Wo fängt der Norden an?

Wo fängt "der Norden" an? MomoRules schrieb, wie immer höchst gedanken-evozierend über Licht. Darin meinte er:
Meine Schwester sagt immer, wenn man von Süden nach Nordern fährt, dann würde ab Hannover der Himmel aufgehen. Ist auch so. Süddeutschland beginnt ja für mich eh auf der Deister-Linie, Göttingen ist schon Nordhessen und deshalb nicht mehr Norddeutschland, und es ist immer wieder verblüffend festzustellen, wie Franzosen und Süddeutsche völlig überfordert sind von diesem klaren Licht hier oben.
Nordischer Himmel über Hamburg? Ja, aber nur die abgemilderte Version. Verglichen mit dem faszinierenden Licht des richtigen Nordens, dem Norden jenseits des 60. Breitengrades, Norwegen, (Nord-)Schweden (und wahrscheinlich Island, wo ich leider noch nicht war). Wobei außer dem Breitengrad die Nähe zum Wasser zu diesem Eindruck des reinen Lichts und der scharfen Kontraste beiträgt.
Hamburgs hat mit Berlin Einiges gemeinsam: beides sind Millionenstädte, beide liegen in der norddeutschen Tiefebene, beides sind ausgesprochen "grüne" Städte, was man vor allem aus der Luft gesehen merkt, in beiden Städten glitzern, ebenfalls aus der Flugzeugperspektive, zahlreiche innerstädtische Gewässer zwischen den Häusern und Grünflächen. Beide Städte haben mehr Brücken als Amsterdam und Venedig zusammen.
Berlin hat mit Hamburg viel mehr gemeinsam als z. B. mit München, Köln, Frankfurt oder Düsseldorf.
Trotzdem: das Licht in Berlin ist seltsam anders als das in Hamburg. (MomoRules beschreibt es so treffend, dass ich lieber auf sein Blog verweise.) Berlin ist die Stadt der warmen Grautöne. Hamburg eine Stadt, in der die Kontraste knallen. Hamburg ist tatsächlich weniger dunstig, was am Wetter liegt: Hamburg ist im Schnitt windiger als Berlin. Und an der Größe der Stadt: Berlin hat mehr als doppelt so viele Einwohner, entsprechend mehr Verkehr (aber nicht mehr potenziell luftverschmutzende Industrie).

Ich vermute: das Wasser macht den Unterschied.Es gibt in Berlin auch reichlich Wasser, aber mehr zum Stadtrand hin. Die großen Wasserflächen der Alster und der Elbe mitten in Hamburgs Innenstadt bringen eine für eine Großstadt ungewöhnliche Weite in die Stadt. Wenn man Hamburg an einem klaren Tag nicht nur überfliegt, sondern einen Rundflug macht, dann wirkt die Stadt wie ein glitzerndes Labyrinth aus den zahlreichen Armen und Altarmen der Elbe, kleineren Flüssen, Bächen, Kanälen, Fleeten, Gräben, Seen und Teichen. Eine amphibische Landschaft, Hamburg hat nicht von ungefähr mehr als 2400 Brücken.

Wo aber beginnt "der Norden Deutschlands"? Ich könnte sprachlich argumentieren, und die nach einem Stadtteil Düsseldorfs benannte Benrather Linie anführen. Irgendwie gehört Ostwestfalen und das Weserbergland für mich noch "zum Norden" - aber "nur" kulturell. Da bin ich einer Meinung mit MomoRules Schwester: der "Norden", das Land des hohen Himmels beginnt deutlich nördlich der Mittelgebirge. Nach meinem Gefühl etwa in der Lüneburger Heide.
Sollte ich aber ein imaginäres Gebiet "Deutschlands Norden" beschreiben, dann könnte ich den Verlauf der "Grenze" mit vielen Worten beschreiben. Oder es mir leicht machen, denn ist stieß vor einigen Jahren beim Versuch, eine regionale Gliederung für einen bundesweiten Verein zu finden, auf einen merkwürdigen "Zufall": meine Vorstellung von "Deutschlands Norden" deckt sich ziemlich genau mit den mit "2" beginnenden Postleitregionen und zusätzlich den Postleitregionen 17, 18 und 19. Es ist in etwa der Teil Deutschlands, den man als "See-Deutschland" bezeichnen könnte - Papenburg, als südlichste Seehafenstadt Deutschlands hat ganz richtig die Postleitzahl 26871, obwohl es zum nach Münster ausgerichteten Landkreis Emsland gehört. Hannover gehört nicht dazu, sehr wohl aber die Lüneburger Heide.

Und wo fängt "der Süden" Deutschlands für mich an? Nach einen alten Werbespruch fängt der Süden in Würzburg an. Ich schließe mich dieser Meinung an, obwohl "südliches Flair" diese mainfränkische Stadt nicht wirklich beschreibt. Tatsächlich stimmt die "Mainlinie" als sprachliche Nordgrenze des süddeutschen Raums in etwa mit der von mir gefühlten und gesehenen Grenze zum "Süden" überein.
Wobei: eine der kulturell, sprachlich und mentalitätsmäßig spürbarsten "informellen Grenzen" Deutschlands liegt noch weiter südlich: es ist die Nordgrenze Altbayerns, auch "Weißwurstäquator" genannt. Selbst der "Westfälische Limes" durch Nordrhein-Westfalen, der Rheinländer und Westfalen trennt, oder der Spätzlegraben zwischen den Schwaben und Badensern sind nicht so spürbar. Dagegen verblassen die Nordgrenze Süddeutschlands und die Südgrenze Norddeutschlands zur Unscheinbarkeit.
Karan (Gast) - 30. Jun, 01:11

"obwohl "südliches Flair" diese mainfränkische Stadt nicht wirklich beschreibt"
*gnicker*
Nee, echt ned!
:-)

MomoRules (Gast) - 30. Jun, 16:27

... und mentalitätstechnisch gehört Hannover definitiv in den Norden.
ulysses (Gast) - 30. Jun, 17:38

Der Norden fängt an ...

... wo der Süden anfängt aufzuhören - genau dort, wo ich wohne ...

Nachtblau - 2. Jul, 14:49

Norddeutschland ist ganz klar alles nördlich des Mains ;)

MMarheinecke - 2. Jul, 15:37

Nö, südlich vonner Elbe fängt der Balkan an!
che2001 - 2. Jul, 19:38

Süddeutschland beginnt hinter den Kasseler Bergen (die eigentlich Reinhardswald und Habichtswald heißen), und östlich der anhaltinischen Elbe beginnt Asien. Westlich von Oldenburg ist Holland.
Destructivus (Gast) - 17. Jan, 19:42

Das ist AUCH subjektiv!

Interessante Diskussion, das hier!

Ich stamme aus dem westfälischen Teil des Ruhrgebiets und habe jahrelang in und um München gewohnt, und jedesmal, wenn ich gen Süden fuhr und Köln hinter mir hatte dachte ich: "Jetzt biste in Süddeutschland." Oder zumindest nicht mehr in Norddeutschland.

Es war irgendetwas Undefinierbares in der Landschaft, auch der Kulturlandschaft, auch in den Ortschaften.

Mir ist die kulturelle Grenze zwischen Rheinland und Westfalen wohl bewusst, aber ich habe sie nie als etwas fast physisch Spürbares wahrgenommen, wie diese "Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland".

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