doof-aber-gut

Dienstag, 23. April 2013

Als K. H. Scheer ein "junger Wilder" war: König der Meere

Nachdem der TCE vor kurzem den ersten Band meiner dreiteiligen "Herr der Meere" Fortführung "Geheimauftrag MARIA STUART" veröffentlicht hatte, erschienen dort nun dier ersten vier Piratenromanen Karl-Herbert-Scheers in der ersten Neuauflage seit seiner Veröffentlichung 1953. Es sind inhaltlich fortlaufenden Bände 1, 2, 3 und 6 der Reihe "König der Meere".
Die Reihe umfasst immerhin 14 Romane, wobei Scheer nur die vier erwähnte Romane verfasste, "Diego el Santo" war ein Verlagspseudonym, unter dem verschiedene Autoren schrieben. Ich betone das, weil selbst Heiko Langhans in seiner hervorragenden Scheer-Biographie dem Irrtum erlag, Scheer hätte die "König der Meere" komplett geschrieben. Ab Band 7 wurde die von Scheer begonenne Serie von anderen Autoren weitergeschrieben, die Bänder 4 und 5 sind ebenfalls nicht von Scheer und haben inhaltlich nichts mit der "Tagman"-Reihe zu tun.

KdM-1-cover

Zum Inhalt: Im Jahre 1671. Robert Tagman, ein Engländer deutscher Abstammung, wird mit seinem Freund, dem Marquis Michel de Raciné von seinem Todfeind, dem Sklavenhändler Henry Clifford auf Barbados als Sklave an den Pflanzer Brian Hope verkauft. Es gelingt Tagman mit Hilfe seiner Jugendgeliebten Eliza Thurk zu fliehen. Gemeinsam mit dem Marquis können sie auf einem kleinen Schoner entkommen. Auf dem Meer treffen sie die SANTA MARIA des spanischen Grafen Bercea de Huidobro. Der Graf ist ein "verrücktes Genie": einerseits konstruierte er das viermastige Superschiff und seine Wunderkanonen, anderseits ist er ein völlig verbohrter religiöser Fanatiker. Tagman und seine Freunde heuern zum Schein bei de Huidobro an.

Da ich nicht zu viel spoilern will, verrate ich nicht, wie Tagman in den Besitz des absolut ultimativen Segelsuperschlachtschiffs kommt. (Dass er es schafft, ist kein Spoiler, sondern versteht sich bei der Prämisse der Reihe von selbst.)

Seekönig

Scheer beschreibt die SANTA MARIA (später von Tagman in SEEKÖNIG umbenannt) als Viermastvollschiff von gut 140 m Länge über Alles bei 22 m Breite - was in etwa der Länge des stählerner Fünfmastvollschiffs PREUSSEN entspricht, die allerdings "nur" 16,34 m breit war. Ein so großes Schiff wäre in Holzbauweise aus statischen Gründen gar nicht machbar, es fehlt allerdings jeder Hinweis darauf, dass die SANTA MARIA aus etwas anderem als "gute Eiche" bestünde. Die 16 Knoten Fahrt, die die SANTA MARIA macht, sind beinahe zurückhaltend: die schnellste geloggte Fahrt der PREUSSEN betrug 20,5 Knoten.
Das Superschiff hat 1400 Mann Besatzung und selbstverständlich auch Super-Kanonen: stählerne 50-Pfünder-Hinterladergeschütze und 4 Kanonen mit Kaliber 35,5 cm auf Zwillings-Drehlafette, die Sprenggranaten mit Aufschlagzünder verschießen. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts sollte es tatsächlich vergleichbare Geschütze geben.
Es gab übrigens wirklich ein voll getakeltes Kriegsschiff mit vier Geschützen mit immerhin 30,5 cm Kaliber in zwei Drehtürmen, die 1869 gebaute HMS CAPTAIN. Die CAPTAIN kenterte und sank schon auf ihrer Jungfernfahrt.

Scheer war Anfang der 1950er Jahre ein junger und noch etwas unerfahrener Autor. Das merkt man teilweise am Stil - er machte z. B. den klassischen Anfängerfehler, zu viele Adjektive in einen Satz zu packen - teilweise auch am Inhalt.
Anderseits merkt man seiner "Schreibe" schon diesem Frühwerk an, dass er das Zeug zum Erfolgsautoren hatte. Deutsche Unterhaltungsschriftsteller der Nachkriegszeit zeichneten sich, wie auch der (west-)deutsche Film und die deutsche Unterhaltungmusik in Ost wie West meistens durch eine gewisse Biederkeit und eine Vorliebe für "bewährte" Klischees aus. (Der Wahlslogan der CDU aus dem Jahr 1957 "Keine Experimente" kennzeichet die "50er-Jahre-Mentalität", die es nicht nur bei Konservativen gab, sehr treffend.) Im "König der Meere" herrscht dagegen Action vor, es knallt ordentlich und es geht manchmal ziemlich brutal zur Sache. Eine echte Stärke ist die Anschaulichkeit und Bildkraft der scheerschen Sprache.

Scheer schrieb schon damals hauptsächlich Science Fiction, und das merkt man dem "König der Meere" auch an. Im noch größerem Maße als die spätere Serie "Herr der Meere" ist er "Science Fiction zur See" - durchaus im Sinne des erst viel später so genannten "Steampunks".
Die Handlung erinnert eher an Jules Verne als z. B. an Forresters marinehistorischen Romane um "Horatio Hornblower" oder die klassischen Seeabenteuerromane des 19. Jahrhunderts. Die SANTA MARIA ist so etwas wie eine "Nautilus mit Segeln" und der geheimnisvolle Graf Bercea de Huidobro ist in mancher Hinsicht ein etwas naiv geratetener Kapitän-Nemo-Verschnitt (und, damit man ihn schön hassen kann, ein religiöser Fanatiker schlimmsten Zuschnitts).
Auch später noch neigte Scheer dazu, überlebensgroße Helden zu schaffen, manchmal regelrechte "Übermenschen". Bei Robert Tagman kann man die Anführungen bei Übermensch weglassen: er ist super intelligent, super stark, super schnell, super ausdauernd, super geschickt und super gebildet, sein Körper ist super widerstandsfähig, natürlich sieht Tagman auch super gut aus und ist super charismatisch. (Ich kenne Comic-Superhelden, die von ihren Erfindern bescheidener ausgestattet worden als Robert Tagman.)

Weniger Tagmanns besondere Fähigkeiten, als die seines Schiffes stellen ein echtes Problem für die Dramaturgie dar: mit seiner Bewaffnung kann der SEEKÖNIG Feinde reihenweise aus der Distanz vernichten.
Zu große Überlegenheit ist ein zuverlässiger Spannungstöter. Im ersten Band, in der Tagman erst noch das Schiff erobern muss, fällt das aber noch nicht ins Gewicht.

Bei seinem zweiten Anlauf einer Piratenreihe, "Herr der Meere" übernahm Scheer viele Konzepte aus "König der Meere", vermied dabei allerdings einige Fehler der ersten Reihe. Die Schiffe und die seemännischen Mannöver sind glaubwürdiger, sein Stil hat sich weiterentwickelt und die historischen Hintergründe sind besser recherchiert - auch wenn seine Recherchen offensichtlich nur bis zum Geschichtslexikon reichten. Ich vermute, dass das auch auf die Lektüre von Forresters "Hornblower"-Romanen zurück ging, einige Parallelen zu diesen genreprägenden Büchern des marinehistorischen Romans sind vorhanden, und die Schiffe, die Scheer in "Herr der Meere" schildert, sind eindeutig Fahrzeuge aus Hornblowers Zeit, der Epoche um 1800.

In mancher Hinsicht ist "Herr der Meere" eine verbesserte Version des "Königs der Meere", mit ähnlichen Situationen und manchmal fast identischen Charakteren. Scheer griff wahrscheinlich nicht aus Einfallslosigkeit auf die älteren Konzepte zurück - an Einfällen hatte es ihm nie gemangelt - sondern weil er noch weiteres Potenzial in den von ihm für gut befundene Ideen sah.

Der erste Band der mit dem Titel: Menschen in Ketten" kann über K.Kobler@freenet.de bestellt werden.

Eckdaten des Buches : 146 Seiten, Farbcover, Innenillus, Kartenmaterial und eine einmalige Beilage.

Preis 10,60 Euro & 1,40 Euro Versandkosten, bei Versand ins EU-Ausland 3,50 Euro

Verwendungszweck der Überweisung: Name und KdM 1
Bankverbindung des TCE:

Name: Joachim Kutzner "Sonderkonto TCE"

Bank: Postbank Köln
BLZ: 370 100 50
Konto-Nr.: 347749-500 (bei Online-Banking: 347749500)
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Montag, 20. Februar 2012

Wie wird der Krankheitsausbruch des Modellbahnvirus erkannt ?

Es gibt nicht nur Rosenmontagszüge, die mitunter nerven. Nicht nur verspätete Züge der Deutschen Bahn AG nerven auch. Sondern auch z. B. auch solche in Spur H0, TT, N usw. können Nerven kosten. Wenn der Gesprächspartner vom tückischen Modelbahnvirus befallen ist.

Ein Merkmal, an denen man einen vom Modellbahnvirus Befallene diagnostizieren kann, ist, dass er auf die Frage:
"Interessiert dich der Rosenmontagszug?" geistesabwesend antwortet:
"Ja, schon, aber nur, wenn es den auch in Spur TT gibt."

Weitere Merkmale:
Du könntest vom Modellbahnvirus befallen sein, wenn:

... du deiner Frau / deinem Mann einen Güterwagen in ihrer / seiner Lieblingsfarbe mitbringst.

... kein Tag vergeht, an dem du nicht den Gleisplan, den du eines Tages umsetzten wirst, perfektionierst. Seit mindestens zehn Jahren.

... wenn du mit der Eifer und Inbrunst eines evangelikalischen Zeltmissionars über die Vorteile deiner Spurweite sprichst.

... du dich bei jedem schönen Gebäude fragst, wie das wohl im Maßstab 1:120 (bzw. 1:87, 1:160 usw.) aussehen mag.

... wenn du ein Holzplatte herumliegen siehst, und der erste Gedanke, der dir dabei kommt ist der, welchen Gleisplan man darauf verwirklichen könnte.

... du auf diese kleinlichen Nietenzähler schimpfst, aber, wenn du zwei gleiche Wagen auf der Anlage fahren lässt, jedes Mal, wenn jemand genau hinsieht, hoffst, dass er nicht merkt, dass die Betriebsnummern identisch sind.

... du Sammler hasst, weil sie die Preise in die Höhe treiben, vor allem die Sammler der Modelle, die du sammelst. Aber du fährst sie auf der Anlage, und das ist was ganz anderes!

... das sonntägliche Mittagessen auf dem improvisierten Campingtisch im Flur stattfindet, weil du auf dem Küchentisch gerade eine diffizile Bastelei liegen hast.

... wenn du grundsätzlich bei jedem Besuch in der Innenstadt im Modellbahnladen vorbeischaust, obwohl du die Preise und das Sortiment auswendig kennst, grade nichts da ist, was du brauchst, und du erst gestern da warst.

... du in deinen üblichen Modellbauladen betrittst und der Verkäufer sofort ruft: "Hallo (dein Name) Augenblick, ich hol sofort den Chef."

... du deinen Sohn / deine Tochter seit Weihnachten nicht mehr mit seiner Eisenbahn spielen hast lassen.

... du die Stationen deiner Modellbahn nach deiner Frau / deinem Mann und deinen Kindern nennst, weil du ein schlechtes Gewissen hast, da du mehr Zeit mit der Modellbahn als mit deiner Familie verbringst. Aber das gleicht es doch locker aus, oder?

... das aktuelle Modellbahnmagazin per Post am gleichen Tag kommt wie deine Steuerabrechnung, und du weißt, dass du dieses Jahr was rausbekommst, und du die Steuerabrechnung zuerst liest, damit du weißt, was du dir an Neuigkeiten für die Modellbahn leisten kannst.

... man dir eine Kiste Styrodur-Hartschaum und einen Zehnerpack Dachlatten zum Geburtstag schenkt - und du sprachlos bist vor Glück.

... deine Züge exakter nach Fahrplan fahren als die der Deutschen Bahn (was allerdings nicht weiter schwierig sein dürfte).

... du dir jedes Mal neu vornimmst, keine Zurüstteile im Wohnzimmer zu installieren, wo dieser dicke Schafwoll-Teppich liegt.

... du von Berlin gerade man das LOXX,von Hamburg das "Miniatur-Wunderland" und von Nürnberg die große Anlage im Bahnmuseum kennst.

... du bei jeder Gelegenheit betonst, dass du jederzeit aufhören kannst.

(Zusammengenstellt und geguttenbergt aus diversen Modelbahnerforen.)

Freitag, 29. April 2011

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme: Thor

In meine kleinen und allseits beliebten Reihe über "gut-doofe" Filme ist "Thor" eine zweifache Novität.
Erst einmal sind die meisten Streifen, die ich in dieser Rubrik behandele, gut bis sehr gut abgehangen. Das ist das erste Mal, dass ich mir einem Film vorknöpfe, der gerade erst in die Kinos gekommen ist.
Der zweite Grund: diesen Film nahm ich mir schon einmal vor, und zwar als Ausblick zur Silvester 2008 über einen Film, der im Juni 2010 herauskommen sollte. Dass es bis Ende April 2011 dauern sollte, hatte ich nicht erwartet. Eher schon, dass er, wie viele andere Projekte, erst gar nicht das Licht der Leinwand erblickt hätte.

Ich habe mir den Film gleich nach der Premiere angesehen, und muss sagen, dass er ein richtig gut-doofer Film ist. Er ist allerdings, anders als ich befürchtete, inhaltlich kein grottendämlicher Streifen geworden, aber auch längst kein Film, in dem Kenneth Branag seine Regiekünste überzeugend unter Beweis stellen kann. Gutes Handwerk, mehr nicht - was für Popcorn-Kino schon ziemlich viel ist.

Da ich niemandem, der den Film noch nicht gesehen hat, den Spaß verderben will, nur soviel zur Handlung:
Thor greift mit ein paar Asen-Freunden eigenmächtig und rücksichtslos die Frostriesen in Jötunheim an. Damit verletzt er den heiklen Frieden, den sein Vater Odin mit den Frostriesen geschlossen hatte. Zur Strafe für seine unüberlegte Tat und seine Arroganz wird Thor daraufhin von Odin auf die Erde verbannt. Die Rückkehr in seine Heimat ist ihm erst gestattet, wenn er gelernt hat, seine Überheblichkeit zu zügeln. In der Nähe eines kleine Kaffs in New Mexico schlägt Thor buchstäblich auf. Drei Wissenschaftler (zwei Physiker und eine Politologin, die als Assistentin in das Team aufgenommen wurde, weil sich sonst niemand fand), die ein rätselhaftes Wetter-Phänomen (?) untersuchen, nehmen sich des geheimnisvollen jungen Mannes an, der ihnen buchstäblich vor den Geländewagen fällt (der ist übrigens ein österreichisches Fabrikat, ein "Pinzgauer" - im Südwesten der USA ein eher exotisch zu nennendes Fahrzeug). Thors Hammer, Mjölnir, steckt buchstäblich mitten in der Wüste fest, niemand kann ihn nur um einen Millimeter anheben. Auch eine undurchsichtige, offensichtlich im Regierungsauftrag handelnde und mit sehr weit reichenden Befugnisse ausgestattete Organisation namens S.H.I.E.L.D. nimmt sich des Falles bzw. des Hammers an und errichtet um Mjölnir mobile Labors und eine militärische Absperrung. Thor schlägt sich (buchstäblich!) zu seinem Hammer durch, kann ihn aber nicht anheben: Noch ist er verbannt.
Ich verrate für mitdenkende Zeitgenossen kein Geheimnis, wenn ich schreibe, dass Thor seine Chance zur Bewährung bekommt, dass die schöne sterbliche Wissenschaftlerin Jane Foster (Natalie Portman) sich in den gut gebauten und mit bengelhaftem Charme ausgestatetten Donnergott verliebt, und dass hinter all dem der intrigante Loki (Gott für schmutzige Tricks) steckt. Da der Film mit einem (buchstäblichen) Cliffhanger endet, und nach dem Abspann (also nicht zu früh aufstehen!) eine kurze, sehr aufschlussreiche Szene folgt, ist unbedingt mit einer Fortsetzung zu rechnen.
THOR - Filmplakat
Filmplakat. Das erkennbare "X" halte ich nicht für einen Zufall ...

Der Film ist unterhaltsam und hat die üblichen Zutaten der Verfilmung eines Marvel-Comics: Sehr viel Action, viel Selbstironie, Bezüge zu anderen Teilen des "Marvel-Universums" (S.H.I.E.L.D., Iron Man, Hawkeye ... ) und natürlich der obligatorische Gastauftritt des ehemaligen Marvel-Managers und Texters Stan Lee. (Außerdem hat Autor Michael Straczynski einen Kurzauftritt.) Nur für Kenner der nordischen Mythologie oder der Marvel-Comics erkennbar haben drei der Kampfgefährten Thors kein Vorbild in der eddischen Dichtung: die "Warriors Three" Volstagg (Ray Stevenson), Fandral (Joshua Dallas) und Hogun (Tadanobu Asano) sind reine Marvel-Superhelden.

Theoretisch hätte "Thor" auch ein richtig guter Film werden können. Immerhin schrieben zwei der anerkanntermaßen besten Filmautoren für Science Fiction und Fantasy, Michael Straczynski ("Babylon 5") und Mark Protosevich ("I Am Legend") das Skript, Regie führte Kenneth Branagh.
Die Besetzung spart nicht mit namhaften Schauspielern: Natalie Portman, Tom Hiddleston, Anthony Hopkins und Stellan Skarsgård. Die Titelrolle ist mit Chris Hemsworth besetzt, einem jungen australischen Schauspieler, der mir bisher nur als George Kirk in Star Trek bekannt war. Eine gute Wahl, nicht nur wegen Hemsworths Schwergewichts-Boxer-Figur und seinem hübschen Gesicht - er zeigt als Thor mehr unterschiedliche Gesichtsausdrücke als Arnold Schwarzenegger in seiner ganzen Filmkarriere und empfiehlt sich auch fürs "romantische Helden"-Fach. Den Thor spielt er mit sichtbarem Vergnügen, vielleicht, weil er die "Wikinger-Klischees" schön dick auftragen durfte. (Wer da Overacting moniert, ist definitiv im falschen Film! Wie z. B. der Kritiker der FR, der zwar schreibt, dass es eine Comic-Verfilmung ist, aber es offensichtlich nicht ganz wahrnimmt:
Obwohl die drei Drehbuchautoren mit den nordischen Göttersagen nicht viel anzufangen wissen, haben sie die Bedeutung des Begriffs „Ragnarök“ verinnerlicht und künden den drohenden Untergang des Götterreichs Asgard mit angemessenem Kampfgetöse an.
Meines Erachtens wäre es grundfalsch gewesen, wenn sich der Film eng an die nordischen Göttersagen gehalten hätte. Zur Verdeutlichung, aus einer anderen Mythologie: Samson funktioniert in Sandalenfilmen auch nur deshalb als "Superheld", weil er darin mit dem biblischen Samson kaum etwas gemeinsam hat.)
Dass ich die Besetzung des Wächters der Regenbogenbrücke Bifröst, Heimdall mit dem schwarzen Schauspieler Idris Elba für genial halte, habe ich andernorts schon erwähnt. Zwar ist die Rolle keine Herausforderung an Elbas Schauspielkünste, aber - es passt!
Gut besetzt ist die Rolle des schwedischen Physikers Dr. Erik Selvig mir dem schwedischen Schauspieler Stellan Skarsgård - ihm kauft man sowohl den Physiker, wie den Kenner der nordischer Mythologie, wie auch den väterlichen Freund Janes ab.
Für gelungen halte ich die Umsetzung der Marvel-Bildsprache ins Kino, oft mit seitlich geneigter Kamera oder aus Ober- oder Untersicht, mit Schlagschatten und harten Kontrasten, während die gerade bei 3-D-Filmen leider Mode gewordene Wackelkamera erfreulich sparsam eingesetzt wird. (Übrigens: Wer kein 3-D-fähiges Kino in der Nähe hat, versäumt meines Erachtens nicht viel. Vielleicht wäre der Film in "2-D" sogar optisch besser geworden, da er ja die Bildsprache eines "flachen" Mediums aufgreift.)
Alles in allem gelungenes, sehenswertes Popcorn-Kino. Es reicht aber nicht ganz zu einem "nicht doofen" Film, was bei Comic-Verfilmungen zwar schwierig, aber, wie z. B. "Batman Beginns" zeigt, möglich ist.
Die CGI-Schauwerte sind eher mittelmäßig und die Wikinger- und Schlachtszenen am Anfang wirken für den "Herr der Ringe"-Verwöhnten Fantasy-Film-Freund sogar ziemlich sparsam. Das überrascht, denn andere Szenen sehen teuer aus und waren wahrscheinlich auch teuer.
Das größte Problem des Films ist meiner Ansicht nach die Vorlage. Deren Hauptproblem: Thor ist als Superheld viel zu stark für jeden menschlich-sterblichen Gegner, ein Problem, das er mit Superman teilt. Helden ohne Superkräfte, aber einer ungewöhnlichen Persönlichkeit, wie Batman, mit beschränkten Superfähigkeiten, wie Daredevil, oder mit einer Durchschnittspersönlichkeit und reichlich Alltagsproblemen, wie Spiderman, wirken "cooler" und (soweit das bei Superhelden überhaupt möglich ist) glaubwürdiger.
Straczynski und Protosevich haben einen Dreh gefunden haben, mit Thors allzu gewaltigen Superkräften umzugehen - die meiste Zeit hat er sie nicht, wobei er nach normal-menschlichen Maßstäben immer noch sehr stark, kampfkräftig und trinkfest ist.
Eng an die Comic-Vorlage angelehnt ist das in Komplementärfarben (Goldgelb und Blau) gezeichnete Asgard. Einerseits hat die die CGI-Götterburg mit ihren wie Orgelpfeifen aufragenden Türmen und dem glitzernden Sternenhimmel und der imposanten Regenbogenbrücke ihre Schauwerte. Andererseits funktioniert sie als skizzenhafte Comic-Zeichnung erheblich besser als in aller metallisch glänzender Pracht. Anders gesagt: sie wirkt kalt und protzig , und so, als wäre sie erst gestern fertiggestellt worden und nicht schon Jahrzehntausende alt. Die Star Wars-Filme zeigen - bis auf "Episode i" - wie man so etwas besser macht.
Aber alle Drehbuch-Tricks und Regiekünste können nicht verbergen, dass der ganze Film fast wie der überlange Vorspann des schon lange geplanten Filmes um das Superhelden-Team "The Avangers" wirkt. Da wird zu viel angedeutet, zu viele lose Ende bleiben; das nach einer Fortsetzung schreiende Ende habe ich schon erwähnt.

Eines finde ich aber an dem Film wirklich erfrischend: Thor wirkt zwar auf der Erde, im Umfeld einer amerikanischen Kleinstadt, wie ein Rocker ohne Motorrad aber mit einem (nun ja) ziemlichen Hammer. Ein arroganter Kraftprotz, der erst mal kräftig auf die Schnauze fallen muss, bis er abrafft, was Sache ist.
Aber er ist endlich mal wieder ein Held ohne massiven Psycho-Knacks. Der Versuchung, einer etwas simpel gestrickten Comic-Figur "Tiefe" zu verleihen (weil das doch bei Batman und den X-Men so gut funktioniert hätte), widerstanden die Autoren glücklicherweise. Dafür ist ihr Loki angemessen zwielichtig und zwiespältig, und komplexer als ein gewöhnlicher Superheldenfilm-Bösewicht.

Ebenfalls erfrischend ist, obwohl der Film angemessenen Sicherheitsabstand von der Mythologie hält, der Umgang mit der nordischen Götterwelt. Ich sehe jedenfalls starke Hinweise darauf, dass die Autoren sich mit den Göttersagen, anders als manche Kritiker meinen, sehr wohl auskennen - wahrscheinlich besser als seinerzeit Stan Lee, als er auf die Idee kam, aus Thor einen Superhelden zu machen. Dass Loki anders als in der Mythologie, Thors Stiefbruder und nicht Odins Blutsbruder ist, wurde im Comic etabliert - aber ein wichtiger Punkt im Film ist, dass Loki, wie sein mythologisches Vorbild, von Geburt ein Riese ist, Laufeyas Sohn, und ein abgründiger, unberechenbarer Trickster, der zu jeder Schandtat, aber auch, wenn es einmal passt, zu jeder Heldentat fähig ist.
Bis auf Sif - in der Mythologie Thors Ehefrau und überdies mit wie echtes Haar nachwachsendem goldenem Haar ausgestattet - und dem Umstand, dass Odin ein Auge Mimir zum Pfand gab, um aus der Quelle der Weisheit trinken zu können - entsprechen die Götter ziemlich genau ihren mythologischen Gegenstücken. Natürlich ist das ein Kompromiss, wie Thors kurzer Vollbart ein Mittelding zwischen dem glatt rasierten Comic-Thor und den rauschebärtigen Donnergott der Mythologie ist.
Ich halte es nicht für einen Zufall, sondern eine Anspielung, dass die Assistentin Darcy Lewis "Mjölnir" ausgerechnet als "Mimir" missversteht.
Ich halte es auch für einen absichtlichen Gag, dass Thor, als er den bis zur Bewusstlosigkeit betrunkenen Dr. Erik Selvig in Jane Fosters Wohnwagen trägt, lobt, dass seine Ahnen stolz auf ihn wären. Thors Lob ergibt nur dann wirklich Sinn, wenn man weiß, was ein Sumbel ist, und das bei diesem rituellen Umtrunk in der zweiten Runde die verstorbenen Ahnen gepriesen werden ...

Samstag, 12. Februar 2011

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme - heute: Die Olsen-Bande fährt nach Jütland

Dieser Film hat zwei Dinge mit dem von mir zuletzt als "gut-doofer Film" vorgestellten
"Der Frosch mit der Maske"
gemeinsam: er ist ein Kriminalfilm und er wurde in Dänemark gedreht.
Sonstige Ähnlichkeiten wären rein zufällig.
Bildet olsenbanden"Jeg har en kup!" Egon Olsen

Es gibt nicht weniger als 14 dänische Kriminalkomödien um die Olsenbande. Weniger respektvolle Kritiker schreiben "Kriminalklamotten", womit sie meines Erachtens nicht ganz unrecht haben.
Die zwischen 1968 und 1998 entstandenen Filme erzählen von den immer neuen Versuchen dreier Krimineller, durch einen von Bandechef Egon Olsen ausbaldowerten "großen Coup" reich zu werden. In der Synchronisation der DEFA wurde aus "Jeg har en kup!" ein "Ich habe einen Plan!", was zwar nicht wortgetreu, aber irgendwie genial ist - jedenfalls eröffnete diese freie Übersetzung in der ehemaligen DDR mit ihrer Zentralplanwirtschaft, der staatlichen Plankommission, den Plankennziffern, den Perspektivplänen, der nicht immer gelingenden Planerfüllung und der stets geforderten Plandisziplin eine Fülle von (angeblich) ungeplanten Anspielungen und Assoziationen auf den gründlich verplanten realsozialistischen Arbeitsalltag.
Die DEFA-Synchro tat noch etwas, das der Popularität zugute kam: sie schwächte den deftigen, oft mit Fäkalsprache angereicherten Humor des Original auf "familientaugliches Maß" ab. Das deutlichste Beispiel ist die ständige Redensart Benny Frandsens (das ist der mit den Hochwasserhosen und den gelben Socken): auf Dänisch sagt Benny bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit "skidegodt", ("Scheiße gut" oder "scheißgut"), auf deutsch "mächtig gewaltig". Auch Egon Olsens schier unerschöpflicher Fluchwortschatz wurde entschärft.

Die gelungene Synchronisation kann aber nicht allein erklären, wieso die Olsen-Bande in der DDR ein Riesenerfolg war. Wieso die Reihe vor 1989 im "Westen" floppte, ist jedoch kein Rätsel: die West-Synchronisation war einfach unterirdisch schlecht. Nach der "Wende" fanden die Olsens dank DEFA-Synchronisation auch im Westteil Deutschlands viele Freunde, "Kult-Filme" sind die dänischen Klamotten um das schräge Ganoventrio aber nach wie vor im "Osten".

Die Olsenbandenfilme bauen auf einem Handlungsmuster auf, das nur geringfügig variiert wird. Typischer Ablauf: Egon Olsen wird aus dem Gefängnis entlassen, wo er einen genialen Coup ausgetüftelt hat. Trotz aller Widrigkeiten gelingt der wahnwitzige Plan, bis er im letzten Moment an irgendeiner dummen Kleinigkeit doch noch scheitert. Egon wird als einziges Bandenmitglied verhaftet.

Das war aber nicht von Anfang an so: Der erste Film "Die Olsenbande" (1968) ist eine Actionkomödie, der Humor ist deutlich auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten (die Olsenbande verkehrt z. B. regelmäßig in "Connys Bordell"), und ist streckenweise eine Parodie auf Agentenfilme im Stil von "James Bond". Der zweite Film," Die Olsenbande in der Klemme" (1969), nähert sich dem Schema bereits an. Erst der dritten Film ist der erste "typische" Olsenbandenfilm:

Die Olsenbande fährt nach Jütland (Olsen-Banden i Jylland) von 1971

(Dänischer Trailer, ca. 3 min)

Egon Olsen sitzt (wieder einmal) im Gefängnis, wo er den Plan eines von den deutschen Besatzern im zweiten Weltkrieg erbauten Bunkers in die Finger bekommt, in dem ein Schatz liegen soll. Nach Egons Haftentlassung reist die Bande (mitsamt der Familie Kjeld Jensens, des Dicken) nach Jütland, zu den (aus Kopenhagener Sicht) hinterwäldlerischen Jüten, die einen (in Kopenhagener Ohren) unmöglichen Dialekt sprechen. (Es ist erstaunlich und für das Hörverständnis von Touristen mit magerem Volkshochschuldänisch manchmal frustrierend, wie viele deutlich voneinander abweichende Mundarten die Dänen in ihren kleinen Land unterbringen.)
In der Gegend um Thisted im Nordwesten Jütlands angekommen, macht sich die Bande auf die Suche nach dem Bunker. Nach einer Autopanne geraten sie an den Schrotthändler Mads Madsen und dessen stummen Gehilfen Betterøv, in einer Kleinstadt namens Hauerslev. Wie sich herausstellt, befindet sich der Strand mit dem bewussten Bunker ganz in der Nähe. Allerdings liegt der Bunker (ein typischer "Atlantikwall-Klotz") inzwischen größtenteils unter Wasser, womit die Schatzbergung "etwas" aufwendiger wird, als geplant.
Egon braucht also Startkapital und versucht deshalb, Mads Madsens Tresor zu knacken. (Der erste von zahlreichen Tresoren der Marke "Franz Jäger, Berlin" in den Olsenbanden-Filme.) Er wird jedoch von Madsen erwischt. Der Bande bleibt nichts übrig, als ihn einzuweihen und mit der Hälfte der Beute zu beteiligen. Mads will die für die Schatzbergung nötige Ausrüstung besorgen.
Außer der Olsenbande wissen aber noch Karin, eine ehemalige Einwohnerin Hauerslevs, und ihr Begleiter, der Ganove Rico, von dem Schatz. Rico versucht vergeblich Børge (den Sohn von Kjeld und seiner Frau Yvonne) zu entführen. Karin gelingt es dagegen, erfolgreich einen Leutnant zu becircen, der einen kleinen, über den Bunkern gelegenen, Militärstützpunkt befehligt.
Nach einige Schwierigkeiten und Gefahren - unter anderem einer noch scharfen riesigen Granate, die auf einer eher an eine Achterbahn erinnernden Munitionstransportschiene in Bewegung gerät - gelingt es der Olsenbande den Schatz zu bergen (Dollarnoten und Goldbarren, natürlich in einem Tresor von "Franz Jäger, Berlin").
In einer wilden Verfolgungsjagd gelingt es ihnen, auch Rico abzuschütteln. Die Bande versucht, sich nicht an die Abmachung mit Mads Madsen zu halten und gleich zum Flughafen zu fahren. Das Auto bleibt liegen, sofort taucht Madsens stummer Gehilfe Betterøv mit einem Abschleppwagen auf. Betterøv bringt die Bande zurück zu Mads Madsen, wo die Beute gemäß der Abmachung geteilt wird. Madsen behält die Goldbarren, die Olsenbande die Dollarnoten.
Egon bring das Geld zur Bank, während Benny, Kjeld, Yvonne und Børge in einem Café in Thisted feiern. Genau in dem Moment, in dem sie zufällig entdecken, dass die Dollars falsch sind, hören sie Polizeisirenen: Egon wird (wieder einmal) verhaftet.

Der dritte Olsenbanden-Film ist, bei aller Albernheit und allem Brachialhumor, kein wirklich "doofer" Film. Er steht in der Tradition der Slapstick-Komödien der Stummfilmzeit - damals machte das dänische Komikerduo Fy og Bi (deutsch: Pat und Patachon) auf dem europäischen Markt sogar den amerikanischen Slapsticks erfolgreich Konkurrenz.
Von den meisten anderen Olsenbanden-Filmen unterscheidet sich "Die Olsenbande fährt nach Jütland" dadurch, dass er einen 1971 noch heiklen Punkt berührt: Die deutsche Besatzungszeit Dänemarks im 2. Weltkrieg. Besonders heikel war dieser Punkt in Nordjütland. Einerseits litt die Bevölkerung dort mehr als in anderen Gegenden Dänemarks unter der deutschen Besatzung, vor allem wegen des Baus der gewaltigen Atlantikwall-Bunker, anderseits gab es in dieser vernachlässigten Gegend auch relativ viele Kollaborateure. Die auch in Dänemark wegen ihrer blutigen Racheakte gegen echte und leider auch nur vermeintliche Kollaborateure umstrittene Widerstandsbewegung "Holger Danske" hatten einen ihrer Schwerpunkte in Nordjütland.
Darauf kann eine in wesentlichem vom Slapstick lebende Filmkomödie natürlich nur andeutungsweise eingehen. Allerdings war das Thema "Nazizeit" an sich schon heikel. (Übrigens auch in der DDR - als Egon den Bunker durchstreift, entdeckt er plötzlich ein großes Porträt von Adolf Hitler. Diese Szene wurde aus der DEFA-Synchronfassung herausgeschnitten.) Auf einen aktuelleren heiklen Punkt stieg der Film allerdings ein: der Umgang des dänischen Militärs mit den weniger ruhmvollen Kapiteln der Besatzungszeit und den Hang, diese Zeit, bis auf einige unbestreitbare Heldentaten des Widerstandes, zu verdrängen. Die Militäranlage direkt auf deutschen Bunkern, in denen nicht einmal die Munition geräumt wurde (es sieht ganz so aus, als ob die Olsens die ersten wären, die den Bunker überhaupt untersuchen), spielt nicht nur auf die tatsächliche Weiternutzung ehemals nazideutscher Anlagen an (die ja durchaus nachvollziehbar ist), sondern auch darauf, dass die dänische Armee buchstäblich verdrängte, was so alles "unter ihr" lag.
Das vermischt sich natürlich mit den (in Dänemark typischen) sarkastischen Witzen über die angeblich notorisch geringe Kampfkraft und lasche Disziplin dänischer Streitkräfte, und mit (allerdings harmlosen) Witzeleien auf Kosten der Nordjüten.

Kleiner persönlicher Einschub: ich sah "Olsen-Banden i Jylland" während eines Dänemark-Urlaubs im dänischen Fernsehen. Sehr viel vom Text verstanden habe ich zugegebenermaßen nicht. Allerdings blieb mir deshalb gerade dieser Film besonders im Gedächtnis. In der deutschen Fassung habe ich später alle Olsenbanden-Filme gesehen. Bei manchen von ihnen weiß ich nicht allerdings nicht mehr warum.

Die Reihe der Olsenbande-Filme erstickte später an ihrem Schematismus. Dass sich die Masche erschöpfte, war Drehbuchautor Henning Bahs und Regisseur Erik Balling schon 1974 klar - der sechste Film sollte eigentlich der letzte sein. Zwar gilt der siebte Film (Die Olsenbande stellt die Weichen) wegen seiner gut durchdachten Handlung bei vielen Fans als der beste der Reihe, aber ist meiner Ansicht nach auch der letzte Olsenbandenfilm, der auch ohne vorherigen reichlichen Biergenuss (vorzugsweise "Carlsberg" oder "Tuborg") durchgehend unterhaltsam ist. Erst recht ist es zu bedauern, dass Bahs und Balling sich nicht gegen die Geschäftsführung der "Nordisk Film" durchsetzen konnten, als sie planten, die Bande mit dem zwölften und letzten Film in den Ruhestand zu schicken. Bei aller Selbstironie (und Ansätzen zur sozialkritischen Satire) wirken die späten Olsenbandenfilme auf mich eher peinlich.

Olsenbandefanclub Deutschland

Nordisk Film (Produktionsfirma)

Sonntag, 28. November 2010

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme - heute: Der Frosch mit der Maske

Er ist einer der prägendsten deutschen Kriminalfilme. Mit ihm begann die Serie der deutschen Edgar Wallace-Verfilmungen der 1960er Jahre. Die charakteristische Mischung aus klassischem "Wer war's?"-Kriminalfilm, Gruselkrimi und Kriminalkomödie, die durch das Spiel mit Licht und Schatten erzeugten düster-bedrohliche Atmosphäre, die knappen Dialoge, der pointierte Einsatz der Musik, aber auch die klischeehafte Zeichnung der Figuren wurden oft nachgeahmt, nicht nur von Wallace-Verfilmungen, bis die Masche Anfang der 1970er Jahre hoffnungslos ausgeleiert war.

Aber streng genommen ist "Der Frosch mit der Maske" (1959) gar kein deutscher Film!



Tatsächlich ist "Der Frosch mit der Maske" ein dänischer Film mit dem Originaltitel: "Frøen med masken"! Oder jedenfalls so in etwa.
Der Film wurde von der Rialto Film Preben Philipsen S/A im Auftrag des deutschen Constantin-Filmverleihs produziert. Gedreht wurde in Englisch, denn die überwiegend deutschen Darsteller konnten fast alle kein dänisch, die dänische Darsteller und das dänische Aufnahmeteam dafür meistens kein deutsch. Regie führte der Österreicher Harald Reinl. Irgendwie "englisch" wirkenden Ecken in Kopenhagen und Umgebung hielten als London her. Auf Außenaufnahmen an Originalschauplätzen verzichtet man - es wurde lediglich ein kleines Team nach England geschickt, das einige kurze Einstellungen ohne die Schauspieler drehte, die dann zwischen die Kopenhagener Szenen geschnitten wurden. (In späteren Edgar-Wallace-Filme aus dem Hause Rialto wurden "London" und "Südengland" meistens von Hamburg und Umgebung dargestellt.) Bis auf Joachim Fuchsberger in der Rolle des Richard Gordon waren die Schauspieler noch wenig bekannt. Alles in allem war "Der Frosch mit der Maske" eine ausgesprochene Billigproduktion.

Etwas zum Inhalt: Es geht um eine Gangsterbande, deren Mitglieder sich als Erkennungszeichen alle einen Frosch auf den Arm tätowieren lassen, und keine Ahnung haben, wer denn nun ihr oberster Boss ist - denn der verbirgt sich hinter einen Froschmaske aus Gummi. Der "Frosch mit der Maske" versetzt London in Angst und Schrecken, Inspektor Elk vom Scottland Yard tappt im Dunkeln und wundert sich, dass alle gefangenen "Frösche" sofort wieder befreit werden. Richard Gordon, der Neffe vom Scotland Yard-Chef Sir Archibald, ermittelt auf eigene Faust. Eine erste Spur führt zu einem gewissen John Bennet, der mit Sohn Ray und Tochter Ella (in die sich Gordon natürlich verguckt) in einem abgelegenen Haus auf dem Lande lebt. Die Bennets werden offensichtlich von der Froschbande bedroht, und auch der "Frosch" selbst interessiert sich für Ella. Ray schmeist seinen Job bei der Zeitung und arbeitet in der Lolita-Bar, einer finsteren Kneipe, die - wer hätte es gedacht - ein beliebter Treffpunkt für Mitglieder der Froschbande ist. Gordon lässt sich dort als Beleuchter einstellen.
Dann folgen die für Wallace-Krimis typischen "überraschende Wendungen": Sergeant Balder, Inspektor Elks Assistent, entpuppt sich als Mitglied der Froschbande. Ray gerät in Verdacht, Lew Brady, der ebenfalls zur Bande des Frosches gehört, erschossen zu haben. (Das Ende verrate ich nicht, obwohl die Zahl jener, die es nicht kennen, überschaubar sein dürfte.) Die Handlung ist übrigens spannender, als es meine Zusammenfassung vermuten lässt.

Der dänisch-deutsche "Billigschinken" wurde zum Überraschungserfolg.

Es ist meiner Ansicht nach kein Zufall, dass der erste auch "im Ausland" (im westlichen Kontinentaleuropa) erfolgreiche "deutsche" Nachkriegskrimi in England spielt, eine englische Romanvorlage hat und in Dänemark gedreht wurde. Auf dem "internationalen Markt" - also in Westeuropa außer den britischen Inseln - war ein dänischer Film nach Edgar Wallace besser zu vermarkten, als, nur 14 Jahre nach Kriegsende, ein deutscher, in Deutschland spielender Film nach einer Vorlage eines deutschen Kriminalschriftstellers, den niemand außerhalb des deutschen Sprachraums gekannt hätte.
Auch in Deutschland waren deutsche Kriminalfilme zu dieser Zeit wenig gefragt, weshalb der Constantin-Filmverleih, der sich von einer Wallace-Verfilmung einiges Marktpotenzial versprach, lange Zeit keinen Filmproduzent fand, der das Risiko eingehen wollte. Die dänische Rialto-Film wagte es. (Ergänzung: Die erfolgreiche englische Wallace-Verfilmung "The Ringer" ("Der Hexer") von 1952 überzeugte Barthel, den Chef der Constantin, davon, dass mit Wallace-Filmen Geld zu verdienen war.)
Nach dem Überraschungserfolg erwarb Rialto die Exklusivrechte fast aller Wallace-Romane, und gründete ein deutsches Tochterunternehmen, das die Filmproduktion in der BRD ab 1960 entscheidend prägte (u. A. entstanden auch die Karl-May-Filme der 1960er Jahre bei Rialto).

Der Erfolg war überraschend, aber erklärbar. Er liegt nicht etwa darin begründet, dass "Der Frosch mit der Maske" ein besonders guter Kriminalfilm wäre - das ist er nämlich nicht. Er sollte allerdings einer der besseren Wallace-Filme bleiben. Er ist düsterer und härter als die meisten seiner Nachfolger, die Handlung ist tatsächlich spannend und einigermaßen nachvollziehbar. Sicher trugen die immerhin brauchbaren schauspielerischen Leistungen und die gute Kameraarbeit zum Erfolg bei. Aber alles im allem - es gab wirklich bessere Krimis. Wenn auch nicht aus deutscher (oder dänischer) Produktion.

Ein Faktor, der zum Erfolg beitrug, war die Romanvorlage, die zwar nicht "sehr gut" (im literarischen Sinne), aber "seht gut geeignet" war - und zwar für einen unterhaltsamen Kriminalfilm.
Edgar Wallace gehört zu den meist verfilmten Kriminalautoren überhaupt - was nicht zuletzt daran liegt, dass seine Romane einfach zu verfilmen sind. Schon in den 1920er und 1930er Jahren gab es Edgar-Wallace-Filme, sogar aus deutscher Produktion.
Wallace schrieb auch Theaterstücke und Drehbücher, und achtete von vornherein auf die dramaturgische Wirkung seiner Krimis. Wallace war ein ausgesprochener Vielschreiber (es blieb ihm, bei seinem exzessiven Lebensstil und seiner Spielsucht, auch kaum etwas anderes übrig) - in den 1920er Jahren redeten Spötter vom "täglichen Wallace". Das zwang ihn zum schematischen Schreiben und ließ seine Figuren flach und klischeehaft wirken. Trotz "Schema F" möbelte Wallace seine Romane mit immer neuen bizarren Einfällen, Wendungen und makaberen Scherzen auf. "The Fellowship of the Frog" (ein Titel, der unwillkürlich an eine "Herr der Ringe"-Parodie denken lässt - Tolkien schrieb den ersten Teil seiner Romantrilogie allerdings erst gut 20 Jahre später) ist ein recht typisches Produkt der "Wallaceschen Schreibmühle", entstand 1925 und gehört zur einer kleinen Serie um Detective Inspector Elk.
Was Wallaces bessere Krimis immer noch lesenswert macht, ist sein journalistisch geschulte Blick auf die Abgründe der britischen Gesellschaft nach dem 1. Weltkrieg. Selbst die besten Familien, die seriösesten Unternehmen, sogar die Polizei haben ihre dunklen Punkte. Grundsätzlich jeder kann ein Verbrecher sein. Intrigen und Verschwörungen sind allgegenwärtig; es geht immer um viel Geld. Und um Sex, auch wenn Wallace das nur andeutet. Seine Frauen sind ansatzweise "modern" (für die Verhältnisse des frühen 20. Jahrhunderts natürlich). Viele Mörder und Drahtzieher sind bei Wallace paranoide Frauenhasser, während die kleinen Ganoven entweder von Frauen beherrscht werden oder sich gedankenlos-sadistisch an Frauen vergehen.

Die Abgründe der westdeutschen Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg waren noch tiefer, es wurde noch mehr verdrängt und hinter der Maske so manchen "ehrbaren Bürgers" verbarg sich ein (Nazi-)Verbrecher. Edgar-Wallaces-Stoffe trafen wahrscheinlich den unterschwelligen Zeitgeist der damaligen BRD. (Zu diesen Abgründen gehört auch, dass Regisseur Reinl sein Handwerk als Assistent bei Leni Riefenstahl gelernt hatte - und dass Frau Riefenstahl in den 1950er Jahren in der BRD weitaus stärker "geächtet" war, als z. B. Veit Harlan, der Regisseur von "Jud Süß". In Deutschland wurden, im Gegensatz zu den USA und Japan, ihre Werke boykottiert oder viellmehr ignoriert.)
Die Edgar-Wallace-Filme passten zur Mentalität der "Wirtschaftswunderjahre", zur schlecht verhüllten Gier nach Geld und Luxus, egal wie. Sie passten auch zu der allgegenwärtigen Verdrängung und dem unterschwelligen Wissen, dass grundsätzlich jeder ein (Nazi-)Verbrecher sein könnte. Typische Figuren bei Wallace sind Menschen mit einer furchtbaren Vergangenheit, Menschen, die genau wissen, dass ihr Vermögen oder ihre gesellschaftlicht Stellung auf Unrecht beruht, und die Angst haben, alles könne auffliegen und zusammenbrechen.
Die deutschen Wallace-Verfilmungen konzentrieren sich auf diese Aspekte der Vorlage. Damit werden sie zu Rachephantasien - an denen mit der dunklen Vergangenheit, den maßlos Gierigen, den Heuchlern, den Korrupten, den Intriganten. Bei dreckigen, klischeehaften Krimis funktionieren diese Rachephantasien besser, als in besser konstruierten, realistischeren Kriminalfilmen. Die Wallace-Krimis sind (für deutsche Verhältnisse) verdammt dreckig und (nicht nur für deutsche Verhältnisse) verdammt klischeelastig.

Zum Erfolg von "Der Frosch mit der Maske" trug sicher auch der Bruch mit der Nachkriegs-Biederkeit bei. Dazu gehört die Gewaltdarstellung mit leicht sadistischem Unterton. Dazu gehört der schwarze Humor. Aber auch die lässig-weltmännischen Umgangsformen der Protagonisten gehören dazu. Aus heutiger Sicht wirkt das ziemlich brav, vergleicht man es aber mit anderen deutschen Filmen dieser Zeit, muss es ausgesprochen erfrischend gewirkt haben. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass das anders gewesen wäre, würde dieser Film nicht in "London" spielen.
Ein deutscher Polizeichef, der so leicht vertrottelt wie der Scotland-Yard Chef Sir Archibald daherkommt, der weder von Inspektor Elk noch von Richard Gordon sonderlich ernst genommen wird, wäre 1959 noch ein Unding gewesen.

Kein wirklich guter Film, gewiss nicht - aber von den doofen einer der besten!

Sonntag, 31. Oktober 2010

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme - heute: "Godzilla" (1954)

Er ist gewissermaßen der Klassiker unter den gut-doofen Filmen. Der Film, der sehr vielen Filmfreunden als erster einfallen dürfte, wenn man sie nach einem richtig blöden Film, der aber auf seine Art richtig gut wäre, fragt:
Gojira 1954
Ishirō Hondas erster Gojira- bzw. Godzilla-Film aus dem Jahr 1954!

Godzilla war der Prototyp eines überaus erfolgreichen Genres, des Kaiju-Films, genauer gesagt, des Daikaiju-Films. ("Kaiju" heißt nichts anderes als "Ungeheuer" und "Daikaiju" "Riesen-Ungeheuer", aber die japanischen Filme dieser Art haben so viele kulturell bedingte Eigenarten gegenüber Monsterfilmen us-amerikanischer oder europäischer Machart, dass sich, wie beim "Anime", diese Bezeichnung international durchsetzte.) Die meisten Daikaiju-Filme sind, nicht nur meiner Ansicht nach, einfach nur doof, sehenswert allein durch viel unfreiwillige Komik und die manchmal imponierend geschickt gemachten, manchmal herrlich grotesk schlechten, Spezialeffekte

Aber "Godzilla" ist nicht nur doof. Dieser Film hat einige überraschende Qualitäten.
Die erste Überraschung für alle, die deutsche Unterscheidung zwischen "E-" und "U-Kultur" oder die US-amerikanische Trennung zwischen "A-", "B-" und "C-productions" verinnerlicht haben, ist, dass Honda als Regie-Assistent an mehreren anspruchsvollen und als Filmklassikern geltenden Filmen des berühmten japanischen Regisseurs Akira Kurosawa mitarbeitete und darüber hinaus ein enger Freund und Vertrauter Kurosawas war. Wahrscheinlich führte Honda bei der Episode "Der Tunnel" in Kurosawas großartigem und viel gelobten Episodenfilm "Yume" ("Träume" bzw. "Akira Kurosawas Träume")von 1990 Regie. Glaubt man der Internet Movie Database (auf die im Großen und Ganzen Verlass ist), dann führte Honda bei den Episoden "Der Tunnel", "Fujiyama in Rot" und dem Prolog und Epilog von "Der weinende Menschenfresser" Regie und schrieb für "Der Tunnel" und "Fujiyama in Rot" die Drehbücher. Auch an anderen Alterswerken des gesundheitlich schon angeschlagenen Kurosawas soll Honda entscheidend beteiligt gewesen sein - in welchen Umfang ist aber reine Spekulation. Anscheinend wird über solche Dinge in Japan, anders als etwa im klatschfreudigen Hollywood, diskret hinweggegangen. Offiziell arbeitete Honda nur als Regieassistent an den Kurosawa-Filmen "Kagemusha" (1980), "Ran" (1985), "Träume" (1990), "Rhapsodie im August" (1991) und "Madadayo" (1993) mit.

Honda konnte also auch "anspruchsvoll", auch wenn er durch seine Monsterfilme weltberühmt wurde. (Auf der offiziellen Ishiro Honda website (engl.) erfährt man, wie vielseitig der "Trash-Filmer" in Wirklichkeit war.)

Zum Inhalt: Bei der Insel Odo sinkt auf rätselhafte Weise ein Fischtrawler, auch zwei Schiffe, die die Vorfälle untersuchen sollen, erleidet dieses Schicksal. Auch die wenigen Überlebenden können nichts Genaues sagen.
Die Bewohner der Insel Odo kennen eine Legende um ein Ungeheuer namens Gojira (ゴジラ, zusammengesetzt aus "gorira (ゴリラ) "Gorilla", und "kujira" (クジラ) "Wal"), das an Land nach Nahrung sucht, wenn es im Meer keine Fische mehr findet. Nur wenn ihm junge Mädchen geopfert würden, könnte es wieder besänftigt werden. In der Nacht steigt Gojira aus dem Meer, die Insel wird teilweise zerstört.
Herbeigeeilte Wissenschaftler unter Professor Yamane entdecken gewaltige radioaktive Fußabdrücke auf der Insel. Professor Yamanes Erklärung: Gojira hätte Jahrmillionen unter Wasser verbracht und wäre von Atombombenversuchen aufgeschreckt worden. Im Seegebiet, in dem Gojira vermutet wird, wirft die Marine Wasserbomben ab, gegen den Rat von Yamane, der sich weigert, eine Methode zu finden, das Ungeheuer zu töten.
Seine Tochter Emiko besucht Dr. Serizawa, dem sie seit ihrer Kindheit versprochen ist. Dr. Serizawa hat den "Oxygen-Zerstörer" erfunden, ein Gerät, dass den Sauerstoff in seiner unmittelbaren Umgebung zersetzt und damit alles Leben vernichten kann. Da der Oxygen-Zerstörer in den falschen Händen zur einer fruchtbaren Waffe werden könnte, nimmt er Emiko das Versprechen ab, niemanden von seiner Erfindung zu erzählen.
Gojira lässt sich auf seinem Weg in Richtung Tokio weder vom Militär, das buchstäblich sein ganzes Waffenarsenal gegen das Ungeheuer verfeuert, noch von Hochspannungskabeln aufhalten. Gojira zerstört Tokio fast vollständig.
Als Emiko die Zerstörung und das Elend sieht, erzählt sie dem Marineoffizier Ogata von Serizawas Erfindung. Serizawa weigert sich so lange, den Oxygen-Zerstörer einzusetzen, bis er die Fernsehbilder der von Gojira verursachten Verwüstungen sieht.
Emiko, Ogata, Serizawa und Professor Yamane fahren mit einem Schiff auf die Bucht von Tokio, in der Gojira, nachdem er von einer Staffel Jagdflugzeuge mit Raketen beschossen wurde, untergetaucht ist. Ogata und Serizawa tauchen hinab, und setzen den Oxygen-Zerstörer ein. Von Gojira bleiben nur noch die Knochen übrig. Während Ogata wieder auftaucht, bleibt Serizawa unten, wünscht Ogata, dass er mit Emiko glücklich werden soll. Niemand soll das Geheimnis der furchtbaren Waffe kennen. Dann schneidet der junge Wissenschaftler den Luftschlauch seines Helmtauchanzugs durch.
Professor Yamane sagt am Schluss, dass, wenn die Menschheit weiterhin Atomwaffen bauen würden, noch weitaus schlimmere Ungeheuer geweckt werden könnten.

Alles in Allem ist die Story von "Gojira" zwar schlicht, aber keineswegs dumm: Eine eindringliche Parabel auf die Gefahren des Atomzeitalters, verpackt in ein modernes Märchen.
1954, als "Godjira" gedreht wurde, waren die Erinnerungen an die Schrecken der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki noch frisch.
Der unmittelbare Anlass für den Produzenten Tomoyuki Tanaka, eine Parabel auf die Gefahren des Atomzeitalters drehen zu lassen, war ein skandalöser Vorfall um den japanischen Fischtrawler Dai-go Fukuryū-maru ("Glücklicher Drache V"), der am 1. März 1954 durch den Fallout eines US-amerikanischen Kernwaffentest radioaktiv kontaminiert wurde. Alle 23 Besatzungsmitglieder erlitten eine schwere Form der Strahlenkrankheit. Der Funker Aikichi Kuboyama verstarb am 23. September 1954 daran, sechs weiter Besatzungsmitglieder erkrankten an Leberkrebs.
Eigentlich arbeitete der Produzent Tanaka an einen anderen Filmprojekt, das aber scheiterte. Das Filmunternehmen Toho verlangte von ihm daraufhin einen Film, egal welchen, der die Verluste wett machen sollte, den aber möglichst schnell!
Nach dem "Glücklichen Drachen"-Vorfall verfiel Tanaka auf die Idee mit dem durch Atombomben geweckten Monster. Das Vorbild war der Film "The Beast from 20,000 Fathoms" (1953), in dem ein im Polareis eingefrorener Dinosaurier durch einen Atomversuch "aufgetaut" wurde. Aber "Gojira" ist alles andere als eine Kopie - dafür sorgten schon die Tanakas und Hondas Erinnerungen an die atomar zerstörten Städte Hiroshima und Nagasaki, und der Einfluss der japanischen Mythologie.
Die Anfangsszene des Films, in der der Trawler "Bingo Maru" von Gojira angegriffen wird, und spätere Szenen, in denen Überlebende anderer Angriffe mit radioaktiven Verbrennung gefunden wurden, sind eng an den "Glücklicher Drache"-Vorfall angelehnt. Gojiras Angriff auf Tokio hat die Wirkung einer Atombombe - nur langsamer, und das in Ruinen liegende Tokio erinnert stark an die Bilder vom zerstörten Hiroshima. Die Allegorien sind plakativ: der "Flammenatem" des "Drachen" wird im Film "atomarer Strahl" genannt, und veranschaulicht offensichtlich die unsichtbare Wirkung der Radioaktivität, so wie die Fußspuren, in denen buchstäblich "kein Gras mehr wächst", für den Fallout stehen.

Ich vermute, dass es kein Zufall ist, dass Gojira nicht, wie sein Name nahelegt, eine Mischung aus Gorilla und Wal, oder, wie von Tanaka in Erwägung gezogen, ein Riesenkrake ist, sondern eindeutig ein feuerspeiender Drache, notdürftig als "mutierter Dinosaurier" getarnt.
Ähnlich wie in China und anders als im christlichen Europa sind Drachen in Japan keine durchweg "bösen", sondern ambivalente Wesen. Die meisten japanischen Drachen sind Gottheiten des Wassers, und sind, anders als ihre chinesischen Verwandten, nur selten geflügelt. Die Drachen aus japanischen Mythen haben oft die Fähigkeit des Gestaltwandels: Sie können sich in Menschen verwandeln, und Menschen in Drachen. (Kuriosum am Rande: Eine Eigenschaft, die sie mit vielen Drachen der nordisch-germanischen Mythologie teilen.) Der Tennō, der japanische Kaiser, nimmt traditionell eine Abstammung vom Drachenkönig und Meeresgott Ryūjin für sich in Anspruch.
Der Umstand, dass der radioaktiv kontaminierte Fischtrawler ausgerechnet nach dem Glücksdrachen Fukuryū benannt war, könnte den Anstoß gegeben haben, aus Gojira einen zornigen Meeresdrachen zu machen.
In späteren Filmen durfte Gojira (bzw. sein Artgenosse) dann auch ein "gutes", beschützendes Daikaiju sein - ganz wie es einem japanischen Meeresdrachen zukommt.

Gojira wurde aufgrund einer fehlerhaften Transskription der Katakana (Silbenschriftzeichen) in der US-Fassung zu "Godzilla".

Offensichtlich ist die Körperform Gojiras von den Theropoden, auf zwei Beinen laufenden, fleischfressenden Dinosauriern inspiriert, auch wenn seine Rückenplatten an einen Stegosaurus erinnern.
Ursprünglich wollte Eiji Tsuburaya, der Spezialeffekt-Regisseur, Gojira in Stop-Motion-Technik animieren lassen, aber der enge Terminplan ließ dieses zeitraubende und kostspielige Verfahren nicht zu. Also stieg ein Stuntman, Katsumi Tezuka, in ein schweres Kostüm aus Gummi und trampelte zwischen Gebäude-Modellen herum. Ironisch wurde diese Improvisation in Anlehnung "Stop Motion" "Suitmation" genannt, und wurde ein "Markenzeichen" der Daikaiju-Filme.

Notgedrungen führt Suitmation zu einer für Zweibeiner-Dinos untypischen Körperhaltung:
Dino vs Godzi
Diese beiden in dieser Hinsicht originalgetreuen Spielzeugmodelle zeigen den Unterschied der Körperhaltung zwischen einem Tyrannosaurier (links) und Godzilla: der Dinosaurier hält seinen Körper nahezu waagerecht, Godzilla steht aufrecht.
Was das Größenverhältnis angeht: Wie viele andere Riesenmonster (z. B. der erste "King Kong") ist Godzilla größenvariabel, je nach Umgebung schwankt seine erkennbare Höhe zwischen 30 und 150 Metern.

Der (meiner Ansicht nach einzige) Vorzug von Roland Emmerichs "Godzilla" (USA, 1998),ist dann auch die dinosauriermäßige Körperhaltung des computeranimierten Monsters, das von von Fans des japanischen Originals GINO ("Godzilla In Name Only") genannt wird.

Donnerstag, 12. August 2010

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme: Das Dschungelbuch (Disney)

Die meisten "gut-doofen" Filme sind doof, aber trotzdem irgendwo, auf ihre Weise, gut.
Dieses Mal geht es um einen Film, der wirklich gut ist, sogar zurecht als Klassiker und Meisterwerk seines Genres gilt - aber zugleich wirklich grottenolmig dämlich ist. 100 % gut, 100 % doof - und derselbe Film. (Das ist so ähnlich wie mit dem Welle-Teilchen-Dualismus in der Quantenphysik - die damit auch für das Gebiet der Filmkritik ihre Gültigkeit beweist Zwinkern.)

Es geht um den Zeichentrickfilm Das Dschungelbuch.

Der letzte von Walt Disney selbst produzierte Zeichentrickfilm gilt zurecht unter nicht wenigen Filmfreunden als der beste Film aus Disneys Werkstatt. Andere finden ihn grässlich - ebenfalls zurecht.
Das Dschungelbuch polarisierte vor allem amerikanische Kritiker. Einige Lobeshymnen feierten den Film, weil er etwas völlig Eigenständiges aus der Vorlage gemacht habe, die Songs wahre Ohrwürmer und die Animationen und Hintergründe Glanzleistungen seien. Doch gab es auch harsche Kritiken, die dem Film einen Mangel an Atmosphäre und Spannung vorwarfen. Mittelmäßige Kritiken fanden sich kaum.
Das Dschungelbuch (1967) (wikipedia.de)

Warum ist "Das Dschungelbuch" ein richtig guter Film? Zwar wird in praktisch allen abendfüllenden Disney-Filmen ausgiebig gesungen, aber das Konzept eines Zeichentrick-Musicals wurde bei Disney vorher und später nie so konsequent umgesetzt. Der Film hat alle Stärken der "klassischen" Disney-Filme, besonders die liebevolle zeichnerische Gestaltung. Er profitiert sehr davon, dass die für viele Disney-Filme typische sentimentale Liebesgeschichte auf ein Minimum reduziert wurde - und damit die Gelegenheiten, Disney-Kitsch unterzubringen. Das "Dschungelbuch" ist, selbst wenn man strenge Maßstäbe anlegt, kindgerecht, aber auch für Erwachsene unterhaltsam.
Vor allem aber profitiert der Film von der Musik. Das bekannteste Lied ist "The Bare Necessities" ("Probier's mal mit Gemütlichkeit") (von Terry Gilkyson, Oscar-Nominierung). Die deutsche Fassung ist meiner Ansicht nach eines der wenigen Beispiele für einen deutschen Text eines Disney-Film-Songs, der mindestens so gelungen ist wie das Original - wahrscheinlich, weil die deutsche Fassung streng genommen keine Übersetzung, sondern eine Neudichtung ist:


Die liebevolle deutsche Synchronfassung, die auf einer größtenteils sehr freien Übersetzung des Originals beruht, trug viel dazu bei, dass "Das Dschungelbuch" im deutschen Sprachraum einen "Kultstatus" erwarb, den der Film in den USA niemals erreichte. Ich kenne die deutsche und die englische Fassung, und habe den Eindruck, dass die deutsche Fassung viele Schwächen des Originaldialogs ausbügelte und einfach witziger ist. Ich kann die US-Kritiken, die "The Jungle Book" zu wenig Atmosphäre vorwarfen, nach dem Ansehen der Originalfassung zumindest nachvollziehen.

Aber "Das Dschungelbuch" ist auch ein richtig doofer Film. Nicht deshalb, weil es mit seinen lustigen Buschbewohnern ein Etikettenschwindel ist, denn das Zeichentrick-Musical hat mit Rudyard Kiplings "The Jungle Book" bis auf einige Elemente der Grundhandlung und die Namen der Protagonisten nichts gemeinsam. Walt Disney wollten einen heiteren, witzigen Film für die ganze Familie und bekam ihn, auch wenn das bedeutete, dass die enger an Kipling angelehnten, also düstereren und dramatischen, ursprünglichen Storyboards und die komponierten Filmsongs (bis auf "The Bare Necessities") verworfen wurden.
Dieser Etikettenschwindel schadet dem Film nicht - wohl aber dem Ruf der für "jugendbuchverhältnisse" ziemlich philosophisch angelegten literarischen Vorlage.
Aus der Sicht wohl aller halbwegs auf inhaltliche Tiefe und die Integrität ihrer Schöpfungen bemühten Schriftsteller wäre es ein mittelschwerer Alptraum, ihr Werk auf diese Weise "disneyfiziert" zu sehen.

Noch zu Lebzeiten von J.R.R. Tolkien sicherte sich Walt Disney 1956 die Filmrechte am "Der Herr der Ringe". Allerdings empörte sich Tolkien derart über den ihm zwei Jahre später vorgelegten Drehbuchentwurf, dass er testamentarisch verfügen ließ, eine Verfilmung seiner Werke durch Disney zu verbieten. 1959 zog Disney dann seine Option zurück. Ich habe wenig Zweifel daran, dass Joseph Rudyard Kipling zu Lebzeiten ähnlich gehandelt hätte.

Disney bekannte sich nicht nur dazu, reine Unterhalt zu produzieren - was ja nichts Verwerfliches ist - sondern kultivierte geradezu die Oberflächlichkeit seiner Filme. Er wollte keine Kunst produzieren. Dass die ambitionierteren Filme "Phantasia" und "Dornröschen" (aus Disney erfolgsverwöhnter Sicht) erst einmal (relative) kommerzielle "Flops" waren, bestätigte ihn in seiner Haltung, dass zu viel Niveau nur das Publikum vergrault. Ein tieferer Grund mag gewesen sein, dass Disney politisch sehr konservativ war, und sich vor politischen und gesellschaftskritischen Deutungen der unter seiner Leitung entstandenen Werke geradezu gefürchtet zu haben scheint. Ein einfaches Gegenmittel: Was keine Tiefe besitzt, lässt auch keinen Raum für Ausdeutung.
Dem Konzept der absichtlichen Oberflächlichkeit blieben auch seine Nachfolger weitgehend treu.

Das "Dschungelbuch" passt in eine in sehr vielen Disney-Produktionen (von "Schneewitchen" über "König der Löwen" bis "Findet Nemo") immer wiederkehrende "Disney-Standard-Storyline": Ein Kind verliert seine Eltern oder wird von ihnen getrennt, das Kind muss eine Reise antreten und schließt dabei Freundschaft zu eher "zwielichtigen" Charakteren, die es begleiten. Es gibt Verschwörungstheoretiker, die darin eine verborgene, manipulative Agenda sehen, vor allem, wenn sie wissen, wie weit politisch rechts Walt Disney stand. Ich sehe darin eine einfache Formel, die funktioniert und deshalb ohne viel nachzudenken wieder und wieder angewendet wird. Im Falle des "Dschungelbuchs" war es wohl eine zu einfache Formel. Am Besten lässt sich dieser ausgesprochene Nichtdenkerstreifen genießen, wenn man ihn als Nummernrevue oder als Aneinanderreihung von Musikvideos sieht, und die Handlung dazwischen nicht weiter beachtet.

Zur Zeit seiner Erstaufführung (1967 / 68) wurde "The Jungle Book" in den USA sogar Rassismus vorgeworfen. Aus heutige Sicht und aus europäischer Perspektive wirkt das überzogen. Sieht man aber den Film vor dem Hintergrund der Rassenunruhen der 60er Jahre, der Bürgerrechtsbewegung und den politischen Morden an Malcom X, Martin Luther King und Robert Kennedy an, dann ist ein gewisses Unbehagen nachvollziehbar. Der Affenkönig King Louie war wahrscheinlich nicht absichtlich rassistisch gemeint - vielleicht war er sogar eine humorvolle Hommage an den "King of Jazz" Louis Armstrong. Aber 1967 / 68 stieß es unangenehm auf, dass ein Orang-Utan aus dem Dschungel einen als "schwarz" geltenden New Orleans-Akzent spricht (obwohl er vom "weißen" New-Orleans-Jazzer Louis Prima synchronisiert wurde) "schwarze" Musik, also Jazz, macht und einige (eindeutig einer "schwarzen" Tradition entstammenden) Scat-Einlagen bringt. Der Rassismus-Vorwurf kam daher, dass King Louis gerne genauso wäre wie Mowgli, der, obwohl eindeutig als indischer Junge gezeichnet, wohl als "weiß" eingeordnet wurde: "I Wanna Be Like You". Die Interpretation, dass sich "Das Dschungelbuch" über "Affen" lustig macht, die gleichberechtigt sein wollen, was nur Chaos und Zerstörung nach sich zieht, ist vielleicht doch nicht völlig an den Haaren herbeigezogen.
Viele Kritiker werden sich an den 1946 erschienene Disney-Film "Song of the South" ("Onkel Remus' Wunderland") erinnert haben, der deutliche rassistische Untertöne hat. Der von James Baskett gespielte Schwarze Sklave Remus war so einfältig angelegt, dass ihm sogar der Zeichentrickhase "Meister Lampe" intellektuell überlegen war. (Wahrscheinlich aus Image-Gründen ist "Onkel Remus' Wunderland" nie auf DVD herausgekommen, trotz des Wunsches vieler Fans.) Übrigens war Mowgli die erste nicht eindeutig "weiße" menschliche Hauptperson in einem Disney-Zeichentrickfilm. Bis zur ersten eindeutig "schwarzen" Disney-Trickfilm-Hauptfigur sollten weitere 40 Jahre vergehen.

Dass Disneys "Dschungelbuch" unterhaltsam, aber strohdumm war, fiel mir übrigens schon als Junge auf, wenn auch nicht gleich beim ersten Ansehen - ich sah den Film das erste Mal an meinem 7. Geburtstag. Als ich ihn, so mit 9, zum zweiten Mal sah, fielen mir, als elend altklugem Besserwisser, Typ "kleiner Professor", zahlreiche "Fehler" auf - mir wären noch mehr aufgefallen, wen ich Kiplings "Das Dschungelbuch" damals schon gelesen hätte. Der auffälligste Fehler: Woher hat Mowgli seine unverwüstliche und anscheinend mitwachsende rote Hose? (Kein selbst gemachter Ledenschurz wie der von "Tarzan", der noch irgendwo plausibel war.) Es ist bezeichnend, dass ich sprechende Tiere, jazzende Affen und hypnotisierende Schlangen weitaus leichter akzeptierte ...

Sonntag, 27. Juni 2010

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme: Liane, das Mädchen aus dem Urwald

Nach längerer Zeit und an die Nackedei-Zensur-Sache, die Wirr-Licht passiert ist, anknüpfend, stelle ich wieder einen "gut-doofen" Film vor. Dieses Mal einen deutschen Film aus den 1950er Jahren, der nicht unbedingt repräsentativ für die deutschen Filme der 1950er Jahre ist. Liane, das Mädchen aus dem Urwald

Liane Plakat

Zur Handlung:
Eine Expedition findet im Südosten Afrikas eine junge weiße Frau. die die weibliche Ausgabe Tarzans sein könnte, wenn sie einige Mädchenklischees weniger erfüllen würde. Thoren, der Kameramann der Expedition verguckt sich in sie. (Thoren wird gespielt von Hardy Krüger, später einer der wenigen deutschen Schauspieler, die eine internationale Filmkarriere machten.) Er fängt das "wilde Mädchen" buchstäblich ein. Anhand eines Foto wird sie als Liane identifiziert. Ihr einziger lebender Verwandter ist der sehr reiche Reeder Amelongen, der sich zur Ruhe gesetzt hat. Die Reederei wird von seinem Neffen, dem skrupelosen Viktor Schöninck, geleitet, den sein Onkel zu seinem Universalerben eingesetzt hat, da er nicht wusste, dass seine Enkelin Liane noch lebt. Schöninck fürchtet, Liane könnte ihm sein Erbe und seinen ertragreichen Geschäftsführerposten streitig machen und intrigiert gegen sie. Nach vielen vergeblichen, von Schönrick angeleierten, Versuchen, das Mädchen als Schwindlerin zu entlarven, findet der alte Amelongen einen eindeutigen Beweis für die Herkunft Lianes. Doch bevor das öffentlich bekannt wird, wird der alte Reeder ermordet aufgefunden. Die Indizien deuten auf Lianes Begleiter, den Wo-Do-Krieger Tanga, als Mörder hin. Es stellt sich jedoch heraus, dass Schöninck den alten Mann umgebracht hat.
Liane kommt mit der Zivilisation nicht zurecht, und kehrt an der Seite von Thoren in ihren Urwald zurück.

Auch wenn es Ansätze zu einer flotten Mischung aus Abenteuerfilm und Krimi gibt, erstickt "Liane" streckenweise geradezu in Klischees. Aus heutiger Sicht ist der Film frauenfeindlich und streckenweise rassistisch. Hardy Krüger nannte "Liane" nicht von ungefähr später den schlechtesten Film, den er jemals gedreht hätte.

Ein dünner Tarzan-Aufguss mit Softporn-Einlage? Nicht ganz. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass einige Tarzan-"Klassiker" genau so klischeehaft, albern und oft weitaus rassistischer sind.

Die meisten Tarzan-Filme etwa ab Mitte der 30er Jahre sind ausgesprochen prüde und in erotischer Hinsicht geradezu klinisch "sauber" - was bei einem gut gebauten Helden im Lendenschurz in gewisser Hinsicht wieder eine reife Leistung ist. Diesen Vorwurf kann man "Liane, das Mädchen aus dem Urwald" gewiss nicht machen.
So leicht bekleidet wie die 1956 erst 16 Jahre alte Hauptdarstellerin Marion Michael - im Lendenschurz und "oben ohne" - traute sich damals außerhalb des "Sittenfilms" niemand auf die Leinwand. So viel Nacktheit - auch die Darstellerinnen der Afrikanerinnen trugen nicht viel mehr am Leib als Marion Michael - wäre in den USA damals und auch später noch absolut undenkbar gewesen, und ist auch für bundesdeutsche Verhältnisse der 50er Jahre ein kleines Wunder - der Film war, leicht geschnitten, sogar "ab 10" freigegeben.

Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass das Kokettieren mit nackter, weiblicher Haut und der Appell an männliche Sexualfantasien eiskalt kalkuliert war, um einen Film mit deutlichen Drehbuchschwächen kommerziell zu retten. Seit jeher gelang es dem "exotischen" Abenteuerfilm, Nacktheit durch angebliche "Natürlichkeit" an der Zensur vorbeizuschmuggeln, so dass das vielleicht weniger gewagt war, als es im Nachhinein wirkt. Der Film ist zwar tatsächlich so harmlos, wie es die Freigabe nahe legt, aber was sich im "Kopfkino" junger, männlicher Kinobesucher abspielte, die in der sexuell miefigen Atmosphäre der Adenauer-Zeit aufwuchsen, lässt sich denken. Ich vermute, dass auch die unfreiwilligen Werbung der katholischen Kirche, die den "Sittenverfall" anprangerte, von vornherein einkalkuliert war - auf den "Beißreflex" des katholischen "Filmdienstes" bei "unzüchtig" bekleideten Darstellern war Verlass.
Finanziell war der Film jedenfalls ein großer Erfolg. Liane, die fast nackte "verführerisch-unschuldige Kindfrau", machte ihn zum ersten deutsche Kultfilm der Nachkriegszeit.
Gut an "Liane, das Mädchen aus dem Urwald" ist, dass er etwas für die Durchlüftung der miefigen bundesdeutschen Moralverstellungen der damaligen Zeit tat.

Allerdings hat die Produktion auch eine "dunkle Seite" - nicht im Sinne der "öffentlichen Moral" als im Sinne der privaten Moral des Filmproduzenten Gero Wecker. Er band seine "Entdeckung" mit einem über sieben Jahre laufenden Knebelvertrag an seine Filmgesellschaft und zwang sie in eine Laison, von der sie verzweifelt versuchte loszukommen. Das Leben der sozial engagierten, wahrscheinlich sehr idealistischen Frau glich einer tragischen Achterbahnfahrt, 2007 starb die Film- und Theaterschauspielerin. Schauspielerin Marion Michael - Das "Mädchen aus dem Urwald" ist tot (Spiegel)

Im "Wikipedia"-Artikel Liane, das Mädchen aus dem Urwald stehen aufschlussreiche Angeben über die Freigabepraxis:
Liane, das Mädchen aus dem Urwald wurde vom Arbeits- und Hauptausschuss der FSK (AA: 1. Oktober 1956, HA: 19. Oktober 1956) zunächst mit drei Schnitten ab 10 Jahren freigegeben.

Der Film erregte bei seinem Erscheinen erhebliches Aufsehen, da die Hauptdarstellerin Marion Michael darin, wie auch die afrikanischen Statisten und Statistinnen, teilweise nur mit einem Lendenschurz bekleidet war. Die Szenen sind aus heutiger Sicht harmlos, sorgten damals aber für große Entrüstung. Auch deswegen wurde der Film ein großer finanzieller Erfolg.

Die Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) bemühten daraufhin ein Wiederaufnahmeverfahren, das wegen Verfahrensmängeln wiederholt werden musste. Der Arbeitsausschuss legte den Film in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1956 auf ab 12 Jahren fest, der Hauptausschuss gab den bereits seit vier Monaten laufenden Film schließlich am 13. Februar 1957 mit knapper Mehrheit ab 16 Jahren frei. Der letztinstanzliche Rechtsausschuss bestätigte aber am 6. April 1957 die Freigabe ab 10 Jahren. Umstritten war dabei, ob sich auch eine leicht beschürzte Weiße unter oberkörperfreien Afrikanerinnen bewegen könne. Bei letzteren unterstellten die Prüfer keine sexuelle Reizwirkung.[1]

Die FSK senkte in der Prüfung vom 8. Juli 1974 die Altersgrenze auf ab 6 Jahre, erhöhte sie in der Prüfung vom 22. März 1990 aber auf ab 12 Jahre.
Die Angabe, dass die Prüfer bei oberkörperfreien schwarzen Frauen keine "sexuelle Reizwirkung" unterstellten, stammt aus: Jürgen Kniep: „Keine Jugendfreigabe!“. Filmzensur in Westdeutschland 1949-1990, Wallstein Verlag Göttingen 2010 ISBN 978-3-8353-0638-7

Ich neige dazu, zu vermuten, dass es dabei weniger um die "sexuelle Reizwirkung" ging - ich wüsste nicht, wieso dunkelhäutige Frauen für Weiße generell sexuell unattraktiv sein sollten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass den Prüfern das klar war - so weltfremd sind nicht einmal FSK-Prüfer, selbst nicht in den 50ern.
Es ging wohl um das Klischee, dass "Negerinnen" und andere "Wilde" im Urwald natürlich barbusig herumlaufen könnten, was bei einer zivilisierten Frau aber unmoralisch wäre.

Bezeichnend finde ich auch, das die 1974 auf sechs Jahre gesenkte Altersfreigabe 1990 auf 12 Jahre erhöht wurde. Ich sehe darin ein Indiz für die beginnende "Neo-Prüderie", wobei die FSK dem allgemeinen Trend um Jahre voraus war.

Dienstag, 6. April 2010

Gemeinheit des Tages - das Ende der A 25

Ja, ich weiß, es ist fies, unfair und gemein von mir.
Es gehört, selbst wenn man kein "Navi" im Auto hat, schon einiges Talent dazu, statt am Autobahnkreuz Hamburg-Ost auf die A 24 Richtung Berlin am Autobahndreieck Hamburg-Südost auf die A 25 nach Geesthacht abzubiegen, und das erst zu bemerken, wenn die A 25 in Geesthacht zuende ist. Und es gehört schon einige Frechheit dazu, den einzigen Hamburger Bekannten, dessen Telefonnummer man zufällig im Handy gespeichert hat, nach Mitternacht anzurufen und zu fragen, wie man denn von Geesthacht aus auf die Autobahn Richtung Berlin käme. Da ich dieser Hamburger Bekannte war, der kaum eingeschlafen, wachgeklingelt wurde, widme ich dem nächtlichen Irrfahrer ein Liedchen, das Mike Krüger einst über einen nächtlichen Irrfahrer auf der BAB schrieb, und in dem sogar die Ausfahrt Geesthacht erwähnt wird:
1.
Nachtblind, übermüdet
und mit 40 linke Spur,
fahr ich seit nunmehr 14 Tagen
immer Hamburg - Köln und retour.
Gestern fuhr ich 'nem Laster 'rein,
heute nur 'nem VW.
Ach wie schön kann das Fahren sein.
auf der BAB!

Chorus:
Auf der Autobahn nachts um halb eins,
ob du'n Auto hast oder Karl-Heinz:
Ohne Warnblinklicht, alle Scheiben dicht,
auf der Autobahn nachts um halb eins!
Wer noch nie an der Ausfahrt Geesthacht
einen Auffahrunfall gemacht
kann die Steuern spar'n,
soll Karl-Heinz doch fahr'n,
das macht Spaß in der stockfinstren Nacht!

2.
Ich will überholen,
da versinke ich im Teer,
außerdem zieh ich schon seit Stunden
eine Zapfsäule hinter mir her.
Der Kerl, der vorn auf dem Kühler liegt
nimmt mir fast jede Sicht.
Das ist mir egal, ich fahr nur nach Gehör
denn ich hab kein Licht!

Chorus:
Auf der Autobahn ...

3.
Da bin ich geblendet
und ich sehe gar nichts mehr -
Das find ich aber reichlich komisch,
hier war sonst doch kein Gegenverkehr?
Dann muß vorhin dieser laute Knall
die Leitplanke gewesen sein!
Ach ist halb so schlimm ich dreh einfach hier um
und dann fahr ich heim.

Chorus:
Auf der Autobahn ...


Text: Mike Krüger
Melodie: Ralph Arthur Roberts "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins"

Nachtrag
Wer sich wundert: auf der Platte (noch schwarzes PVC mit Rillen) heißt es tatsächlich "Hamburg - Köln und retour". Mike Krüger, dessen Stimme bei diesem Auftritt hörbar tourneegeschädigt war, hat im Münchner Studio, in dem "Disco" aufgenommen wurde, eben etwas improvisiert: "Hamburg - München".

Sonntag, 21. März 2010

Kaffespezialitäten, die ich nicht brauche

(Man beachte das fehlende zweite "e"!)
Ich gebe es offen zu: ich gehöre zu jenen schwer Koffeinabhängigen, die morgens erst nach dem ersten Becher Kaffee ansprechbar sind. Fallweise auch schwarzer Tee, womit ich richtig zubereiteten Tee und nicht das in Deutschland (mit Ausnahme Ostfrieslands) üblicherweise servierte Tee-Erinnerungswasser meine.

Obwohl ich Coffeeholic bin, gibt es einige Kaffespezialitäten, die ich nach Möglichkeit weiträumig umgehe - um nicht in Gefahr zu geraten, jenen, die mir diese Kaffeebohnenmisshandlungen zumuten, ihre Plörre ganz spontan ins Gesicht zu kippen.

Das wären zum Beispiel:
Latte macchiato castrato
Kaffee Latte, koffeinfrei, mit fettarmer- und laktosefreier Milch und Süßstoff. "In"-Getränk bei verschämten Hedonisten, die insgeheim gerne Asketen wären, was allerdings "out" wäre.

Mahnkaffe
Kaffe, der mich offensichtlich mahnen soll, dass auch ich eines Tages alt und schwach sein werde.

Automatenkaffe
Pad-Maschinen vom Billigheimer, mit ebenso billigen (aber an sich viel zu teuren) Pads erlauben es nun auch daheim oder im Büro das unvergleichliche Aroma einer echten Kaffeautomaten-Plörre zu genießen. Stilecht im Pappbecher servieren!

Instant-Ekel-Kaffe
Naturgemäß ist löslicher Kaffee eine Notlösung - die aber, die richtige Sorte vorausgesetzt, durchaus passabel schmecken kann. Leider gibt es Zeitgenossen, die selbst zum Instant-Kaffeekochen zu dämlich sind. Merke: mit sprudelnd kochendem Wasser wird das Zeugs bitter, mit lauwarmem Wasser reicht es nicht mal zum Kaffe, sondern bestenfalls zum Ka ... .

Mikroaroma-Kaffe
Erkalteter Kaffee, der in der Mikrowelle aufgewärmt wurde und dadurch das typische Mikroaroma erhielt. Dieser Kaffe wird allerdings vom Marathon-Kaffe locker übertroffen.

Marathon-Kaffe
Stand mindestens für die Dauer, die ein recht guter, aber nicht zur Weltspitze gehörender Langstreckenläufer für die 42 Kilometer braucht, also etwa drei Stunden, auf der Warmhalteplatte. Erinnert geschmacklich an vergossenen Schweiß, verursacht zwar keine wunden Füße oder wunde Oberschenkelinnenseiten, dafür aber wunde Magenschleimhäute.

Bodensehkaffe
(Fälschlich "Bodenseekaffe" genannt - aber so ekelhaft ist das Wasser im Bodensee gar nicht.) Die in deutschen Kantinen, Autobahnraststätten und Fernzügen übliche Form der Kaffezubereitung: so dünn, dass der Boden der Tasse deutlich zu sehen ist. Kann rein optisch leicht mit Tee verwechselt werden - es sei denn, der "Tee" ist das nicht nur in deutschen Kantinen, Autobahnraststätten und Fernzügen übliche Tee-Erinnerungswasser, das sich farblich nur geringfügig von Leitungswasser aus einer korrodierten Leitung abhebt. (Meistens auch geschmacklich.)

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