Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme - heute: Der Frosch mit der Maske
Er ist einer der prägendsten deutschen Kriminalfilme. Mit ihm begann die Serie der deutschen Edgar Wallace-Verfilmungen der 1960er Jahre. Die charakteristische Mischung aus klassischem "Wer war's?"-Kriminalfilm, Gruselkrimi und Kriminalkomödie, die durch das Spiel mit Licht und Schatten erzeugten düster-bedrohliche Atmosphäre, die knappen Dialoge, der pointierte Einsatz der Musik, aber auch die klischeehafte Zeichnung der Figuren wurden oft nachgeahmt, nicht nur von Wallace-Verfilmungen, bis die Masche Anfang der 1970er Jahre hoffnungslos ausgeleiert war.
Aber streng genommen ist "Der Frosch mit der Maske" (1959) gar kein deutscher Film!
Tatsächlich ist "Der Frosch mit der Maske" ein dänischer Film mit dem Originaltitel: "Frøen med masken"! Oder jedenfalls so in etwa.
Der Film wurde von der Rialto Film Preben Philipsen S/A im Auftrag des deutschen Constantin-Filmverleihs produziert. Gedreht wurde in Englisch, denn die überwiegend deutschen Darsteller konnten fast alle kein dänisch, die dänische Darsteller und das dänische Aufnahmeteam dafür meistens kein deutsch. Regie führte der Österreicher Harald Reinl. Irgendwie "englisch" wirkenden Ecken in Kopenhagen und Umgebung hielten als London her. Auf Außenaufnahmen an Originalschauplätzen verzichtet man - es wurde lediglich ein kleines Team nach England geschickt, das einige kurze Einstellungen ohne die Schauspieler drehte, die dann zwischen die Kopenhagener Szenen geschnitten wurden. (In späteren Edgar-Wallace-Filme aus dem Hause Rialto wurden "London" und "Südengland" meistens von Hamburg und Umgebung dargestellt.) Bis auf Joachim Fuchsberger in der Rolle des Richard Gordon waren die Schauspieler noch wenig bekannt. Alles in allem war "Der Frosch mit der Maske" eine ausgesprochene Billigproduktion.
Etwas zum Inhalt: Es geht um eine Gangsterbande, deren Mitglieder sich als Erkennungszeichen alle einen Frosch auf den Arm tätowieren lassen, und keine Ahnung haben, wer denn nun ihr oberster Boss ist - denn der verbirgt sich hinter einen Froschmaske aus Gummi. Der "Frosch mit der Maske" versetzt London in Angst und Schrecken, Inspektor Elk vom Scottland Yard tappt im Dunkeln und wundert sich, dass alle gefangenen "Frösche" sofort wieder befreit werden. Richard Gordon, der Neffe vom Scotland Yard-Chef Sir Archibald, ermittelt auf eigene Faust. Eine erste Spur führt zu einem gewissen John Bennet, der mit Sohn Ray und Tochter Ella (in die sich Gordon natürlich verguckt) in einem abgelegenen Haus auf dem Lande lebt. Die Bennets werden offensichtlich von der Froschbande bedroht, und auch der "Frosch" selbst interessiert sich für Ella. Ray schmeist seinen Job bei der Zeitung und arbeitet in der Lolita-Bar, einer finsteren Kneipe, die - wer hätte es gedacht - ein beliebter Treffpunkt für Mitglieder der Froschbande ist. Gordon lässt sich dort als Beleuchter einstellen.
Dann folgen die für Wallace-Krimis typischen "überraschende Wendungen": Sergeant Balder, Inspektor Elks Assistent, entpuppt sich als Mitglied der Froschbande. Ray gerät in Verdacht, Lew Brady, der ebenfalls zur Bande des Frosches gehört, erschossen zu haben. (Das Ende verrate ich nicht, obwohl die Zahl jener, die es nicht kennen, überschaubar sein dürfte.) Die Handlung ist übrigens spannender, als es meine Zusammenfassung vermuten lässt.
Der dänisch-deutsche "Billigschinken" wurde zum Überraschungserfolg.
Es ist meiner Ansicht nach kein Zufall, dass der erste auch "im Ausland" (im westlichen Kontinentaleuropa) erfolgreiche "deutsche" Nachkriegskrimi in England spielt, eine englische Romanvorlage hat und in Dänemark gedreht wurde. Auf dem "internationalen Markt" - also in Westeuropa außer den britischen Inseln - war ein dänischer Film nach Edgar Wallace besser zu vermarkten, als, nur 14 Jahre nach Kriegsende, ein deutscher, in Deutschland spielender Film nach einer Vorlage eines deutschen Kriminalschriftstellers, den niemand außerhalb des deutschen Sprachraums gekannt hätte.
Auch in Deutschland waren deutsche Kriminalfilme zu dieser Zeit wenig gefragt, weshalb der Constantin-Filmverleih, der sich von einer Wallace-Verfilmung einiges Marktpotenzial versprach, lange Zeit keinen Filmproduzent fand, der das Risiko eingehen wollte. Die dänische Rialto-Film wagte es. (Ergänzung: Die erfolgreiche englische Wallace-Verfilmung "The Ringer" ("Der Hexer") von 1952 überzeugte Barthel, den Chef der Constantin, davon, dass mit Wallace-Filmen Geld zu verdienen war.)
Nach dem Überraschungserfolg erwarb Rialto die Exklusivrechte fast aller Wallace-Romane, und gründete ein deutsches Tochterunternehmen, das die Filmproduktion in der BRD ab 1960 entscheidend prägte (u. A. entstanden auch die Karl-May-Filme der 1960er Jahre bei Rialto).
Der Erfolg war überraschend, aber erklärbar. Er liegt nicht etwa darin begründet, dass "Der Frosch mit der Maske" ein besonders guter Kriminalfilm wäre - das ist er nämlich nicht. Er sollte allerdings einer der besseren Wallace-Filme bleiben. Er ist düsterer und härter als die meisten seiner Nachfolger, die Handlung ist tatsächlich spannend und einigermaßen nachvollziehbar. Sicher trugen die immerhin brauchbaren schauspielerischen Leistungen und die gute Kameraarbeit zum Erfolg bei. Aber alles im allem - es gab wirklich bessere Krimis. Wenn auch nicht aus deutscher (oder dänischer) Produktion.
Ein Faktor, der zum Erfolg beitrug, war die Romanvorlage, die zwar nicht "sehr gut" (im literarischen Sinne), aber "seht gut geeignet" war - und zwar für einen unterhaltsamen Kriminalfilm.
Edgar Wallace gehört zu den meist verfilmten Kriminalautoren überhaupt - was nicht zuletzt daran liegt, dass seine Romane einfach zu verfilmen sind. Schon in den 1920er und 1930er Jahren gab es Edgar-Wallace-Filme, sogar aus deutscher Produktion.
Wallace schrieb auch Theaterstücke und Drehbücher, und achtete von vornherein auf die dramaturgische Wirkung seiner Krimis. Wallace war ein ausgesprochener Vielschreiber (es blieb ihm, bei seinem exzessiven Lebensstil und seiner Spielsucht, auch kaum etwas anderes übrig) - in den 1920er Jahren redeten Spötter vom "täglichen Wallace". Das zwang ihn zum schematischen Schreiben und ließ seine Figuren flach und klischeehaft wirken. Trotz "Schema F" möbelte Wallace seine Romane mit immer neuen bizarren Einfällen, Wendungen und makaberen Scherzen auf. "The Fellowship of the Frog" (ein Titel, der unwillkürlich an eine "Herr der Ringe"-Parodie denken lässt - Tolkien schrieb den ersten Teil seiner Romantrilogie allerdings erst gut 20 Jahre später) ist ein recht typisches Produkt der "Wallaceschen Schreibmühle", entstand 1925 und gehört zur einer kleinen Serie um Detective Inspector Elk.
Was Wallaces bessere Krimis immer noch lesenswert macht, ist sein journalistisch geschulte Blick auf die Abgründe der britischen Gesellschaft nach dem 1. Weltkrieg. Selbst die besten Familien, die seriösesten Unternehmen, sogar die Polizei haben ihre dunklen Punkte. Grundsätzlich jeder kann ein Verbrecher sein. Intrigen und Verschwörungen sind allgegenwärtig; es geht immer um viel Geld. Und um Sex, auch wenn Wallace das nur andeutet. Seine Frauen sind ansatzweise "modern" (für die Verhältnisse des frühen 20. Jahrhunderts natürlich). Viele Mörder und Drahtzieher sind bei Wallace paranoide Frauenhasser, während die kleinen Ganoven entweder von Frauen beherrscht werden oder sich gedankenlos-sadistisch an Frauen vergehen.
Die Abgründe der westdeutschen Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg waren noch tiefer, es wurde noch mehr verdrängt und hinter der Maske so manchen "ehrbaren Bürgers" verbarg sich ein (Nazi-)Verbrecher. Edgar-Wallaces-Stoffe trafen wahrscheinlich den unterschwelligen Zeitgeist der damaligen BRD. (Zu diesen Abgründen gehört auch, dass Regisseur Reinl sein Handwerk als Assistent bei Leni Riefenstahl gelernt hatte - und dass Frau Riefenstahl in den 1950er Jahren in der BRD weitaus stärker "geächtet" war, als z. B. Veit Harlan, der Regisseur von "Jud Süß". In Deutschland wurden, im Gegensatz zu den USA und Japan, ihre Werke boykottiert oder viellmehr ignoriert.)
Die Edgar-Wallace-Filme passten zur Mentalität der "Wirtschaftswunderjahre", zur schlecht verhüllten Gier nach Geld und Luxus, egal wie. Sie passten auch zu der allgegenwärtigen Verdrängung und dem unterschwelligen Wissen, dass grundsätzlich jeder ein (Nazi-)Verbrecher sein könnte. Typische Figuren bei Wallace sind Menschen mit einer furchtbaren Vergangenheit, Menschen, die genau wissen, dass ihr Vermögen oder ihre gesellschaftlicht Stellung auf Unrecht beruht, und die Angst haben, alles könne auffliegen und zusammenbrechen.
Die deutschen Wallace-Verfilmungen konzentrieren sich auf diese Aspekte der Vorlage. Damit werden sie zu Rachephantasien - an denen mit der dunklen Vergangenheit, den maßlos Gierigen, den Heuchlern, den Korrupten, den Intriganten. Bei dreckigen, klischeehaften Krimis funktionieren diese Rachephantasien besser, als in besser konstruierten, realistischeren Kriminalfilmen. Die Wallace-Krimis sind (für deutsche Verhältnisse) verdammt dreckig und (nicht nur für deutsche Verhältnisse) verdammt klischeelastig.
Zum Erfolg von "Der Frosch mit der Maske" trug sicher auch der Bruch mit der Nachkriegs-Biederkeit bei. Dazu gehört die Gewaltdarstellung mit leicht sadistischem Unterton. Dazu gehört der schwarze Humor. Aber auch die lässig-weltmännischen Umgangsformen der Protagonisten gehören dazu. Aus heutiger Sicht wirkt das ziemlich brav, vergleicht man es aber mit anderen deutschen Filmen dieser Zeit, muss es ausgesprochen erfrischend gewirkt haben. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass das anders gewesen wäre, würde dieser Film nicht in "London" spielen.
Ein deutscher Polizeichef, der so leicht vertrottelt wie der Scotland-Yard Chef Sir Archibald daherkommt, der weder von Inspektor Elk noch von Richard Gordon sonderlich ernst genommen wird, wäre 1959 noch ein Unding gewesen.
Kein wirklich guter Film, gewiss nicht - aber von den doofen einer der besten!
Aber streng genommen ist "Der Frosch mit der Maske" (1959) gar kein deutscher Film!
Tatsächlich ist "Der Frosch mit der Maske" ein dänischer Film mit dem Originaltitel: "Frøen med masken"! Oder jedenfalls so in etwa.
Der Film wurde von der Rialto Film Preben Philipsen S/A im Auftrag des deutschen Constantin-Filmverleihs produziert. Gedreht wurde in Englisch, denn die überwiegend deutschen Darsteller konnten fast alle kein dänisch, die dänische Darsteller und das dänische Aufnahmeteam dafür meistens kein deutsch. Regie führte der Österreicher Harald Reinl. Irgendwie "englisch" wirkenden Ecken in Kopenhagen und Umgebung hielten als London her. Auf Außenaufnahmen an Originalschauplätzen verzichtet man - es wurde lediglich ein kleines Team nach England geschickt, das einige kurze Einstellungen ohne die Schauspieler drehte, die dann zwischen die Kopenhagener Szenen geschnitten wurden. (In späteren Edgar-Wallace-Filme aus dem Hause Rialto wurden "London" und "Südengland" meistens von Hamburg und Umgebung dargestellt.) Bis auf Joachim Fuchsberger in der Rolle des Richard Gordon waren die Schauspieler noch wenig bekannt. Alles in allem war "Der Frosch mit der Maske" eine ausgesprochene Billigproduktion.
Etwas zum Inhalt: Es geht um eine Gangsterbande, deren Mitglieder sich als Erkennungszeichen alle einen Frosch auf den Arm tätowieren lassen, und keine Ahnung haben, wer denn nun ihr oberster Boss ist - denn der verbirgt sich hinter einen Froschmaske aus Gummi. Der "Frosch mit der Maske" versetzt London in Angst und Schrecken, Inspektor Elk vom Scottland Yard tappt im Dunkeln und wundert sich, dass alle gefangenen "Frösche" sofort wieder befreit werden. Richard Gordon, der Neffe vom Scotland Yard-Chef Sir Archibald, ermittelt auf eigene Faust. Eine erste Spur führt zu einem gewissen John Bennet, der mit Sohn Ray und Tochter Ella (in die sich Gordon natürlich verguckt) in einem abgelegenen Haus auf dem Lande lebt. Die Bennets werden offensichtlich von der Froschbande bedroht, und auch der "Frosch" selbst interessiert sich für Ella. Ray schmeist seinen Job bei der Zeitung und arbeitet in der Lolita-Bar, einer finsteren Kneipe, die - wer hätte es gedacht - ein beliebter Treffpunkt für Mitglieder der Froschbande ist. Gordon lässt sich dort als Beleuchter einstellen.
Dann folgen die für Wallace-Krimis typischen "überraschende Wendungen": Sergeant Balder, Inspektor Elks Assistent, entpuppt sich als Mitglied der Froschbande. Ray gerät in Verdacht, Lew Brady, der ebenfalls zur Bande des Frosches gehört, erschossen zu haben. (Das Ende verrate ich nicht, obwohl die Zahl jener, die es nicht kennen, überschaubar sein dürfte.) Die Handlung ist übrigens spannender, als es meine Zusammenfassung vermuten lässt.
Der dänisch-deutsche "Billigschinken" wurde zum Überraschungserfolg.
Es ist meiner Ansicht nach kein Zufall, dass der erste auch "im Ausland" (im westlichen Kontinentaleuropa) erfolgreiche "deutsche" Nachkriegskrimi in England spielt, eine englische Romanvorlage hat und in Dänemark gedreht wurde. Auf dem "internationalen Markt" - also in Westeuropa außer den britischen Inseln - war ein dänischer Film nach Edgar Wallace besser zu vermarkten, als, nur 14 Jahre nach Kriegsende, ein deutscher, in Deutschland spielender Film nach einer Vorlage eines deutschen Kriminalschriftstellers, den niemand außerhalb des deutschen Sprachraums gekannt hätte.
Auch in Deutschland waren deutsche Kriminalfilme zu dieser Zeit wenig gefragt, weshalb der Constantin-Filmverleih, der sich von einer Wallace-Verfilmung einiges Marktpotenzial versprach, lange Zeit keinen Filmproduzent fand, der das Risiko eingehen wollte. Die dänische Rialto-Film wagte es. (Ergänzung: Die erfolgreiche englische Wallace-Verfilmung "The Ringer" ("Der Hexer") von 1952 überzeugte Barthel, den Chef der Constantin, davon, dass mit Wallace-Filmen Geld zu verdienen war.)
Nach dem Überraschungserfolg erwarb Rialto die Exklusivrechte fast aller Wallace-Romane, und gründete ein deutsches Tochterunternehmen, das die Filmproduktion in der BRD ab 1960 entscheidend prägte (u. A. entstanden auch die Karl-May-Filme der 1960er Jahre bei Rialto).
Der Erfolg war überraschend, aber erklärbar. Er liegt nicht etwa darin begründet, dass "Der Frosch mit der Maske" ein besonders guter Kriminalfilm wäre - das ist er nämlich nicht. Er sollte allerdings einer der besseren Wallace-Filme bleiben. Er ist düsterer und härter als die meisten seiner Nachfolger, die Handlung ist tatsächlich spannend und einigermaßen nachvollziehbar. Sicher trugen die immerhin brauchbaren schauspielerischen Leistungen und die gute Kameraarbeit zum Erfolg bei. Aber alles im allem - es gab wirklich bessere Krimis. Wenn auch nicht aus deutscher (oder dänischer) Produktion.
Ein Faktor, der zum Erfolg beitrug, war die Romanvorlage, die zwar nicht "sehr gut" (im literarischen Sinne), aber "seht gut geeignet" war - und zwar für einen unterhaltsamen Kriminalfilm.
Edgar Wallace gehört zu den meist verfilmten Kriminalautoren überhaupt - was nicht zuletzt daran liegt, dass seine Romane einfach zu verfilmen sind. Schon in den 1920er und 1930er Jahren gab es Edgar-Wallace-Filme, sogar aus deutscher Produktion.
Wallace schrieb auch Theaterstücke und Drehbücher, und achtete von vornherein auf die dramaturgische Wirkung seiner Krimis. Wallace war ein ausgesprochener Vielschreiber (es blieb ihm, bei seinem exzessiven Lebensstil und seiner Spielsucht, auch kaum etwas anderes übrig) - in den 1920er Jahren redeten Spötter vom "täglichen Wallace". Das zwang ihn zum schematischen Schreiben und ließ seine Figuren flach und klischeehaft wirken. Trotz "Schema F" möbelte Wallace seine Romane mit immer neuen bizarren Einfällen, Wendungen und makaberen Scherzen auf. "The Fellowship of the Frog" (ein Titel, der unwillkürlich an eine "Herr der Ringe"-Parodie denken lässt - Tolkien schrieb den ersten Teil seiner Romantrilogie allerdings erst gut 20 Jahre später) ist ein recht typisches Produkt der "Wallaceschen Schreibmühle", entstand 1925 und gehört zur einer kleinen Serie um Detective Inspector Elk.
Was Wallaces bessere Krimis immer noch lesenswert macht, ist sein journalistisch geschulte Blick auf die Abgründe der britischen Gesellschaft nach dem 1. Weltkrieg. Selbst die besten Familien, die seriösesten Unternehmen, sogar die Polizei haben ihre dunklen Punkte. Grundsätzlich jeder kann ein Verbrecher sein. Intrigen und Verschwörungen sind allgegenwärtig; es geht immer um viel Geld. Und um Sex, auch wenn Wallace das nur andeutet. Seine Frauen sind ansatzweise "modern" (für die Verhältnisse des frühen 20. Jahrhunderts natürlich). Viele Mörder und Drahtzieher sind bei Wallace paranoide Frauenhasser, während die kleinen Ganoven entweder von Frauen beherrscht werden oder sich gedankenlos-sadistisch an Frauen vergehen.
Die Abgründe der westdeutschen Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg waren noch tiefer, es wurde noch mehr verdrängt und hinter der Maske so manchen "ehrbaren Bürgers" verbarg sich ein (Nazi-)Verbrecher. Edgar-Wallaces-Stoffe trafen wahrscheinlich den unterschwelligen Zeitgeist der damaligen BRD. (Zu diesen Abgründen gehört auch, dass Regisseur Reinl sein Handwerk als Assistent bei Leni Riefenstahl gelernt hatte - und dass Frau Riefenstahl in den 1950er Jahren in der BRD weitaus stärker "geächtet" war, als z. B. Veit Harlan, der Regisseur von "Jud Süß". In Deutschland wurden, im Gegensatz zu den USA und Japan, ihre Werke boykottiert oder viellmehr ignoriert.)
Die Edgar-Wallace-Filme passten zur Mentalität der "Wirtschaftswunderjahre", zur schlecht verhüllten Gier nach Geld und Luxus, egal wie. Sie passten auch zu der allgegenwärtigen Verdrängung und dem unterschwelligen Wissen, dass grundsätzlich jeder ein (Nazi-)Verbrecher sein könnte. Typische Figuren bei Wallace sind Menschen mit einer furchtbaren Vergangenheit, Menschen, die genau wissen, dass ihr Vermögen oder ihre gesellschaftlicht Stellung auf Unrecht beruht, und die Angst haben, alles könne auffliegen und zusammenbrechen.
Die deutschen Wallace-Verfilmungen konzentrieren sich auf diese Aspekte der Vorlage. Damit werden sie zu Rachephantasien - an denen mit der dunklen Vergangenheit, den maßlos Gierigen, den Heuchlern, den Korrupten, den Intriganten. Bei dreckigen, klischeehaften Krimis funktionieren diese Rachephantasien besser, als in besser konstruierten, realistischeren Kriminalfilmen. Die Wallace-Krimis sind (für deutsche Verhältnisse) verdammt dreckig und (nicht nur für deutsche Verhältnisse) verdammt klischeelastig.
Zum Erfolg von "Der Frosch mit der Maske" trug sicher auch der Bruch mit der Nachkriegs-Biederkeit bei. Dazu gehört die Gewaltdarstellung mit leicht sadistischem Unterton. Dazu gehört der schwarze Humor. Aber auch die lässig-weltmännischen Umgangsformen der Protagonisten gehören dazu. Aus heutiger Sicht wirkt das ziemlich brav, vergleicht man es aber mit anderen deutschen Filmen dieser Zeit, muss es ausgesprochen erfrischend gewirkt haben. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass das anders gewesen wäre, würde dieser Film nicht in "London" spielen.
Ein deutscher Polizeichef, der so leicht vertrottelt wie der Scotland-Yard Chef Sir Archibald daherkommt, der weder von Inspektor Elk noch von Richard Gordon sonderlich ernst genommen wird, wäre 1959 noch ein Unding gewesen.
Kein wirklich guter Film, gewiss nicht - aber von den doofen einer der besten!
MMarheinecke - Sonntag, 28. November 2010
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