Im Urwald wird geholzt - weil im Bundestag geschlafen wird

Greenpeace gehört zwar zu jenen "Guten", die ich neulich kritisierte, man muß dieser Organisation jedoch zugute halten, dass sie auf unschöne Vorgänge aufmerksam macht, die sonst still und heimlich untergangen (worden) wären.
Bundestag lehnt Gesetzentwurf zur Rettung der Urwälder ab
Letzte Woche hat der Bundestag mehrheitlich einen Gesetzentwurf der Grünen für ein nationales Urwaldschutzgesetz abgelehnt. Der Antrag sah vor, Besitz und Handel von Holzprodukten aus Urwaldzerstörung, die nach Deutschland importiert werden, zu verbieten und zu kontrollieren.

Dabei geht es nicht allein um den Schutz des tropischen Regenwaldes, sondern auch um den der Urwälder der gemäßigten und subarktischen Klimazonen, vor allem in Osteuropa und Sibirien.

Die illegale Ausbeutung der Urwälder hängt auch nach Ansicht der europäischen Regierungen eng zusammen mit Korruption und organisierter Kriminalität, Menschenrechtsverletzungen und der Finanzierung von bewaffneten Konflikten. Bestehende Vorschriften greifen nicht, markwirtschaftliche Lösungen scheitern an der völligen Intransparenz - oder, wie Greenpeace schreibt:
Derzeit kann eine Fichte in einem osteuropäischen Urwald illegal abgeholzt, nach Deutschland importiert, zu Bauholz verarbeitet und im Baumarkt den Verbrauchern legal angeboten werden.
(Wenn auch die Baumart "Fichte" ein eher schlechtes Beispiel ist, weil z B. mit witterungsbeständiger sibirischer Lärche oder langsam gewachsener und deshalb fester und feingemaserter nordischer Kiefer mehr Geld zu verdienen ist.)
Nach dem geplanten Urwaldschutzgesetz wären Händler und Anbieter verpflichtet, von ihren Zulieferern einen glaubwürdigen Nachweis für eine "ökologische und sozial gerechte" Waldnutzung zu fordern. Diesen müssten sie Kontrollbehörden und Verbrauchern auf Verlangen vorlegen. Der Handel ohne glaubwürdigen Nachweis wäre strafbar.

Nun sind Verbote und Kontrollen auch im Umweltschutz nicht gerade das ideale Mittel, eher ein verzweifelter Notnagel, wenn andere Maßnahmen nicht mehr helfen. Im Falle "Schutz der Urwälder" ist, denke ich, angesichts der Korruption im Holzhandel, sowohl in Rußland, wie im Kaukasus, wie in vielen tropischen Ländern, dieser Notfall erreicht.
Tatsächlich wurde der Vorschlag als "zu bürokratielastig" abgelehnt -
was mir, nach einem ersten Blick auf den Gesetzesvorschlag für ein Urwaldschutzgesetz (pdf) durchaus nachvollziehbar erscheint - eine alte Krankheit "Grüner" Gesetzesvorschläge. Der andere Grund war der Hinweis auf den europäischen Gesetzgebungsprozeß - es ist nämlich eine Regelung auf europäischer Ebene geplant, der man nicht vorgreifen wolle. Eine europäische Regelung wäre sicher besser - wenn sie dann endlich einmal käme. Ein deutscher "Alleingang" könnte eine Schrittmacherfunktion haben.
Stephan (Gast) - 27. Nov, 11:13

Manueller Trackback


MMarheinecke - 27. Nov, 11:38

Danke! Sehr lesenswert

Stephans Artikel behandelt die Hintergründe der Ablehnung des Urwaldschutzgesetzes (gelungene Lobbyarbeit) und weist auf eine m. E. sinnvolle Mit-Mach-Aktion des WWF hin.

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