walker Bush jr. . Entgegen anti-amerikanischer Gerüchte ist der Mann nicht allmächtig. Er benimmt sich nur manchmal so, als ob er es wäre.)

Und was war 1982 noch?

1982 war "Internationales Jahr der Mobilisierung von Sanktionen gegen Südafrika" - Boykott-Kampagne "kauft keine Früchte der Apartheit!".
Es war das Jahr eines der absurdesten Kriege der jüngeren Geschichte, des Falklandkrieges zwischen Argentinien und Großbritannien.
Einen anderen und leider wohl unvermeindlichen Krieg führte Israel: den ersten Libanonkrieg.
Helmut Kohl (CDU) wurde nach einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) zum neuen Regierungschef gewählt - und blieb es, blieb es, blieb es ... - für 16 lange Jahre.
In Polen wurde die freie Gewerkschaft Solidarność verboten.

In der BRD tobt ein Heimcomputerboom. Commodore bringt den C64 auf den Markt, IBMs erster PC unter PC-DOS (wie das bei einem Fremdanbieter, einer kleinen Softwareklitsche namen Microsoft, eingekaufte Betriebssystem MS-DOS bei IBM verschämt genannt wurde) setzt sich überraschend schnell in den Büros durch und verhilft Microsoft zum kommerziellen Durchbruch.
Ja, und auch erste Computervirus verbreitete sich in diesem Jahr. Nein, ich meine nicht Microsoft DOS.
Die ersten CD-Player kommen auf den Markt.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien gewinnt im Finale Italien mit 3:1 gegen die BR Deutschland (die sich buchstäblich ins Finale gemogelt hatte - keine Sternstunde des deutschen Fußballs).

Das Erfolgsalbum "Thriller" von Michael Jackson, der damals noch in etwa menschenähnlich aussah, erschien. ABBA löste sich auf, dafür wurde die beste Band der Welt, "Die Ärzte", gegründet. Die "Neue Deutsche Welle" schwappte durch die deutschen Plattenläden. Und der Punk-Rock erreichte den Höhepunkt seiner Popularität.

Die "Concorde" bekam, nachdem sie schon auf Routen nach Südamerika und Singapore eingesetzt worden war, nach zähen Verhandlungen Landeerlaubnis in New York.
Concorde
Die "Concorde" im Technikmuseum Sinsheim. Quelle: PixelQuelle

Filme aus 1982, die ich mag:
"Blade Runner" – Regie: Ridley Scott (mit Harrison Ford und Rutger Hauer, nach Philip K. Dick)
"Gandhi" – Regie: Richard Attenborough (mit Ben Kingsley)
"Mephisto" - Regie: István Szabó nach dem Roman von Klaus Mann
"Fitzcarraldo" - Regie: Werner Herzog (mit herrlich fiesem Klaus Kinsky)
"Die Götter müssen verrückt sein" – Regie: Jamie Uys
"Der Kontrakt des Zeichners" – Regie: Peter Greenaway (mit Anthony Higgins)
"Die Sehnsucht der Veronika Voss" – Regie: Rainer Werner Fassbinder
"Tote tragen keine Karos" – Regie: Carl Reiner (mit Steve Martin - "Cleaning woman! Grrrch - cleaaaniiing wooomaan!" - und Rachel Ward ))

Hits von damals, die mir noch (angenehm) im Ohr sind (Nicole war eher unangenehm, trotz Eurovisions-Preis):
Orchestral Manoeuvres in the Dark: Maid Of Orleans
Falco: Der Kommissar
Kraftwerk: Das Model
The Jam: The Beat Surrender
Vangelis: Chariots Of Fire
The Police: Don't Stand So Close To Me
(Ja, alles Mainstream - aber wie gesagt: Hits!)

Es starben (unverschämt subjektiv ausgewählt):
Philip K. Dick, US-amerikanischer SF-Schriftsteller (2. März)
Ayn Rand, US-amerikanische SF-Schriftstellerin, oft fälschlicherweise für eine politische Philosophin gehalten (6. März)
Carl Orff, deutscher Komponist und Musik-Pädagoge (29. März)
Helene Deutsch, österreichisch-polnische-amerikanische Psychoanalytikerin (29. März)
Robert Havemann, deutscher Chemiker, Kommunist und Regimekritiker in der DDR (9. April)
Rainer Werner Fassbinder, deutscher Regisseur (10. Juni)
Karl von Frisch, östereichischer Biologe, Zoologe, Nobelpreisträger (12. Juni)
Curd Jürgens, deutscher Bühnen- und Filmschauspieler (18. Juni)
Alexander Mitscherlich, deutscher Arzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller (26. Juni)
Adolf Portmann, schweizer Zoologe und Naturphilosoph (28. Juni)
Hal Foster, amerikanischer Pionier der "Graphic Novell" ("Prince Vaillant" "Prinz Eisenherz") (25. Juli)
Otto Bayer, deutscher Chemiker (1. August)
Henry Fonda, US-amerikanischer Filmschauspieler (12. August)
Stanford Moore, US-amerikanischer Biochemiker und Nobelpreisträger (23. August)
Ingrid Bergman, schwedische Schauspielerin (29. August)
Nahum Goldmann, Gründer und Präsident des Jüdischen Weltkongresses (29. August)
Grace Kelly, US-amerikanische Schauspielerin, Fürstin von Monaco (14. September)
Glenn Gould, kanadischer Pianist, Komponist, Musikautor (4. Oktober)
Jacques Tati, französischer Komiker und Regisseur (4. November)
Leonid Iljitsch "Betonschädel" Breschnew, Parteichef der KPdSU der Sowjetunion (10. November)
Marty Feldman, britischer Komiker, Autor und Regisseur (4. Dezember)
John Leonard Swigert, amerikanischer Astronaut (Apollo 13) (27. Dezember)

Freitag, 12. Januar 2007

RAW ist tot

Als Freund aufklärerischer Science Fiction und als Feind verdummender Verschwörungs-Theorien trauere ich um den Philosophen, Schriftsteller, Anarchisten und Verschwörungs-Experten Robert Anton Wilson. Er starb am 11.01.2007 um 4:50 Pacific Time.
netzeitung: "Illuminatus!"-Autor Wilson gestorben

Möge die Lasagne fliegen - zum Tode von Robert Anton Wilson.

RAWs Abschied - der letzte Eintrag in seinem Blog: Do Not Go Gently Into That Good Night

Hail Eris!

Wenn er morgen gestorben wäre, hätte es besser zu "Illuminatus!" gepasst ...

Außerdem ist RAW tatsächlich schon am 22. Februar 1994, dem 262. Geburtstag George Washingtons, am Computer gestorben, mitten im Schreiben des Romans Die Bräute der Illuminaten. Stimmt, Wilson hat es selbst im 3. Teil von Cosmic Trigger so beschrieben!

Freitag, 5. Januar 2007

Der Meister des "Professorenromans" wird 75

Umberto Eco, geboren am 5. Januar 1932 in Alessandria, Piemont, ist Philosoph, Medienwissenschaftler und Professor für Semiotik an der Universität Bologna. Er ist politisch engagiert und machte als aktiver Gegner Silvio Berlusconis Schlagzeilen.

Berühmt wurde er allerdings als Romanautor - Der Name der Rose, Das Foucaultsche Pendel, Baudolino, Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana. Herrausragende Werke der intelligenten Spannungsliteratur. Und Professorenromane.

"Professorenroman" - das war noch zur Zeit, als ich als Gymnasiast meine Deutsch-Leistungskurse absolvierte, eine spöttische Bezeichnung für von Gelehrten geschrieben Romane, die beinahe in jedem Satz durchblicken ließen, für wie schrecklich gelehrt sich der Autor hält. Romane voller exotischer Fremdwörter, verschrobener Formulierungen und bedeutungsschwerer Anspielungen auf literarische Texte, ohne deren Kenntnis sich der Sinn des Ganzen nicht erschließt.
In einem Satz: Schwer verständliche und mit tonnenweise "Botschaft" beladene "Bildungsliteratur", vorzugsweise in einem schrecklich pathetischen Stil gehalten.

Allgemeiner, und ohne Spott, ist ein Professorenroman ein Roman, der von einem Professor über sein Fachgebiet geschrieben wird. Meistens entspricht das Ergebnis dann dem oben genannten, aber es gibt Ausnahmen:
J. R. R. Tolkien war Sprach- und Literaturwissenschaftler, Philologe und Professur für Anglistik. "Der Herr der Ringe" fällt genau in sein Fachgebiet.
Streng genommen würden auch zahlreiche Science Fiction-Romane unter "Professorenroman" fallen, da SF-schreibende Professoren aber meistens da anfangen, wo die "seriöse" Wissenschaft aufhört, werden z. B. die Werke Carl Sagans, Isaac Asimovs oder Samuel R. Delanys gemein hin nicht hier eingeordnet.

Umberto Ecos Werke sind Professorenromane, fast, aber nur fast, in der Tradition der von Kulturhistorikern verfassten kulturhistorischen Schmöker des 19. Jahrhunderts, deren lesbarster und populärster Vertreter der unterhaltsam schreibende Althistoriker und Germanenschwärmer Felix Dahn war. Eco ist nicht nur ein um Klassen besserer Schriftsteller, er hat auch ein bei weitem besseres, weil nicht belehrendes, sondern zum Selbstdenken anregendes, "didaktische Konzept". Aus Ecos Romanen kann man viel lernen, ohne das es unangenehm auffällt. Er ist keiner jener Schreiber, die einen zu etwas "kriegen" wollen.
Vor allem ist Eco ein Aufklärer. (Was man von Dahn nicht gerade behaupten kann.)

Da ich gerne Verschwörungtheorien demontiere, liegt mir unter Ecos Romamen "Das Focaultsche Pendel" besonders am Herzen. (Allein 23 der Beiträge, die ich im Laufe des letzten Jahres für dieses Blog schrieb, beschäftigen sich mit Verschwörungstheorien. Wobei es manchen ganz hartgesottenen V-Theoretikern zu denken geben wird, dass es ausgerechnet 23 Beiträge sind ... )

In Ecos Roman geht es, anders als etwa in den Verschwörungs-Thrillern Dan Browns, um die Beliebigkeit, mit der sich aus Tatsachen irreale Verschwörungstheorien zusammenbasteln lassen. An diesen Theorien stimmen dann alle Fakten, auch die Art und Weise, wie die Fakten miteinander verknüft sind, ist in sich logisch, aber die Theorien als Ganzes haben mit der "Welt da draußen" herzlich wenig zu tun. Was nichts daran ändert, dass sie dann bei hinreichender Paranoia auch geglaubt werden.

Es geht im "Foucaultschen Pendel" um eine typische pseudowissenschaftliche Verschwörungstheorie, genannt "der Plan", nach der die Tempelritter a) auf eine geheimnissvolle Energiequelle gestoßen sind, b) sich für die Verfolgung ihres Ordens im 14. Jahrhundert rächen wollen und natürlich c) nach der Weltherrschaft greifen. Drei Freunde bauen ihre Theorie über "den Plan" als eine Art satirisches intellektuelles Spiel immer weiter aus.
Sie benutzen, um neue Inspirationen für "den Plan" zu erhalten, z. B. einen PC, der so programmiert ist, dass er "Zusammenhänge" erstellt, indem er nach dem Zufallsprinzip Wörter aus echten esoterischen Schriften und Verschwörungstheorien verknüpft.
Ein amüsanter Seitenhieb ist das Ergebnis des ersten Versuches: eine Verschwörungstheorie, wonach Maria Magdalena die Geliebte Jesu Christi und Behältnis von dessen Nachkommen, der wahre Heilige Gral sein soll.
Genau diese These liegt dem Bestseller "Der heilige Gral und seine Erben" von Michael Baigent, Henry Lincoln und Richard Leigh zugrunde. Und die übrigens auch dem lange nach Eco Buch erschienen Thriller "The Da Vinci Code" / "Das Sakrileg" von Dan Brown zugrunde liegt.
Den Umberto Eco nicht nur deshalb verabscheut, weil er für die Hauptperson des Romans, dem Semioniker Robert Langdon, unverkennbar als "Vorlage" diente - wobei Langdon als Symbolforscher etwa so glaubwürdig geriet wie Indiana Jones als Archäologe.

Montag, 25. Dezember 2006

In Erinnerung an einen Feind fauler Kompromisse

James Brown ist tot.

James Brown Olympia 1967 Hip Bag

Via: MomoRules

Thank you and rest in funk, James!

Ja, ich weiß, er hatte mehr als genügend finstere und unsympathische Seiten. Trotzdem! Oder: gerade deshalb.

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