Kulturelles

Donnerstag, 28. August 2008

Kulturbehörde hat kein Geld für (Musikclub-)Kultur

Das von Schließung bedrohte "Molotow" (Clubsterben - leider weiß ich, warum), ein wichtiger Bestandteil der Hamburger Musikszene, ist erst einmal für ein Jahr gerettet. Eine Unterstützergruppe, die nicht genannt werden möchte, steuert einen Großteil der Summe bei, die der in finanzielle Not geratene Musikklub am Spielbudenplatz benötigt, um seinen Betrieb auch über den 31.12.2008 hinaus aufrechterhalten zu können.
Hamburger Abendblatt: Das Molotow ist vorerst gerettet. Bezeichnend ist, dass von der Hamburger Kulturbehörde weder Geld noch Unterstützung kam - im Gegenteil: Kultursenatorin Karin von Welck äußerte in der "taz", dass zu einer lebendigen Musikszene auch gehört, dass Klubs sterben.

Montag, 7. Juli 2008

Das Internationale Maritime Museum - "Leuchtturm" oder "Rumpelkammer"?

Vor gut zwei Wochen schrieb ich anlässlich der Eröffnung des "Internationalen Maritimen Museums Hamburg": Seefahrtsmuseum - Eröffnung mit viel Tamm-Tamm?
Inzwischen habe ich das umstrittene Museum besucht. Die offenbar weit verbreitete Befürchtung, dass das IMMH eine "Militariaschau" oder gar eine Pilgerstätte für Militaristen oder Rechtsextremisten werden könnte, hatte ich von Anfang an nicht. Der Frage nach politischen Klüngeleien und den Begleitumständen der von der SPD mitgetragenen Entscheidung, die Museumspläne der Tamm-Stiftung zu unterstützen, klammere ich vorerst einmal aus.
Leuchtturmhaube
Haube eines eisernen Leuchtturms vor dem IMMH. Foto: MMarheinecke

Es bleibt die Frage, ob das Museum wirklich ein "Leuchtturm", ein attraktives Museum - oder doch nur eine "Rumpelkammer" ist, geprägt von der Sammelwut und dem Militarismus Peter Tamms.
Ich teilte die Sorge jener Kritiker, dass ein museumspädagogisches Konzept fehlen, sprich, die Ausstellung mehr "Sammlung" als "Museum" werden könnte. Kritiker bemängelten zudem die Beliebigkeit der Ausstellungsstücke - und die Vielzahl der militärischen Exponate. Die "Sammlung Tamm" ist ja in der Tat nicht gerade arm an Militaria, auch aus dem "12-jährigen Reich".

Vor Jahren hatte ich die "Sammlung Tamm" in der Villa an der Elbchaussee angesehen - oder eigentlich aus Zeitmangel nur einen Teil. (Wegen des Umfangs der Sammlung hielt ich mir dann auch einen vollen Tag für das IMMH frei.) Mein Eindruck von der Tamm-Sammlung war damals etwas zwiespältig.
24-Pfuender
24-Pfünder Vorderlader-Kanone von H.M.S. "Foudroyant", Flaggschiff des britischen Admiral Horatio Nelson in seiner "sizilianischen Zeit". Foto: MMarheinecke

Am Eingang des Museums dräuen zwei alte Schiffskanonen. Nicht unbedingt ungewöhnlich für Seefahrtsmuseen, aber angesichts der heftigen Kritik am tammschen Militarismus ziemlich unverfroren. Auch die beiden Klein-U-Boote aus der Endphase des 2. Weltkriegs und weitere Kanonenrohre im Hof des Museums sind nicht unbedingt geeignet, die Bedenken der Museumskritiker zu zerstreuen.

Die ersten drei "Decks" - "Die Entdeckung der Welt / Navigation und Kommunikation", "Schiffe unter Segeln" und "Geschichte des Schiffbaus" hinterlassen, abgesehen von einigen "Kinderkrankheiten" wie fehlenden Hinweistafeln oder nicht richtig funktionierenden Multi-Media-Installationen, einen guten Eindruck. Diese Teile der Ausstellung brauchen sich vor etwa dem Schiffahrtsmuseum Bremerhaven nicht zu verstecken. Das Museum wird seinem Anspruch, "international" zu sein, auf diesen "Decks" voll gerecht: Auch die sonst gern unterschlagenen Beiträge etwa der Chinesen, Araber und Polynesier zur Seefahrts- und Entdeckungsgeschichte werden gewürdigt. Die Qualität der Exponate - darunter ein über 3000 Jahre alter Einbaum - und der Modelle ist durchweg hoch. Erstaunlich gut funktioniert das Konzept, die Exponate "für sich" sprechen zu lassen, bei der viel kritisierten Darstellung des Sklavenhandels - Halseisen, Fußfesseln oder ein Decksplan, auf dem man sieht, wie die "menschliche Fracht" buchstäblich "verstaut" wurde, machen den betont nüchternen Kommentar mehr als wett.

Der Eindruck, den die beiden Decks "Leben auf Marineschiffen / Im Zeughaus der Geschichte" und der "böse Boden" Deck 5 "Marinen der Welt ab 1815", bei mir hinterlassen, ist leider weniger gut. Nicht, weil die Ausstellung hier geschichtsrevisionistisch oder kriegsverherrlichend wäre. Sondern, weil das museumspädagogische Konzept dieser Abteilungen doch etwas kärglich ist. Der Aspekt "Leben auf Marineschiffen" spricht noch einigermaßen für sich, aber angesichts der Fülle von kaum kommentierten Handwaffen, Paradesäbeln, Orden, Uniformen frage ich mich, ob hier nicht "weniger" doch "mehr" gewesen wäre. Das ist wirklich nur eine Zur-Schau-Stellung einer großen Sammlung. Auch den Vorwurf, unkritisch zu sein, kann man dem Museum auf "Deck 4" nicht ersparen. Mein Eindruck vom "Seekriegsdeck" 5 ist gemischt, der Abriss der militärtechnischen Entwicklung ist brauchbar, aber ich hätte mir mehr kritische Distanz gewünscht. Besonders übrigens angesichts der Modelle von "Kriegsschiffen der Zukunft", die deutsche Werften für die nächsten Jahrzehnte planen.

Weniger beklemmend, dafür aber etwas ermüdend, ist das Deck 6, gewidmet der Handelsschifffahrt, der Passagierschifffahrt und den Häfen. Einigen gelungene Präsentationen, z. B. des Containerumschlags, steht eine Fülle von Schiffsmodellen gegenüber - weniger wäre auch hier vielleicht mehr gewesen. In diesem Bereich (und nur in diesem) entdeckte ich auch Modelle, von denen Jens Jensen in der "Zeit" schrieb, sie hätten keine Museumsqualität (auch wenn sie schwerlich aus Baukästen stammen durften). Hier siegte der Sammler offensichtlich über die "Museumsmacher".
Der Höhepunkt - jedenfalls was die Gestaltung der Ausstellung angeht - ist das Deck 7, über "Meeresforschung, Energietechnik und Fischerei". Moderne und "klassische" Medien sind geschickt eingesetzt. Auf diesem Deck finden sich museumspädagogisch durchdachte Präsentationen, die sowohl Touristen, die in erster Linie unterhalten werden wollen, wie fachlich interessierten Besuchern, wie der erfahrungsgemäß "schwierigsten" Besuchergruppe, nämlich Schulklassen, die "was lernen" sollen, gerecht werden.
Ein Deck höher fiel mir etwas auf, was auch Jensen ansprach: die Ordnung nach dem Geist der touristischen Attraktion - was extrem teuer und deshalb sensationell ist, landet in der "Schatzkammer". Da steht teurer Nippes mit hohem Materialwert neben herrlichem Kunsthandwerk, einem sehr seltenen Werftmodell aus dem 17. Jahrhundert und den ebenfalls seltenen Modellen, die Kriegsgefangene der napoleonischen Kriege aus den Knochen ihrer kargen Pöckelfleisch-Rationen fertigten. Immerhin: das lebensgroße Diorama, das abgerissene Gefangene, die in einer engen, schäbigen und überfüllten Zelle einer Kriegsgefangenenhulk ein Knochenmodell bauen, zeigt, ist ein gelungener und schockierender Kontrapunkt in der "Schatzkammer".
Besonders interessieren mich, als Amateur-Marinemaler, die auf dem selben Deck untergebrachten maritimen Gemälde (weitere Gemälde sind, wo sie thematisch passen, auf anderen Decks verteilt). Ich bin, obwohl es viele herrliche Gemälde zu bewundern gibt, deutlich enttäuscht - weil auch hier die kunsthistorische Einordnung allzu knapp ausfällt, und auch, weil Bildern, die zu Propagandazwecken gemalt wurden, nicht die Wirklichkeit gegenüber gestellt wird.

Wirklich erschlagend ist die Fülle der Exponate in der Abteilung "Die große Welt der kleinen Schiffe" - der Schiffsminiaturensammlung. Es gibt hier einige interessante Dioramen, die ich lieber in sinnvollen Zusammenhängen gesehen hätte - etwa die Dioramen der Seeschlachten Nelsons bei den Briefen Nelsons und Original-Exponaten, Gemälden und Modellen aus dieser Zeit, oder die Hafen-Dioramen auf dem Handelsschifffahrts-Deck. Aber hauptsächlich besteht dieses Deck aus verglasten Regalen mit tausenden Schiffsminiaturen: 36000 Wasserlinienmodelle im Maßstab 1:1250. Auf diesem Deck hatte ich nicht den Eindruck, in einem Museum zu sein - "Weniger ist mehr" gilt auf diesem Deck in ganz besonderem Maße. Es hätte sich hier, wie schon bei der Ordens-, Uniform und Handwaffensammlung, angeboten, einen großen Teil der Exponate in ein abgetrenntes Schaudepot zu stellen - für Besucher mit speziellem Interesse.
Zum Museum gehört ferner eine imponierende Bibliothek mit 120000 Bänden und 50000 originalen Schiffsbauplänen - etwas für die Experten.

Mein Fazit: Das konzeptionell bessere Schifffahrtsmuseum ist, alles im allem, immer noch das in Bremerhaven. Das gilt trotz der Fülle großartiger Exponate im IMMH, trotz der gelungenen Ausstellung auf den Decks 1, 2, 3 und dem herausragenden Meeresforschungs-Deck 7. Allerdings ließe sich das leicht ändern - wobei man sich hüten möge, etwa auf dem "Kriegsmarine-Deck" ins andere Extrem zu verfallen und Antikriegspädagogik mit erhobenem Zeigefinger zu betreiben.

Samstag, 28. Juni 2008

Clubsterben - leider weiß ich, warum

Das "Molotow" am Spielbudenplatz gehört zu den letzten klassischen Musikclubs auf St. Pauli. Vielleicht heißt es bald "gehörte", denn: Kiez-Club kann Defizit nicht ausgleichen - Molotow vor dem Ende (mopo).
Was ich besonders schade finde, denn im "Molo" habe ich unzählige großartige Live-Konzerte mitverfolgt. Wer da schon alles gespielt hat ... Das "Molotow" im Keller (und die mit ihm verbundene "Meanie Bar" Parterre) ist jedenfalls für Leute meines Musikgeschmacks der einzige verbliebene "gute Laden" auf dem Kiez.
Meistens war der Laden brechend voll, 300 Zuhörer gehen rein, so dass ich mich über die Nachricht, der Club sei in finanziellen Schwierigkeiten, zuerst etwas gewundert habe. Aber es passt ins unschöne Bild: Das Ende der Klubs!?(Moppelkotze).

Es liegt nicht an den Besucherzahlen - die sind nach wie vor konstant, auf hohem Niveau. Was sich verschlechtert hat, ist der Umsatz am Tresen. Ohne diese Einnahmen kann ein Club wie das Molotow nicht überleben, denn die Eintrittsgelder decken vor allem Künstler-Gagen und Catering - "alles andere" wird vom Getränkeumsatz gedeckt.
Nein, am Rauchverbot liegt es nicht. Die Leute haben einfach weniger Geld, und kaufen sich in einem der im Umfeld immer mehr werdenden Discounter preiswerte Alkoholika zum "Vorglühen". Das fehlt dann in der Getränkekasse.
Ich muss zugeben, dass ich auch kein besonders guter "Molotow"-Kunde bin. Nicht, weil ich "vorglühe", sondern weil ich Alkohol schlecht vertrage. Nach dem ersten Bier mache ich meistens Schluss - und bei Mineralwasser ist die Gewinnspanne im Ausschank elend gering.
Letzten Endes läuft es vielleicht darauf hinaus, dass die Kulturbehörde der Stadt als alleiniger Retter dastehen könnte. Subventionen aus der Einsicht, dass Hamburgs Musikszene ein wichtiger Werbeträger und Arbeitgeber ist. Allerdings halte ich eine großzügige Förderung für wenig wahrscheinlich - die Prioritäten in der Hamburger Kulturpolitik wurden schon lange anders gesetzt, etwa für den Bau der Elbphilharmonie, die nochmals teurer wird - um wie viel, weiß die Kultursenatorin erst im September Geldfresserchen Elphi (taz nord).
Tatsächlich wäre mir nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass die Musikszene völlig am Tropf der Subventionen hängt (oder am Tropf von Sponsoren, was fast eben so schlimm wäre) - denn es gilt immer noch: "Wer zahlt, schafft an."

Mittwoch, 25. Juni 2008

Seefahrtsmuseum - Eröffnung mit viel Tamm-Tamm?

Nach mehrfacher Verzögerung wird es heute eröffnet: das Internationale Maritime Museum Hamburg im historischen Kaispeicher B (und genau auf dem 10. Längengrad östlich von Greenwich).
Website des Museums: Internationales Maritimes Museum

Pressemeldungen zum Museum:
Hamburger Abendblatt: Jetzt hat Deutschlands größte Hafenstadt endlich ein Schifffahrtsmuseum
Hamburger Morgenpost:Tamm Tamm um Schiffe und viel meer
taz nord: Zehn Stockwerke Seefahrt.
SZ: Maritimes Museum Hamburg - Distanzlos
SpOn: Kreuzfahrtluxus und Sklavenschiffe
FAZ: Peter Tamms Torpedoboot in Rechlin
Jungle World: Hakenkreuz ahoi!
NDR: Bundespräsident eröffnet Maritimes Museum
D Radio Kultur: Internationales Maritimes Museum Hamburg öffnet heute seine Pforten

Ein Museum, das sich durchaus sehen lassen kann: es zeigt auf zehn Stockwerken (stilgerecht "Decks" genannt) und 12 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche 500 000 Exponate aus 3000 Jahren Seefahrtsgeschichte, darunter Schiffmodelle aus Bernstein, Silber und Gold, Originalbriefe legendärer Seehelden, tausende historische Gemälde (die größte Sammlung maritimer Kunst weltweit), Geräte, Waffen, Boote, Modelle, Dioramen - und Kuriositäten wie Piratenflaggen und Piratenschädel.
Dazu noch am vermutlich besten Standort, den man sich für ein Seefahrtsmuseum überhaupt denken kann: mitten im Hafen, dennoch mitten in der Innenstadt, in einem mächtigen neugotischen Kaispeicher, der selbst ein Stück Seefahrtsgeschichte ist. Eine perfekte Ergänzung zu den ganz in der Nähe liegenden Museumsschiffen "Cap San Diego" und "Rickmer Rickmers", und auch zum Museumshafen Övelgönne und zu den bestehenden Museen mit Seefahrtsabteilungen (vor allem dem Altonaer Museum, dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Museum der Arbeit). Eine Touristenattraktion ersten Ranges.

Kaispeicher B
Der Kaispeicher B in der Hamburger Speicherstadt
Foto: Bernd Sterzl pixelio

Also alles bestens? Ein großer Tag für Hamburg? Nicht unbedingt, denn das Museumsprojekt ist schon seit Jahren heftig umstritten.
Unter anderem deshalb umstritten, weil fast alle Exponate aus der Sammlung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Axel-Springer-Verlags AG, Peter Tamm, stammen. Seine Sammlung gilt als weltweit größte private Sammlung zur Schifffahrts- und Marinegeschichte. Peter Tamm, der wegen seines "Marine-Ticks" im Springer-Verlag unter dem Spitznamen "der Admiral" bekannt war, kann man mit einigem Recht als strammen Konservativen bezeichnen. Kritisiert wird, dass Tamm bei seiner Sammlung eine Vorliebe für Militaria hat - womit nicht nur Kriegsschiffsmodelle, alte Schiffskanonen oder Ähnliches gemeint sind, sondern z. B. auch Orden, Ehrenzeichen, Paradeuniformen - auch aus der Zeit der Nazi-Wehrmacht, weshalb dieser Teil der Sammlung auch "die größte öffentlich zugängliche Ansammlung von Hakenkreuzen Hamburgs" genannt wurde. Kritiker werfen deshalb der Sammlung eine zu große Fokussierung auf militärische Aspekte der Seefahrt und insbesondere einen zu unkritischen Umgang mit Fragen der NS-Zeit vor.
Vor allem linke und pazifistische Gruppen befürchteten deshalb, im Kaispeicher B könnte ein kriegsverherrlichendes Seekriegs-Museum entstehen.
Dass links und rechts des Haupteingangs Schiffskanonen stehen, zerstreut diesen Verdacht nicht gerade. Es sind übrigens Vorderlader-Kanonen der HMS "Foudroyant", dem Flaggschiff des britischen Admiral Horatio Nelson in der Schlacht von Abukir.

Auf noch schärfere Kritik stößt die ungewöhnlich großzügige Finanzierung durch die Stadt. Zwar stellt Peter Tamm als Eigentümer dem Museum die Ausstellungsstücke unentgeltlich zur Verfügung, aber die Renovierung und der Umbau des Kaispeichers kosteten 30 Millionen Euro, die vollständig aus öffentlichen Mittel stammte, hinzu kommen Erschließungskosten von 5 Millionen Euro. Man kann einwenden, dass das wichtige Industriedenkmal ohnehin erhalten und für eine sinnvolle Nutzung umgebaut werden musste. Schwer einzusehen ist jedoch, warum die Tamm-Stiftung, die das Museum betreibt, das Gebäude für 99 Jahre in mietfreier Erbpacht erhält. Der Hamburgische Kunstverein, ebenfalls eine gemeinnützige kulturelle Stiftung, residiert zwar in auch einem öffentlichen Gebäude, muss dafür aber ganz normal Miete zahlen. Die Zuschüsse für die Stiftung stehen im Gegensatz zu den allgemeinen Kürzungen in der Hamburger Kulturförderung. Der böse Verdacht der Klüngelei steht nach wie vor im Raum - etwa: "Der Hamburger Senat kommt einem ehemaligen Vorstandsmitglied eines in Hamburg marktbeherrschenden Zeitungsverlags entgegen, dessen Zeitungen auffällig unkritisch über die Politik des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust und seinem Senat berichten." Hinzu kommt, dass die für den Beschluss zuständige Senatorin Dana Horáková Peter Tamm aus jener Zeit gut kannte, als sie beim Axel-Springer-Verlag als Journalistin arbeitete und Tamm dort Vorstandsvorsitzender war.

Deshalb ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass zur Eröffnung nicht nur Bundespräsident Köhler kommt, sondern auch eine Gegendemo - bzw. eine Mahnwache - stattfindet.
Maritimes Museum öffnet - LINKE protestiert
Die LINKE, LV Hamburg: Mahnwache anlässlich der Eröffnung des "Internationalen Maritimen Museums"

Die Abgeordnete der LINKEN Christine Schneider, findet deutliche Worte: "Das Museum ist geprägt von einer Sammelwut und das verbindet sich mit einer bestimmten Ideologie". Der Überlebenskampf in einem Orkan werde in eine Reihe gestellt mit dem Seekrieg, wodurch dem Seekrieg ebenfalls der Charakter einer Naturgewalt zugesprochen würde.
Sie räumt allerdings, nach einem Vorab-Besuch des Museums, ein: "Hätte man eine kritische geschichtliche Aufarbeitung gemacht, hätte das ein großartiges Museum werden können".
Kanone der Standard-klein
Foto: Bernd Sterzl pixelio

Den Kritikpunkt, dass "noch ein Seefahrtsmuseum" überflüssig sei, konnte ich von Anfang an nicht nachvollziehen. Eine Konkurrenz zum Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven besteht für das fachlich interessierte Publikum nicht, da die Museen unterschiedliche Schwerpunkte haben. Was "einfache Sightseeing-Touristen" und vor allem Tagesausflügler angeht, liegen Bremerhaven und Hamburg zu weit voneinander entfernt, um sich "ins Gehege" zu kommen. Ernster nehme ich schon das Argument, dass die großzügige Förderung des Internationalen Maritimen Museums zulasten der bestehenden Museen geht - oder allgemeiner gesagt, ob die Steuergelder nicht an anderer Stelle besser angelegt wären.

Die Baumaßnahmen am Kaispeicher B wären wahrscheinlich ohnehin im Rahmen des Ausbaus der "Hafencity" erfolgt, vielleicht in etwas bescheidenerem Rahmen, aber das ist m. E. nicht das Problem. Für problematisch halte ich dagegen die 99-jährige mietfreie Erbpacht für die Stiftung Tamm.

Zu Peter Tamms Sammlung: Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, große Teile der Sammlung, die bisher in einer (völlig überfüllten und vollgestopften) Villa in Blankense untergebracht waren, anzusehen. Es stimmt, sie ist militarialastig. Ich habe tatsächlich den Eindruck gewonnen, dass "Admiral" Tamm vom Seekrieg überaus fasziniert ist und eine Art "Seeheldenkult" betreibt, der leider auch Seeoffiziere der Kriegsmarine Nazideutschlands einschließt - der Marschallstab von Großadmiral Karl Dönitz ist das wahrscheinlich umstrittenste Objekt der Sammlung.
Allerdings machte die Sammlung wirklich nicht den Eindruck, dass sie von einem "strammen Nationalisten" zusammengestellt worden wäre. Tamms größtes Idol ist unübersehbar der britische Admiral Nelson, und ich habe eher den Eindruck, dass es ihm relativ egal ist, für welche Nation ein Seemann oder ein bestimmtes Kriegsschiff kämpfte. Auch sonst ist die Sammlung betont international ausgerichtet.
Es stimmt auch, dass die Sammlung sehr stark von der "Sammelwut" Tamms geprägt ist, was bei der maritimen Kunst besonders auffällt. Nach dem, was ich sah, würde ich die Bilder grob in drei Kategorien aufteilen: 1. Bilder von großem künstlerischen Wert, oft von berühmten Marinemalern (etwa dem holländischen Barockkünstler Willem van der Velde), 2. Bilder von kulturhistorischem Wert oder solche, die interessante Zeitdokumente sind, z. B. Kapitänsbilder - und 3. Bilder, denen ich bestenfalls dekorativen Wert zubilligen möchte. Tamm sammelte offensichtlich nicht mit dem Blick eines Kunstkenners, sondern nach dem Prinzip: "Ist ein Schiff drauf und gefällt es mir, kauf ich das Bild." (Ich hoffe sehr, dass fachkundige Kuratoren ohne Rücksicht auf Tamms Geschmack darüber entscheiden werden, welche Bilder gezeigt werden und welche besser im Magazin bleiben.) In milderer Form gibt es dieses Problem auch bei den Schiffsmodelle.
Trotzdem: Obwohl ich nicht alles sehen konnte, denke ich, dass die Sammlung Tamm zu den weltweit bedeutendsten ihrer Art gehört - und unbedingt der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Das müsste nicht unbedingt in Hamburg sein - es hat auch aus anderen Städten, z. B. aus Rostock, Kiel oder London Angebote für sein Museumsprojekt gegeben. Damals, als ich die Sammlung besichtigte, fand ich die Idee, die "Sammlung Tamm" in einem erweiterten Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven unterzubringen, reizvoll - bis mir klar wurde, dass der erforderliche Ergänzungsbau deutlich größer sein müsste, als das vorhandene Museumsgebäude.

Was die Präsentation der Sammlung im Museum angeht, teile ich die Sorgen der Museumskritiker, hier entstünde ein Seekriegsmuseum, nicht - oder besser: nicht mehr. Tamm hat keinen direkten Einfluss auf die Ausstellung. Hingegen gibt es einen wissenschaftlich anerkannten Beirat, der bei der Konzeption der Ausstellungen hilft, "böse Schnitzer" (und tammsche Geschmacksentgleisungen) zu vermeiden. Für die konzeptionelle Planung des Internationalen Maritimen Museums sind Hermann Schäfer, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn, sein Ausstellungsleiter Jürgen Reiche sowie Holger von Neuhoff, der die erfolgreiche "Titanic"-Schau in der Speicherstadt gestaltete, verantwortlich.
Ich vermute, dass auch die kritische Auseinandersetzung mit der Sammlung Tamms positive Folgen hatte. Deck fünf, Thema: "Marinen der Welt (von 1815 bis heute)", in dem die Kriegsschiffe gezeigt werden, nennen die Ausstellungsmacher dann auch ironisch den "bösen Boden". Auch Deck vier: "Leben auf Marineschiffen, Schiffsbewaffnung" dürfte eine Herausforderung für das Fingerspitzengefühl der Austellungsgestalter sein. Nach Vorab-Berichten werden die "Militaria" betont sachlich präsentiert. Ob das und einige Texttafeln ausreichen, jeden "kriegsverherrlichenden" Eindruck zu neutralisieren, wage ich zu bezweifeln. Allerdings ist das Konzept der Ausstellung nicht in Stein gemeißelt; die von Christine Schneider vermisste kritische geschichtliche Aufarbeitung kann durchaus noch eingebracht werden, wenn sich genügend Stiftungsmitglieder und Besucher dafür einsetzen.
Man muss auch immer im Auge behalten, dass der "militärische Teil" die Ausstellung keineswegs dominiert - auch wenn die Schiffskanonen am Eingang einen anderen Eindruck vermitteln könnten.

Noch etwas Kritik an den Kritikern: Es sollte um die Sache gehen, nicht um die Person Peter Tamm. Er gibt, als "strammer" Konservativer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlages, enger Vertrauter Axel Springers und mutmaßlicher Militarist, ein verlockendes Feindbild ab - so verlockend, dass die Museums-Kritik, denke ich, zu sehr an der Person Peter Tamm festgemacht wird.

Ich freue mich, trotz allem, schon darauf, das Museum endlich besichtigen zu können. Ab Donnerstag ist es soweit.

Nachtrag: Jens Jessen beschreibt seine Eindrücke von der fertigen Ausstellung: Das umstrittene Schifffahrtsmuseum in Hamburg. Sein Hauptkritikpunkt ist, dass bei der Gestaltung der Ausstellung der Schauwert allzu oft über die historische Didaktik siegte. Kriegsverherrlichend ist sie offensichtlich nicht:
Die Kargheit des museumspädagogischen Konzepts ist die einzige Angriffsfläche, die das Marinekapitel der Ausstellung den Kritikern bietet.

Freitag, 6. Juni 2008

Amnesty-International Kurzgeschichtenwettbewerb “Menschenrechte”

Leider habe ich es erst jetzt mitbekommen (in Uschis Blog): Bis zum 30.6.2008 kann man für den Kurzgeschichtenwettbewerb von Amnesty International Texte zum Thema "Menschenrechte" einreichen.

Der Wettbewerb wir von Amnesty International in Zusammenarbeit mit der Armin T. Weger Gesellschaft und der Westfälischen Rundschau veranstaltet.

Ich bin mir bewusst, dass ein guter literarischer Kurztext (es kann auch ein Gedicht oder Rap-Poetry sein) zu einem so wichtigen Thema wie "Menschenrechte" nicht in ein paar Tagen aus den Ärmeln geschüttelt werden kann (ich kann es jedenfalls nicht). Aber vielleicht hat der oder die eine oder andere einen geeigneten unveröffentlichten Text in der berühmten Schublade - oder dichtet einfach spontaner als ich.
Informationen und Teilnahmebedingungen hier.

Sonntag, 25. Mai 2008

Heute habe ich ein Handtuch dabei

Warum?
Nun:
"Ein Handtuch ist so ungefähr das Nützlichste, was der interstellare Anhalter besitzen kann. Einmal ist es von großem praktischem Wert – man kann sich zum Wärmen darin einwickeln, wenn man über die kalten Monde von Jaglan Beta hüpft; man kann an den leuchtenden Marmorsandstränden von Santraginus V darauf liegen, wenn man die berauschenden Dämpfe des Meeres einatmet; man kann unter den so rot glühenden Sternen in den Wüsten von Kakrafoon darunter schlafen; man kann es als Segel an einem Minifloß verwenden, wenn man den trägen, bedächtig strömenden Moth-Fluss hinuntersegelt, und nass ist es eine ausgezeichnete Nahkampfwaffe; man kann es sich vors Gesicht binden, um sich gegen schädliche Gase zu schützen oder dem Blick des Gefräßigen Plapperkäfers von Traal zu entgehen (ein zum Verrücktwerden dämliches Vieh, es nimmt an, wenn du es nicht siehst, kann es dich auch nicht sehen – bescheuert wie eine Bürste, aber sehr, sehr gefräßig); bei Gefahr kann man sein Handtuch als Notsignal schwenken und sich natürlich damit abtrocknen, wenn es dann noch sauber genug ist.

Was jedoch noch wichtiger ist: ein Handtuch hat einen immensen psychologischen Wert. Wenn zum Beispiel ein Strag dahinter kommt, dass ein Anhalter sein Handtuch bei sich hat, wird er automatisch annehmen, er besäße auch Zahnbürste, Waschlappen, Seife, Keksdose, Trinkflasche, Kompass, Landkarte, Bindfadenrolle, Insektenspray, Regenausrüstung, Raumanzug usw, usw.. Und der Strag wird dann dem Anhalter diese oder ein Dutzend andere Dinge bereitwilligst leihen, die der Anhalter zufällig gerade "verloren" hat. Der Strag denkt natürlich, dass ein Mann, der kreuz und quer durch die Galaxis trampt, ein hartes Leben führt, in die dreckigsten Winkel kommt, gegen schreckliche Übermächte kämpft, sich schließlich an sein Ziel durchschlägt und trotzdem noch weiß, wo sein Handtuch ist, eben ein Mann sein muss, auf den man sich verlassen kann."

Mit anderen Worten: heute ist Towel Day!

Samstag, 26. April 2008

Kitsch?

"Kitsch" ist einer der schwammigsten Begriffe der deutschen Sprache - und der Kitschvorwurf ein geradezu klassisches Totschlagargument gegen Kunst, die man aus irgendeinem Grunde für minderwertig hält. Oft kann man daher "Das ist keine Kunst, sondern Kitsch!" mit "Das entspricht nicht dem von mir für gültig gehaltenen Kunstkanon" übersetzen.
Den Kitschvorwurf habe ich einige Male "am eigenen Leibe" erleben "dürfen". Ich bestreite gar nicht, dass das, was ich als (Amateur-)Künstler zustande bringe, künstlerisch nicht viel wert ist - und auf dem Kunstmarkt noch weniger.
U.S.S. Enterprise 1799
"Die unsäglichen Schinken mit Segelschiffen auf bewegter See sind das hanseatisch-gutbürgerliche Gegenstück zum berüchtigtem röhrenden Hirsch in Öl." - Folglich ist dieses von mir gemalte Bild Kitsch.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass jene, die leicht angewidert von "Kitsch" oder "Trivialkultur" reden, das in erster Linie zwecks Distinktionsgewinn machen. Dabei gibt es eine regelrechte "Distinktionsgewinnhühnerleiter" - in der Literatur geht das z. B. so: Der Simmel-Leser sieht auf die Leser von Heftromanen herab ("Niveauloses Zeugs"), während der Süßkind-Leser auf den Simmel-Leser herabblickt, und ein, sagen wir mal, Grass-Leser nicht selten auf den Süßkind-Leser herabblicken wird, dem seinerseits von einem Kafka-Jünger eine bodenlose Niveaulosigkeit seines literarischen Geschmacks unterstellt wird. (Was mich angeht: ich lese sowohl "Perry Rhodan" wie Kafka. Simmel, Süßkind und Grass zählen hingegen nicht zu meinen Lieblingsschriftstellern.)

Da tut es gut, wenn jemand den Kitschbegriff etwas anders, und zwar treffender, gebraucht:
Und das allerschlimmste ist: Die Grünen wird das gar nicht stören. Ein wenig Öko kreischen und Kultur-ist-auch-wichtig-Rhetorik, und ansonsten geht’s vor allem um die Sicherung der Eigenstumswohnung in Eimsbüttel und die Karrierechancen der Kids des je eigenen Milieus. Und für die Besserverdienenden auch um die Abschottung gegen alle den Kitsch störenden Elemente in Ottensen, dieser Biedermeiner-Idylle für die Etablierten in der Kreativwirtschaft und Waldorfschullehrer.
momorulez in “Eine prominente Front von Gegnern gibt es nicht”: Die Koalition der Friedhofsgärtner
Ich weiß nicht genau, was momorulez unter "Kitsch" versteht. Ich bin da etwas altmodisch und folge einer laut "Wikipedia" "älteren Definition". Kitsch ist falsch:
  • falsch im Ort (etwa: Erzeugnisse der Musikindustrie werden als Volksmusik ausgegeben)
  • falsch in der Zeit (etwa: besungen wird eine heile Welt, die es nicht gibt)
  • falsch im Material (etwa: Verwendung von Klischees statt echter Gefühle)
(Falsch im Material kann auch wörtlich gemeint sein, wenn z. B. ein Stück Polystyrol-Spritzguss so tut, als sei es eine Schnitzerei in Holz. Umgekehrt sollte man sich hüten, alles, was aus Plastik ist, gleich für Kitsch zu halten.)

Genial finde ich Adornos Definition, der Kitsch als etwas "dümmlich Tröstendes" bezeichnete - auch wenn ich mich hinsichtlich dessen, was ich kitschig nenne, keineswegs seiner Meinung anschließe. Adorno schätzte das Wohlgefühl des Distinktionsgewinns für meinen Geschmack zu sehr.

Bezogen auf Wohn-Milieus ist "Kitsch" schlicht Verlogenheit. Konflikte werden aus dem Umfeld herausgehalten oder geleugnet. Eine Form der Wirklichkeitsflucht, in der das "gute" Wohnquartier als Oase der Geborgenheit wirkt. Die (eventuell) in einer gentrifizierten Gegend wie Ottensen vorhandene kulturelle "Szene" ist aus dieser Sicht eher "Service" oder "Deko" - und wird so entwertet.

Was halte ich für kitschig?
Ich finde das Werk zweier Maler, die verschiedener nicht sein könnten,ausgesprochen kitschig - was etwas anderes ist, als dass ich ihre Gemälde für durchweg schlecht halte.
Der eine ist Bernard Buffet. Dieser Maler hat das Pech, sehr früh im Leben sehr erfolgreich gewesen zu sein. Seine gigantische Produktion von mehr als 150 Bildern pro Jahr führte nicht nur dazu, dass seine Gemälde etwas sehr beliebiges hatten - er malte so ziemlich alles, und zwar in einem Stil, dem man schnell überdrüssig wird. Weshalb Buffet, nachdem der Hype (bzw. die Kunstmarktblase) infolge totalen Überdrusses um 1970 geplatzt war, den Ruf hatte, nur ein Fließbandmaler kitschiger Elendsbildern zu sein. Auch wenn Buffet jetzt "wiederentdeckt" wird, bin ich nach wie vor der Meinung, dass Buffet diesen Ruf zurecht hat. Wenngleich einzelne Bilder Buffets im richtigen Zusammenhang durchaus ihren Reiz haben können.

Der andere ist der Fantasy-Maler Boris Vallejo. Ich halte ihn für kitschig, obwohl ich das bei "Gebrauchskünstlern" - Vallejo malt vor allem für Buchtitel und für die Werbung - nicht so eng sehe. Vallejos handwerkliche Fähigkeiten sind beachtlich, der Mann kann malen und zeichnen, und ab und an schafft er surrealistische und phantastisch-realistische Werke, an denen ich mich kaum satt sehen kann. Allerdings: meistens malt er klischeehafte Bilder muskulöser Helden und wenig bekleideter, junger und "gut gebauter" Frauen. Eine mir persönlich bekannte Künstlerin und Kunstdozentin meinte, Vallejos "verschwendet sein Talent", ungeachtet des großen kommerziellen Erfolges seiner Bilder, denn er bedient immer dieselben ausgelutschten Klischees, obwohl man sieht, dass er auch anders könnte.
Besonders stört mich an Vallejo die "Konsum-Erotik" - Motto: Sex sells, aber nur dann, wenn die erotisierende Darstellung nicht verstört und die Grenzen der (in diesem Fall amerikanischen) üblichen Prüderie eingehalten werden.

Dienstag, 22. April 2008

Ernst Vlcek ist gestorben

Soeben las ich auf Uschis Blog, dass der bekannte und beliebte deutsche Science Fiction-Autor Ernst Vlcek heute völlig überraschend und friedlich gestorben ist.

Ernst Vlcek ist vor allem als Autor und langjähriger "Expokrat" der SF-Romanserie "Perry Rhodan" bekannt. Wie viele Romane der Genres Science Fiction, Fantasy und Horror er im Laufe der Jahrzehnte schrieb, ist kaum zu überblicken.

Kaum zu fassen, dass der gar nicht ernste Ernst nicht mehr unter uns ist! Ein wirklich schwerer Verlust, nicht nur für die deutsche Science Fiction.

Mach gut, Ernst, egal, wo Du jetzt sein magst!

Montag, 14. April 2008

Löscht die olympische Flamme! (Und nicht nur wenn die Spiele in einer Diktatur stattfinden.)

Im Zusammenhang mit einem Aufstand in Tibet, über dessen Natur man hierzulande wenig weiß, aber viel vermutet, der Reaktion der chinesischen Regierung auf diesen Aufstand, der tendenziösen und manipulativen Berichterstattung westlichen Medien über den Aufstand und die chinesischen Reaktionen auf den Aufstand, und der hysterischen und albern-verschwörungstheoretischen Reaktion chinesischen Medien auf die tendenziöse und manipulative Berichterstattung westlichen Medien ist auch vom offensichtlich bedeutungsschwangeren "olympischen Feuer" und dessen Schutz die Rede.

Wenn man sich die Ursprünge des "olympischen Feuers" ansieht, dann steht es schwerlich für das, was heute zum "olympischen Gedanken" erklärt wird (als da wären: fairer Wettstreit, Völkerverständigung, Frieden, Freiheit, Gleichberechtigung, usw. usw. usw. - nicht zu vergessen die großen olympischen Geisterbeschwörungen: der Beschwörung des Geistes von Baron Pierre de Coubertin und die Beschwörung des Geistes der Antike).

Mit dem Baron de Coubertin hat die Flamme und der Fackellauf nichts zu tun, denn erst 1928 wurde erstmals eine "olympische Flamme" entzündet. Das heute übliche Feuerritual - mit feierlicher Entzündung im Hain von Olympia, Fakelläuferstaffette, feierlicher Entzündung des Feuers, Bewahrung der "Reinheit der Flamme" usw. - wurde zur Nazi-Olympiade von 1936 eingeführt - wobei es letzten Endes egal ist, ob die Idee aus dem Propagandaministerium kam oder doch vom nazi-hörigen Sportfunktionär Carl Diem, dem Organisator der olympischen Spiele.

Was die Antike angeht: man könnte, mit viel Mühe und einige Verdrehungen, im heilige Feuer der Hestia und in den Fackelumzügen im alten Athen, "historische Vorbilder" für den neuzeitlichen Feuerkult konstruieren. Denn etwas, was auch nur annähernd dem Nazi-Fackellaufspektakel entspräche, gab es im antiken Griechenland nicht.
Der olympische Fackellauf steht im Fokus antichinesischer Demonstranten. Aber schon seitdem die Nazis die Propaganda-Veranstaltung 1936 einführten, wird gegen das Ritual der "scheinheilgen Flamme" demonstriert.

Wikipedia: Olympische Flamme
Zeit-online: Fragen zum Fackellauf
einestages.spiegel.de: Wenn die Flamme nicht lang fackelt
heise-tp: "Löscht die Flamme".

Nun mag sich mancher meiner Leser die Frage stellen, wieso ich mich über so ein Symbol, mag es auch von den Nazis erfunden sein, aufregen würde. Ich würde ja schließlich auch nicht die Autobahnen boykottieren oder auf die Verlegung der gewerkschaftlichen 1.Mai-Kundgebungen auf einen anderen Termin bestehen (weil der 1. Mai unter den Nazis Feiertag wurde).

Der Grund liegt daran, dass die Symbolik seitens der Nazi-Propaganda sehr sorgfältig ausgewählt und ebenso sorgfältig inszeniert wurde. Ein "Symbol" ist immer mehr als ein simples Zeichen - es steht für etwas, es bewirkt etwas.
Für die Fachleute unter meinen Lesern: ich beziehe mich auf den Symbolbegriff von Ernst Cassierer (Der Mensch hat nur über Symbole einen Wirklichkeitsbezug), den von Goethe (Symbol auf als "aufschließende Kraft“, die im Besonderen das Allgemeine (und im Allgemeinen das Besondere) darzustellen vermag) und Joseph Campbell (Verweis des Symbols auf die Transzendenz.) Ich gebe zu, dass es schwierig ist, diese drei Auffassungen zusammenzudenken. Sie sind eher komplementär als kompatibel.
Der Mythos des Olympischen Feuers ist insofern echt, als das er wirkt, mag er ursprünglich ein eher banales, ahistorisches und "zusammengeklautes" Propagandakonstrukt sein.
Einen Eindruck von dem "Programm", das hinter der Fackellaufsymbolik steht, gibt die Anfangsszene eines (leider) hervorragend gemachten und (noch mehr leider) auch für mich ästhetisch reizvollen Films: Leni Riefenstahls Olympia-Film "Fest der Völker".
Die Kamera fährt durch eine in Dunst gehüllte Landschaft, in der die Überreste antiker Tempel, oft nur überwachsene Mauerreste und zertrümmerte Säulen, zu sehen sind. In einer für damalige Verhältnisse erstaunlich fließenden Fahrt nähert sich die Kamera einem besser erhaltenen Tempel inmitten der antiken Steine, umkreist ihn. Die Köpfe und Körper griechischer Statuen erscheinen in der Landschaft, von der Kamera Riefenstahls geradezu sinnlich umkurvt und umschmeichelt. Durch Überblendung "erwacht" ein nackter Diskuswerfer "zum Leben", auch andere marmorne Athletenstatuen werden "lebendig". Schließlich "erwacht" eine Statue eines Speerwerfers. Der Speer zielt auf eine Feuerschale. Ein (beinahe) nackter Athlet entzündet die olympische Fackel, hebt sie triumphierend empor.
(Der Wirkung tut es keinen Abbruch, wenn man weiß, dass (einige der) "antiken Ruinen" aus Pappmaché bestanden, weil die Aufnahmen aus dem antiken Olympia nicht für die Inszenierung zu gebrauchen waren, und dass die (fast) nackten Modellathleten nicht im heißen Sand von Olympia, sondern am zur Zeit der Aufnahme recht kühlen Strand der Ostsee agierten.)
Überblendung zum "realen Geschehen": der Fackellauf beginnt. Es wird gezeigt, wie die Flamme von einem Träger zum nächsten weitergegeben wird, bis zum im Film noch gewaltiger als in der Realität wirkenden Berliner Olympia-Stadion. Hier entzündet der letzte Läufer der Stafette die Olympische Flamme, einen einem antiken Altar nachempfundenen Gasbrenner. Die Kamera verharrt auf der Sonne, vibrierend in der heißen Luft über der Flamme. Die Menschenmassen jubeln, Hitler grüßt die Flamme.

Der erste Eindruck: "Ganz großes Kino", in doppelter Bedeutung. Dieser imposante Eindruck, sowohl des Fackellaufes wie seiner filmischen Inszenierung, wird auch der Grund dafür gewesen sein, dass das IOC nach 1945 so unkritisch an der Nazi-Symbolik festhielt - sie ist einfach eine zu "gute" Show; so, wie bisher alle olympischen Spiele mehr oder weniger deutlich die Nazi-Olympiade von 1936 imitierten.
Was zeigt die Filmsequenz, symbolisch betrachtet? Sie zeigt, unter anderem, wie die Fackel vom antiken Griechenland an Nazi-Deutschland weitergegeben wird. Das "3. Reich" beansprucht das Erbe der Antike. Der Anspruch ist, wie viele Ansprüche der Nazis, so hohl und papiern wie die Säulen in Leni Riefenstahls Studiodekoration; er funktioniert nach dem Prinzip: "Frechheit siegt!" Wird er nur laut genug verkündet und oft genug wiederholt, wird "die breite Masse" diese Behauptung schlucken. So, wie sie geschluckt hat, dass die Nazis die "rechtmäßigen Erben" der alten Germanen seien, oder die, dass "Arier" grundsätzlich allen anderen "Rassen" überlegen seien - oder den, dass sich der Vernichtungsantisemitismus "wissenschaftlich begründen" ließe. Das Schlimme ist, dass die meisten dieser "geschluckten" Behauptungen den Untergang der Nazireiches überlebten - manche bis heute.

Natürlich stellt das heutige IOC die Fackellauf-Symbolik anders dar - die Flamme würde die positiven Werte, die die Menschheit schon immer mit dem Feuer verbunden hätte, symbolisieren, oder dass die Fackelstafetten eine Botschaft des Friedens und der Freundschaft unter den Völkern aussenden.
Das Dumme ist nur, dass die olympischen Rituale immer noch die selbstverliebte, selbstherrliche und herrische "braune Aura" des Nazimythos umwabert. Man denke nur an die umständlichen Vorkehrungen, mit der die "Reinheit der Flamme" gesichert wird - wird sie (wie dieses Jahr mehrmals geschehen) gelöscht, muss sie mit z. B. in einer Grubenlampe "bewahrtem" Originalfeuer neu entzündet werden. Erlöschen alle "Backup-Flammen", dann muss gemäß dem Reglement die Flamme im heiligen Bezirk von Olympia neu entfacht werden.
Mir fällt dazu nur ein: ein religiöser Ritus. Und zwar einer, der mit der heidnischen Antike nichts gemeinsam hat - aber alles mit dem Mystizismus der Nazis (und ihrer Pedanterie).

Ich habe eine lange und ernsthafte Diskussion über die Frage geführt, ob z. B. Runen in der Öffentlichkeit verwendet werden dürfen. (Nicht juristisch gesehen, sondern moralisch.) Auch wenn ich dabei Anregungen der Art, man möge, im Zuge der "Null-Toleranz" und einer Politik der Nadelstiche, einige von Nazis und Neonazis verwendete Runen "verbieten", für abwegig (und nebenbei sinnlos) halte, so kann ich das Unbehagen etwa des Journalisten Thoralf Staud angesichts eines rechtsextremen Dachdeckers, der mit der "Lebensrune" in einem Schaukasten direkt vor dem Anklamer Gymnasium wirbt, ohne dass es jemanden stört, gut nachvollziehen. (Zeit online: Glatzenbrot und Lebensrunen.) Das gilt unabhängig davon, dass die entsprechende Rune nicht von den Nazis erfunden, sondern "nur" missbraucht wurde, dass die Deutung dieser Rune (im älteren Futhark Algiz - Elch - genannt - sieht so aus wie das "Peace"-Zeichen, nur auf dem Kopf stehend und ohne Kreis) als Lebensrune (vorsichtig formuliert) umstritten ist, und dass nicht jeder, der diese oder andere Runen verwendet, rechtsextrem sein muss.
Das Fazit, das ich aus der Diskussion gezogen habe: die Runen können zwar nichts durch ihre Verwendung durch Nazis und es ist keine gute Idee, den inwändig Braunen diese Symbole einfach zu überlassen, aber es wäre eine noch schlechtere Idee, zu vergessen, dass Runen auch "beliebte" Nazi-Symbole sind. Die zur Zeit meist verwendete "echte" Rune ist übrigens eine "Binderune" aus Hagalas (in der Sternform des jüngeren Futhark, Lautwert "H") und "Berkano" (Lautwert) "B" - die Initialen Harald Blauzahns als Symbol für "Bluetooth". Eine locker-unbefangene Form der Runenverwendung, die dem düsteren Nazi-Mystizismus genau so entgegengesetzt ist, wie etwa die Ansuz-Berkano-Berkano-Ansuz Tätowierung, die ein Wikinger im Zeichentrickfilm "Asterix und die Wikinger" trägt.

Überträgt man diese Erfahrung auf den olympischen Fackellauf, der, anders als die Runen, wirklich eine Nazi-Erfindung ist, so verbietet sich die unkritische (!) Weiterverwendung dieser Symbolik eigentlich automatisch. Zumindest mit der "sakralen Aura" der Flamme, die wie gesagt eine "braune Aura" ist, müsste Schluss sein. Leider ist das IOC und sind die nationalen olympischen Komitees in dieser Hinsicht völlig unkritisch.
Eine ohne Brimborium mit dem Feuerzeug entzündete Flamme würde, wenn man schon ein feierliches Symbol für die Dauer der Spiele braucht, völlig ausreichen. Lockerheit ist ein gutes Gegenmittel gegen Nazi-Mystizismus. Ansätze zur heiteren Lässigkeit gab es schon bei einigen olympischen Spielen - leider immer nur Ansätze. Das starke Repräsentationsbedürfnis der Veranstalter lässt den Abschied von Inszenierungen frei nach "1936" offensichtlich nicht zu.

Soweit der allgemein-politische Teil meines Unbehagens gegenüber der olympischen Fackelstafette.
Es ist meine sprirituelle Ausrichtung, die dieses "politische" Unbehagen verstärkt. Es heißt, dass es den Urhebern eines Rituals "spirituelle Energie" zuführt, wenn dieses Ritual von anderen ausgeübt wird. Sicher, das klingt arg nach Esoterik-Messe. Wenn man aber "Energie" auch im übertragenen Wortsinn begreift, und überhaupt eine metaphysische Wirksamkeit von Ritualen - egal wie und auf welchem Wege - für möglich hält, dann wird schnell klar, weshalb es mir bei der "Wiederaufführung" eines Nazi-Rituals ziemlich flau im Magen wird.

Ein anderes "Ritual" - oder besser gesagt, die dem Nazi-Feuerzauber vorausgehende Inszenierung - verursacht bei mir kein flaues Gefühl im Magen, sondern einfach nur bitteres Lachen.

Auch die "Entzündungs-Zeremonie" der olympischen Flamme stammt offensichtlich aus dem Kino - allerdings nicht aus einem (leider) ästhetisch ansprechendem Propagandafilm, der durchaus zurecht zu den besten Sportfilmen aller Zeiten gerechnet wird, sondern aus einem billigen "Sandalenfilm" aus den 50er oder 60er Jahren, etwa vom Kaliber "Herkules und die Königin der Amazonen".
Kernelement sind Schauspielerinnen in weißen Gewändern, die edel-gemessen dahinschreitend eine Art Eurythmie-Vorführung im Freien aufführen, ganz so, wie sich der von jeder historischen Bildung unbeeinflusste "kleine Max" das klassische Griechenland vorstellt. ("Asterix bei den Olympischen Spielen" ist da erheblich authentischer.) Mit der Antike, dem spürbaren "Genius Loci" des alten heiligen Bezirkes, dem Geist und der Geschichte des antiken Olympias, hat diese alberne Zeremonie nichts zu tun. Mit dem (mutmaßlichen) Ablauf der einst in Olympia ausgeübten Rituale erst recht nichts.
Richtig "nett" wird es, wenn die "Priesterin" die alten Götter Griechenlands anruft: "Apollon, Gott der Sonne und des Lichtes, schicke deine Strahlen und entzünde die heilige Fackel für die gastfreundliche Stadt Peking. Und Du, oh Zeus, schenke Frieden allen Völkern der Erde und bekränze die Sieger des heiligen Wettkampfes." Irgendwie erinnert mich das an Ritualversuche pubertierender Mädchen, die ein ganz tolles Buch von, sagen wir mal, Hexe Sandra gelesen haben, und nun glauben, ganz doll magische Junghexen zu sein. Oder (Vorsicht Insiderwitz!) an Asatrú nach "Hägar dem Schrecklichen".
Zum Glück für die Veranstalter haben die alten Götter und die meisten ihren Anhänger Humor. Würde bei der "Flammenentzündung" z. B. eine katholische Messe in ähnlicher Weise verhackstückt, wäre das vermutlich das Ende des Fackelzaubers - wenn nicht der olympischen Spiele. Die Folgen eines entsprechenden pseudo-islamischen Ritual-Schmierentheaters für den Weltfrieden möchte ich mir gar nicht ausmalen ...

Mittwoch, 19. März 2008

Sir Arthur C. Clarke (16. Dezember 1917 – 19. März 2008)

Zum Tode von Arthur C.Clarke, dem große Raumfahrtvisionär und SF-Schriftsteller, ist heute schon so viel geschrieben worden, dass ich dem wenig hinzuzufügen hätte. Eine sehr umfassende und aktuelle Informationsquelle zum Leben und Wirken Sir Arthurs ist wieder einmal die (englischsprachige) Wikipedia: Arthur C. Clarke. Danach kann man sich das Lesen der meisten, meist schlecht recherchierten, Nachrufe sparen. (Dazu weiter unten mehr.)

Wer an Arthur C. Clarke denkt, der denkt unweigerlich an seine Mitarbeit beim Kinofilm "2001 - Odysee im Weltraum". Raumfahrtinteressierten ist Clarke eher dafür bekannt, dass er schon 1945 der den geostationären Orbit als Standpunkt für Nachrichtensatelliten vorschlug. Er war nicht der erste, der auf diese Idee kam - aber er war der erste, der sich dafür einsetzte, dass seine Vision auch Wirklichkeit wurde.
Das zeichnete den Visionär Arthur C. Clarke vor den meisten anderen SF-Autoren aus - er setzte sich aktiv für seine Visionen ein, als Erfinder, Publizist, "Netzwerker". Clarke war aktiv daran beteiligt, die bessere Welt zu erschaffen, von der er schrieb. Er war direkt (und finanziell) an Projekten beteiligt, die "High-Tech" an "Entwicklungsländer" weitergaben, das wichtigste ist das Arthur C. Clarke Center for Modern Technologie in Clarkes Wahlheimat Sri Lanka.
Dass er zukünftige technische Entwicklungen prognostizierte, ist für einen SF-Autor nicht ungewöhnlich, ungewöhnlich ist aber, dass er seine "Prognosen" als Anregungen für künftige Innovationen verstand. Anders ausgedrückt: er setzte bewusst auf den Mechanismus der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Dass eine hochentwickelte Technik am Ende der gesamten Menschheit nutzt, war Clarkes feste Überzeugung. Wie sein "Kollege", der SF-Schriftsteller Brian W. Aldiss, schrieb, sei das vielleicht eine naive Vision - aber Visionäre würden meistens dann am Besten funktionieren, wenn sie eine Aura von Naivität umgäbe. Aldiss bewunderte die wohltätige und strebsame Seite Clarkes, "es ist die andere Seite der Münze, die L. Ron Hubbard ebenfalls als Konterfei trägt".
Tatsächlich war der Scientology-Gründer L. Ron Hubbard ebenfalls ein SF-Schreiber, der versuchte, seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei unterschieden sich Ziele und Methoden Clarkes und Hubbards in einer Weise, dass man Hubbard als "Schatten" Clarkes beschreiben könnte. Allerdings war Clarke der bessere und erfolgreichere SF-Autor - was hoffen lässt, dass er auch auf lange Sicht der bessere und erfolgreichere Visionär sein wird.
Noch eine Randbemerkung: Arthur C. Clarke wurde von kritischen Rezensenten als "typischer Vertreter des Plastik-Optimismus der 60er Jahre" beschrieben, mit Blick auf den Film "2001" auch als "über-optimistischer "Raumfahrt-Propagandist". Dazu muss man allerdings wissen, dass Clarke selbst die in "2001" beschriebene Raumfahrt- und Computertechnik nicht mit diesem Datum versehen hat - auch in seinen futurologischen Aufsätzen forderte er die Leser immer auf, die angegebenen Jahreszahlen "cum grano salis" zu sehen. Er betonte, dass der Zeitpunkt vieler Ereignisse nicht von wissenschaftlichen oder technischen, sondern von ökonomischen oder politischen Erwägungen abhängen wird. Als Beispiel nannte er die Mondlandung, die am technisch "frühestmöglichen Termin" erfolgte, und zwar aufgrund einer politischen Entscheidung.
Clarke war auch in dem Sinne kein "billiger Optimist", dass er die negativen Folgen technischer Entwicklungen unterschätzt hätte - er war sogar einer der ersten Autoren, die sich mit ökologischen Problemen beschäftigten. Allerdings schrieb er keine Katastrophenszenarien, sondern lieber Romane, in denen die Menschen mit ihren ökologischen Problemen fertig geworden sind. Lösungsvorschläge statt Untergangsvisionen.

An dieser Stelle komme ich auf Nachrufe in deutschen Medien zurück, die zwar "gut gemeint" sind, die Sir Arthur wirklich nicht gerecht werden. Z. B. wird Clarke in der "Netzeitung" (Odyssee auf Erden beendet: Science-Fiction-Autor Clarke ist tot) als "Wanderer zwischen Naturwissenschaften und düsteren Zukunftsszenarien" beschrieben - da klischiert es mächtig, denn Clarkes Zukunftsszenarien sind nicht düstern, aber da SF-Autoren bekanntlich düstere Zukunftszenarien schreiben, muss das wohl auch auf Clarke zutreffen. Erstaunlich auch, wie wichtig die Story von der DNA-Probe, die "durchs All fliegen" soll, genommen wird: sie beruht auf einem Witz, den Clarke in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP machte.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist folgende Behauptung:
In den letzten Jahren widmete er sich in seinem Büchern dem Schicksal der Menschen im Zeitalter der Raumfahrt. Allerdings war er wenig optimistisch und erklärte, die Welt dürfte in wenigen Jahrzehnten unbewohnbar sein. In seinem Roman «3001: Die letzte Odyssee» aus dem Jahr 1998 hat menschliche Intelligenz nur im Weltraum überlebt, während auf der durch Klimakatastrophen zerstörten Welt nur noch einige primitive Lebewesen zu finden sind.
Der Roman "3001 - The Final Odysee" schildert eine Zivilisation, die das Sonnensystem besiedelt hat und in der in der Tat mehr Menschen freiwillig im (erdnahen) Weltraum leben, als auf der Erde. Die Erde ist in einem ökologisch wesentlich besseren Zustand als in der Gegenwart, sie wurde in eine Art Naturpark verwandelt. (Inhaltsangabe in der Wikipedia: 3001 The Final Odyssey).

In seiner jetzigen, ziemlich gut recherchierten, Form ist der Nachruf auf SpOn Zum Tode Arthur C. Clarkes gar nicht mal so schlecht. (Die erste, grauenhafte, Fassung war wohl ein typischer "SpOn-Schnellschuss".)

Allerdings behauptet der Artikel nach wie vor, dass Clarke überzeugt davon gewesen wäre, die Welt werde in einigen Jahrzehnten unbewohnbar sein.

Dieser Satz im Nachruf ist wohl ein Beitrag zum Wettbewerb "Wie bringe ich möglichst viele Fehler in einem Satz unter?":
In einem seiner letzten Werke, dem Roman "3001: The Last Odyssey" von 1997, erwacht der Pilot eines Raumschiffes nach tausend Jahren im Tiefschlaf und muss auf eine Erde zurückkehren, die durch Klimakatastrophen vollends verwildert ist und nur noch noch primitive Lebensformen beherbergt.
Es gibt keinen Roman Clarkes, der auch nur annähernd dieser Beschreibung entspräche - allerdings unzählige Romane anderer SF-Autoren mit ähnlichem Plot.

Das von einer pessimistischen Gundeinstellung Clarkes - bei aller Skepsis - keine Rede sein kann, zeigt seine eigene Geburtstagsbotschaft vom 16. Dezember 2007:
90th Birthday Reflections.

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