Freitag, 25. März 2011

Spendenaktion Japan

BandOrg hat vor kurzem zu einer Sammelaktion für Japan aufgerufen und es machen schon einige interessante unabhängige Bands und Projekte mit, indem sie für den Sampler “Jeder Download hilft!” einen Song “gespendet” haben.

OK, BandOrg ist kein iTunes oder, aber Kleinvieh macht auch Mist.

Jeden dieser Songs kann man entweder einzeln für einen kleinen Euro kaufen, oder alle zusammen als Album für 20 Euro. Der Erlös geht komplett an die UNICEF-Katastrophenhilfe für Japan.

Achso, ihr könnt die Songs nicht nur kaufen, sondern den Verkaufsplayer auch auf eure eigene Webseite stellen. Ach was, könnt - sollt:
[…}Alle Songs stellen wir in einen speziellen Benefiz-Player ein (Verkaufspreis 1,-€/Song), alle Erlöse dieser Verkäufe (nach Abzug der Transferkosten der Zahlungsanbieter) werden wir in Eurem Namen zu 100 Prozent an die UNICEF-Katastrophenhilfe für Japan spenden, so dass die Hilfe direkt vor Ort ankommt. Selbstverständlich spenden auch wir unseren Anteil. Jeder Song, der neu dazu kommt, wird umgehend in den Player eingespielt! Den Player findet Ihr auch unter facebook.com/bandorg.de. […]
Bitte verbreitet diesen Player - baut den Code “CODE” (Auf “Einbetten” klicken) in Eure Internetseite, Facebookseite oder sonst wo ein und helft, dass diese Songs heruntergeladen werden. […]







Links:
-> BandOrg.de Website
-> BandOrg @ facebook

Samstag, 19. März 2011

"Unpolitisches" zum "Atomausstieg"

Wenn ich mir Berichte über die Atompolitik der Bundesregierung nach "Fukushima" so durchlese, dann schießt mir unweigerlich der Begriff "Unpolitik" durch den Kopf.

Der bissige Liberale Rayson prägte diesen Begriff:
Unpolitik interessiert sich für Personalfragen und für Koalitionen. Unpolitik liebt Symbole und verabscheut konkrete Handlungen. Unpolitik erfüllt eine wichtige selbstvergewissernde Funktion des deutschen Systems, in dem eine Handvoll Vereinshansel der Republik ihren Stempel aufdrückt. Die einzige ernstzunehmende Form des Widerspruchs ist noch die Nichtteilnahme an der Wahl. Es ist also kein Zufall, dass diese parteiübergreifend gegeißelt wird. Denn vor nichts fürchtet sich die Unpolitik so sehr wie davor, dass die Menschen ihre eigenen Angelegenheiten unter sich regeln, statt sich von Parteifunktionären maßregeln zu lassen.
Ob Wahlboykotte, da selbst bei nur 10% Wahlbeteiligung eine Partei, die mehr als 50 % der abgegeben Stimmen (gerade mehr als 5% Zustimmung der Stimmberechtigten) auf sich vereinen würde, im so zusammengesetzten Parlament die absolute Mehrheit hätte, wirklich zielführend wären, ist eine ganz andere Frage. Aber grundsätzlich gebe ich Rayson recht.

Was Karl Jaspers schon 1966 in seinem Buch "Wohin treibt die Bundesrepublik?" schrieb, gilt nach wie vor:
Die Parteien wandeln ihren Sinn. Die Richtung der Wandlung ist diese: Sie waren gemeint als Organe des Volkes, das durch sie seinen Willen kundtut und umgekehrt wieder von ihnen politisch erzogen wird. Aber sie werden zu Organen des Staates, der nunmehr wieder als Obrigkeitsstaat die Untertanen beherrscht. Die Parteien, die keineswegs der Staat sein sollten, machen sich, entzogen dem Volksleben, selber zum Staat.
Und in so einem System reduziert sich "Politik" auf Machtkämpfe, Inhalte und Sachfragen sind dabei zweitrangig. Allerdings ist der Einfluss "der Wirtschaft" und der diversen Lobbys heute weitaus größer als 1966. Was bedeutet, dass die Gefahr für die Demokratie im Grunde noch größer ist. Nicht, weil Politik machende Berater aus der "Wirtschaft" böse, gewissenlose Kapitalistenknechte wären, die immer die egoistischen Interessen ihren jeweiligen Branche im Sinn hätten, sondern weil niemand diese wichtigen Politikmacher gewählt hätte.

Zurück zum "Atommoratorium", das durchschaubar ,und von vielen Wählern hoffentlich durchschaut, ein "unpolitischer" Versuch ist, irgendwie die wichtigen Landtagswahlen zu überstehen - und dann sieht die Welt ganz anders aus und vor allem anderswo hin.

Rayson zieht eine Parallele zwischen Risikobewertung in der Kernenergie und in der Terrorismusbekämpfung:
Insofern ist das "Umfallen" der Union nur als Wiederherstellung eines konsistenten Umgangs mit Risiken anzusehen.
Denn in beiden Fällen ginge es um das Prinzip, dass allein die Höhe des maximalen möglichen Schadens für relevant angesehen werden würde, nicht aber die verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit für diese Schäden.
(Natürlich weiß auch er, dass der "plötzliche Sinneswandel" der Kanzlerin und anderer Politiker, die vor kurzem noch Laufzeitverlängerungen durchdrückten, eine extrem kurze Halbwertszeit haben dürfte, also von einem "konsistenten Umgang mit Risiken" keine Rede sein kann. Oder vielleicht doch: hinsichtlich des Risikos des Machtverlustes dürfte die Politik der Union tatsächlich konsistent sein.)

Meiner Ansicht nach geht es weder bei "Atommoratorium" noch bei der "Terrorismusbekämpfung" wirklich um Sachfragen, sprich: um Fragen der öffentlichen Sicherheit.
Es wäre in der Tat verfehlt, die Kernenergiepolitik auf den maximal zu erwartenden Schaden bei einem Unfall, wie unwahrscheinlich er auch sein möge, auszurichten. (Auch wenn das zum meiner Ansicht nach richtigen Ergebnis führen würde, alle AKW sofort stillzulegen.)
Wichtiger als die Frage nach dem "Super-GAU" (besser: dem katastrophalen Unfall) ist die ungelöste Frage einer dauerhaft sicheren Endlagerung des Atommülls. "Superkatastrophen" treten ja meistens dann ein, wenn etwas passiert, mit dem vorher nie jemand ernsthaft gerechnet hat - egal, ob das nun ein Terroranschlag mit entführten Verkehrsflugzeugen oder ein extrem starkes Erdbeben mit nachfolgendem extrem hohen Tsunami ist.
Aber darauf zielt "Sicherheitspolitik" ja gar nicht ab.
Getreu dem Prinzip der Unpolitik geht es nicht um reale Sicherheit, sondern um "gefühlte" Sicherheit. Sichtbares Polizeiaufgebot, viel Überwachungstechnik und noch mehr gesetzgeberischer Aktionismus sollen ja allenfalls nebenher wirklich Terroranschläge verhindern - ein ganz wesentlicher Zweck ist ein Gefühl von Sicherheit - das dann hoffentlich vom Stimmvieh honoriert wird.

Genau um diese "gefühlte Sicherheit" geht es auch beim "Sinneswandel" der Kanzlerin: ein paar Reaktoren, die sowieso längst abgeschrieben sind, Stilllegen (was den Energiekonzernen nicht wirklich weh tun dürfte), und trotz breiter Anti-Atom-Stimmung wichtige Wahlen gewinnen.

Echte Politik, das Lösen echter Probleme, "Sachfragen", die Interessen der zurecht besorgten Bürger, verdampfen da wie Wasser auf einem heißen Reaktorkern.
(Alleine, dass sich sich der stehende Begriff "Sachfragen" herausgebildet hat, zeigt, um was es im politischen Tagesgeschäft normalerweise nicht geht!)

Übrigens: Die Energiewirtschaft beugt (propagandistisch) vor: Atomausstieg:
E.on-Chef warnt vor Stromnetz-Zusammenbruch (Spon)
- Man muss sich vor Augen halten: nicht zuletzt E.on hat den Ausbau des Stromnetzes vernachlässigt. Teysse warnt also vor den Folgen eigener Versäumnisse.

Mittwoch, 16. März 2011

Warum sind wir dumm?



Das geht über den konkreten Fall "Atomenergie" hinaus. Warum bin ich (und sind andere) dergestalt manipulierbar, dass wir uns gegen eigene, vitale Interessen entscheiden?

Einen Teil der Antwort gibt der kleine Spot schon selbst: "Meinungsmache - aufgebaut auf sorgsamer Beobachtung der Zielgruppe - funktioniert!"
Wie sie funktioniert, hat Albrecht Müller in seinem sehr empfehlenswerten Buch Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen dargestellt.
Wie die Meinungsmache "kontra Ausstieg" vielleicht im Fall der Fuskushima-Katastrophe und des Atomausstiegs aussehen könnte, beschreibt "Susanne" in ihrem Kommentar zu Claudia Klingers Blogbeitrag Moratorium: Beruhigungspille und Entlarvung vieler Lügen. Ob es so kommt, wie "Susanne" befürchtet, hängt weniger davon ab, welche und wie große Medienkampagnen usw. der Klüngel aus (Partei-)Politik und Energieoligopolisten fahren wird, sondern von den Reaktionen des Volkes, von unseren Reaktionen.
Meinungsmache erklärt nur die Hälfte des Problems, denn wie in der Produktwerbung muss die Zielgruppe zu "packen" sein, es muss potenzielle "Kunden" geben, die den Manipulatoren ihre Botschaft "abkaufen", propagandistisches Dünnblech für "bare Münze" nehmen.

Ich könnte jetzt, wie Burks es tut einfach sagen:
Die breite Masse denkt nicht rational, sondern instinktiv wie ein Tier. Argumente zählen nicht. Man kann sie in jede Richtung manipulieren, vor allem in Deutschland mit seiner obrigkeitshörigen Tradition.
(Wobei sich gegen die menschliche Natur wenig, aber gegen Ausprägungen wie die deutsche obrigkeitshörige Tradition usw. Einiges tun ließe.)

Wie kommt es, dass, sozusagen in Umkehr des Prinzips der Schwarmintelligenz, hundert Menschen zusammen so viel dümmer sein können als die meisten von ihnen alleine? Wieso die "breite Masse", wie schon Adolf H. in einem Anfall von Ehrlichkeit schrieb, leichter zu belügen ist als ein halbwegs intelligenter Einzelner?

Ein Artikel aus der neusten Ausgabe des populärwissenschaftlichen Magazins "Bild der Wissenschaft" stimmt da wenig optimistisch. "Betonkopf auf dem Wendehals" ist der Artikel von Rolf Degen überschrieben, und "Neue Experimente zeigen, dass sich Menschen rasch dem Gruppendruck beugen und voller Überzeugung die Unwahrheit verbreiten. Und: wer am heftigsten lügt, wirkt am glaubwürdigsten." Letzteres stimmt übrigens in dieser allgemein gehaltenen Form nicht. Was ein Problem des Wissenschaftsjournalismus beleuchtet: Wer vereinfacht, verfälscht damit oft auch.
Nun hege ich eine gewisse Skepsis gegen sozialpsychologische Experimente, wie ich eine gewisse Skepsis gegenüber der wissenschaftsjournalistischen Aufbereitung der Ergebnisse solcher Experimente hege. Wobei "Bild der Wissenschaft" um einige Zehnerpotenzen glaubwürdiger und seriöser ist als die BILD (ohne Wissenschaft), und ich Degen für einen seriösen und sorgfältigen Wissenschaftsjournalisten halte.

Das Fazit aus dem Artikel ist:
  • Durch kollektives Schweigen können sich Außenseiterpositionen durchsetzen.
    Degen nennt das Beispiel der Alkoholprohibition in den USA, die nur deshalb 14 Jahre fortbestehen konnte, weil der einzelne Amerikaner fürchtete, mit seiner Ablehnung allein dazustehen. (Wobei meiner Ansicht nach der Effekt nicht eingetreten wäre, wenn Alkoholkonsum in der Gesellschaft der USA nicht von vornherein extrem negativ, als "unmoralisch", bewertet gewesen wäre. Z. B. konnten sich Gesetzesvorstöße zur Prohibition in Schweden nicht durchsetzen, in Dänemark war selbst das schwedischen Modell der staatlichen Alkoholkontrolle politisch nicht durchsetzbar.)
  • Unter sozialem Druck laufen viele Menschen zur Mehrheitsmeinung über. Gruppendruck wirkt, was nicht überrascht, dann besonders stark, wenn die Mehrheit heftig auf den "Abweichlern" herumhackt. Soweit ist das Allgemeinwissen für jeden, der sich für "Meinungsmache" interessiert, aber:
  • Mitläufer, die ihre Meinung geändert haben, wirken erstaunlicherweise überzeugender als Standhafte.
Es ist dieser letzte Punkt, der vielleicht erklärt, wieso wir - ich nehme mich nicht aus - uns immer wieder für "dumm" verkaufen lassen. Die wahrscheinliche Erklärung ist einfach: wer unter Gruppendruck "umkippt" und sich der Norm unterwirft, ist unsicher, versucht das zu überspielen, tritt nach außen hin besonders entschieden auf, aus der Befürchtung, dass die anderen merken könnten, dass sie sich angebiedert hätten. Unbeteiligte bemerken diese Entschiedenheit und halten die "Wendehälse" für besonders überzeugend.
So werden sie zu Vollstreckern von Normen, die keiner haben will.
Ich ergänze:
So können sie auch zu Vollstreckern von Normen werden, die nur sehr wenige haben wollen.
"Wendehälse" und Opportunisten sind also für jeden "Meinungsmacher" attraktiv - es ist erst einmal wichtig, möglichst breite, wenn auch vielleicht nur oberflächliche oder sogar gespielte Zustimmung zu erzielen - der "Rest" fällt dann auch noch um, bis auf ganz wenige, die dann als "halsstarriger Querulanten" ausgegrenzt werden. "Falsche" Überzeugung kann also "echte" Überzeugung nach sich ziehen.

Nicht ganz neu, aber aufs Neue bestätigt, ist die Einsicht, dass die Manipulierbarkeit durch Gruppendruck nicht von Einstellungen wie "besonders rebellisch" oder "besonders mitfühlend" und auch nicht von Glaube, Bildungsniveau oder politischer Einstellung abhängt. (Das ist keine Entschuldigung für die "deutsche Obrigkeitshörigkeit", könnte aber erklären, wie sie überhaupt zur "Tradition" werden konnte, und wieso sie sich von "rechts" bis "links" in allen politischen Lagern findet.)
Da sie um die Stärke des Gruppendrucks wissen, operieren Meinungsmacher gerne mit (ruhig einmal fingierten) Umfrageergebnissen. ("80% Zustimmung zu Karl-Theodor zu Guttenberg!")

Warum wir "Herdentiere" sind, erklärt sich zwanglos daraus, dass unsere Vorfahren in Herden bzw. größeren Gruppen lebende Primaten waren. Auch in der bereits menschlichen Geschichte war es oft so, dass unsere Vorfahren oft in Gruppen steckten, die auf Gedeih und Verderb auf die Loyalität jedes einzelnen Gruppenmitgliedes angewiesen waren. Umgekehrt konnte kaum jemand auf Dauer außerhalb der Gemeinschaft überleben. Die Furcht, aus der Gruppe ausgestoßen zu werden, sitzt uns tief im limbischen System.
Das heißt aber noch lange nicht, dass Meinungsmacher uns beliebig in den Händen hätten!

Die Psychologin Linda SKita von der University of Minesota konstatiert, dass nur Menschen, bei denen gewisse Themen moralisch stark besetzt sind, dem Gruppendruck widerständen. Das erklärt die Standhaftigkeit von Umweltschützern, aber auch die von religiösen Fundamentalisten.
Wer der festen Überzeugung ist, dass etwas richtig oder falsch ist, dass etwas "so sein muss" oder "so nicht sein darf", bleibt trotz widerstrebender Mehrheit seinen Überzeugungen treu.
(Was unter politisch-praktischen Gesichtspunkten leider auch heißen kann, dass sich Fanatiker gegen "Normale" durchsetzen oder wenigstens mit ihrem Fanatismus durchkommen.)

Folgt man dem Psychologen Dale T. Miller, dann tolerieren Menschen ungerechte soziale Bedingungen, dulden schlechte Entscheidungen und unterlassen das Drängen auf Reformen, weil sie annehmen, dass die Mehrheit ihre Meinung nicht teilt, und weil sie glauben, dass die Enthüllung der Wahrheit ihnen außer Beschämung nichts bringen wird.

Daher ist der erste Schritt aus der selbst verschuldeten Dummheit die Frage: "Weiß ich überhaupt, was die Mehrheit wirklich denkt?"

Es meiner Ansicht nach keine schlechte Idee, wie Miller vorschlägt, zu versuchen, im Einklang mit unseren privaten Ansichten zu handeln und auch nach außen zu unseren Gefühlen zu stehen.
Wer zu einer Gruppe gehört, sollte sich als "Advocatus Diaboli" betätigen und Gegenargumente ausloten. Personen, die übereifrig auf die Parteilinie pochen und sich vor Zweifeln abschotten, sollten unsere Alarmanlagen schrillen lassen.

Das hilft alles nicht immer im Kampf gegen die "kollektive Dummheit" (die manchmal, das darf man auch nicht übersehen, auch "kollektive Weisheit" sein kann). Aber es ist ganz hilfreich, wenn man uns für dumm verkaufen will.

Montag, 14. März 2011

Fukushima: Alles ist gesagt - nur nicht von allen

Obwohl ich durchaus von mir behaupten kann, nicht völlig ahnungslos zu sein, sehe ich davon ab, über Ablauf, Schwere und Folgen des Fukushima-Unfalls zu spekulieren, so wie ich auch zum Erdbeben, zum Tsunami und zum Vulkanausbruch in Japan nichts zu sagen hätte, was nicht Tausende andere schon besser gesagt hätten (und Zehntausende andere wahrscheinlich schlechter).
Also überlasse ich das Bloggen über japanische AKWs viel lieber denjenigen die über die entsprechende Sachkenntnis verfüge, ohne ihre Propaganda unterzumischen. Das gilt leider übrigens auch für Atomenergie-Gegner, weshalb ich z. B. die Seiten von Greenpeace nicht uneingeschränkt empfehlen möchte.

Besser machen es die Anti-Atom-Piraten sie sammeln Nachrichten, und halten sich mit Spekulationen zurück. Anders gesagt: sie machen den Job, den z. B. "Nachrichtensender" wie n-tv weitgehend verfehlen.

Für gut halte ich z. B. das Physikblog.eu wegen der gut verständlichen und sachkundigen Erläuterungen.

Ansonsten verweise ich auf meine Freundin Camilla, die hat ein paar nützliche Infolinks zur Situation in Japan zusammengestellt hat und die richtigen Worte findet:
Und, liebe Japaner_innen – ich habe ein paar von Euch kennen, respektieren, mögen gelernt – ich möchte Euch nur sagen: Ich denke an Euch. Was Euch zustößt, geht mir nahe, auch wenn Ihr auf der anderen Seite des Globus sitzt.

Sonntag, 13. März 2011

"Die Wirklichkeit ist kohlenschwarz und diesig"

Mit diesen Worten beschreibt Horst Eckert, besser bekannt als "Janosch" seine Kindheit:
Die Wirklichkeit ist kohlenschwarz und diesig, sie riecht nach verfaultem Holz, nach altem Kraut.
Eine harte Kindheit hatte er im oberschlesischen Kohlerevier, und zu allem Überfluss lehrte der Jesuitenpater, der ihn ab dem siebten Lebensjahr unterrichtet, Ehrfurcht und erzählt viel vom Fegefeuer. Kein Wunder eigentlich, dass der kleine Horst sich einen Farbkasten wünscht, mit dem er die dunkle, dumpfe, matte Welt, die ihn umgibt, will er übermalen.
Katholisch geboren zu sein, ist der größte Unfall meines Lebens.
meint er, obwohl seine Eltern nicht besonders religiös waren. Seine Lehrer, seine ganze Umgebung, war es umso mehr.
Die ersten Jahre meines Lebens waren die totale Zerstörung meiner Person
sagt er im Rückblick, und ich denke, man kann den Kinderbuchautor nicht wirklich verstehen, wenn man das nicht weiß.
Porträt: Von der Welt, wie sie sein könnte (Augsburger Allgemeine)

Janosch gehört zu denen, die finden, dass die Wirklichkeit stark überschätzt wird. Früher hätte ich diesen Standpunkt nicht geteilt, inzwischen finde ich ihn sehr vernünftig. Die "Tigerente" findet er heute kitschig und kann sie nicht ausstehen. Er bezeichnet sie sogar als "Scheiß Tigerente". Diesen Fluch habe ich gelegentlich auch auf den Lippen, aber ich vermute, dass ich etwas anderes damit meine. Jedenfalls meistens.

Die "Grundstimmung" seines Lebens ist die Auflehnung gegen alles, was in seinen Augen Macht ausübt, Kirche, Staat, Vorgesetzte, Banken, Anwälte, alles. Ich kann das zwar sehr gut, verdammt gut, verstehen, aber um diese anarchistische, rebellische Haltung auch mit 80 (er hatte am 11. März Geburtstag) noch durchzuhalten, sie zu leben, dazu muss sie ganz tief verwurzelt sein.
Sehr gut verstehen kann ich, wieso Janosch ein scharfen Kirchenkritiker, vor allem der katholische Kirche, ist. Er sitzt im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung, für die er kirchenkritische Karikaturen zeichnete. Er nennt sich einen frommen Ketzer und lehnt gottesfürchtige Religiosität entschieden ab. 2007 bezeichnete Edmund Stoiber, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender bayrischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, Janosch aufgrund der Zeichnung "Die Taufe" sowie seiner GBS-Mitgliedschaft als "falschen Propheten", der
keinen Zugang zu unseren Kinderzimmern erlangen" dürfe. In meinen zutiefst heidnischen Augen ist das ein Kompliment. Obwohl ich kein Atheist und nur mit Einschränkung Naturalist bin, und mich nicht als Feind des Christentums verstehe (es ist einfach nicht meine Baustelle), sympathisiere ich mit der GBS.Es tut auch der "Kirche im Dorf", den engagierten Christen an der Basis, meiner Ansicht nicht gut, wenn "die Kirche" eng mit dem Staat und wichtigen Medien verfilzt Macht ist. Aber genug abgeschweift ...
Es gibt noch drei andere Kinderbuchautoren, die ich, auch als Erwachsener, ähnlich schätze wie Janosch: Astrid Lindgren, Tomi Ungerer und Max Kruse. (Wobei ich Janosch und Ungerer erst kennen und schätzen lernte, als ich kein Kind mehr war. Janosch' "Die Geschichte von Valek dem Pferd" erschien schon 1960, es liegt also nicht an meinem Jahrgang.) Es ist kein Zufall, dass Janosch mit ihnen eng befreundet ist bzw. war.
(Der vierte "Kinderbuchautor", den ich nennen könnte, ist eigentlich ein "Erwachsenenautor", der sich des Genres Kinder- und Jugendbuch bediente, und seine Weltanschauung - besser: Welt-Anschauung - war zwar ähnlich tief und menschenfreundlich, aber anders: Michael Ende. Ein geistig sehr "erwachsener", d. h reifer Mensch - man muss innerlich reif sein, um in Worten, die auch ein Kind versteht, tiefsinnige Gedanken zu vermitteln. Was er dann wieder mit den vier anderen Autoren gemein hat.)
Dass auch Janosch ein "tiefer" Denker ist, das wurde mir erst richtig klar, als ich dem Töchterchen eines Freundes (sie war damals gerade vier) aus "Oh, wie schön ist Panama" immer und immer wieder vorlesen musste. Nur ist das bei Kindern dieses Alters nicht ungewöhnlich, aber irgendwie "hatte" die Geschichte etwas, eine Erkenntnis, die so wichtig ist, dass sie nicht oft genug ausgesprochen werden kann: die Erkenntnis, dass so etwas wie das Glück niemals woanders als in sich selbst gefunden werden kann.
(Für die, die die Geschichte nicht kennen sollten: Tiger und Bär finden eine Kiste mit der Aufschrift "Panama". Sie stellen sich Panama als Paradies vor und machen sich auf den Weg. Am Ende der Reise kommen sie, ohne es zu merken, genau dort an, wo sie aufgebrochen sind. Von außen betrachtet hat sich nichts verändert, und doch sind die zwei nun glücklich – weil sie glauben, in Panama zu sein.) Den, wie er sagt, wichtigsten Satz seines Lebens brachte man ihm in seiner Zeit als Schmied und Schlosser bei: "Es gibt nichts, was nicht geht!" Vielleicht hätte er nie Hammer und Zange erfolgreich gegen Zeichenfeder und Schreibmaschine getauscht, wenn er diesen Satz nicht sehr verinnerlicht hätte. (Noch ein kleiner Einschub: als Schriftsteller reich zu werden, ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Lottohauptgewinn. Die meisten Menschen haben keine realistische Vorstellung davon, in welcher finanziellen Situation sich die meisten Schreiber befinden (wie auch die meisten Musiker, die meisten Maler und Graphiker, die meisten Bildhauer, kurz: die meisten Künstler, "Kulturschaffenden"). Ihnen sei dieser Artikel der taz dringend empfohlen: "Bestsellerautor mit 845 Euro netto - Hungernde Poeten". Auch Janosch wurde, bei allem Erfolg, nicht wirklich reich. Warum Künstler trotzdem weitermachen? Weil ihnen an ihrer Kunst liegt. Finanziell gesehen in einer von der Verwertungslogik bestimmten Welt eine äußerst ungünstige Verhandlungsposition.)
Vor einiger Zeit schrieb ich über das Thema: "Kitsch". Janosch Bilderbücher sind nicht kitschig. Wieso sie es nicht sind, erkannte Jan Chaberny, der Autor des Artikels der "Augsburger Allgemeinen" sehr gut:
Dass sie das nicht ist, liegt daran, dass Janosch seine Geschichten mit Sarkasmus und mit Humor erzählt. Dass er keine heile Welt schafft, dass er anarchische Wünsche wie Versuchsballons aufsteigen lässt. Seine Helden wollen wahlweise Obst klauen, Schwarzfahren oder gleich zum Mond fliegen.
Janosch' Geschichten erzählen häufig von einer Umkehrung, von einer Verkehrung der Machtverhältnisse. Dass scheint mir typisch für gute Kinderbuchautoren zu sein. Nicht nur Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf stellt die Verhältnisse auf den Kopf, das schafft sogar der niedliche blonde Knirps namens Emil (bzw. Michel) - auch wenn das weniger offensichtlich ist.

Es gibt einige Janosch-Fans, die halten seine Werk für unpolitisch und finden das angenehm. Zwar bin auch ich der Ansicht, dass Kinder mit Propaganda und Agitation in Ruhe gelassen sollten, aber ein völlig politikfreies Kinderzimmer ist ein fragwürdiges Ideal. In dem Sinne, dass er keine Propagandaschriften schreibt, nicht Partei für eine politische Partei ergreift und nicht agitiert (außer gegen gottesfürchtige Religion und die katholische Kirche) mag das Urteil "unpolitisch" zutreffen. Spätestens seit der Sache mit Edmund Stoiber ist seine Werk Politikum, und außerdem ist jedes Buch, jedes Bild, in dem er sich für Freundschaft, Treue und Freiheit und gegen jede Form von Macht und Gewalt einsetzt, politisch. Damit sind die meisten seiner Werke politische Werke.

Kinderbuchautoren wie Janosch, Kruse, Lindgren, Ungerer, Ende und einige mehr, die es auch verdient hätten, die ich aber nicht oder zu wenig kenne, sind enorm wichtig, weil sie ideale vermitteln - die nicht immer die Ideale der erziehenden Erwachsenen und niemals die Ideale der Untertanenmacher sind. Sie werden von "weißen" und "schwarzen" Kindern (natürlich sich allen Menschen, und damit alles Kinder, braun, nur in unterschiedlicher Helligkeit und Farbsättigung) geliebt, egal. ob sie in Deutschland, Schweden, der Türkei oder Kroatien leben (Lindgren ist auch über den europäischen Raum hinaus berühmt, den anderen Autoren wäre es zu wünschen.)

Samstag, 12. März 2011

Tage wie heute ...

Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, ich bräuchte nur den Feedreader aufzumachen, das Radio oder den Fernseher einzuschalten oder - ganz altmodisch - die Zeitung aufzuschlagen, und schon würde ich mich vor schlechten und deprimierenden Nachrichten kaum retten können.

Heute war es nicht nur ein Gefühl. Die Nachrichten von der AKW-Katastrophe nach der Erdbeben-Katastrophe war längst nicht die einzige Nachricht, bei der ich das irritierende Gefühl hatte, in einem dystopischen Science Fiction-Roman gefangen zu sein.

Eine weitere Nachricht, die zu diesem Gefühl beitrug: Vorratsdaten in Frankreich: Auch Passwörter werden gespeichert. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht früher oder später auch bei uns die "für die Polizeiarbeit unverzichtbaren" Passwortspeicherung enthalten würde. Ich fürchte, dass die Privatsphäre wirklich ein "Auslaufmodell" zu sein scheint. Man kann sarkastisch den Kopf in den Sand stecken: "Privatsphäre ist so was von 80er" oder auf traditionell deutscher autoritätsgläubig-zweckoptimistische Weise: "Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten."

Aber wer erst den Kopf in den Sand steckt, der knirscht anschließend mit den Zähnen.

Es ist auch eine "Kopf in den Sand"-Haltung, vor der Glotze oder dem Compi-Bildschirm zu sitzen und entsetzt auf die Bilder aus Japan zu stieren. Es mag ja sein, dass bei uns in Mitteleuropa die Gefahr schwerer Erdbeben und Tsunamis recht gering ist - dafür gibt es andere natürliche Risiken. Orkane und Sturmfluten fallen mir da als Hamburger zuerst ein.
Und dann gibt es, keine 10 Kilometer entfernt, einen Siedewasserreaktor ähnlicher Bauart wie die im AKW Fukushima, der auch schon ein langes Register an Pannen und Unfällen hätte.

Das starke Erdbeben, der alles verwüstende Tsunami, das sind Naturgewalten, die die Verletztlichkeit unserer Zivilisation zeigen. Die Demut lehren. Nicht in dem Sinne eines "gottergebene" Fatalismus, oh nein! Aber es ist sehr fraglich, ob ich ohne Sturmfluten auf einer Nordseeinsel erlebt zu haben, das geworden wäre, was man gemeinhin naturreligiös nennt. Not lehrt nicht nur beten, sondern auch anpacken. Die Angst, die kommt erst nachher.
Und die Naturgewalten, sie sind ambivalent. Vernichtend und lebensspendend zugleich. So, wie auch meine Götter ambivalent sind. Alle - und ganz besonders Loki, der immer mal wieder unter dem Pseudonym "Murphies Law" unsere Selbstgewissheit erschüttert. Dann geht alles schief, was schief gehen kann, und wenn wir Glück haben, ohne dass dabei Menschen draufgehen. (Es ist übrigens der einzige Gott, bei dem ich mir nicht sicher bin, dass das Prinzip, ein Gottesbeweis sei unmöglich, auf ihn zurifft. Er ist eben unberechenbar. Und deshalb auch schöpferisch. Nicht der Teufel, den man, als die alten Götter schon halb vergessen waren, aus ihm machte.
Da haben es die Japaner leichter. Deren Alte Sitte, Shintō, ging nie bis auf ein Häufchen Bruchstücke, von denen keiner genau weiß, ob und wie sie zusammengehören, verloren. Auch wenn auch Shintō verdreht, politische instrumentalisiert, völkisch umgedeutet wurde.
Und ich weiß: Japan braucht seine Götter mehr denn je.

"Demut" heißt nicht: "Gegen die Gewalt der Natur kann ich eh nichts machen!" und schon gar nicht: "Wenn ein Kernkraftwerk hochgeht, ist es zu spät, etwas machen zu wollen!"
Ich weiß: ich kann mit den Gewalten der Natur einiges machen, ich kann mit anderen Menschen gemeinsam etwas erreichen. Und mit Hilfe der Götter. Nicht selbstlos, nicht als "unverdiente Gnade", sondern so, wie Geschwister sich helfen sollten.
Viellicht erreiche ich wenig. Aber genug, dass das lähmende Gefühl von Hilflosigkeit verschwindet.

Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass wirklich schlechte Nachrichten nicht bedrücken, nicht depressiv-passiv machen. Sie mobilisieren eher.

Sonntag, 6. März 2011

Gedanken zur Psi-Forschung - oder dem Versuch, mit Stäbchen Suppe zu essen

(Aus meinem gedanklichen Skizzenbuch.)
Die Parapsychologie versteht sich als wissenschaftlicher Forschungszweig zur Untersuchung "paranormaler" Phänomene wie Telekinese, Telepathie, Präkognition usw. . Die "Wissenschaftlichkeit" der Parapsychologie wird nicht nur von organisierten "Skeptikern" wie der GWUP angezweifelt. Martin Mahner benennt in seinem Artikel Der Tod der Parapsychologie das meiner Ansicht nach zentrale Problem:
Schließlich müsse man feststellen, dass der Gegenstand der Parapsychologie – das ominöse Psi – immer noch rein negativ definiert ist (Alcock 2003). Psi ist immer gerade das, was nicht mit bekannten Mechanismen und Gesetzen erklärt werden kann. Das Fehlen einer positiven Charakterisierung führe aber dazu, dass man schlichtweg nicht sagen könne, ob ein festgestellter Effekt in einem Experiment wirklich auf derselben Ursache beruht wie ein Effekt in einem anderen Experiment.
Allerdings sind damit die mangels anderen Bezeichnungen "Psi-Phänomene" benannten Erscheinungen nicht aus der Welt. Oder anders gesagt: jedes Phänomen bzw. jede Klasse von Phänomenen braucht offensichtlich eine eigene Erklärung, die in vielen Fällen einfach "Täuschung" oder "Selbsttäuschung" heißen wird. In anderen Fällen sind "natürliche", aber komplexe, Erklärungen naheliegend: etwa im Falle des "Rutengehens". (Beim Rutengehen, Pendeln usw. usw. habe ich den Eindruck, dass das größte Hindernis für die Akzeptanz dieser Phänomene die pseudowissenschaftlichen Erklärungsversuche sind.) Um es noch mal zu sagen: "übernatürlich" ist ein leeres Wort. Wenn z. B. Telepathie funktioniert, dann ist sie ein natürliches Phänomen, egal, ob wir es zufriedenstellend erklären können oder nicht.

Bei einigen - nur einigen - der unter "Psi" zusammengefassten Erscheinungen neige ich dazu, der Forderung, die wissenschaftlichen Methoden zu ändern bzw. aufzuweichen oder, wie es Mahner formuliert, sich von der Wissenschaft abzuwenden und zum Okkultismus zurückzukehren, zuzustimmen. Mit der Konsequenz, dass auf die Intersubjektivität und damit auf "harte" Wissenschaftlichkeit verzichtet werden müsste.

Letzten Endes arbeitet die Parapsychologie mit dem kausal-mechanistischen Modell, das sich auf den Gebiet der klassischen Naturwissenschaften glänzend bewährt hat und, mit einigen Einschränkungen, auch in den Sozialwissenschaften anwendbar ist. Wenn es um etwas geht, was ich, wieder in Ermangelung eines besseren Begriffs, mit "Magie" bezeichne, versagt die Parapsychologie notwendigerweise kläglich - denn der "Magie" liegt ein Weltbild zugrunde, das sich dem analytische Denken prinzipiell entzieht. (Damit will ich allerdings nicht versuchen, die Existenz "paranormaler" Phänomene wie Telekinese, Telepathie, Präkognition usw. gegen Widerlegungen zu immunisieren.)
Die Parapsychologie gleicht, auch wenn es nicht um "Magie" geht, regelmäßig dem Versuch, mit Stäbchen Suppe zu essen.

Es gibt "paranormale" Phänomene, die, wenn es sie gibt, mit dem derzeitigen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht kollidieren, für andere gilt, dass sie für ihre Existenz bisher unbekannte Naturgesetze voraussetzen würden, und eine dritte Kategorie würde, wenn es sie gäbe, sozusagen frontal mit den bekannten Naturgesetzen kollidieren, d. h, unsere Welterkenntnis wäre grundlegend falsch, wenn diese Phänomene real wären.

Einen Frontalzusammenstoß mit den bekannten Naturgesetzen erleiden die kinetischen Psi-Fähigkeiten bzw. die Psychokinese.
Dazu gehören:
  • das "Poltergeist"-Phänomen (Gegenstände werden ungezielt psychokinetisch bewegt),
  • die Telekinese: Gegenstände werden ohne direkte Berührung ertastet und gezielt manipuliert,
  • die psychokinetische Beeinflussung von Molekülen bzw. Atomen im Kristallgitter (Uri Geller behauptet, dass sein "Gabelbiegetrick" so funktionieren würde)
  • die Pyrokinese - dabei werden die Moleküle psychokinetisch in so starke Schwingungen versetzt, dass das Material sich entzündet - (angebliche Ursache "spontaner Verbrennung")
  • daneben wird auch die angebliche Beeinflussung des radioaktiven Zerfalls und die von Stromkreisen manchmal als "(Mikro-)Psychokinese", auch wenn hier Energie und nicht Materie manipuliert werden soll.
Alle kinetischen Psi-Phänomene - einschließlich der rein energetischen - haben ein großes Problem: Wo kommt eigentlich die Energie her?
Tatsächlich wären psychokinetische Phänomene, würde sie so ablaufen, wie sie meistens in der parapsychologischen Literatur geschildert werden, glatte Verstöße gegen den Energieerhaltungssatz, der übrigens entgegen einem in Esoteriker-Kreisen populären Missverständnis auch für die Quantenmechanik gilt. Die vom Gehirn "abgestrahlte" Energie reicht jedenfalls nicht aus, auch nicht für die Mikro-Psychokinese: das menschliche Gehirn hat eine Gesamtleistung von 15 bis 20 Watt, die in Form chemischer Energie zugeführt wird, wobei sich die elektrische Gesamtleistung aller Hirnströme höchstens im Milliwattbereich bewegt.
Der gängigste "Rettungsversuche" sind weitere Annahmen, etwa das Mana-Konzept, die Vorstellung, es gäbe eine universelle "Lebenskraft" (bekanntestes popkulturelles Beispiel: die "Macht" im Star Wars"-Universum). Od, Psi-Energie, Orgon, Qi oder Prana sind verwandte Konzepte. Letzten Endes sind Mana, Od, Qi usw. eher metaphysische als physikalische Konzepte, und der Versuch, Metaphysik in eine wissenschaftliche Theorie einzubinden, führt zu nichts, außer Begriffsverwirrung.
Da es auch mit dem empirische Nachweis der Psychokinese gelinde gesagt schlecht bestellt ist, ist der Schluss, dass alle auf Psychokinese hindeutenden Beobachtungen und Versuchsergebnisse auf Fehlern, auf Selbsttäuschung oder Betrug beruhen, beinahe zwingend.
Bei anderen "Psi-Phänomenen" ist die Situation für die Anhänger der Parapsychologie zwar nicht ganz so aussichtslos, aber es zeigt sich an den mageren Ergebnissen, dass sich mit Stäbchen die Suppe bestenfalls tröpfchenweise essen lässt.

Wie sähe aber ein "Löffel" aus?

Erst einmal muss jedes vermeintliche Psi-Phänomen für sich gesehen werden. Im 19. Jahrhundert wurde z. B. die Hypnose vielfach als paranormales Phänomen gesehen ("animalischer Magnetismus") - heute gilt die hypnotische Trance als normaler Bewusstseinszustand.

Das Beispiel "Hypnose" zeigt, dass für viele vermeintlich "paranormale" Phänomene im Sinne der Anomalistik gültige Erklärung gefunden werden können. In anomalistischer Sichtweise wird anerkannt, dass unerklärte Phänomene existieren, aber nicht von einer prinzipiellen Unerklärbarkeit ausgegangen, sondern vielmehr versucht, entweder konventionelle Erklärungen zu finden oder neue Erklärungsmuster zu entwickeln, die wissenschaftlich angemessen sind. Gültig im Sinne der Anomalistik sind Erklärungen, die auf konventionellem Wissen und Nachdenken beruhen sowie einfach und unbelastet durch Spekulationen oder Hyperkomplexität sind. Die Beweislast liegt auf dem, der eine anomale Behauptung aufstellt, und nicht beim Forscher, der sie überprüft. Außerdem gilt der auch von skeptische Grundsatz: Je ungewöhnlicher eine Behauptung ist, umso höher sind die Anforderungen an einen Beweis.
Die Hypnose war, als sie von der Psychologie "entdeckt" worden war, zunächst ein anomales Phänomen, für das neue Erklärungsmuster gefunden wurden, dem ein das Denken des 19. Jahrhunderts sozusagen auf den Kopf stellender Perspektivwechsel zugrunde liegt: "Wir", sprich unser Wachbewusstsein, sind nicht unumschränkter "Herr im eigenen Haus", es gibt geistige Vorgänge, die uns nicht bewusst sind.

Die hypnotische Trance gibt meiner Ansicht nach auch ein Erklärungsmuster für viele "paranormale" Vorgänge, nämlich das es sich dabei allein um Bewusstseinsphänomene handelt.
in Beispiel: Unsichtbarkeit.
Ich stelle fest, dass ein Mensch sich durch eine Menschenmenge bewegt hat, und das sich anschließend niemand daran erinnern konnte, diesen Menschen gesehen zu haben.
Ein ad hoc-Erklärung könnte sein, dass dieser Mensch tatsächlich physikalisch unsichtbar war. Das z. B. eine psychokinetische Erklärung sein: dieser Mensch "biegt" die Lichtstrahlen um sich herum. Dieser Erklärung erscheint doch etwas weit hergeholt, und könnte gegebenenfalls empirisch, etwa mit Hilfe einer Überwachungskamera, widerlegt werden.
Eine einfachere Erklärung wäre, dass dieser Mensch alle, die ihn gesehen haben, auf irgend eine noch zu erklärende Weise so beeinflusst hat, dass sie alle vergessen haben, ihn gesehen zu haben. Vielleicht durch Hypnose?
Damit bin ich beim Bewusstsein angelangt. Es kommt also bei der "Unsichtbarkeit" gar nicht darauf an, nicht gesehen zu werden, sondern darauf, nicht wahrgenommen zu werden. Und in der Tat gibt es viele erprobte Methoden, "übersehen" zu werden. Die Erstaunlichste ist die Unaufmerksamkeitsblindheit: Objekte können sich direkt durch das Zentrum der Aufmerksamkeit bewegen und werden trotzdem nicht "gesehen", wenn wir ihnen keine spezielle Aufmerksamkeit entgegenbringen. Ein verblüffendes Experiment ist der unsichtbare Gorilla.

Ich teile die "Psi-Phänomene" vorläufig und grob in folgende Kategorien ein:
  1. mit bestehenden wissenschaftlichen Theorien erklärbare Phänomene (das sind meiner Ansicht nach die meisten),
  2. Phänomene, die neue wissenschaftliche Theorien zur Erklärung erfordern,
  3. metaphysische, d. h. mit (natur-)wissenschaflichen Methoden grundsätzlich nicht erklärbare Phänomene.
Eine "außersinnliche" Wahrnehmung gibt es meiner Ansicht nach nicht. Es gibt jedoch Wahrnehmungen mittels uns normalerweise nicht bewusster Sinneseindrücke, vielleicht sogar solche, die von uns bisher unbekannten und normalerweise unbewussten Sinnen stammen.

Der Schlüssel - oder der "Löffel" zum Verständnis vieler (ich vermute: der meisten) "paranormalen" Phänomene sind die unterschiedlichen Bewusstseinszustände.

Ein sehr stark vereinfachendes, aber grundsätzlich meiner Auffassung nach stimmiges, Bild der Bewusstseinszustände ist das eines Radios. Der "Sender", auf den wir im Wachzustand normalerweise eingestellt sind, ist die Konsensrealität oder, neoschamanisch ausgedrückt, die Alltägliche Wirklichkeit. Sie entspricht dem Programm eines üblichen "Informationssenders": kurze Nachrichten, Verkehrsdurchsagen und Popmusik. Im Zustand verminderter Konzentration empfangen wir "Dudelfunk": immer noch Popmusik, aber weniger von uns gewollte Information, dafür mehr "Werbespots" - wie sind in diesem Zustand manipulierbarer. Im Extremfall sind wir auf einen Propagandasender eingestellt - wenn wir nichts anderes mehr hereinbekommen, nennt man das "Wahnvorstellung", wenn man uns hindert, einen anderen Sender zu empfangen, "Gehirnwäsche". In meditativer oder schamanischer Trance oder unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen, oder beim hochkonzentrierten geistigen Arbeiten können wir auch noch weitere "Sender" empfangen, die uns mehr bieten, als "Radio Konsens": vielleicht klassische Musik, Jazz, Hintergrundberichte, Reportagen, Folklore aus aller Welt, experimentelle Musik, Talkshows, Anrufsendungen, Quizshows usw. usw. .

Die "Radiowellen", die unsere "Antennen" erreichen, die Sinneseindrücke, sind immer die selben. Was uns davon erreicht, bestimmt die "Abstimmung" unseres Bewusstseins. Manche "Sender" werden so wenig gehört, dass sie von Menschen, die fast nur "Radio Konsens" hören, für "paranormal" gehalten werden können.

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