Kulturelles

Sonntag, 17. September 2006

Mit der Zukunft der Vergangenheit ...

... lenke ich mich gerade von der unerfreulichen Gegenwart ab.
Heute vor 40 Jahren starte zum ersten Mal der Schnelle Raumkreuzer ORION VII zu seinem "Patrouilliendienst am Rande der Unendlichkeit" - als erste deutsche Science Fiction-Fernsehserie und einer der ersten SciFi-Serien überhaupt. (Näheres siehe Im September vor 40 Jahren begann die Zukunft).

Wie immer man zu "Raumpatrouille" steht, über einige Tatsachen kann man leider nicht hinwegsehen: ein konservatives bis reaktionäres Gesellschafts- und Menschenbild, eine selbst für SciFi-Verhältnisse bemerkenswerte Häufung an Logikfehler und ein selten konfuses und allen wissenschaftlichen Tatsachen Hohn sprechendes Technobabble - und die Tricks sind läppisch (auch nach Stand der 60er Jahre).
Aber "Orion" ist mit all seinen Mägeln und Macken trotzdem gut und relevant. Oder vieleicht gerade deshalb einfach knorke. (Ein ein wenig außer Gebrauch gekommener berlinerischer Ausdruck, der's besser trifft als "kultig", "geil" oder "cool".)

Dienstag, 12. September 2006

"Ich aber nicht" - Zum Tode Joachim Fests

Zugegeben, ich habe am Werk Joachim Fests Einiges auszusetzen: er war mir zu konservativ - und leider de facto Unterstüzer eines Historikers, den ich für einen gefährlichen deutsch-nationale Geschichts-Relativisten bzw. Revisionisten halte. Auch wenn Fest Noltes Thesen nicht für richtig hielt und ihn nur aus Gründen der Fairness gegenüber der abweichenden Meinung veröffentlichte. Aber seine Hitlerbiografe aus den frühen 1970ern habe ich sehr gern gelesen, seine Speerbiographie ebenfalls, auch wenn er den Selbstfreisprüchen, Lügen, Heucheleien des Top-Managers der Mordmaschinerie auf eine Weise auf den Leim kroch, dass mir kein anderes Wort dafür einfällt als: Speer hat Fest verarscht. Es ehrt Fest, dass er das, als neue Dokumente auftauchten, die Speers Lügen aufdeckten, unumwunden zugab.

Matussek Nachrufs auf Joachim Fest auf SpOn Der stolze Einzelgänger wird Fest überaus gerecht. Mehr noch - Matussek geht auf Fests noch nicht erschienene Autobiographie ein, ein Werk, auf das ich im Gegensatz zu Grass' Zwiebelschalen tatsächlich gespannt bin.
(...)Nun weiß man, dass die Arbeit an diesem Buch die Arbeit an seinem Testament bedeutete. Das wollte er den Deutschen noch hinterlassen: die Erzählung darüber, dass es möglich war, anständig zu bleiben. Und dass eine gute Erziehung - eine bürgerliche, katholische, preußische - dabei wesentlich war.
(...)
Heute kann Fests Buch als Gegenentwurf zu den koketten Grass'schen Waffen-SS-Enthüllungen und vergleichbaren Elaboraten gelten. Wenn Günter Grass, der derzeit Pfeife stopfend und schmauchend über die Theaterbühnen des Landes zieht, sagt: Ich war dabei, Kumpel, jeder war dabei, selbst der Papst irgendwie, so sagte Fest: Ich aber nicht.

Mittwoch, 6. September 2006

Im September vor 40 Jahren begann die Zukunft

jedenfalls im Fernsehen. Im Abstand von nur neun Tagen "starteten" die Raumschiffe "Enterprise" (8. September 1966) und "Orion VII" (17. September 1966). Die Fernsehserien "Star Trek" ("Raumschiff Enterprise") und "Raumpatrouille" genießen nicht nur bei Science Fiction-Fans noch heute "Kultcharakter".

Dieser anhaltende Ruhm ist schwerlich durch den Charme veralteter Trickaufnahmen und erkennbar aus Sperrholz, Styropor und Pappmaché bestehender Sets zu erklären. (Obwohl das mühelos als solches erkennbare Bügeleisen auf dem Leitpult der "Orion" das vermutlich meistbelächelte Requisit der deutschen Fernsehgeschichte sein dürfte.) Es ist vielmehr das Konzept dieser beiden Serien, die ihre nachhaltige Wirkung auch auf nachfolgende Generationen bewirkte. Die meisten heutigen "Enterprise" und "Orion"-Fans waren zur Zeit der Erstsendung noch nicht einmal geboren.

Was die beiden Serien von fast allen anderen Sci-Fi-Fernsehserien bis in die 1990er unterschied, war die "utopische" Idee hinter der abenteuerlichen Handlung - das Konzept einer zukünftigen Gesellschaft, die sich wesendlich von der Heutigen unterscheidet. Die meisten Sci-Fi-Produktionen beschränken sich auf technische Neuerungen und äußere Faktoren (Invasoren aus dem All, globale Katastrophen usw.), die Gesellschaft bleibt ansonsten die der Produktionszeit.
Allerdings waren die beiden Serien in dieser Hinsicht Pionierleistungen, die aus heutiger Sicht nicht immer überzeugen.

Die Zukunftswelt von "Star Trek" ist in der Originalserie ein grob skizzierter, aber deutlich durchscheinendes, Hintergrund: Die Episoden spielen in einer utopischen Zukunft, in der die Menschheit als globale Einheit die gängigen Probleme wie Rassismus, Intoleranz, soziale Ungleichheit und Krieg überwunden hat. Die Existenz eines Weltstaates wird angedeutet (dieser Konzept wurde erst in den nachfolgenden Serien und Filmen näher beleuchtet). Die Menschheit hat sich mit vielen außerirdischen Zivilisationen zur "United Federation of Planets" (UFP, mit einem dem UN-Emblem nicht unähnlichen Logo) verbündet. Obwohl die UFP mit der Sternenflotte eine militärische Organisation herausgebildet hat, ist deren Hauptfunktion die friedliche Erforschung fremder Welten und Zivilisationen.

Die Besatzung der "USS Enterprise" NCC 1701 ("No bloody A, B, C or D!")besteht aus Menschen verschiedener Nationen und einige Außerirdischen. Dies war zur Entstehungszeit der Serie sehr ungewöhnlich, da die politischen Verhältnisse in den damaligen USA immer noch stark durch Rassismus und den Kalten Krieg geprägt waren - und die Verhältnisse im Fernsehen durch eine rigorose Selbstzensur, die gesellschaftskritische oder tabuverletzende Inhalte nicht zuließ.
Tatsächlich versuchte der geistige Vater der Serie, Gene Rodenberry, in der Tarnung eines "Weltraum-Westerns" Elemente in das Fernsehprogramm zu bringen, die ansonsten einfach nicht "gingen". Außerdem war die Serie von Anfang an ein Magnet für z. T. sehr prominente Science Fiction-Autoren, die den hohen Standard ihrer Romane und Kurzgeschichte auch bei den Drehbüchern wahrten. (Es gibt allerdings auch einige Star Trek-Folgen, deren Drehbücher man hätte gründlich bearbeiten sollen - mit dem Papierschredder.)
"Star Trek" war die erste "echte" Science Fiction Serie mit fortlaufender Handlung der Fernsehgeschichte.
Allerdings mußten auch Kompromisse gemacht werden. So war die stets nur "Nummer 1" genannte energische und kompetente Erste Offizierin des Pilotfilmes in der Serie nicht durchsetzbar - es war schwer genug, den "satanisch" aussehenden Spock zu halten. Aus heutige Sicht wirkt die Darstellung von Frauen und Minderheiten etwas altmodisch - für die 1960er Jahre war das Programm fortschrittlich und gewagt. Legendär ist z. B. der erste Fernsehkuss zwischen einem weißen und einem schwarzen Charakter in den Vereinigten Staaten - in einige US-Bundesstaaten wurde diese Folge boykottiert.

Die utopische Welt der "Raumpatrouille" ist, laut Vorspanntext, der von "Star Trek" nicht unähnlich: "Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit - und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem." Die aus nur sieben einstündigen Folgen bestehende Serie wird diesem utopische Anspruch allerdings nicht gerecht: Nicht nur, dass das Hauptthema - der Kampf gegen aggressive Außerirdische, die Frogs - wirklich ein alter Hut war, die militärische-autoritären Strukturen, die immer wieder durchscheinen, dürften schon 1966 ziemlich "altmodisch" gewesen sein. Im Dialog wird sehr viel gebrüllt, heruntergeputzt, hysterisch geschrien, was bei den durchweg erfahrenen Schauspielern wohl nicht dem Overacting, sondern den Dialogautoren geschuldet ist. Alles in allem entsteht statt dem Bild eines friedlichen Utopias das einer Streitmacht mit "defekter" innerer Führung, mit autoritären Vorgesetzten, intringaten Stabsoffizieren und nur widerstrebend gehochenden Frontsoldaten. Den meisten Flottenangehörigen liegen die Nerven sichtlich blank, von der professionellen Coolness eines Captain Kirk oder gar eines Spocks ist da nichts zu spüren. Auch die Erdregierung besteht - wie die Flottenführung - offensichtlich aus zynischen Machttaktikern. Unklar bleibt auch, wozu die gewaltige Raumflotte vor dem Erscheinen der Frogs gebraucht wurde, wie auch die Invasions-Motive einer Spezies, die gar nicht auf der Erde leben könnte, unklar bleiben. Sie sind einfach a) durch und durch bösartig und b) technisch weit überlegen.
Meiner Ansicht nach wirken in allen diesen Punkten Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg nach, die allerdings zu wenig reflektiert wurden. Bewußt "militaristisch" oder gar "faschistoid" ist die Serie nicht, dagegen sprechen schon die häufigen (sehr plakativen) pazifistischen Aussagen. Addiert man noch die völlig Ignoranz gegenüber psysikalischen und astronomischen Gegenbenheiten und das besonders absurd geratene "Technobabble" ("Rücksturz zur Erde") hinzu, fällt "Raumpatrouille" gegenüber "Star Trek" ganz gewaltig ab.
Allerdings - zwei der Folgen, bezeichnenderweise jene, in der die bösen Frogs gar nicht agieren, könnten inhaltlich ohne weiteres in "Star Trek" bestehen: "Hüter des Gesetzes" (Thema sind die asimovschen Robotgesetze bzw. ihre problematischen Auswirkungen bei "unlogischem" menschlichen Verhalten) und und "Kampf um die Sonne" (in der ein ehemaliger Kolonialplanet. auf dem sich eine matriarchalische Gesellschaft entwickelt hat, im Mittelpunkt steht). Gerade letztere Folge zeigt einen unerwarteten "Vorsprung" gegenüber der originale "Star Trek-Serie": Das Frauenbild in "Raumpatrouille" weitaus "moderner" als das in "Raumschiff Enterprise" - zumindest ließen sich "starke" und kompetente Frauen wie GSD-Sicherheitsoffizier Tamara Jagellowsk, General Lydia van Dyke oder "SIE", die Herrscherin von Chroma, im deutschen Fernsehen leichter "unterbringen" als im US-Fernsehen.

Montag, 4. September 2006

Zum Gedenken an einen Tierfilmer ...

... der eine kesse Lippe, Skandale und auch sonst mehr riskierte als andere Tierfilmer. Und nun leider wohl zu viel riskierte: Steve Irwin. Australischer TV-Star von Rochen getötet

Ich habe "Crocodile Hunter" immer gemocht. Seine Filme waren, trotz seines überschwänglichen Stils und seines Hangs zu Selbstinzenierung und Provokation inhaltlich seriös. Infotainment im besten Sinne des Wortes. Ein Tierfilmer fern von der Spießigkeit, die diesem Genre gern zugeschrieben wird.

Es mag auf den einen oder anderen pietätslos wirken - da Steve Irwin aber immer einen ziemlich makaberen Humor hatte, denke ich, dass er gegen diesen kleinen Film zu seinem Gedenken nichts hätte.

Donnerstag, 31. August 2006

"Pirate Content"!

Wie Volkmar so schön sagt: "Selbst Jack Sparrow ( (Verzeihung: ich meinte natürlich CAPTAIN Jack Sparrow :-) ) würde diesen Bücherbrief lesen": Bücherbrief Piraten

Die aktuelle Ausgabe des "phantastischen Bücherbriefes" beschäftigt sich mit unbedingt lesenswerten Klassikern des lange etwas vergessenen, aber durch den Erfolg der Piratenfilmparodien um CAPTAIN Jack Sparrow wieder ins Gespräch gekommenen Seeräuber-Genres. Zwei der besprochenene Bücher, Robert Louis Stephensons "Die Schatzinsel" und Rafael Sabatinis "Captain Blood" sind nicht nur die Klassiker des Piratenromans, sondern zählen auch zu meinen persönlichen Lieblingsbüchern.

Ich möchte diesen Bücherbrief um einige kurze Buchtipps ergänzen:

Nicht nur für Hobby-Köche, pardon -Smutjes, interessant ist
"Das Piratenkochbuch" von Wolfram zu Mondfeld.
Wäre es ein übliches Kochbuch, wäre es wahrscheinlich unter dem Titel "Bord- und Hafenküche aus aller Welt" erschienen. Aber es ist auch ein amüsant und fachkundig geschriebenes Buch über die Geschichte der Kaperfahrerei. Kein Wunder, von Mondfeld ist ein namhafter Autor seefahrthistorischer Sachbücher und Bücher über den Bau historischer Schiffsmodelle. Die Gerichte sind manchmal solide Haus- bzw. Seemannskost, manchmal sehr exotisch, und gut nachkochbar. (Koehler, Herford, 1994)

Ein echter Klassiker des Piratenromans ist
"Captain Singleton" von Daniel Defoe
Die 172O verfassten "Lebenserinnerungen" des Abenteurers und Seeräubers Bob Singleton stehen zu Unrecht etwas im Schatten der berühmteren Romane Defoes, wie "Robinsons Crusoe", "Moll Flanders" oder "Roxane".
Er schildert das Leben eines Engländers, der als Kind aus einer wohlhabenden Familie gestohlen und schließlich nicht ganz freiwillig Seemann wird. Haupthema der ersten Buchhälfte ist Singletons Durchquerung Afrikas - eine verzweifelte Wanderung einiger auf Madagaskar ausgesetzter Seeleute, die sich zu einer europäischen Kolonie an der Westküste des damals für Europäer fast unbekannten Kontinents durchschlagen wollen. Interessant sind einige geographischen Details, die um 1700 "eigentlich" noch gar nicht bekannt gewesen sein dürften. Später steht Singletons Piratenkarriere - in der er sich bis zum Kommandanten eines großen ehemaligen Kriegsschiff "aufentert" - im Mittelpunkt. Schließlich schließt er eine bizarre Männerfreundschaft zu einem Quäker und Arzt, der an Bord eines der gekaperten Schiffe fuhr und freiwillig auf das Schiff Singletons wechselt. Am Ende wird der Piratenkapitän zu einem ehrlichen Leben "bekehrt". Wegen der außerordentlichen Sachkenntnis Defoes ist "Captain Singleton" trotz der die spannende Handlung "bremsenden" erklärenden Passagen ein, wie ich finde, sehr interessantes Buch.

Ein literarischer Klassiker ganz anderer Art ist
"Der Freibeuter" von Joseph Conrad
Conrad (eigentlich Teodor Josef Korad Korzeniowksi) - ein auf englisch schreibender polnischer Ex-Seemann - war einer der Pioniere des "literarischen Abenteueromans". "Der Freibeuter" ( 1922) ist letzte Roman, den Conrad vollendete. Held des Romans ist Peyrol, ein ehemaliger Freibeuter und "Küstenbruder", der später Geschützführer bei der französischen Kriegsmarine war. Er lebt zurückgezogen in der Nähe von Toulon, wo er auch seinen erbeuteten Goldschatz verborgen hat. Während der Kontinentalsperre Napoleons wird der alte Seebär noch einmal aktiv: es gelingt ihm Nelsons Flotte irrezuführen, damit Napoleon zum Sieg und Liebenden zum Glück zu verhelfen - um den Preis seines Selbstopfers. Ein sehr "romantisches", etwas melancholisches Buch, mit gut gezeichneten, interessanten Charakteren.

Kein "Geschichtsbuch", sondern eher ein "Geschichtenbuch" ist
"Das Bordbuch des Satans - die Geschichte der Piraterie (Auch als Die Geschichte der Piraterie - 3000 Jahre Freibeutertum erschienen) von Hans Leip
Hans Leip war Schriftsteller, Maler, Zeichner, Bildhauer und Poet. Sein bekanntestes Werk ist der Text des Liedes "Lilly Marlene", seinen literarischen Durchbruch erzielte er 1925 mit dem Seeräuberroman "Godekes Knecht", einem der besten der zahlreiche Romane um die "Vitalienbrüder", ein Thema, das er später in "Störtebeker" wieder aufnahm.
"Das Bordbuch des Satans" schildert in kurzen, fabulierfreudig und unterhaltsam erzählten Episoden die Taten von gut 150 Piraten, Kosaren, Freibeutern, vom Altertum bis heute. Trotz seines locker-ironischen, fesselnden Stils ist es ein ernstzunehmendes, historisch fundiertes Sachbuch. Sein - eigentlich ernüchterndes - Fazit lautet: Unsere Vorstellungen des Piratendaseins beruhen auf sentimentalen und romantischen Vorstellungen, die mit der Realität nicht viel zu tun hatten. Trotzdem - oder gerade deshalb - gewinnen die "guten und bösen Helden des Meeres" bei der Lektüre des Buches an Farbe und Leben, hin und wieder sogar an Sympathie.
Ein Buch zum genüßlichen Schmöckern, an keiner Stelle langweilig oder "schulmeisterisch".

Bei Amazon: Das Piratenkochbuch, Captain Singleton, Der Freibeuter, Bordbuch des Satans

Donnerstag, 20. Juli 2006

Von der Freiheit eines Künstlers

für das gute Gewissen der Spießbürger am Hungertuch zu nagen.
Einige sehr bittere, sehr zutreffende Gedanken über das Thema "arme Künstler, Ideologie und angebliche Kommerzialisierung" fand ich auf Karans Blog: Was ist Kunst wert?
(Bitte auch die Kommentare lesen :-D)

Samstag, 15. Juli 2006

Realist

Martin Walser ist nicht gerade mein Lieblingsschriftsteller. Aber er sieht zumindest die Situation des "Kulturschaffenden" am Markt realistisch:
Die finanzielle Unabhängigkeit ist für den deutschen Schriftsteller Martin Walser ("Ein fliehendes Pferd", "Tod eines Kritikers") der höchste Wert. "Letztlich bleiben nur Geld und die Vermehrung des Geldes, um unabhängig zu sein", sagte Walser der Zeitschrift "Wirtschaftswoche". Es brauche Zivilcourage für einen deutschen Intellektuellen, das einzusehen, fügte der 79-Jährige hinzu.
ngo-online:Martin Walser lobt die Kräfte des Marktes

Was immer man von Walser und seiner Liebe zum Kapitalismus halten mag: Seine Haltung dürfte ein guter Schutz vor Tyrannophilie sein.
Übrigens ist Walser damit gar nicht mal so weit von einem der wenigen wirklich brauchbaren Autoren-Handbücher entfernt:
Bjørn Jagnow: Marketing für Autoren

„Marketing ist die Ausrichtung von Angeboten auf die Anforderungen des Marktes. Geben Sie sich nicht damit zufrieden, ein hervorragendes Angebot zu haben. Sie müssen es auch kommunizieren.“ Zwischen dem Verkauf von „Kulturgütern“ wie Büchern und dem von Schuhen, Gummibärchen und Tupperware-Behältern besteht kein grundsätzlicher Unterschied.
Jagnow, als "Linken"/PDS-Mitglied, ist übrigens alles andere als ein glühender Anhänger des Kapitalimus. Aber er ist Realist. (Wie ich behaupten möchte, anders als die Mehrheit der "Linken"/PDS-ler.)

Donnerstag, 13. Juli 2006

Breker - oder: wie man das Falsche tut, wenn man einem Künstler gerecht wird

Arno Breker war der "Lieblingsbildhauer" Adolf Hitlers und ein Künstler, dessen Leben und Schaffen mit den Vokabeln "ambivalent" und "opportunistisch" nur unzureichend beschrieben werden kann.
Eine Breker-Ausstellung in Schwerin zeigt 70 Werke des Bildhauers. Nicht ohne Widerspruch.

Ein entschiedener Gegner Brekers ist der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano, der sogar forderte, die Breker-Statuen auf dem Gelände des Berliner Olympia-Stadions einzuschmelzen:
"Diese Brekerfiguren verfolgen mich, seitdem sie da stehen, 1936. Ich war 13 Jahre alt damals und fiel unter die Nürnberger Rassegesetze meiner jüdischen Mutter wegen und habe bei diesen Figuren mein ganzes Leben lang nichts anderes empfunden, als dass es eine seelenlose oder eine entseelte Gigantomanie war, die mir nichts sagte – von der mir von vornherein klar war, was sie bezweckte – nämlich die Verherrlichung der Nazis."
Aus: rbb: Streitfall Breker
Eine klare Aussage. Allerdings heben sich Brekers Statuen nicht von den Werken anderer Bildhauer der klassizistischen Tradition ab, und entsprachen durchaus dem "internationalen" Zeitgeschmack, zwischen Art Deco, "Sachlichkeit" und Neoklassizismus. Breker schwamm im künstlerischen Mainstream der dreißiger Jahre. Damit liegt die Schlußfolgerung nahe, dass Giordanos Aussagen vom subjektiven Leiden bestimmt sind - dass es die Achtung vor den Opfern verbietet, Brekers Statuen einfach als Kunst zu sehen.
Sollte man aber Breker in erster Linie als Künstler würdigen, wie dies in der Schweriner Ausstellung geschieht? Das meint zumindest ein noch bekannterer Schriftsteller, nämlich Günter Grass. Er befürwortet Breker-Austellung. Netzeitung:Günter Grass für Ausstellung über Arno Breker
«Breker hatte durchaus Talent, das lässt sich aus seinen Anfängen heraus beweisen. Er hat sich aber von den Nationalsozialisten korrumpieren lassen, wie viele andere Künstler und Intellektuelle auch – etwa Gottfried Benn, Wilhelm Furtwängler oder Martin Heidegger. Wir fragen uns heute, warum sie das taten. Die Ausstellung, wenn sie dokumentarisch und informativ gestaltet ist, kann Antwort auf diese Frage geben», argumentierte Grass. Brekers Arbeiten - zumindest die aus der Zeit bis 1936 - unterschieden sich in ihrer künstlerischen Qualität nicht von denen anderer konservativer Bildhauer jener Zeit.
Tatsächlich liegt er meiner Ansicht nach gar nicht mal so falsch mit seiner Einschätzung des Künstlers Brekers.

Aber dennoch liegt Grass, denke ich, politisch falsch.
Anders als bei anderen ambivalente Künstler des "3. Reiches", wie Gustaf Gründgens und Leni Riefenstahl, können die bekannsten Werke Arno Brekers nicht von ihrer Funktion als Propagandakunst getrennt werden. Tatsächlich ist alles wirklich "Bedeutende", das Breker über reine "Alltags- und Gebrauchskunst" hinaus schuf, zum Zweck der Nazi-Propaganda erschaffen worden. Alles andere ist "Kleinkram", mit dem Breker es in kein Kunst-Lexikon geschafft hätte. Im Gedächtnis bleibt er als Hitlers Lieblingsbildhauer, der den wahnsinnigen Ideen des nationalsozialistischen Rassenwahns martialische Form gab - das überstrahlt seine Frühwerke, seine Portraitbüsten, seine Freundschaften mit Cocteau, Dali, Liebermann, Marais. Es ist etwa so, als wäre Leni Riefenstahl vor "Triumpf des Willens" nur als mäßig erfolgreiche Schauspielerin und nach dem Propagandafilm nur mit ein paar wenig bekannten Fotobänden in Erscheinung getreten. Er war ein begabter Künstler, der alle Möglichkeiten hatte - und statt dessen lieber plakative Propaganda schuf.
Jeder Versuch, Brekers Kunst zuerst als "Kunst", und dann erst als "Nazi-Propaganda" zu sehen, ist von daher verfehlt. (Ganau so übrigens, wie Pauschal-Bäh-Urteile wie "Kitsch" oder auch Gioranos "seelenlose Monomentalität" verfehlt sind.) Brekers Statuen gehören sehr wohl ins Museum - aber ins historische Museum, Abteilung "Selbstdarstellung des NS-Staates", nicht in eine "neutrale" Kunstausstellung.

Von daher schließe ich mich Grass, bei allem Verständnis, nicht an, und halte es mit Klaus Staeck, dem Präsidenten der Berliner Akademie der Künste: "Es besteht der Verdacht, dass in Schwerin in Wahrheit an der Rehabilitation Brekers gearbeitet wird".

Oder an Ursel Berger, Direktorin des Berliner Kolbe-Museums, die Breker wiederholt in Gruppenausstellungen gezeigt und kritisch kommentiert hat: „Man kann und muss Breker ausstellen, damit er kein Phantom bleibt – aber bitte vorsichtig!"

Hierzu:
SpOn: Modellstreit mit Bildhauer
Berliner Morgenpost:Der Diktator und der Künstler

In den Texten stark apologetisch, aber für einen Überblick über das künstlerische Schaffen Brekers brauchbar: Museum Arno Breker.

Montag, 3. Juli 2006

Vor 35 Jahren: der "Lizard King" starb unter ungeklärten Umständen

Am 3. Juli 1971 starb der Leadsänger der Musikgruppe The Doors, Jim Morrison in Paris im Alter von nur 27 Jahren.
Der Totemlotse
(Zeichnung: Duke Meyer)
You could say it's an accident that I was ideally suited
for the work I am doing.
It's the feeling of a bowstring being pulled back
for 22 years and suddenly being let go.
I am primarily an American, second,
a Californian, third, a Los Angeles resident.
I've always been attracted to ideas
that were about revolt against authority.
James Douglas "Jim" Morrison

Am 3. Juli fand ihn seine Freundin Pamela Courson tot in der Badewanne. Die offizielle Todesursache lautet auf "Herzversagen", die genauen Umstände seines Todes wurden nie hinreichend geklärt, die Beerdigung erfolgte hastig und ohne Autopsie. Reichlich Futter für bizarre Verschwörungstheorien, zumal Courson als einzige Zeugin drei Jahre später an einer Überdosis Heroin stirbt.
Nach verschiedenen Indizien und Theorien ist es möglich, dass Morrison eine Portion puren Heroins für Kokain hielt und durch den Konsum ein Kreislaufversagen erlitt. Morrison war, trotz seiner Alkoholexesse und Drogenexperimente, entgegen einer weitverbreiteten Legende, kein Heroin-Konsument. Patricia Kennealy, Morrisons andere Lebensgefährtin, mit der er immerhin "handfasted" war, ist sich sicher, dass Courson Morrison unbeabsichtigt umgebracht hat - in einem Versuch, ihn ebenfalls heroinabhängig zu machen, oder ihn zu kontrollieren, oder ihn dafür zu strafen, dass er sie verlassen wollte. Derartig "verrücktes", die Konsequenzen des eigenen Tuns nicht berücksichtigende, Handeln ist für hochgradig Heroinabhängige leider nicht untypisch. Andererseits räumt Kennealy ein, dass Jim Morrison einen starken Hang zur Selbstzerstörung hatte - Suizid ist also keineswegs ausgeschlossen.

Eine kleiner Exkurs: "handfasted" bedeutet, dass Jim Morrison und Patricia Kennealy am 24. Juni 1970 einer heidnischen Zeremonie getraut wurden. Auch wenn das juristisch ohne Bedeutung war, wird es für Kennealy als Wicca-Priesterin und Morrison, der ernsthaft an Wicca interessiert war und sich als moderner Schamane verstand, ähnlich bindend gewesen sein wie eine kirchliche Trauung für gläubige Christen. Dass Morrison mit Pamela Susan Courson eine weitere Lebensgefährtin hatte, störte dabei nicht, tatsächlich verstanden sich die beiden Frauen recht gut. Das "Dreiecksverhältnis" war wahrscheinlich nicht annähernd so problematisch und turbulent wie es in Oliver Stones sehr großzügig mit den Fakten umgehenden "Doors"-Film dargestellt wurde. Morrisons enges Verhältnis zu einer Hexe lieferte natürlich Stoff für zahlreiche der oben erwähnten Verschwörungstheorien.

Morrison ist ein sehr inspirierter und inspirierender Dichter. Neben seinen großartigen Texten für die Doors schrieb er zahlreiche Gedichte, die in mehreren Gedichtbänden veröffentlicht wurde. So exzessiv er sich manchmal in der Öffentlichkeit gab, so verletzbar und unsicher war sein Innenleben. Morrison behauptete, den Geist eines verstorbenen Indianers in sich zu tragen und sah sich als Schamane - mehr als eine Laune, er beschäftigte sich ernsthaft mit Schamanismus und indianischer Kultur.
Er gab sich den spirituellen Namen "Lizard King" - Echsenkönig. Denn seine schamanischen Krafttiere waren Eidechsen und andere Reptilien - kraftvoll - und nicht ungefährlich.

"I am the Lizard King, I can do anything!" —Jim Morrison, "Not To Touch the Earth"

Neben dem Schamanismus sind seine tiefgründigen Gedichte von Rimbaud und Nietzsche beeinflußt, sowie von der Tiefenpsychologie C. G. Jungs. Immer suchte Jim Morrison nach dem Sinn hinter den Dingen - eine Suche, bei der er auf das problematische Hilfsmittel "Drogenrausch" zurückgriff. Morrison war bekannt für seinen exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum, er neben konsumierte "bewußtseinserweiternden" Drogen wie Mescalin und LSD auch Amphetamine ("Speed") und im immer wachsenden Maße Alkohol.

Wie viele sensible und kreative Naturen starb Jim Morrison viel zu früh.
This is the end
Beautiful friend
This is the end
My only friend, the end

It hurts to set you free
But you'll never follow me
The end of laughter and soft lies
The end of nights we tried to die

This is the end

Sonntag, 18. Juni 2006

Es ist soweit, Sir Paul!

When I´m Sixty-Four.
Herzlichen Glückwunsch - und danke für viele großartige Songs!
Paul McCartneys einsamer Geburtstag

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