Religion, Magie, Mythen

Donnerstag, 5. Juni 2008

Max Kruse veröffentlicht religionskritischen Zukunfts-Roman

Im Jahr 2251 gibt es auf der Erde keine Kirchen oder vergleichbare Religionsgemeinschaften mehr, der Glaube an ein Jenseits ist bedeutungslos. Eine Welt ohne Moral? Fällt wirklich dort, wo Gott geleugnet wird, die Menschenwürde?
Nein, meint Max Kruse in seinem Roman "Antworten aus der Zukunft". Sie wäre besser ohne die Dogmen und Machtkämpfe der Religionen.

Nicht wenige Science Fiction-Romane beschäftigen sich mit Religion - wovon die meisten mehr oder weniger deutlich religionskritisch sind. Diese Tradition ist so alt wie die SF selbst. In jüngerer Zeit sorgte z. B. die Roman-Trilogie "His Dark Materials" des Autors Philip Pullman, bestehend aus "Northern Lights" (1995) (dt. "Der goldene Kompass"), "The Subtle Knife" (1997) (dt. "Das magische Messer") und "The Amber Spyglass" (2000) (dt. "Das Bernstein-Teleskop") für einige Aufregung unter "besorgten Christen". Es ist Science Fiction mit starken Fantasyelementen, einem religiös-sprituellem Grundton, der stark vom Schamanismus geprägt ist, und einer antiklerikalen und anti-monotheistischen Haltung. Die Trilogie wird deshalb von kirchlichen Gruppen und Medien scharf kritisiert. Pullmann hatte sie bewusst als Gegensatz zur christlich geprägten Fantasy-Reihe "Die Chroniken von Narnia" von C. S. Lewis konzipiert. (Übrigens ist die Filmversion von "Der goldene Kompass" deutlich entschäft, trotzdem reagierten nicht nur fundamentalistische Christen nicht nur in den USA auf sie ausgesprochen hysterisch.)
Ob der Roman Max Kruses, einem der erfolgreichsten Kinderbuchautoren des deutschen Sprachraums ("Urmel aus dem Eis", "Der Löwe ist los"), überhaupt Science Fiction im engeren Siine ist, weiß ich noch nicht, und mir ist auch unklar, ob er sich wie "His Dark Materials" (auch) an jugendliche Leser wendet, da ich das Buch bisher nur aus einer dürftige Pressemitteilung kenne. Antworten aus der Zukunft - Max Kruse veröffentlicht religionskritischen Roman.
Immerhin weiß ich einiges über Kruse. Kruse ist nach eigenen Einschätzung "ein in der Wolle gefärbter Agnostiker". Was etwas anderes ist als "Atheist":
Ich glaube nicht an den christlichen Gott, der diese Welt erschaffen hat und sich um jeden von uns liebevoll kümmert. Aber das letzte Geheimnis des Universums werden wir Menschen wohl auch niemals lösen.
Kruse gehört allerdings auch dem wissenschaftlichen Beirat der scharf religionskritischen und tendenziell atheistischen Giordano Bruno Stiftung an.
Bezeichnend ist, dass eine ältere Fassung des Buches unter dem Pseudonym Friedhelm Schenitz erschien: "En(t)dzauberung – Herbst des Religionszeitalters". Das war, wie ich vermute, wohl dem Umstand geschuldet, dass religionskritische Kinderbuchautoren, selbst dann, wenn sie wie Kruse oder Janosch die Religionskritik aus ihren Kinderbüchern heraus halten, schnell in das Kreuzfeuer selbsternannter oder kirchenamtlich bestellter Verteidiger des Glaubens geraten. Ich weiß nicht, was Kruse bewog, die Neufassung unter seinem Klarnamen zu veröffentlichen - ich hätte das aber im Zuge der unsäglichen Zensurversuche um das Ferkelbuch an seiner Stelle genau so gemacht: Irgendwann ist der Kampf für die Meinungsfreiheit wichtiger als die schriftstellerische Karriere. Kruse als etabliertem Autor im fortgeschrittenen Lebensalter fällt dieser Schritt sicherlich leichter als Nachwuchsautoren, die sich leider oft weltanschaulich "verbiegen" müssen, damit ihre Bücher überhaupt verlegt werden.
Die Zensurbestrebungen kirchennaher Kreise nehmen manchmal offen demokratiefeindliche Züge an, wie "Welt am Sonntag"-Kommentatorchef Alan Posener erlebt hat: Wie sich manche Christen Pressefreiheit vorstellen.

Samstag, 31. Mai 2008

"Verteidiger des Glaubens" gegen Pappdrachen

Ein Pappdrache ist ein Geschöpf, das die Eigenschaften eines
Papiertigers und eines Strohmannes in sich vereint.
Oder anders ausgedrückt: eine selbst erfundene, dem Gegner zugeschriebene, Bedrohung, der man "mutig" entgegentritt.

Ein Pappdrache gegen den hochrangige Kirchenvertreter wie der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper anrennen wie der heilige Georg gegen den Drachen, wird "agressiver missionarischer Atheismus" genannt.
Was diese Kirchenvertreter im heiligen Zorn erbeben lässt, ist „Die Provokation der neuen Atheisten“, wie sie Philosoph Prof. Dr. Holger Zaborowski bei einem Vortrag an der Katholische Akademie des Bistums Trier nannte. (Das Bistum Trier trägt zufälliger- und passenderweise das Georgskreuz im Wappen.). Gemeint ist die Wiederkehr der Religionskritik, beziehungsweise die für eine bestimmte Sorte Christen offensichtlich als bedrohlich wahrgenommen religionskritischen Bestseller von Richard Dawkins, Edward O. Wilson oder Christopher Hitchens. Zaborowski meint, dass das Niveau der "neuen Atheisten" (zu denen er auch den Deutschen Michael Schmidt-Salomon zählt) oft wesentlich niedriger als bei den Klassikern wie Marx oder Feuerbach sei. Es gäbe eigentlich keine neuen Argumente, und das Weltbild des neuen Atheismus sei sehr einfach.
In dieser Einschätzung kann ich Professor Zabrowski nur zustimmen. Der Hauptgegner der ach so bösen "neuen Atheisten" ist der christliche Fundamentalismus, eine Glaubensauffassung, die in Deutschland eher wenige Anhänger hat. Im übrigen ist die Kritik etwa des "neuen Atheisten" Dawkins trotz einiger polemischer Spitzen vergleichsweise zahm. Wenn ich Dawkins "Gotteskomplex" und Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" vergleiche, dann habe ich den Eindruck, dass schon schon ein Kapitel im "Deschner" mehr scharfe und treffende Kritik am "christlichen Weltbildes" enthält als der ganze "Dawkins".
Ich schließe daraus: eine reale Bedrohung für die großen Kirchen und ihr Weltbild geht von den "neuen Atheisten" eher nicht aus.

Trotzdem blasen Kirchenfürsten wie Bischof Gerhard Ludwig zur Attacke gegen den atheistischen (Papp-)Drachen:
'Wo Gott geleugnet wird, fällt Menschenwürde'
, wobei er seine rhetorische Lanzenspitze nicht nur gegen Dawkins richtet, sondern auch gegen ein Bilderbuch für Kinder: "Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" von Michael Schmidt-Salomon. Darin werde das Bild vermittelt, dass sich alle, die an einen Gott glauben, auf dem Niveau eines Schweines befänden. Wie der gute Bischof zu diesem Schluss kam, ist mir rätselhaft, denn das steht nicht im "Ferkelbuch" und zwar auch nicht "zwischen der Zeilen" oder als "versteckte Botschaft". Ich habe den unguten Eindruck, dass der Bischof Ludwig es bei seiner Philippika gegen die Atheisten nicht immer mit dem 8. Gebot (nach katholischer Zählweise) so genau nimmt.
Der christliche Glaube habe Zeiten überdauert, so Ludwig, in denen ein aggressiver Atheismus wie Nationalsozialismus und Kommunismus herrschte. Nun, die Nazis waren aggressiv, aber, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Atheisten. (Und die mit ganz wenigen löblichen Ausnahmen bestenfalls opportunistische, in schlechteren Fall eifrig mitmachende Haltung der katholischen Christen im Nationalsozialismus ist wahrlich kein Ruhmesblatt.) Nun gibt es bekanntlich neben der religiösen (oder antireligiösen) Rechtfertigung eines Herrschaftssystems noch eine Vielzahl weitere politische, ökonomische, kulturelle usw. usw. Faktoren, die ein Regime prägen. Zudem können fanatisierte Anhänger einer "materialistische" Pseudoreligion genau so verheerend wirken wie "echte" Glaubenskrieger und "Kreuzritter".
Atheismus sei aber auch heute noch präsent, meint de Bischof, teils werde er – wie im Falle des Buches "Gotteswahn" von Richard Dawkins - wissenschaftlich getarnt. Womit Ludwig den Bogen von Stalin, Mao oder Hitler zum pazifistisch gesonnenen Biologen Dawkins geschlagen hätte. Dawkings "tarnt" seinen Atheismus auch nicht als Wissenschaft, sondern trennt deutlich die Forschungsergebnisse der Evolutionsbiologie von den in der Tat atheistischen Konsequenzen, die er daraus zieht.

Wie viele Apologeten setzt sich Bischof Ludwig mit Behauptungen auseinander, die niemand aufgestellt hat - jedenfalls nicht die "neuen Atheisten":
Sogar Kindstötungen stellten nach dieser völlig amoralischen Sichtweise (dem Atheismus) kein Verbrechen dar, weil der Mensch keinen freien Willen habe und nur von seinen Genen gesteuert handle. Der Mensch dürfe niemals Mittel zum Zweck werden, meint der Bischof, Menschen dürfen niemals als bloßes Biomaterial missbraucht werden nach dem Motto: Das Recht ist immer auf der Seite des Stärkeren. So, als ob irgend eine prominenter neuer Atheist wirklich solche Ansichten vertreten würde. Und weiter: Die Einsicht, dass jeder einzelne Mensch eine unveräußerliche Menschenwürde besitze, rühre vom christlichen Menschenbild. Interessant, denn immerhin gründet sich der "neue Atheismus" auf das säkulare Vernunftdenken der Aufklärung, das sich wiederum auf die vom Gottesglauben freie ethische Traditionen der antiken Philosophie beruft. Sie entstanden lange, bevor Paulus das Christentum auch unter Rückgriff auf die Ethik der griechischen Stoiker schuf. Auch dürfte dem Geistlichen nicht unbekannt sein, dass die Vorstellung der Gleichheit aller Menschen vor Gott und der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz im Judentum schon spätestens seit dem Ende des "babylonischen Exils" im 6. Jahrhundert vor Christus tief verankert war.

Die Argumentation gegen den Atheismus läuft bei Ludwig wie den meisten "neuen Apologeten" darauf hinaus, dass ohne den Glauben an einen allmächtigen, allwissenden und strafenden Gott - der Mensch zu moralisch angemessenem Verhalten unfähig sei. (Siehe z. B. Die Lehre von der Hölle ist letzte Warnung auf dem konservativ-katholischen KATH.NET.) Die scheinbar gemäßigtere und intellektuell anspruchsvolleren Variante diese "Argumentes" ist, dass ohne transzendente Letztbegründung (die für die christliche Apologeten selbstverständlich mit der "göttlichen Offenbarung" identisch ist) kein moralischen Handeln möglich wäre.

Diese Sichtweise ignoriert wesentliche Traditionen der Geistesgeschichte, sondern denunziert zugleich auch alle Menschen, darunter auch durchaus religiöse und hochgradig spirituell gesonnene, deren Ethik und Moral nicht von "Gottesfurcht" bestimmt wird. Damit wird auch - mindestens - einem Drittel der Deutschen de facto moralisches Denken und Handeln abgesprochen.

Montag, 26. Mai 2008

Hexenjagd

Der Bericht auf der Website des "humanistischen Pressedienstes" über eine traurige Realität Hexen- und Zaubererjagd im 21. Jahrhundert beginnt mit bezeichnenden Worten:
Manchmal müssen Journalisten über Ereignisse berichten, die dermaßen unbegreiflich sind, dass sie befürchten, die LeserInnen, ZuhörerInnen oder ZuschauerInnen am Wahrheitsgehalt zweifeln werden.
Ich muss gestehen: mich wundert, angesichts dessen, was ich über die große europäische Hexenverfolgung (nicht etwa im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit) weiß, und was mir über heutige Hexenverfolgungen, vor allem in Indien und in Ost- und Südafrika, bekannt ist, nur eines: Dass es nicht viel häufiger Meldungen dieser Art gibt.

Im Westen Kenias wurden fünfzehn Menschen, Männer und Frauen, ermordet und verbrannt, weil ein "Lynchmob" von ca. 300 Anhängern sie der Hexerei beschuldigte. Ihr "Beweis" für magische Kräfte war eigentlich "nur" eine groteske Vermutung, die allerdings vielen "Beweisen" für Hexerei in der von Wolfgang Behringer herausgegebenen kommentierten Textsammlung "Hexen und Hexenprozesse in Deutschland" zum Verwechseln ähnelt: Die "klugen Kinder" würden durch diese "Hexen" Leute „dumm". Das reichte für das Massaker.
Solche Massaker kommen leider immer wieder vor - mit hoher Dunkelziffer. Wenn sie doch einmal die internationalen Medien erreichen, dann gehen sie erfahrungsgemäß schnell unter.
Es ist allzu billig, hier von "afrikanischem Aberglauben" oder "Hexenwahn" zu sprechen. Der Schritt von einem magischen Weltbild, in dem Schadenzauber für möglich gehalten wird (aber es auch für jeden Schadenzauber einen Gegenzauber gibt), zur Hexenverfolgung ist meines Erachtens weit. (Hierzu verweise ich auf einen Text zum Thema "Hexenverfolgung", die ich für einigen Jahre schrieb: Die Erfindung des Hexereideliktes.)

Ziemlich kurz scheint hingegen der Schritt von der "Hexenverfolgung von unten" zur "Hexenverfolgung von Staats wegen" zu sein. Eine im Volk weit verbreitete Angst vor "Hexerei", der einfache Menschen sich "wehrlos" ausgeliefert fühlen, ein defektes Justizsystem und religiöser Fanatismus der Mächtigen reichen aus.

Dieser Fall aus Saudi-Arabien könnte aus der frühen Neuzeit und aus Behringers Textsammlung stammen:
Im Februar diesen Jahres verbreitete die BBC die Hintergründe eines schier unfassbaren Gerichtsurteils in Saudi-Arabien. Fawza Fahil, eine geschiedene 35-jährige Frau hatte in ihrem Haus einen Bindfaden mit sieben Knoten, ein geschlachtetes Huhn und einen impotenten Nachbarn. Der potenzgestörte Mann rief daraufhin die Religionspolizei weil er behauptete, die Frau habe ihn durch „Magie" seiner Manneskraft beraubt. Frau Fahil wurde daraufhin zum Tode durch Enthaupten verurteilt. Das Gerichtsurteil ist durch alle Instanzen bestätigt worden. Letzter Hoffnungsschimmer ist eine Begnadigung durch König Abdullah.
Zur Erinnerung, weil es von unseren Politikern und unseren Medien ungern ausgesprochen wird: Saudi Arabien ist eine absolute Monarchie, in der König Abdullah eine Machtfülle genießt, von der "Sonnenkönig" Louis XIV. nur träumen konnte. Entsprechend finster sieht es mit den Menschenrechten aus. Aber Saudi Arabien hat, im Gegensatz zu anderen notorischen Unrechtsstaaten, wie Nordkorea und Myanmar, gewaltige Erdölvorkommen.
Nicht "typisch frühneuzeitlich", sondern typisch frühes 21. Jahrhundert ist, wie der "Fall" im "aufgeklärten Westen" behandelt wird:
Kritiker sprechen von einem „akribisch geplanten Justizmord". Der Menschenrechtsbeauftragte der Partei DIE LINKEN im Bundestag, Michael Leutert, hat sich der Sache angenommen - viel Hoffnung hat er jedoch auch nicht. Besonders traurig ist: nicht ein einziges Land der EU, die fortwährend über Menschenrechte und deren Einhaltung spricht, hat Frau Fahil Asyl angeboten. Genutzt hätte es wahrscheinlich ohnehin nicht viel. Dem Nachrichtensender n-tv gegenüber sagte ein Sprecher der saudischen Botschaft in Berlin, man lehne eine solche „Einmischung in innere Angelegenheiten" kategorisch ab.
Abgesehen vom Opportunismus gilt in solchen Fällen das Prinzip "was nicht sein darf, kann nicht wahr sein".

Nur am Rande: Ein Prinzip, aus dem auch z. B. ein offen verfassungswidriger Vorschlag eines CDU-Vorstandsmitgliedes medial zu einer Art "Dummenjungenstreich" wird Die CDU, ein dummer Bengel und das Klassenwahlrecht - wohl, weil ernst gemeinte und ernst zu nehmenden offen verfassungswidriger Vorschläge gefälligst nur von der NPD gemacht zu werden haben. Oder äußerstenfalls noch, wenn es nach einige Rechts"liberalen" und Rechts"konservativen" geht, von den LINKEN.

Donnerstag, 1. Mai 2008

Gedanken über Magie (1)

"Magie ist die Kunst, die Sinnenwelt willkürlich zu gebrauchen." Novalis

"Magie ist die Wissenschaft und Kunst, das Bewusstsein willkürlich zu Verändern."Dion Fortune

Gestern war Walpurgisnacht - oder Beltaine, wie dieses "Hexenfest" bei Neuheiden unter Rückgriff aufs Keltische genannt wird. Anlass für mich, einige meiner Gedanken zu Magie und Zauberei (das sind ähnliche, aber nicht ganz deckungsgleiche Begriffe) kund zu tun.

Vorweg muss ich eins klarstellen: weder Magie noch Zauberei - so wie ich diese Begriffe verstehe - haben auch nur das Geringste mit "Übernatürlichem" Geschehen, mit "Wundern", die zeitweilig die Naturgesetze außer Kraft setzen, oder mit "unerklärbaren Fähigkeiten, die nur Eingeweihten zukommen" zu tun. Womit geschätzte 95 % der "Esoterik"-Literatur und geschätzte 80 % der "PSI"-Literatur vom Tisch bzw. Regal wären. Und ca. 9 von 10 Fernsehsendungen und Internet-Seiten zu diesem Thema.

Wer eine "Einführung in die Magie" erwartet, den muss ich ebenfalls enttäuschen. Ich empfehle zu diesem Thema einen schon älteren Text von Jens Scholz, der glücklicherweise nicht in den Weiten des Webs verschollen gegangen ist: "Einführung in die Magie". Einer der wenige Internet-Texte über Magie, die mit Sinn für Ironie und einer gehörigen Portion Skepsis gelesen sein wollen. (Man sollte jeden Text über Magie mit Sinn für Ironie und einer gehörigen Portion Skepsis lesen - auch diesen hier!) Sehr empfehlenswert, obwohl ich in einigen Details anderer Ansicht bin als Jens, und ich vermute, dass er manches heute anders oder gar nicht schreiben würde.

Ich beginne meine Überlegungen mit dem Thema "schwarzmagische Angriffe" und einem Blick nach Indien. Während hierzulande Menschen, die behaupten, "magische" (im Sinne von "übernatürliche") Fähigkeiten oder "PSI"-Kräfte zu haben, sich z. B. damit begnügen, Löffel zu verbiegen und dazu Geschichten zu erzählen, bei denen sich die Balken biegen, sind die Behauptungen der Kollegen im an "Wunder" und "Wundertäter" gewöhnten Indien von ganz anderem Kaliber. Es gibt Tantriker, die behaupten, auf magische Weise töten zu können.
Tantra ist bei uns im "Westen" eher im Zusammenhang mit Sexualpraktiken bekannt. Dennoch töten Tantiker nicht etwa dadurch, dass sie ihr Opfer mit viel Ausdauer in den Herztod durch sexuelle Überanstrengung treiben. Auch sollte man die indischen Tantriker nicht mit ihren esobärmlichen europäischen Gegenstücken verwechseln - die hiesigen Traurigen Tantriker sind schlimstenfalls tödlich langweilig.
Nein, ich meine indische Tanktriker vom Format eines Pandit Surinder Sharma. Sharma behauptet, im Auftrag hochrangiger Politiker zu stehen und für sie zu zaubern - unter anderem als "magischer Auftragskiller". Nach eigenen Angaben ist er in der Lage, jeden beliebigen Menschen innerhalb von drei Minuten durch Gedankenkraft töten zu können.
Sanal Edamaruku, Präsident von Rationalist International, war da skeptisch und forderte am 3. März dieses Jahres auf India TV den vorgeblich mächtigsten Tantriker des Landes heraus, seine Kräfte zu beweisen:

Hier einige Ausschnitte aus der über zweistündigen Live-Sendung. (Schon an dieser Dauer ist zu erkennen: Das mit den "drei Minuten" war wohl nichts!) Immerhin haben die vergeblichen Bemühungen des Schwarzmagiers einen großen Unterhaltungswert:
Sanal Edamaruku Challenges Tantra Part 1
Sanal Edamaruku Challenges Tantra Part 2

Sanal Edamaruku überlebte, obwohl der Tantriker sogar unfaire Mitteln (körperliche Angriffe) anwendete. Er wirkte sogar sehr amüsiert. Der Moderator brach das Experiment schließlich ab und erklärte den Tantriker zum Verlierer. Noch in selben Nacht gewährte Sanal dem Schwarzmagier eine Revanche beim "Tantra der absoluten Zerstörung".
Sanal Edamaruku Challenges Tantra Part 3.
Im Grunde unnötig zu erwähnen: Pandit Surinder Sharmas schwarzmagisches Killer-Ritual - das aus der Bollywood-Version eines Voodoo-Gruselfilms stammen könnte - bleibt abermals erfolglos.

Ein ausführlicher Bericht bei "Rationalist International": Bulletin Nr. 171 (10. März 2008) - Die Große Tantra-Herausforderung.
(Gefunden über hpd bzw. GWUP: Skeptiker vs Magier: Tod durch Tantra?)

Nun gingen die vollmundigen Behauptungen Pandit Surinder Sharmas nicht allein auf seinen Größenwahn zurück. Uma Bharati (ehemalige Ministerpräsidentin des indischen Staates Madhya Pradesh) beschuldigte ihre politischen Gegner in einer öffentlichen Erklärung, ihr mittels Tantra Schaden zugefügt zu haben. Tatsächlich hatte die unglückliche Frau innerhalb weniger Tage ihren Lieblingsonkel verloren, sich an ihrer Autotüre den Kopf gestoßen und ihre Beine mit Wunden und Pusteln bedeckt gefunden.

Wie kann ein Killer-Tantriker erfolgreich sein, auch wenn sein Hokospokus einer experimentellen Prüfung nicht standhält? Es gibt keinen Grund, herablassend über die "abergläubischen Inder" zu lachen, denn die grundlegende Mechanismen funktionieren auch bei uns.
Es geht hierbei nicht um Magie (und schon gar nicht um irgendwelche "übernatürlichen Kräfte") als vielmehr um psychologische Tricks. Jens Scholz erklärt es so:
Nun gibt es aber auch noch ganz andere "magische Angriffe": Du findest einen toten Frosch unter deiner Fußmatte oder eine Rune auf dem rechten Hinterrad. Oder jemand ruft an und raunt ein "der Teufel wird dich morgen holen!" in den Hörer. Oder du weißt, wer dich zu seinem Opfer erkoren hat und der macht jedes mal so komische Handbewegungen, wenn er dich sieht und geht dann böse grinsend davon.

Das ist dann wirklich etwas, wogegen du dich wehren musst. Allerdings geht es hier nicht um Magie, sondern um psychologische Kriegsführung. Denn was derjenige versucht, ist klar: Er setzt bedrohlich wirkende Signale, die dich beunruhigen und dadurch unkonzentriert machen sollen. Und wenn du unkonzentriert bist, passieren dir immer öfter kleine Missgeschicke, die dich um so mehr davon überzeugen, dass hier etwas nicht stimmt. Nun ist das Ego leider ein wenig doof, denn es kombiniert leider ein wenig zu einfach: Der Typ da hat gesagt, dass es mir übel ergeht, mir ist heute das Butterbrot zweimal runtergefallen, ergo der hat Schuld und beeinflusst mich (hat er ja auch gesagt). Das führt zum nächsten Schritt: Die Missgeschicke werden immer mehr, die Unsicherheit immer größer, die Überzeugung, dass dich der Kerl dort "magisch angreift" immer gewisser und so weiter. Irgendwann marschierst du über die Straße und übersiehst vor lauter Zappeligkeit den Laster, der dich prompt auf den Kühler nimmt...
Tantriker würden eine eine solch furchterregende Atmosphäre schaffen, dass selbst Menschen, die wüssten, dass nichts an der schwarzen Magie dran sei, aus Angst zusammenbrechen könnten, kommentierte ein Wissenschaftler in der Sendung. Es würde enormen Mut und starkes Selbstvertrauen erfordern, sie herauszufordern, indem man tatsächlich sein Leben aufs Spiel setzt. Indem er das tat, hätte Sanal den Bann gebrochen und denen, die seinen Triumph erlebt haben, viel von ihrer Angst genommen.

Es hätte also durchaus sein können, dass ein Probant, der sich nicht wie Sanal absolut sicher war, dass der Magier ihm nichts anhaben könne, entweder irgendwann so viel Angst bekommen hätte, dass er aufgegeben hätte oder psychisch zusammengebrochen wäre.

Es gibt, außer der völligen und bis tief in Unterbewusstsein reichenden Überzeugung "der Typ kann mir nichts anhaben", verbunden mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, noch andere Methoden, sich vor vermeintlichen und tatsächlichen "magischen Angriffen" zu schützen. Jens schlägt eine Art "Schutzschirmvisualisierung" vor, die auch bei Alltagsärger wirkt. (Sie wirkt tatsächlich.) Auch die von Außenstehenden gern belächelten Schutzkreisrituale haben in diesem Kontext einen Sinn - weniger als Schutz gegen "schwarze Magie" denn als Trick zur psychologischen Selbstverteidigung. Fromme Menschen können es auch mit Beten versuchen - in solchen Fälle hilft Beten wirksam und sofort!

Ein Rezept, das auch aus Märchen und Mythen bekannt ist, hilft besonders gut, und Sanal wendete es intuitiv mehrmals gegen den "Schadenzauber" Sharmas an:
Lachen bannt!
Wenn man die bösen, bösen und ach so mächtigen Schwarzmagier / bösen Hexen / Killer-Tantriker einfach nicht ernst nimmt, sie als die lächerlichen Figuren erkennt, die sie sind, dann haben sie kein Quentchen Macht.

Das gilt nicht nur für die Möchtegern-Schwarzmagier dieser Welt, sondern zum Beispiel auch für "dämonische", suggestive, ihr Publikum zuerst gefangen nehmende und dann an der Nase herumführende Redner.

Meisterhaft setzte Charlie Chaplin diese Mittel in seinem Film "Der große Diktator" ein, und zwar in seiner berühmten Parodie auf eine typische Hitler-Rede, gehalten in einer wage deutsch und sehr nach Hitler klingenden, grotesken Phantasie-Sprache. Damit lenkt Chaplin die Aufmerksamkeit auf die perfekt nachgeahmte Körpersprache und auf die im Grunde einfachen schauspielerischen Tricks Hitlers.
Wer einmal richtig über diese Parodie gelacht hat, der wird wahrscheinlich später auch das "Original" so lächerlich finden, wie es tatsächlich war.
Wenn heute Hitlers Redestil, und damit auch der Stil seiner zahlreichen Nachahmer, bei den meisten Zuhörern eher lächerlich als "ergreifend" oder "dämonisch" wirkt, dann ist das zum großen Teil Chaplins Können zu verdanken.

In meinem Sinne ist Chaplins ein genialer Magier - ohne Tricks und doppelten Boden, ohne Psi-Phänomene und übernatürliche Kräfte.

Samstag, 12. April 2008

Liste der schlimmsten Religionsführer

Anlässlich des bevorstehenden Papst-Besuches in den USA, bei dem so sicher wie das Amen in der Kirche sehr viel von der friedenstiftenden Rolle der Religion die Rede sein wird, veröffentlichte das Internet-Portal Foreign Policy eine Liste mit den schlimmsten religiösen Führern der Welt:
The List: The World’s Worst Religious Leaders
  • Hassan Nasrallah - Religion: schiitischer Islam - Generalsekretär der Hisbollah - predigt Vernichtungs-Antisemitismus
  • Joseph Kony - Religion: Christentum / Personenkult - Oberbefehlshaber der "Lord’s Resistance Army (LRA)" - Massenmörder im Ugandischen Bürgerkrieg.
  • Yogi Adityanath - Religion: Hinduismus - Religiöser Führer und Mitglied des Parlaments von Uttar Pradesh, Indiens bevölkerungsreichster Provinz, militanter Hindu-Nationalist, hetzt zu anti-islamischen Revolten auf.
  • Athuraliye Rathana - Religion: Theravada-Buddhismus - Mönch und Parlamentsabgeordneter in Sri Lanka - hetzt gegen die tamilische Minderheit, ruft zur Vernichtung der "Tamil Tigers" auf.
  • Dov Lior - Religion: hasidisches Judentum - Führender Rabbi der Kiryat Arba Siedlung, Israel - Behauptet, es sei mit den jüdischen Gesetzen vereinbar, palästinensische Zivilisten zu ermorden, meint, dass das biblische Gebot “Du sollst nicht morden" nur unter Juden gelten würde.
Diese deprimierende Liste religiöser Hetzer könnte problemlos auf 50 Namen verlängert werden - wahrscheinlich sogar auf 500 predigende Anstifter zum Massenmord ähnlichen Kalibers. Rechnet man mordlüsterne religiöse Spinner hinzu, die den Göttern sei dank weniger Einfluss und Anhänger haben, dürfte die Liste einem Telefonbuch ähneln.
Offensichtlich hat sich "Foreign Policy" darauf beschränkt, für jede "Weltreligion" ein besonders abscheuliches Exemplar der Gattung "Hassprediger" herauszusuchen.

Als Polytheist möchte ich meine "Mit-Heiden" vor der Illusion warnen, dass nur monotheistische Religionen zu solch mörderischem Hass und Intoleranz fähig seien - die Hinduismus-Richtung, der Adityanath Yogi angehört, ist eindeutig polytheistisch. Nebenbei möchte ich gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn einige Möchtegern-"Heidenfürsten" nicht nur ihre handvoll Sektierer, sondern eine wirklich schlagkräftige Anhängerschaft hinter sich hätten.
(via hpd-online)

Samstag, 5. April 2008

Wie hältst Du es mit den Stammzellen?

Heute startete eine gemeinsame Kampagne der katholischen und evangelischen Kirche unter dem Titel "Gesundheit - höchstes Gut?"
Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland sorgen sich nun etwa nicht um unsere Gesundheit, sondern darum, dass das Nachdenken über äußerliches Wohlbefinden und körperliche Fitness inzwischen einen derart breiten Raum einnähme, dass man bereits von einer "Gesundheitsreligion" sprechen könne, wie es führende Kirchenvertreter in Würzburg ausdrückten.
SpOn: Kirchen verdammen Fitnesskult.
Kritik an Übertreibungen beim Streben nach Fitness und Gesundheit sind das eine. Eine Kampagne unter dem Titel "Gesundheit - höchstes Gut?" das andere. Schon die Frage konstruiert einen Gegensatz zwischen "Streben nach Gesundheit" und "Streben nach dem Seelenheil", wobei letzterem der Vorrang eingeräumt wird:
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, kritisierte den "Gesundheitswahn unserer Tage". Gesundheit sei wichtig, aber es sei nicht richtig, sie zum Idol zu machen, mahnte Huber beim ökumenischen Gottesdienst im Kiliansdom der Stadt. "Wo es früher noch um das Heil der Seele ging, geht es heute nur noch um den heilen Körper", beklagte der Bischof.
Ich sehe keinen Gegensatz zwischen dem Streben nach körperlichem und psychischem Wohlbefinden und dem Streben nach dem Heil der Seele - für mich geht beides Hand in Hand, das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben. Übrigens kann man sich trotz schwerer Krankheit "wohl befinden", während andererseits sogar leichte "Störungen", die die (berufliche) Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen, einem "das Leben zur Hölle" machen können - nach meinem Empfinden lebt man dann nicht im Heil.
Wenn man allerdings "Gesundheit" nicht als "Wohlbefinden", sondern etwa als "maximale Leistungsfähigkeit" definiert, und mit "Heil der Seele" die "Erlösung" im christlichen Sinne meint, dann, ja dann gibt es durchaus einen "Zielkonflikt".

Von berechtigten, aber banalen Mahnungen wie der, dass Krankheit, Leiden und Tod zum Leben gehören, oder dass es "keine Garantie für ewige Jugend" gäbe (seltsam, ich dachte immer, kein Mensch bliebe ewig jung) oder der, dass kein Mensch "immerwährend gesund" sei, abgesehen: Worauf zielt die Kampagne ab?

Während der "Woche für das Leben" soll kritisch hinterfragt werden, wer Definitionen von Gesundheit vorgibt und warum. Das ist eine in der Tat eine wichtige Frage, denn das Gesundheit instrumentell gesehen wird ist ein drängendes Problem: etwa, das "gesund" gleich "arbeitsfähig" gesetzt wird, egal, wie es dem Einzelnen dabei geht, oder politischer Druck zur "gesunden Lebensführung", mit dem immer im Hintergrund stehenden Vorwurf, jemand sei an seinem Herzinfarkt (Lungenkrebs, Hautkrebs, Bluthochdruck usw. ) doch "selber Schuld", oder - besonders widerlich - die Ausgrenzung Kranker, Gebrechlicher und Behinderter, weil sie der "Leistungsnorm" nicht entsprächen. Aus humanistischer Sicht ist das sehr zu begrüßen!

Aber ich ahne bei diesen Worten, dass da noch ein ganz anderes Thema auf der Tagesordnung steht:
Mit der Woche für das Leben setzten sich die Kirchen gemeinsam ein "für die Würde und den Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen und für alle Menschen – gleich welchen Alters und welcher physischer und psychischer Verfassung."
Die allererste "Woche für das Leben" war eine Woche für den "Schutz des ungeborenen Kindes" und seitdem sind die Fragen "Abtreibung" und "Sterbehilfe" ständig auf der Agenda dieser Veranstaltung präsent.
Der vermutlich heikelste Streitpunkt zwischen "christlicher Moral" (nach Maßgabe der römisch-katholischen und - teilweise - der evangelisch-lutherischen Kirchenleitung) und dem "Streben nach Gesundheit" ist die Frage nach den embryonalen Stammzellen.

Auch wenn manche Hoffnungen, die auf die Heilungschancen durch den Einsatz embryonaler Stammzellen gesetzt werden, wahrscheinlich übertrieben sind: die Stammzellforschung ist eines der wichtigsten Forschungsgebiete der modernen Medizin. Und ein wichtiger Teil dieser Forschung ist ohne menschliche embryonale Stammzellen nicht zu machen.
Das Problem (aus christlicher Sicht): der Beginn des menschlichen Lebens wird bei der Befruchtung der Eizelle gesehen. Also muss man (potenzielle) Menschen ermorden, um an embryonale Stammzellen zu kommen. Weshalb sich die Debatte in christlich geprägten Ländern an der moralischen Frage: "Darf man Leben vernichten, um Leben zu retten?" festfährt.

Es fällt auf, dass das vergleichsweise winzige Israel in der Erforschung und Nutzung menschlicher Embryonalzellen weltweit eine führende Position innehat. Einer der wichtigsten Gründe dafür liegt in der jüdischen Religion.
Ein Menschenleben zu retten ist eines der wichtigsten Gebote des Judentums (wie auch des Christentums, des Islams und aller anderen mir bekannten Religionen, mit der mögliches Ausnahme des Satanismus). Dieses Gebot steht im Judentum über fast allen anderen Glaubensgesetzen - durchaus im Gegensatz zu einigen nicht unwichtiger Richtungen des Christentums und des Islams, für die das "irdische Leben" eine untergeordnete Bedeutung hat.
Eine der Grundbedingungen zur Menschwerdung ist laut rabbinischer Auslegung die Einnistung des Embryos im Mutterleib. Föten aus künstlicher Befruchtung genießen deswegen, solange sie nicht erfolgreich eingesetzt wurden, keinen rechtlichen Schutz. Hinzu kommt, dass die jüdische Religion selbst einen Fötus im Mutterleib erst ab dem vierzigsten Tag als ein vollwertiges menschliches Wesen betrachtet - eine pragmatische Annahme, die der Tatsache Rechnung trägt, dass die Mehrzahl der Embryonen in der Frühschwangerschaft spontan "abgeht".
Deswegen gibt es in Israel fast keine gesetzlichen Einschränkungen in der Stammzellforschung. Dennoch kann die Forschungsethik in Israel gegenüber vielen "christlich" geprägten Staaten als vorbildlich angesehen werden: es ist keineswegs so, dass Embryonen einfach als "Verbrauchsgut" gesehen werden - wenn bei einer künstlichen Befruchtung mehr befruchtete Eizellen entstehen, als benötigt werden, dürfen sie auf keinen Fall einfach weggeworfen werden.
Aber ein Gebrauch für medizinische Forschungszwecke geht in Ordnung - das moralische Gebot "Menschenleben retten" steht über der Heiligkeit der befruchteten Eizellen. Jeder andere Zweck außer der Bekämpfung lebensbedrohlicher Krankheiten (etwa der Gebrauch embryonaler Stammzellen für kosmetische Zwecke) ist verboten.
Das Klonen von Menschen ist in Israel ausdrücklich verboten und jedes Experiment mit embryonalen Stammzellen muss von einem Komitee genehmigt werden. Die Kommerzialisierung menschlicher Embryos, dass heißt Handel oder ihr Ankauf, ist ebenfalls untersagt.

Aus humanistischer wie aus "neopaganer" Sicht (der Sicht einer "Religion", für die das Jenseits Hypothese und das Diesseits Realität ist ) finde ich die israelische Sichtweise äußerst begrüßenswert. So begrüßenswert, dass ich sie mir ohne weiteres zu eigen mache.

Dienstag, 11. März 2008

Fairerweise sollte man keine Legenden stricken

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass die katholische "Tagespost" über das religionskritische Kinderbuch "Wo bitte gehts zu Gott? frage das kleine Ferkel" nicht erfreut ist und auch am kläglichen Scheitern des Indizierungsantrag einiges auszusetzen hat: Atheisten schüren Angst vor Gott -
Das Buch „Wo bitte gehts zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ ist voller Verachtung gegen Religionen
.
Das sie verärgert sind, sei den Redakteuren der "Tagespost" zugestanden. Es ist auch legitim und nachvollziehbar, wenn sich ein gläubiger Katholik von dem Kinderbuch angegriffen oder beleidigt fühlt.

Wofür ich aber keinerlei Verständnis habe, sind Aussagen, die historisch unhaltbare Legenden verbreiten:
„,Ohne Gott hatten wir keine Angst!‘, sagte der Igel. ,Stimmt!‘, meinte das Ferkel. ,Aber hat dir die Angst gefehlt?‘ ,Nee!‘, antwortete der kleine Igel.“ Fairerweise hätte der Autor darauf hinweisen müssen, dass die Menschen in den ältesten Kulturen nur in Angst lebten und das Christentum diese Angst durch die Liebe Gottes nehmen konnte.
Die Vorstellung, dass die Menschen in den "ältesten Kulturen" in ständiger Angst gelebt hätten, ist absurd. Vielleicht beruht diese Ansicht auf der Vorstellung, Heiden hätten Angst vor dem Tod, da sie nicht auf Erlösung nach dem Tod durch Jesus Christus hoffen können. Nichtchristen sehen das allerdings anders - und der Glaube an die Hölle fördert durchaus die Angst vor dem Tode. Vielleicht beruht sie auch auf dem durch die Bibel genährte Klischee, in den frühen Hochkulturen hätte stets Willkür und Unterdrückung geherrscht - wobei vergessen wird, dass die Bibel diese Kulturen aus der Perspektive einer unterdrückten Minderheit, der der Israeliten, schildert. Auch unterschlägt sie, dass auch die in der Bibel vorteilhaft geschilderten Kulturen, z. B. die der Perser, und nicht zuletzt die Kultur des alten Israel selbst "alte Kulturen" sind. Die Vorstellung, etwa die griechische Komödie oder die römischen Satiren seien aus dem Klima einer allgemeinen Angst entstanden, ist so bizarr, dass sie vermutlich nicht einmal ein katholischer Apologet in Erwägung ziehen würde. Und wäre diese Vorstellung wahr, die ältesten Kulturen hätten nur in Angst gelebt: müssten dann nicht auch alle heutigen nichtchristlichen Kulturen von Angst durchdrungen sein? Wer das glaubt, der glaubt vermutlich auch daran, dass geweihte Priester trockenes Backwerk in menschliches Fleisch und mittelmäßigen Wein in menschliches Blut umwandeln könnten ...
Und auch in einer atheistischen Gesellschaft regiert die Angst, weil niemand mehr vor der Willkür des Staates sicher sein kann.
Wohlwollend ausgedrückt: eine steile These. Wenn das Christentum im Allgemeinen und die katholische Kirche im Besonderen stets an der Seite des unterdrückten Untertanens und nie an der Seite der unterdrückerischen Machthaber gestanden hätte, ließe sich eventuell darüber reden - vorausgesetzt allerdings, es gäbe keine nichtreligiösen Bürgerrechtler, und Aufklärung, Demokratie und Rechtsstaat wären exklusiv christliche Errungenschaften. Und wenn der Satz aus Paulus´Brief an die Römer, dass "jede Obrigkeit von Gott" sei (tatsächlich:jede!), nicht so oft beim Wort genommen worden wäre.
Aber weiter:
Wie intolerant und manipulierend der Atheismus ist, zeigt schon der Schluss des Buchs. Die beiden Tiere reißen das Plakat „Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas“ von der Wand und basteln Papierflugzeuge daraus. Wer Kindern dieses Buch zumutet, überlässt sie dem kämpferischen Atheismus, der keine freie Meinung zulässt.
Nach den "frommen Lügen", die diesem Schlusssatz vorangingen, entbehrt er nicht einer gewissen Heuchelei.

Freitag, 7. März 2008

Gut, dass es mal aus "berufenem Munde" gesagt wird:

Aber Gegner Hitlers – oft einfache Menschen – haben ihn doch als gottlos bezeichnet …
Bucher: Der Gott Hitlers hat mit dem Gott der Christen, dem gnädigen und verzeihenden Gott Jesu nichts zu tun, aber Hitler war kein Atheist. Und er war übrigens auch kein Anhänger einer neuheidnischen germanischen Religiosität, sondern er hatte sich selbst eine „Theologie“ gezimmert: Er glaubte an die Erschaffung der Welt in unterschiedlichen Stufen der Rassen. Und sein Glaubensbekenntnis gipfelte in der Überzeugung, dass er – so heißt es in „Mein Kampf“ – das Werk des Herrn vollbringt, wenn er sich der Juden erwehrt.
(Hervorhebung von mir.)
Aus der Kirchenzeitung - Dioezese Linz: Hitlers „schreckliche“ Theologie und ihre bleibende Versuchung - Interview mit dem Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher.
Via: hpd

Mittwoch, 6. Februar 2008

Die “Apokalypse des Mohammed” und apokalyptische Mohammed-Anhänger

Das musst ja kommen: Wikipedia: Streit um Mohammed-Bilder (heise)

Einige Muslime fordern in einer Petition, die Abbildungen des Propheten Mohammed zu entfernen. Wohlgemerkt: es geht nicht etwa um beleidigende Darstellungen, sondern lediglich um mittelalterliche islamische Darstellungen des Religionsstifters. Und die o. g. Muslime sprechen auch nicht für "den Islam". Es gibt zwar eine islamischen Tradition, die die Darstellung des Propheten verbietet, aber andere Traditionen sehen das anders. Im schiitischen Islam gibt es sogar eine alte Tradition der künstlerischen Mohammed-Darstellung.

Es geht z. B. um diese Miniatur aus der "Apokalypse des Mohamed", im Jahr 1436 in Herat, Afghanistan, geschaffen:
aus der Apokalypse des Mohammed
(Quelle: wikimedia)

Als überzeugter Heide kann ich über diese Petition natürlich nur laut lachen und die islamische Kunst bewundern. An beidem lasse ich mich weder von religiösen Fanatikern, oder von fanatischen Gegnern dieser Fanatiker, noch von Menschen, die Nachsicht mit religiösen Fanatikern haben, hindern. Und auch nicht von Politikern, die religiösen Gruppen Sonderrechte einräumen und ihnen noch gerne weitere Sonderrechte einräumen wollen.
Z. B. das Recht, auch ohne Gefahr für die öffentliche Ordnung stellvertretend für ihren Gott oder seine Stellvertreter ganz doll beleidigt zu sein - nennt sich "Gotteslästerung". Dient angeblich dem respektvollen Umgang mit religiösen Gruppen. Gut, die meisten respektiere ich. Aber gerade vor denen, die am lautesten und häufigsten "Gotteslästerung" schreien, habe ich am wenigsten Respekt. Und am meisten Respekt vor denen, für die Meinungsfreiheit auch für Religionskritiker eine Selbstverständlichkeit ist.

Montag, 4. Februar 2008

Ein Sender, den die Welt nicht braucht - auch nicht in Afrika

Im westafrikanischen Staat Benin leben rund 7,5 Millionen Menschen. Davon sind geschätzte 50 Prozent Anhänger von "Naturreligionen", vor allem des besser unter dem Namen Voodoo bekannten Vodun, einer polytheistischen Tradition mit magischen Zügen, rund 30 Prozent sind (mehr oder weniger) Christen (offiziell 42,3 %, aber das ist ein sehr theoretischer Wert) und rund 20 Prozent (mehr oder weniger) Muslime. Mit anderen Worten: ein Staat, nach dem sich Missionare sozusagen die Lippen lecken.

Während sich die Missionare der großen christlichen Kirchen noch einigermaßen "zivilisiert" verhalten (zumindest solange sie kontrolliert werden) gehen kleinere, meist evangelikale, allermeist fundamentalistische, Kirchen sozusagen mit dem Treibnetz auf Seelenfang. Die Zeiten, in denen Missionare noch als "Einzelkämpfer Gottes" mit Bibel, Buschmesser, Chinin und Schlangenserum durch Dschungel und Sümpfe von Dorf zu Dorf wanderten, sind auch in den abgelegeneren Teilen Benins seit Jahrzehnten passé. Heute kommt die "Frohe Botschaft" auch im tiefsten Tropenwald meistens aus dem batteriebetriebenen Radio.

Daher kommt diese Meldung des christlichen Nachrichtenportals idea.de nicht gerade überraschend: Trans World Radio startet neuen Sender für Westafrika.
"Trans World Radio", eine evangelikanische Organisation mit Hauptsitz in Cary, North Carolina, betreibt ein Netzwerk leistungsstarker Sender, die vor allem christlich-fundamentalistische Religionspropaganda senden - oft mit stark anti-islamischen, anti-katholischen und vor allem anti-aufklärerischen Tönen.

Nach der Darstellung von idea hatte der christliche Staatspräsident Mathieu Kérékou TWR im Jahr 2003 um den Bau einer Sendestation gebeten und eine Lizenz für einen Kurz- und einen Mittelwellensender erteilt. Am 1. Februar wurde der Sender in Betrieb genommen.

Die Station verbreitet christliche Programme für die gesamte Region Westafrika, auf Französisch und in den Landessprachen. Zum Sendegebiet gehören, außer Benin, auch Staaten wie Algerien, Burkina Faso, Ghana, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, und Togo, die meisten mit überwiegend islamischer Bevölkerung und oft mit einer schon seit Jahrhunderten tief muslimisch geprägten Kultur.
Neben "Verkündigungssendungen" werden auch Programme im Rahmen des Projektes "Afrika soll leben" produziert, die Hilfe im Umgang mit und zur Prävention von Aids vermitteln. Leider verschweigt "Afrika soll leben", darin den sonst spinnefeinden katholischen Programmen gleichend, dass Kondome einen wirksamen Schutz vor Ansteckung bieten. (Via Brights Blog)

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