Griechische Gedanken
Der Geburtstag einer guten Freundin brachte mich auf einen Gedanken, der mich nicht mehr los ließ: Wie wurde eigentlich Altgriechisch von den alten Griechen gesprochen?
Genauer gesagt, war es ein Lied Karans, eine Vertonung der Hymne an Aphrodite der Dichterin Sappho, das mich auf diesen Gedanken brachte.
Als ich Aphrodita zum ersten Mal hörte, war ich überrascht, wie sie das Altgriechische aussprach: nämlich neugriechisch.
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, und spielte das Lied einem Griechen vor. Er meinte, die Sprache sei wohl Katharevousa, aber er hätte nie richtig diese "Bildungssprache" gelernt, die höchstens noch in der Kirche wichtig wäre.
Im Grunde beginnt das Problem schon bei der Aussprache des Namens der Dichterin: Σαπφώ oder in ihrer Sprache, dem aiolischen Griechisch Ψάπφα. Ich spreche ihren Namen rein vom Gefühl her in etwa [sapˈfɔː] aus, glaubt man "Wikipedia", dann ist die deutsche Aussprache: [ˈza(p)foː], also mit stimmhaftem "S". Die Aussprache von Σαπφώ (attisches Griechisch) wäre (klassisch) [sapˈpʰɔː], von Ψάπφα - aiolisches Griechisch, Aussprache (klassisch) [ˈpsappʰaː].
Und ich fragte mich, woher man wissen will, wie die alten Griechen gesprochen haben, schließlich gab es damals noch nicht einmal Schallplatten. (Ich habe neulich mit einem Zehnjährigen gesprochen, der meinte, die Schallplatte sei etwas, was die Leute "ganz, ganz früher" gehört hätten, also ein quasi antikes Medium. Was bestätigt, was mein Geschichtslehrer einst meinte: "Für die meisten Menschen ist alles "klassisch", was vor ihrer Geburt war".)
Der Wikipedia-Artikel über Altgriechische Sprache beantwortete diese Frage auch nicht, aber immerhin:
Egal, wie es nun genau klang, als Sappho ihre Gedichte vortrug - dieser kleine Ausflug in die Sprachgeschichte erinnerte mich wieder daran, dass das, was wir über "alte Zeiten" zu wissen glauben, sich sehr von dem unterscheiden kann, wie es wirklich wahr. Wenn wir einen Bewohner Athens um 400 vor unserer Zeitrechung nach "Sokrates" gefragt hatten, hätte der nur verwundert die Augenbrauen gehoben (nicht etwa den Kopf geschüttelt und wahrscheinlich auch nicht den Kopf kurz in den Nacken gelegt und mit der Zunge geschnalzt, wie es moderne Griechen bei deutlicher Verneinung zur Verwirrung ahnungsloser deutscher Touristen machen).
Genauer gesagt, war es ein Lied Karans, eine Vertonung der Hymne an Aphrodite der Dichterin Sappho, das mich auf diesen Gedanken brachte.
Als ich Aphrodita zum ersten Mal hörte, war ich überrascht, wie sie das Altgriechische aussprach: nämlich neugriechisch.
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, und spielte das Lied einem Griechen vor. Er meinte, die Sprache sei wohl Katharevousa, aber er hätte nie richtig diese "Bildungssprache" gelernt, die höchstens noch in der Kirche wichtig wäre.
Im Grunde beginnt das Problem schon bei der Aussprache des Namens der Dichterin: Σαπφώ oder in ihrer Sprache, dem aiolischen Griechisch Ψάπφα. Ich spreche ihren Namen rein vom Gefühl her in etwa [sapˈfɔː] aus, glaubt man "Wikipedia", dann ist die deutsche Aussprache: [ˈza(p)foː], also mit stimmhaftem "S". Die Aussprache von Σαπφώ (attisches Griechisch) wäre (klassisch) [sapˈpʰɔː], von Ψάπφα - aiolisches Griechisch, Aussprache (klassisch) [ˈpsappʰaː].
Und ich fragte mich, woher man wissen will, wie die alten Griechen gesprochen haben, schließlich gab es damals noch nicht einmal Schallplatten. (Ich habe neulich mit einem Zehnjährigen gesprochen, der meinte, die Schallplatte sei etwas, was die Leute "ganz, ganz früher" gehört hätten, also ein quasi antikes Medium. Was bestätigt, was mein Geschichtslehrer einst meinte: "Für die meisten Menschen ist alles "klassisch", was vor ihrer Geburt war".)
Der Wikipedia-Artikel über Altgriechische Sprache beantwortete diese Frage auch nicht, aber immerhin:
Hinweis: Die Schulaussprache des Altgriechischen der verschiedenen Lehrtraditionen weicht in allen Fällen von der mittlerweile erforschten Phonologie der Sprache erheblich ab.Im heutigen Griechenland ist es üblich, Altgriechisch einfach wie modernes Griechisch auszusprechen - also hat Karan recht. Mehr jedenfalls, als wenn sie das Gedicht "Schulgriechisch" ausgesprochen hätte. Zumal es seit dem 2. Jahrhundert kaum mehr relevante Lautverschiebungen im Griechischen gegeben haben soll. "Biblisches" oder anderes post-klassisches Koiné-Griechisch wurde also schon in einer Weise ausgesprochen, die dem Neugriechischen schon in wesentlichen Punkten entsprach. (Koine - κοινή - war altgriechische Allgemeinsprache vom Hellenismus bis in die römische Kaiserzeit (etwa 300 v. u. Z. bis 600 u. Z. . Sie bildete sich dadurch, dass sich die unterschiedlichen Dialekte des Altgriechischen annäherten. Was wir "klassisches" Altgriechisch nennen, ist der ionische Dialekt, wie er im Athen um 400 v. u. Z. gesprochen wurde.)
Egal, wie es nun genau klang, als Sappho ihre Gedichte vortrug - dieser kleine Ausflug in die Sprachgeschichte erinnerte mich wieder daran, dass das, was wir über "alte Zeiten" zu wissen glauben, sich sehr von dem unterscheiden kann, wie es wirklich wahr. Wenn wir einen Bewohner Athens um 400 vor unserer Zeitrechung nach "Sokrates" gefragt hatten, hätte der nur verwundert die Augenbrauen gehoben (nicht etwa den Kopf geschüttelt und wahrscheinlich auch nicht den Kopf kurz in den Nacken gelegt und mit der Zunge geschnalzt, wie es moderne Griechen bei deutlicher Verneinung zur Verwirrung ahnungsloser deutscher Touristen machen).
MMarheinecke - Montag, 22. Oktober 2007