Medien, Lobby & PR

Mittwoch, 14. Februar 2007

Was wirklich wichtig ist - und in den Medien unterging

Wie jedes Jahr stellt die Initiative Nachrichtenaufklärung die Top 10 der in deutschen Medien vernachlässigten Themen des Jahres 2006 vor:

Platz 1: Fehlende Therapieplätze für Medikamentenabhängige
(Die Therapie von Drogen- und Alkoholabhängigen ist öffentliches Thema, während das Problem der Medikamentenabhängkeit weitgehend verdrängt wird - weshalb Mißstände in der Therapie auch nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen.)

Platz 2: Über eine Million politische Gefangene in China – unmenschliche Haftbedingungen und Organhandel?
(Dass es Menschenrechtsverletzungen in China gibt, ist in der Öffentlichkeit zwar bekannt, das ungeheure Ausmaß wird aber von Wirtschaftsmeldungen über den "China-Boom" oder der Vorfreude auf die olympischen Spiele 2008 in Peking verdrängt - sehr zur Freude der zensurfreudigen chinesischen Regierung.)

Platz 3: Stromfresser Internet
(Gemeint ist vor allem die schlechte Energieeffizienz der Rechenzentren / Serverfarmen. Bis 2010 wird der Betrieb des Internets in Deutschland, wenn sich an der mangelnden Effizienz der Rechner nichts ändert, die Leistung dreier großer Kraftwerke - z. B. Kernkraftwerke vom Typ Biblis - benötigen. Auf Verbraucherseite gibt es eine Energieeffizienz-Diskussion, auf Serverseite nicht.)

Platz 4: Biowaffen aus dem Internet
(Die Gensequenzen für gefährliche Krankheitserreger können frei über Versandhandel von GenTech-Unternehmen erworben werden - natürlich auch von den Biowaffen-Labors interessierter aufstrebender Regionalmächte.)

Platz 5: Wenn Insider Alarm schlagen - Whistleblower haben in Deutschland einen schweren Stand
(Missstände in Unternehmen werden oft erst dadurch bekannt, dass Mitarbeiter sich an die Öffentlichkeit wenden. Im internationalen Vergleich haben es so genannte Whistleblower in Deutschland jedoch schwer. Sie werden nicht nur als Denunzianten hingestellt, sondern haben auch – anders als etwa in den USA oder in Großbritannien - keinen besonderen Rechtsschutz.)

Platz 6: Keine Zukunft für die Sahrauis (Westsahara)
(Die Sahrauis leben seit mehr als dreißig Jahren in Flüchtlingslagern in der Westsahara. Marokko blockiert jede Bemühung, den Konflikt mit der Befreiungsbewegung Polisario öffentlich werden zu lassen - leider mit Erfolg. Die UNO versucht vergeblich die Konflikt-Parteien zu einer Lösung zu führen. Hilfsorganisationen wie Medico International ziehen sich zurück.)

Platz 7: MEADS: Auf welche Berater verließ sich die Bundesregierung?
(Laut einem WDR-Fernsehbeitrag hat die rot-grüne Regierung vor ihrer Entscheidung, das umstrittene Raketen-Abwehrsystem MEADS mitzufinanzieren, drei Politikberater konsultiert, die Verbindungen zum beteiligten EADS-Konzern hatten. Also ein klarer Fall von Böcken als Gärtner bzw. "Selbstbedienung". Eine weiter gehende Berichterstattung, eine Überprüfung der vorgelegten Analysen oder eine breite öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit des Rüstungsprojekts stehen aus.)

Platz 8: Agrarsubventionen: EU verhindert rechtzeitige öffentliche Debatte
( Von den Medien weitgehend unbemerkt, hat die EU auf Druck einiger Mitgliedsstaaten mittlerweile die Pflicht zur Veröffentlichung der Agrarbeihilfen auf das Jahr 2009 verschoben, obwohl im Jahr 2008 eine Neuverhandlung des EU-Haushalts und der Agrarsubventionen geplant ist. Offenbar möchte man verhindern, dass Informationen bereits vor der Neuaushandlung des EU-Agrarhaushalts ans Licht kommen.)

Platz 9: Öl-Konzern hintertreibt Klimaschutzpolitik
(ExxonMobil betreibt intensive Lobbyarbeit in Brüssel und in Deutschland, um eine Lockerung der Klimaschutzprotokolle zu erreichen. Deutsche Medien haben darüber kaum berichtet. Nach der Verleihung des Worst EU Lobby Awards 2006 an Exxon Mobil Mitte Dezember hat sich das allerdings etwas verbessert.)

Platz 10: Pauschale Bonitätsprüfung bei Kreditinstituten
(Kreditinstitute bewerten Kunden zunehmend mit undurchsichtigen Scoring-Verfahren. Pauschale Kriterien wie die Wohngegend und das Alter bestimmen mit über die Kreditwürdigkeit eines Kunden. Dabei bleibt die tatsächliche Zahlungsfähigkeit des Kunden unberücksichtigt. Diese Praxis ist dem Publikum kaum bekannt, da Medien darüber wenig berichten.)

Donnerstag, 8. Februar 2007

Umweltschutz in der Parallelwelt der "wichtigen Leute"

Nur für den Fall, dass es jemand noch nicht mitbekommen hat:
Absurd: Die eine staatliche Prüfbehörde, also das Bundesamt für Verbraucherschutz, erlaubt eine Gift-Konzentration, die die andere staatliche Prüfbehörde, also das Bundesinstitut für Risikobewertung, für nicht akzeptabel hält: Doch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kümmert das offenbar wenig und das zuständige Bundesverbraucherschutzministerium legalisiert ebenfalls die höhere Belastung.
- (aus frontal21 Belastetes Obst, giftiges Gemüse ).

Man würde es sich zu einfach machen, wenn man vermutet, dass Grenzwerte nach dem Prinzip des "texanischen Meisterschützen" aus einem alten Slapstick-Film festgelegt würden: Der "Meisterschütze" schoß zuerst auf ein Scheunentor und malte dann eine Zielscheibe rund um seinen "Treffer", so dass es so aussah, als hätte er ins Schwarze getroffen. Also: nachträgliche Anpassung der Grenzwerte an die "Realität". Denn das hieße, dass das Obst und Gemüse im Regelfall stärker belastet wäre, als nach den bisher gültigen Grenzwerten zulässig wäre - das ist glücklicherweise nicht der Fall.
Auch die Korruptions-Hypothese ist, wie die Lobbyisten-Hypothese, nur begrenzt tragfähig - obwohl Schmieren und Schleimen aus der politischen Praxis kaum wegzudenken sind, und ich mir als spritzender Gemüsegroßproduzent schon überlegen würde, wo ich meine diskreten Finanzspritzen einsetzen würde: die Kontrolleure zu bestechen könnte für mich leicht strafrechtlich unangenehm werden, auf der politischen Entscheidungsebene ist mein Schmiergeld effektiver und risikoarm "angelegt".

Mir sieht der Fall nach einem weiteren Beispiel aus der seltsamen Parallelwelt der Politiker, der hochrangigen politischen Beamten und der "Wirtschaftsführer" aus. Wie Sven Scholz hier überzeugend darlegt, ist in der Welt der "wichtigen" Leute die Währung nicht etwa der Euro, sondern die "Wichtigkeit". Das Prestige. Oder ganz banal: die schöne Fassade. Es ist "wichtig" melden zu können, dass es "kaum Fälle von Grenzwertüberschreitungen gab" (genau so, wie die monatliche Arbeitslosenquote "wichtiger" ist, als das Schicksal der Arbeitslosen als Einzelmenschen). Es ist auch "wichtig", nicht bei "wichtigen Leuten" aus Wirtschaft und Politik anzuecken, etwa mit unbequemen Forderungen oder lästigen Fragen. Das Thema Schutz der Verbraucher vor belasteten Lebensmitteln ist erst dann wichtig, wenn es einen öffentlichkeitswirksamen Skandal gibt - wie jetzt geschehen. Wobei die Skandalvermeidung "wichtiger" ist als diese lästigen Tatsachen.

Ein kurioses Beispiel für "wichtigkeitsgesteuerte" Umweltpolitik ist der jährliche Waldzustandsbericht. Er wird nach einem Verfahren ermittelt, dass systematisch zu hohe "Krankheitsraten" ergibt - was seit mehr als 20 Jahren bekannt ist. Trotzdem wird das zu falschen Zahlen führende Verfahren nicht geändert - aus Angst vor dem öffentlichen Vorwurf, man wolle den Wald mittels geändertem Meßverfahren "gesundschreiben". "Wichtig" ist: bloß keinen Skandal! Außerdem kann man sich als Umweltpolitiker dank solcher Zahlenwerte gut als "Mahner und Warner" verkaufen, auch "Teilerfolge" machen sich immer gut - und dafür an anderer Stelle nicht so genau hinsehen.
Interessant auch, dass die "Wichtigkeit" des Themas "Waldsterben" nichts mit dem tatsächlichen Zustand des Waldes zu tun hatte. Irgendwann war einfach das Thema "durch" - auch dank einiger nicht eingetroffenen Horrorprognosen.

Ein aktuelles Beispiel liefert Ver.di-Boss Bsirske auf einer Kundgebung gegen "unfaire Auflagen" beim Emissionshandel und einen "Zwangsverkauf" der Stromnetze:
Dann wird es ganz still. Bsirske spricht über Klimawandel. "Der Bericht, den die Vereinten Nationen in der letzten Woche vorgelegt haben, hat erneut deutlich gemacht", sagt der Ver.di-Chef, um dann aufzuzählen, worauf sich die Welt einzustellen habe: "Mehr Wirbelstürme, mehr Hitzewellen, mehr Überschwemmungen, mehr Dürren." Über den Anstieg des Meeresspiegels kommt Bsirske dann zu den Ursachen des Übels, an denen "kein Zweifel mehr besteht": die globale Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Fast zehn Minuten lang ist es völlig still auf dem Platz. Keine Zwischenrufe, kein Trillern im Publikum.

Das ändert sich erst, als Bsirske Forderungen an die Politik erhebt: "Daraus folgt, heimischen Energieträgern den Vorrang zu geben." Jetzt ist die Menge wieder da: Sie grölt und trötet ausgesprochen engagiert. "Braunkohle zur Stromgrundlast einsetzen" - Jubel und Getriller; "Für Braunkohle einen brennstoffbezogenen Zertifikate-Koeffizienten einführen" - Getröte und Geklatsche. Zur Erinnerung: Braunkohle ist der klimaschädlichste Rohstoff. Bsirske erlöst jetzt die Sünder im Publikum.
(aus taz.online:Mit Tröten gegen Klimaquatsch - via sargnagelschmiede)

Der Widerspruch in Bsirskes Foderung ist eklatant. Aber unvermeindlich, wenn es einem, wie Bsirske, um die "Wichtigkeit" geht. "Wichtig" sind die obligatorischen Worte zum Klimawandel - ohne geht es nun einmal nicht, wenn man nicht als "Umweltsünder" darstehen will. Wichtig ist auch das Ansehen bei den Gewerksschaftsmitgliedern - die teils durchaus ein wirtschaftlichen Eigeninteresse am derzeitigen, weder verbraucher- noch umweltfreundlichen Oligopol der "vier Energiegiganten" hat, teils aber auch nur Angst vor Veränderung. "Bestandsicherung" kommt immer gut an. Und wichtig ist auch das Ansehen bei den "Tarifpartnern" - faktisch sind Gewerkschaftler die besten Lobbyisten "ihrer" Unternehmer.
Was Bsirske diesmal nicht schaffte: den krassen Widerspruch in seiner Rede elegant zu kaschieren. Andere können das besser. Zum Beispiel die deutschen Innenminster (fast alle!), die den eklatanten Abbau der Bürgerrechte als Schutz der Bürgerrechte verkaufen.

Montag, 15. Januar 2007

"Alles Lüge!"

Ein Lied von Rio Reiser, das sich übrigens bestens als Untermalung von Media-Markt-Werbespots eignen würde.

Das Grundgesetz der Public Relations ist, laut einem sachkundigen Zyniker, niemals die Wahrheit zu sagen.

Bei der Lobbyarbeit scheint es ähnlich zu sein. Nicht ganz unzufällig, denn Methoden und Personal überschneiden und vermischen sich. Es wäre eine äußerst mühsame Haarspalterei, herauszufinden, was zum Beispiel bei der "Initiative" "neue" "soziale" "Markt"-Wirtschaft Lobbyarbeit, was PR, was politische Propaganda und was schlicht Schleichwerbung ist.

ExxonMobil erhielt zurecht den Worst EU Lobby Award 2006, weil der Ölkonzern Desinformations-Kampagnen angeblich unabhängiger Denkfabriken und Institute finanziert, um die öffentliche Klimaschutz-Debatte im Sinne eigener wirtschaftlicher Interessen zu beeinflussen. Lobby Control: ExxonMobil auf den Spuren von Big Tobacco.
Diese zweifelhafte Praxis (nicht nur) ExxonMobiles behindert eine sinnvolle und faire öffentliche und auch politische Debatte zum Klimaschutz.
Eine besonders ärgerliche Nebenwirkung der Praktiken von ExxonMobile, "Klimaleugner" zu finanzieren, ist, dass "Klimahysteriker" Oberwasser bekommen - denn wer Zweifel am Klimakonsens äußert (oder gar darauf hinweist, dass es in der Wissenschaft gar nicht um Konsensfindung geht), der ist doch "garantiert" von der Öllobby "geschmiert", um die Diskussion um die menschliche Mitschuld an der Klimaerwärmung zu torpedieren. (Wobei ich auch Einiges zum Begriff: "Mitschuld" zu sagen hätten, was aber an dieser Stelle zu weit führen würde.)

Ärgerlich ist, dass die Gegner der Desinformationen verbreitenden Lobbyisten/Propagandisten nicht selten ebenfalls zum Mittel der Desinformation greifen.
Von zwei gar nicht mal so seltenen Sonderfällen sehe ich ab:
1. Der Gegner einer wirtschaftliche Sonderinteressen vertretenden "Lobbybude" ist ebenfalls eine wirtschaftliche Sonderinteressen vertretenden "Lobbybude".
2. Der Gegner der desinformierenden (oder oft "nur" "mauernden") Partei verrennt sich im Verschwörungsdenken und geht mit immer abenteuerlicheren Behauptungen über die gegnerische Lobby und ihre angeblichen Motive und "Hintermänner" an die Öffentlichkeit.


Die Klimadebatte liefert vortreffliche Beispiele, wie man mit Fakten lügen kann.

Ein Beispiel - Erwärmung in Grönland.
In folgender Grafik wird als Startjahr 1954 gewählt. Das Ergebnis ist ein positiver Trend. Von 1954 bis 2003 hat sich demnach die Temperatur in Mittel- und Nordgrönland erhöht.
Das ist auch die Aussage des vielzitierten Berichtes der ACIA (Arktische Konferenz - Arctic Climate Impact Assessment) aus dem Jahr 2004.
Temperaturkurve Grönland
Erwärmung in Nord- und Mittelgrönland seit 1954

Ein "Klimaleugner" kann, mit Daten aus der selben Quelle, zeigen, dass es sich in Nord- und Mittelgrönland von 1930 bis 2003 abgekühlt hat:
Temperaturkurve Grönland(1)
Abkühlung in Nord- und Mittelgrönland seit 1930

Dieses ist ein Beispiel wie das Auswählen entsprechender Zeiträume Aussagen in ihr Gegenteil verkehren können. Politische Absichten können dadurch unterstützt oder geschwächt werden.
Ob das die Absicht der Autoren des Berichtes ACIA war, können diese nur selbst beantworten.

Quelle: Klimanotizen.de - Newsletter 11. (Aber die sind bestimmt auch von ExxonMobile gekauft. Oder tanken zumindest bei ESSO!)

Samstag, 23. Dezember 2006

Sauschwer von Begriff

Erst vor zwei Wochen erließ das Landgericht Stuttgart eine einweilige Verfügung gegen den Media Markt - wegen Verstößen gegen die gesetzlich vorgeschriebene Energiekennzeichnung.
Letzte Woche mahnte die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) in den vergangenen Tagen zwei Filialen der angeblich saubilligen Elektronik- und Elektro-Fachmärkte ab - auch wieder wegen Verstößen gegen die Energiekennzeichnungsplicht.
Und wie gehabt lehnt Media-Markt-Anwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel ("Ich bin doch nicht blöd") die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab - nach glaubhaften Angaben der DUH garniert mit unflätigen Beschimpfungen Was er offensichtlich übersieht: Gesetze gelten auch für marktführende Elktromärkte.

Die Energieverbrauchskennzeichnung soll Kunden beim Kauf von Kühl-und Gefriergeräten, Waschmaschinen oder Wäschetrocknern mit eindeutigen Angaben die Entscheidung für verbrauchsarme Geräte erleichtern. Denn so manches saubilliges Schnäppchen verursacht später der schlecht informierten Käufer eine schweineteure Stromrechnung. Und umwelt- und ressourcenschonend ist so eine elektrische Mastsau auch nicht.

Die zum Metro-Konzern gehörenden Elektrogeräteketten Media Markt ("Saubillig") und Saturn ("Geiz ist geil!") hatte die DUH seit über einem Jahr wegen teilweise laschen Umgangs und teilweise auch geradezu demonstrativer Ignoranz mehrfach angeprangert und in der Folge vor den Gerichten bislang ohne Ausnahme obsiegt. Dennoch erzwingen die betroffenen Filialen aus dem Metro-Konzern weiter regelmäßig die Auseinandersetzung vor den Gerichten und bemühen dort im Fall von Niederlagen die jeweils nächste Instanz. Vermutlich in der Hoffnung, den lästigen DUH "weichzukriegen".

Samstag, 25. November 2006

Unsichtbare Sprachbarrieren und die Türsteher der Eliten

In der Publizistik und Medienwissenschaft wie auch in der Soziologie gibt es den Begriff des "Gatekeeper".

Wörtlich heißt das "Torwächter". Man könnte auch, von der Funktion her "Türsteher sagen". Wie ein Türsteher nach für Außenstehende oft rätselhaften Kriterien darüber entscheidet, wer in den Nachtclub darf und wer nicht, können Gatekeeper darüber entscheiden, welche Nachricht in den Medien erscheinen.
Andere Türsteher sind jene, die aufgrund ihrer Fähigkeiten (z. B. als Gutachter) und Positionen (z. B. als Vorgesetzter) die "soziale Mobilität" von Menschen beeinflussen können.

Besonders deutlich wird die Analogie zum Türsteher in der Arbeitswelt. Soziologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass für Wirtschaftseliten zum überwiegenden Teil Menschen rekrutiert werden, die in der entsprechenden Elite aufgewachsen sind. Der Soziologe und Kriminalschriftsteller Horst Bosetzsky (-ky) lästerte einmal, über Bewerber für den gehobene und höheren öffentlichen Dienst würde so entschieden, als ob hervorragende Beamteneigenschaften erblich wären.
Noch ausgeprägter ist dieses quasi-aristokratische Denken in den Führungsetagen der "freien Wirtschaft". Ein "Aufsteiger" muss schon sehr tüchtig sein, um sich in der deutschen "Führungselite" etablieren zu können: Gut vier Fünftel der Vorstandsvorsitzenden der 100 größten deutschen Unternehmen kommen aus Familien größerere Unternehmer, leitender Angestellter, höherer Beamter und akademischer Freiberufler. Die soziale Eliten sind im heutigen Deutschland vor allem das (Groß-)Bürgertum und das Bildungsbürgertum, die "Mittelschichtgesellschaft" der BRD nach dem "Wirtschaftswunder" ist weitgehend passé.
Und die Abschottung nimmt zu: Wissenschaft und Politik waren bis in die 1980er Jahre noch sozial durchlässige Sektoren. Auch hier hat sich auch hier das Bürgertum durchgesetzt. Waren in der 1. großen Koalition von 1966 nur 2 von den 6 wichtigsten Regierungsämtern mit Repräsentanten des Bürgertums besetzt, sind es heute 5 von 6. Der Anteil der "Bürgerkinder" unter den Professoren beträgt etwa 50% - gemessen an der Bevölkerung ist der Anteil des Bürgertums (ohne das "Kleinbürgertum") 3,5%, der des Großbürgertums 0,5%.

Das dieser Effekt tatsächlich auf sozialer Abschottung und nicht etwa auf Leistungen beruht, zeigt eine Untersuchung des Institutes für Soziologie an der TU Darmstadt: Wer aus der Familie eines leitenden Angestellten kommt, hat eine 10 mal so gute Chance, in die Führungsetage eines Großkonzerns aufzusteigen, als ein fachlich gleichguter Kommilitone aus einer Arbeiterfamilie. Wer einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied zum Vater hat, dessen Aussichten sind 17 mal besser als die als "Kind kleiner Leute".

Eliten orientieren sich am "Stallgeruch". Sie bevorzugen ihresgleichen. Wenn der familiäre Hintergrund z. B. eines Bewerbers bekannt ist, vielleicht sogar "Vitamin B" im Spiel ist, überrascht das nicht. Im Alltag z. B. eines Einstellungsverfahrens ist das allerdings nicht die Regel. Hier greifen subtilere, den Gatekeepern oft nicht einmal selbst bewusste Mechanismen. Die Gatekeeper erkennen anhand ihrer sozial, von Kind auf eingeübten Kenntnis der Untertöne die Zugehörigkeit von Bewerbern zu einem ihnen selber entsprechenden sozialen Milieu. Sie "spüren", ob jemand "dazugehört".

In der "guten alten" Zeit ließen sich solche Milieuunterschiede noch relativ einfach an der Kleidung oder den Manieren erkennen. Das dürfte in der Zeit des sorgfältigen Bewerbertrainings und einer doch ziemlich nivellierten Alltagskultur nur noch in Extremfällen relevant sein. Das wichtigste Indiz für den richtigen "Stallgeruch" ist die Sprache. Damit sind nicht nur offensichtliche und leider reale sprachliche Defizite der "Unterschicht" gemeint, auch nicht die Fachsprache, in der ein Bewerber sattelfest sein muss.

Ein sehr schönes und historisch interessantes Beispiel für eine subtile Sprachbarriere findet in der Autobiographie des Wissenschaftspublizisten Hoimar von Ditfurth "Innenansichten eines Zeitgenossen", eine Episode aus dem Jahre 1931: das Hausmädchen der v. Ditfurths hatte im Überschwang politischer Gefühle einen Brief an Hitler geschrieben, und sogar einen "persönlichen" Anwortbrief erhalten (wahrscheinlich ein Standardtext, bei dem nur die Anrede personalisiert war - in solchen Dingen waren die Nazis ihren politischen Konkurrenten weit voraus).
Da aber war ein Punkt, der mich stutzig machte. Ich verschwieg es Hertha, um ihre offensichtliche Freude nicht zu trüben. Der Eindruck jedoch, den ich bei dieser ersten Gelegenheit von Hitler gewann, war, ich kann es nicht anders sagen, ausgesprochen ungünstig. "Wertes Fräulein ..." das schrieb ein Herr einfach nicht. "Sehr geehrtes..." oder einfach "Geehrtes ..." das wäre in Ordnung gewesen, ebenso so auch "Verehrtes...", meinetwegen auch noch "Liebes Fräulein Mehrling". Aber "Wertes...", das war spießig und unmöglich. Soviel war auch mir als Elfjährigem mit absoluter Gewißheit klar. Denn mochten wir auch noch so arm sein, die vielfältigen kleinen sprachlichen und Verhaltensmerkmale, die dem Eingeweihten die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse signalisierten und die jemand, der nicht dazugehört, in aller Regel nicht registriert, die hatte man uns so eingedrillt, daß sie uns in Fleisch und Blut übergegangen waren.
(Bemerkenswert übrigens, dass die Familie, obwohl auf "kleinbürgerliche" Vermögensverhältnisse verarmt, ein Hausmädchen hatte: Adel verpflichtet.)
Ein Brief mit der Anrede "Werter Herr ..." ist im kaufmännischen Schriftverkehr tabu. Ich kenne "Werter Herr, Werte Frau usw." fast nur in ironisch-warnender Bedeutung, im Sinne von "Freundchen": "Werter Herr, da gehen Sie aber zu weit!" Ähnlich ist es mit der Grußformel "Hochachtungsvoll" - So unterschreibt man als Kaufmann nur Mahnungen oder "böse Briefe". Offensichtlich ist es im "alten Adel" ähnlich wie bei den "ehrbaren Kaufleuten".

Tatsächlich ist nichts so verräterisch wie der Sprachgebrauch, nicht einmal die neuerdings wieder gefragten Tischmanieren. Übrigens ist ein wichtiger Punkt bei allen "verräterischen Kleinigkeiten" Souveränität, das heißt, dass man mit all den Regeln und Maßstäben gelassen umgeht. Wer immer sich streng nach Benimmbuch benimmt, fällt auf die Dauer auf. Meistens nicht einmal bewusst: "Gute Manieren hat er ja, aber irgendwas stimmt mit ihm nicht ..."

Dass selbst mein Sprachgebrauch verrät, dass ich "nicht dazugehöre" wurde mir klar, als ich für eine "Frauenzeitschrift" (Klatsch, Mode, Kochrezepte - eben Regenbogenpresse, "Yellow Press") als freier Mitarbeiter einige Artikel schrieb, die seltsamerweise von der zuständigen Redakteurin sehr stark redigiert wurden. Nun ist "redigiert werden" in der Presse völlig normal, der sprachliche Perfektionismus dieser noch jungen Dame (aus einer alten Adelsfamilie - so was ist in der Regenbogenpresse offensichtlich gefragt) war aber schon einigermaßen befremdlich. Mir wurden z. B. alle "technisch-fachsprachlichen" Ausdrücke, wie "Anmoderation" und alles, was auf lässige Umgangssprache hinwies, glatt gestrichen, in der Attitüde einer strengen Deutschlehrerin.
Erst im Nachhinein wurde mir klar: das besagte Blatt betrieb systematisch sprachliche Mimikry. Es täuschte Seriosität vor, in dem es auf sprachliche Feinheiten acht gab. Tenor: "Wir sind schließlich die Neue Goldene Freizeit (Titel geändert) und nicht die BILD". Es überwand dank "gewählter Sprache" und einiger anderer Tricks erstaunlich erfolgreich die Türsteher der "besseren Gesellschaft", bis hin zu Königshäusern. Zugleich gab das "gute Deutsch" den Leserinnen die Illusion, eine Zeitschrift mit Niveau und keine "Proletenillustrierte" zu lesen.

Es ist also möglich, "Türsteher" zu überlisten, und zwar durch das Setzen der richtigen Kennzeichen und durch "schleimen" - anbiedern und schmeicheln. Die vor dem Nachtclub genau so wie die vor der "guten Gesellschaft". Die Frage ist allerdings, ob das für den Einzelnen immer sinnvoll ist. Und ob das auch für die "Eliten" sinnvoll ist - das Beispiel aus der Klatschpresse ist bezeichnend. Es gibt, vertrauen die Gatekeeper auf die "verräterischen Kleinigkeiten", eine offene Flanke für Karrieristen, die nichts so gut können wie sich gut selbst in Szene zu setzten.

Die zweite Frage ist die, ob wir durch solche Abschottungsmechnismen nicht auf die Dauer zu einer Klassengesellschaft im alten Stil werden, einer "geschlossenen Gesellschaft", einer Art Ständestaat. Soziale Mobilität, übrigens auch die nach "unten", zeichnet dynamische, anpassungsfähige, liberale Gesellschaften aus. Ständegesellschaften, in denen die richtige "Kinderstube" über den Status entscheidet, sind strukturell stockkonservativ und lassen zu viele Talente der "breiten Bevölkerung" ungenutzt.

Freitag, 24. November 2006

And he can see no reasons 'cause there are no reasons

Gerade im Radio gehört - zugleich ein Kommentar darauf, was ich vorhin im Radio gehört hatte: dem Ausspruch eines Experten, Amokläufe in Schulen seien ganz klar männliche Delikte, ihm sei kein einziger Fall bekannt, in der ein Mädchen dergleichen getan hätte ...
Auf YouTube: Boomtown Rats: I Don't Like Mondays

Zum Hintergrund des Songs: I Don't Like Mondays

Imagepflege per Zensur

Direktvergleich zwischen dem orignalen Wortlaut des Abschiedsbriefs, den der Amok-Läufer von Emsdetten hinterlassen hat und der zensierten Fassung bei RTL und BILD bei leckse: Ich will Z.E.N.S.U.R.. (via: karan.)

Auffällig: sämtliche Passagen, in denen Gesellschafts- oder Medienkritisches steht, sind in der zensierten Fassung entfernt. Es könnte ja jemand kommen, der die Frage nach der Mitverantwortung (auf keine Fall zu verwechseln mit "Mitschuld") der Medien und der Politik stellt ...

Donnerstag, 2. November 2006

BILD.de Liste mit Bildungslücken

Und zwar solchen von der Breite des Grand Canyons.
Via BILD-Blog (Kurz korrigiert (278-280) und Kurz korrigiert (275 - 277 ) stieß ich auf eine Liste, die selbst für BILD-Verhältnisse ein ungewöhliches Ausmaß an Fehlern, Abwegigkeiten, Absurditäten und willkürlichen Annahme enthält: BILD.de"Die 101 wichtigsten Menschen, die nie gelebt haben". Es ist übrigens keine Entschuldigung, dass die Liste von drei US-Autoren, die keine Fachleute für Literatur, Geschichte oder Mythologie sind, zusammenstellt wurde.
(Ich bin auch kein Fachmann, deshalb sind meine Listen ohne jeder Gewähr für ihre Richtigkeit und Vollständigkeit.)

Immerhin 11 der "wichtigsten Menschen, die nie gelebt haben", sind gar keine Menschen, sondern Tiere, Monster oder Maschinen:
Platz 31 The Little Engine That Could (Die „Little Engine That Could“ ist eine Eisenbahn-Geschichte von Watty Piper. Auf ihr und den „Railway Series“ von Wilbert Awdry basiert das Erfolgs-Musical „Starlight Express“)
Platz 38 Godzilla (japanisches Filmmonster)
Platz 41 Bambi (Zeichentrickfilm der Walt-Disney-Studios, basiert auf dem Buch "Bambi, ein Leben im Walde" von Felix Salten)
Platz 55 Das hässliche Entlein (Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen)
Platz 56 Loch Ness Monster (Nessie) (Monster, das angeblich in einem schottischen See in der Nähe der Stadt Inverness lebt)
Platz 66 HAL 9000 (der Super-Computer des Raumschiffs „Discovery“ in Stanley-Kubrick-Film „2001: Odyssee im Weltraum“ nach dem Buch von Arthur C. Clarke)
Platz 67 Kermit (der Frosch aus der „Muppet Show“ und der „Sesamstraße“)
Platz 74 King Kong (der berühmteste Gorilla in der Filmgeschichte)
Platz 78 Joe Camel (Cartoonfigur eines Kamels, die die Zigarettenfirma R. J. Reynolds in ihrer Werbung für „Camel“-Zigaretten einsetzte)
Platz 79 The Cat in the Hat (Kinderbuch von Theodor Seuss Geisel, genannt Dr. Seuss)
Platz 94 Buck (Mischlingshund in Jack Londons Roman „Der Ruf der Wildnis“)

Hinzu kommen vier (eigentlich sechs) Götter - dass die meisten Menschen in Bezug auf sie Atheisten sind, sagt nichts darüber aus, ob es sie gibt:
Platz 23 Apollo und Dionysus (Götter der griechischen Mythologie)
Platz 45 Venus und Cupido (römische Göttin der Liebe und ihr männliches, geflügeltes Gegenstück) Falsch, Cupido bzw. Amor ist Sohn der Venus.
Platz 46 Prometheus (erschuf nach der griechischen Mythologie die Menschen, brachte ihnen das Feuer)
Platz 99 Lilith (weibliche Figur der antiken, vorderasiatischen Religionen und Symbolfigur der Emanzipation)

Das selbe, was für Götter gilt, gilt auch für die zwölf mythologischen Gestalten - die außerdem möglicherweise auf (u. U. mehrere) "wirkliche" Menschen zurückgehen:
Platz 4 Santa Claus (Weihnachtsmann) Der Weihnachtsmann ist zwar fiktiv, im Sinne eines Kunstmythos, aber die Legende vom St. Nikolaus läßt sich auf wahrscheinlich historische Personen zurückführen. Außerdem gingen Züge des griechischen Göttes Hermes und des mit ihm charakterlich verwandten nordischen Gottes Odin in die Nikolaus-Gestalt ein.
Platz 7 Siegfried (der Drachentöter – Held aus dem Nibelungenlied)
Platz 14 Ödipus (Gestalt der griechischen Mythologie. Er heiratet seine Mutter)
Platz 24 Odysseus (einer der bekanntesten griechischen Helden im Trojanischen Krieg)
Platz 47 Pandora (in der griechischen Mythologie die erste Frau auf Erden, auf Geheiß von Göttervater Zeus aus Lehm geschaffen. Sie besaß eine Büchse, die sie leider öffnete – und so Elend, Not und Krankheiten über die Menschen brachte)Nur eine, sehr antifeministische, Version des Mythos.
Platz 58 St. Valentin (Schutzpatron der Liebenden)
Platz 59 Helena (in der griechischen Mythologie als die schönste Frau ihrer Zeit verehrt, Tochter des Zeus und der Leda)
Platz 76 Herkules (in der griechischen Mythologie Sohn des Zeus und der Alkmene, berühmt und berüchtigt wegen seines Jähzorns und vor allem seiner unbändigen Kraft) und seiner Schläue - wie die meisten mythologischen Helden hat er nicht nur Muckies, sondern auch Grips.
Platz 80 Ikarus (In der griechischen Mythologie Sohn des Dädalus, der ihnen beiden Flügel aus Federn und einem Holzgestell baute, um damit zu fliegen. Aus Leichtsinn flog Ikarus jedoch zu hoch: Die Sonnenwärme ließ das Wachs, das die Konstruktion zusammenhielt, schmelzen. Ikarus stürzte ins Meer.
Platz 82 Sindbad (der Seefahrer, bekannt aus den „Märchen aus Tausendundeine Nacht“)
Platz 88 Pygmalion (Name eines Bildhauers der griechischen Mythologie und Schauspiel von George Bernard Shaw)
Platz 92 Der wandernde Jude, der ewige Jude (Ahasveros, Figur aus der christlichen Mythologie bzw. Legendenbildung)

Dann gibt es auf der Liste sieben Sagengestalten, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf historische Personen zurückgehen (am wenigsten historisch gesichert ist übrigens Willhelm Tell, am besten gesichtert ist der Alchimist, Astrologe und Magier Dr. Johann Faust (ca. 1480 - 1540).
Platz 3 King Arthur (Der legendäre König Artus aus der Sage)
Platz 5 Hamlet (Einer der bekanntesten tragischen Helden von William Shakespeare) Beruht auf dem halb-legendären frühmittelalterlichen dänischen Prinzen Amlethus.
Platz 12 Robin Hood (Legendärer englischer Volksheld, der sich für die Armen eingesetzt hat)
Platz 29 Midas (Antike Sagengestalt, bekannt für ihre Gier und Dummheit) König Midas von Lykien.
Platz 36 Faust (Hauptfigur in der gleichnamigen Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe, dem bedeutendsten und meistzitierten Werk der deutschen Literatur)
Platz 42 Wilhelm Tell (Sagenhafter Freiheitskämpfer. Nach der Legende soll er dem Landvogt Gessler getrotzt haben, der Tell daraufhin zwang, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen)
Platz 69 Der Rattenfänger von Hameln (Titelfigur der Sage nach den Gebrüdern Grimm. Darin befreit der Rattenfänger mit seinem Flötenspiel Hameln von einer Rattenplage. Als die Stadtväter nicht zahlen wollen, entführt er auf gleiche Weise die Kinder der Bewohner)

Schließlich gibt es noch (mindestens) acht bzw. neun literarische Figuren, die auf Menschen beruhen, die wirklich gelebt haben. Mindestens, da viele der in der Liste geannten literarischen Figuren an wirkliche Menschen zumindest angelehnt sind:
Platz 11 Onkel Tom (Titelfigur aus dem Roman „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher-Stowe um einen Sklaven in den USA des 19. Jahrhunderts. „Onkel Tom“ wird mehrfach verkauft, hofft schon auf Freiheit – und wird schließlich doch von seinem letzten Besitzer zu Tode misshandelt.) Beruht auf den Lebensgeschichten mehrerer schwarzen Sklaven.
Platz 22 Robinson Crusoe (Romanfigur von Daniel Defoe, die auf einer einsamen Insel strandet)
Platz 33 Dracula (der wohl berühmteste Vampir der Literaturgeschichte, Titel eines Romans von Bram Stoker) Vlat Dracula, der "Pfähler", ist historisch. In Anlehnung an Volkssagen zum Vampir gemacht hat ihn allerdings wirklich erst Stocker.
Platz 34 Alice im Wunderland (Kinderbuchheldin des britischen Mathematikers und Schriftstellers Charles Lutwidge Dodgson)
Platz 35 Citizen Kane (Hauptfigur im gleichnamigen Film des US-amerikanischen Regisseurs Orson Welles)
Platz 65 Tom Sawyer und Huckleberry Finn (Die Lausbuben aus „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finns Abenteuer“, Jugendbuch-Klassiker von Mark Twain).
Platz 71 Hiawatha (Name eines Onondaga-Häuptlings)
Platz 93 Der große Gatsby (Hauptfigur im gleichnamigen gesellschaftskritischen Roman von Francis Scott Fitzgerald)

Mittwoch, 18. Oktober 2006

Wir sind DIE GUTEN (und deshalb sind unsere Mittel legitim)

"Der Zweck heilig die Mittel" - Wirklich?
Man könnte es mit Hannah Arendt sagen:
Handeln ist aber etwas wesendlich anderes als das Herstellen in der Zweckwelt der Dinge: Wenn ich zum Beispiel jemanden verrate, um einer sogenannte guten Sache zu helfen, so steht die Frage nicht mehr, ob sich vielleicht die gute Sache im Handumdrehen in eine schlechte verwandelt, sondern lediglich die Tatsache, daß ich Verrat in die Welt menschliches Handelns gebracht habe. Hier wird das "Mittel" nicht nur gelegentlich stärker als der "Zweck". sondern die sogenannten Mittel sind immer das einzige, was zählt, der Zweck wird immer zum illusionären Vorhaben, und zwar deshalb, weil ja das unmittelbare, greifbare Handeln sofort da ist, so daß sich die Welt prinzipiell geändert hat, bevor der Zweck erreicht ist, und zwar so geändert, daß der Zweck unter Umständen gar nicht mehr sinnvoll ist.
(Hannah Arendt: Denktagebuch)

Oder als Sprichwort:"Der Mittel verraten den Zweckl". "Verrat" im doppelten Sinne, die Mittel können Verrat am Zweck sein - oder verraten, was der tatsächliche Zweck ist, für den die Mittel eingesetzt werden.

Nun mag das Prinzip, einen guten Zweck nicht durch den Einsatz unethischer Mittel zu verraten, im rauhen Alltag des Wirtschaftslebens dem pragmatischen Prinzip "wo gehobelt wird, da fallen Späne" untergeordnet werden. Zumal es nicht der Zweck eines Wirtschaftsunternehmens ist, "Gutes" zu tun. Das soll in aller Regel Gewinne erwirtschaften; möglichst ohne den Einsatz unethischer Mittel.

Wenn aber ein Unternehmen selbst dem Anspruch erhebt, nichts Böses zu tun, dann verschärfen sich die Maßstäbe, an denen es sich messen lassen muß, ganz erheblich. Z. B. bei Google - "Don't do evil". Nicht nur Hokey stellte sich angesichts eines Falls von ziemlich dreister Zensur zugunsten eines kritisierten Wirtschaftsunternehmens die Frage: Ist Google evil? (Für die, die den Fall noch nicht kennen sollten: Axonas kritisierte in seinem Blog die wirklich haarsträubenden Geschäftspraktiken u. A. des Unternehmes Easydentic "Weil Sie einzigartig sind..." - Sicherheitstechnologie in den Händen eines obskuren Geschäftsmilieus?. Google hatte die URL dieses Artikels für die Firmennamen "Easydentic", "Protection One”, “Adhersis” und “Eurotec GmbH" aus den Suchergebnissen gelöscht - aus "rechtlichen Gründen" und vermutlich auf Veranlassung der kritisierten Unternehmen.)
Natürlich sperrt Google nicht ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Es fällt allerdings auf, wie viele Suchergebnisse gerade auf Google.de nicht angezeigt werden. Meiner Ansicht nach fürchtet Google juristischen "Ärger" (was ja für ein Wirtschaftsunternehme verständlich ist) und gibt deshalb dem Verlagen nach Sperrung leichter nach, als dies im Interesse des in diesem und anderen Fällen vorrangigen Rechtsgutes "Meinungsfreiheit" angebracht wäre. Ohne der selbst gestellten Anspruch Googles würde ich über dieses Verhalten vielleicht nur die Achseln zucken. So sieht es aber ganz so aus, als hätte Google dem Zweck "Rechtstreitigkeiten möglichst vermeiden" den eigenen Anspruch geopfert.

Besonders verheerend ist es, wenn wohltätige Organisationen der Verlockung des Prinzips "der Zweck heiligt die Mittel" erliegen.
Als Beispiel einer an sich sehr verdienstvollen Organisation, die dieser Verlockung bei der Gestaltung ihrer Informationskampagnen erlag, greife ich hier mal die Deutsche Krebshilfe heraus.

Anti-Raucher-Kampagnen wollen vornehmlich junge Menschen ansprechen, um sie vom Rauchen abzuhalten oder sie zum Aufhören zu bewegen. Die Botschaft ist klar: Wer raucht, kann Lungen-, oder Kehlkopfkrebs bekommen, wer nicht raucht, kann sich vor Krebs schützen. Infolgedessen setzen diese Kampagnen gern auf drastische Abschreckung - Schock-Spots sind anscheinend besonders wirksam.
Der Nachteil: Solche Kampagnen führen jedoch auch im Umfeld von Lungenkrebspatienten zu der unumstößlichen Ansicht, dass der Patient an seinem Schicksal selbst Schuld ist! Selbst Patienten, die nie geraucht haben, fühlen sich für Ihre Krankheit verantwortlich und werden auch von Ärzten immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert.
Einer dieser Schock-Spots ist mir (als Nichtraucher!) besonders im Gedächtnis geblieben: In einem Café beginnt ein rauchender Mann ene attraktive junge Frau anzuflirten. Als er sich zu ihr an den Tisch setzt und ihr eine Zigarette anbietet, holt sie einen Summer aus der Tasche, hält ihn an die Kehle und sagt mit blecherner Simme: "Danke, ich rauche nicht mehr". Zum Logo der Deutschen Krebshilfe fleht eine Stimme aus dem Off: "Hören Sie auf!"
Allerdings enthält der Spots viel "künstlerische Freiheit" - laut Krebsatlas des DKZF liegt bei Frauen unter 45 die für Kehlkopfkrebs-Neuerkrankungsrate bei eins zu einer Million. Kehlkopfkrebs tritt zudem vor allem mit übermäßigem Alkoholkonsum auf. Mit anderen Worten: Es gibt wahrscheinlich in ganz Deutschland keinen einzigen Fall einer so jungen, offenkundig nicht alkoholgeschädigten Frau, der wegen durch ihr Rauchen verursachtem Kehlkopfkrebs der Kehlkopf entfernt werden mußte. Risiko-Aufklärung sieht anders aus ...

Das betrifft nicht nur die Raucherkrebs-Kampagnen der Deutschen Krebshilfe. Ein Beispiel, mit dem ich mich schon mehrmals beschäftigt habe, ist Hautkrebs. (Siehe hierzu: Todesurteil für UV-süchtige Teenager und Was jeder weiß .)
Die Botschaft dieser Kampagnen lauter nicht etwa: "Im Übermaß kann Sonne auch gefährlich werden". Offensichtlich soll die Sonne künftig vor allem als Gefahr wahrgenommen werden. Wie bei dem Anti-Raucher-Spots setzen die Sonnenschutz-Kampagnen auf drastische Abschreckung.
Das Prinzip Angstmache gilt sogar für Aufklärungsschriften, wie z. B. in der an Schule verteilte Broschüre "Sonnenschutz ist kein Kinderkram!" - Auch wenn es so nicht beabsichtig ist, vermittelt sie den Kindern die Botschaft: Jeder ungeschützte Schritt ins Freie kann zum späteren Krebstod führen! "Die Haut erinnert sich an jeden Moment in der Sonne." "Jede Bräunung ist schon ein Zeichen für ihre Schädigung." "Auch Sonnenschirme, Bäume oder Markisen bieten keinen vollständigen Schutz." Das Ziel: "Die Kinder werden lernen, Strategien zur Minimierung der Sonnenbestrahlung zu benennen." Vorbild ist eine ähnliche Kampagne im (subtropischen, extrem sonnigen) Australien - die die Krebshilfe-Kampagne in deutscher Gründlichkeit allerdings noch übertrifft.

Es geht mir hier nicht darum, eine verdienstvolle Einrichtung wie die Deutsche Krebshilfe sozusagen mit Dreck zu bewerfen. Dafür ist sie zu wichtig. Das Ziel ihrer Kampagnen ist die Krebs-Prävention, als deren "wichtigste Pfeiler" die Krebshilfe die Krebs-Früherkennung und eine gesunde Lebensweise nennt. Mir vermittelt sich der Eindruck, dass es dabei sehr viel mehr um "Motivation" als um "Information" geht. Und das für die Motivation aus der Produktwerbung übernommene, hochwirksame, aber mit drastischen Nebenwirkungen verbundene "Arzneien" in hohen Dosen eingesetzt werden. (Ich hoffe nur, dass die als Berater tätigen Ärzte bei der Chemotherapie behutsamer vorgehen.)

Ein noch so guter Zweck, und wenn es die Krebsvorsorge ist, heiligt niemals jedes Mittel!

Eine Ungeheuerlichkeit am Rande:
Bei der Internet-Recherche zu diesem Beitrag stieß ich auf ein Beispiel dafür, dass für die Deutsche Krebshilfe der gute Zweck bestimmte "Mittel" nicht immer heiligt. Vor gut zwei Jahren nahm die Krebshilfe offensichtlich Spendengelder, die beim "Metal gegen Krebs" Open Air-Konzert gesammelt wurden, nicht an. dt. Krebshilfe e.V. nimmt Geld nicht an.
Insgesamt konnte ein Reinerlös von 3006,64€ gespendet werden.
Eigentlich sollte das Geld der deutschen Krebshilfe e.V. mit Sitz in Köln gespendet werden. Diese zeigten aber leider kein großes Interesse, das sie sich nicht vorstellen konnten, das "diese Rockertypen" dazu im Stande sind, eine solche Spendenaktion durchzuführen. Außerdem hegte man seitens der Dt. Krebshilfe Zweifel, ob bei dieser "Gruppierung" nicht rechtsextreme Hintergründe vorhanden seien. Auf die Bitte von Veranstalter Luck Maurer, sich die Homepage doch mal anzusehen bekam dieser nur die Antwort, dass man keine Zeit habe, im www rumzusurfen. Daraufhin gab Herr Maurer der Organisation zu verstehen, dass man sich eine andere Institution suchen werden, welche auch das Geld von "Rockertypen" annehmen.
Der Erlös wurde nun an die Deutsche Josè Carreras Leukämie Stiftung e.V. gespendet, welche das Geld für die gleichen Zwecke verwendet wie die deutsche Krebshilfe, mit dem einen Unterschied, dass man dort bei weitem nicht so voreingenommen ist!
Luck Maurer dazu:
"Ein bißchen angepisst bin ich natürlich! Vor allem weil es darum geht, DASS geholfen wird und nicht WER hilft. Hier zählt jeder Cent, ob er vom Anzugträger oder vom Rockertypen kommt, ist mal wirklich SCHEISSEGAL!"
Hier die Darstellung des Vorfalls auf der Website des Veranstalters und die Reaktion der Krebshilfe, als ihr die Peinlichkeit des Vorgangs bewußt wurde: Metal gegen Krebs: Skandal

Sonntag, 8. Oktober 2006

Radio-GaGa - leicht gemacht!

Als Redakteur eines typischen Dudelfunk-Senders hat man es nicht leicht.
Das mag angesichts des homogenen Breis aus Werbung und seichter Unterhaltung, euphemistisch "Programm" genannt, überraschend klingen. Das Problem ist folgendes: die Werbung wird nur dann gebucht, wenn der betreffende Sender auch genügend Hörer hat. Verläßt man sich, wie die meisten Dudelfunk-Sender, auf das Musikformat Mainstream-Pop ("Das Abgenudelste aus den 80ern und 90ern und das Ödeste von Heute"), gibt es absolut keinen Grund, nicht anstelle des Radios den CD- oder MP3-Spieler zu aktivieren - und die Musik werbefrei zu genießen.
Also braucht man wohl oder übel "Serviceleistungen": Kurznachrichten, Wetter, Verkehr, damit der Hörer bei der Stange bleibt. Und, da der fröhliche Moderator nicht immer nur abgestandene Witzchen machen kann, auch mal interessante aktuelle Beiträge. Das Problem: die Dinger machen sich nicht von allein bzw. sie können nicht mal eben von der Praktikantin zwischen Kaffeekochen und Fotokopieren zusammengehauen werden. Dazu muß man äh, wie heißt das noch mal, re... re... (im Duden nachschlag) ah, recherchieren. Schlimmer noch, man braucht Reporter. Es wäre auch nicht schlecht, mal einen Experten vors Mikro zu bekommen. Umsonst ist das nicht zu haben.

Oder? Schließlich gibt es, notdürftig als "Pressemitteilungen" getarnte, fertig konfektionierte Beiträge, als MP3-Datei zum kostenfreien Runterladen, mit denen man gleich live auf Sendung gehen kann.
Hier ein besonders gelungenes Beispiel der "CMA - Bestes vom Bauernfänger":
O-Ton-Beitrag: Date mit dem Herbst!
Was, wer redet da von "unzulässiger Vermischung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung"? Das ist doch Public Relations, keine Produktwerbung, das ist was ganz anderes! Es wird ja keine Werbung für Molke der Meiereigenossenschaft Ochsenwerder oder der Großmeierei "Meier-Milch" gemacht, sondern PR für das Informationsbüro Deutsche Molke. Damit die Leute endlich kapieren, dass Molke kein Meierei-Nebenprodukt mit begrenzter Anwendungsmöglichkeit ist, sondern unentbehrlich für Gesundheit, Schönheit, Erfolg. ("Generation Molkepulver".)
via: sargnagelschmiede Kieck moal an!

Man glaube nicht, so etwas beschränke sich auf den Dudelfunk. Oder wie kommen wohl die vorabendlichen Fernsehdokus a la "Wie wird original Harzer Magermilchkäse (fettarm, aromatisch und die Darmflora vitatalisierend) gemacht?" oder "So sauber ist unser neues Braunkohlekraftwerk" zustande?

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