Montag, 3. Januar 2011

The Professor!

Puh, gerade noch rechtzeitig!

*aufsteh*
*Horn mit Met heb*

The Professor!

*ansetz*
*trink*

Tolkiensociety - 2011 birthday toast

Samstag, 1. Januar 2011

Neujahrswunsch

Welche Wünsche und Erwartungen ich an das frisch begonnene Kalenderjahr habe, behalte ich für mich. (Meine guten Vorsätze brauche ich nicht für mich behalten, ich habe nämlich keine.)

Eine Ausnahme mache ich, aus gutem Grund:
Ich wünsche mir, dass der Krimi 2.0, trotz aller Widrigkeiten, im Jahr 2011 doch Wirklichkeit wird. Vielleicht mit diesem sehr Mut-machenden Titelsong:

Freitag, 31. Dezember 2010

Zauberei und Wissenschaft (ungereimte popkulturelle Gedankensplitter zum Jahreswechsel)

Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Arthur C. Clarke
Jede hinreichend fortgeschrittene Magie ist von Technologie nicht zu unterscheiden.
Larry Niven
Was der eine Zauberei nennt, ist für den anderen Technik. "Übernatürlich" ist ein leeres Wort.
Robert A. Heinlein

Diese drei "Altmeister" der Science Fiction haben meiner Ansicht nach völlig recht.

Your ancestors called it magic. You call it science. I come from a place where they're one and the same.
Deine Vorfahren nannten es Magie. Du nennst es Wissenschaft. Ich komme von einem Ort wo sie ein und dasselbe sind.
(Aus dem Trailer für den Film "Thor".)

Wenn Clarke, Niven und Heinlein recht haben, dann ist Zauberei auch in Midgard, der Welt der Menschen, eine Art angewandte Wissenschaft, sprich Technik.

Allerdings, in Books of Magic lässt Niel Gaiman den "Phantom Stranger" sagen:
bom-steam
The difference in viewpoint. Science is a way of talking about the universe in words that bind it to a common reality. Magic is a way of talking to the universe in words that it cannot ignorore. The two are rarely compatibel.
Der Unterschied im Standpunkt. Wissenschaft ist eine Art über das Universum zu sprechen, die es an eine gemeinsame Realität binden. Magie ist eine Art zum Universum in Worten zu sprechen, die es nicht ignorieren kann. Die beiden sind nur selten vereinbar.

Ich bin der Ansicht, dass der "Phantom Stranger" recht hat - und zwar hinsichtlich der Denkweise.
Beim Anwenden wissenschaftlicher - (oder magischer?) Gesetzmäßigkeiten ist die dahinter stehende Denkweise nicht weiter wichtig. Man muss die Quantenphysik nicht begriffen haben um einen Flash-Speicher konstruieren zu können - und selbst wenn man noch nie von Quantenphysik gehört hat, kann man eine Speicherkarte oder einen USB-Stick benutzen. (Flash-Memory ist eine besonders gute Illustration für Clarkes "Gesetz", denn ein Physiker auf dem Wissenstand des Jahres 1900 hätte beweisen können, dass so ein Gerät nicht mit den Naturgesetzen vereinbar wäre, also "Zauberei" sein müsse. Und ein Physiker auf dem Stand des Jahres 1960 hätte eingeräumt, dass so ein Gerät vielleicht von den Gesetzen der Quantenmechanik her möglich sein könnte, aber es nicht einmal theoretisch eine Möglichkeit gäbe, so etwas zu bauen.)
Flash-Memory könnte, aus Anwendersicht, ebenso gut mit Mana aufgeladen sein, sich dienstbarer Dämonen bedienen oder auf der ominösen "Macht" der Star Wars-Universum beruhen. Umgekehrt brauche ich das "schamanisches Weltbild" nicht zu verstehen, um durch schamanische Techniken (!) von einem Leiden befreit zu werden.

Daher haben Clarke, Niven und Heinlein nur bezogen auf die reine Anwendung recht, eben "Technik".
Die wissenschaftliche Weltsicht, die sich nicht nur auf die Naturwissenschaften beschränkt, und die magische Weltsicht (nicht zu verwechseln mit dem "magischen Denken", wie es bei kleinen Kindern vorkommt) sind nur selten vereinbar.

Jedenfalls noch.

Gedanken über Magie (2)

Kennzeichen des wissenschaftlichen Denkens "westlicher" Tradition ist das Streben nach Allgemeingültigkeit. In der Mathematik und in den Naturwissenschaften ist das - meistens - kein Problem. In den Gesellschaftwissenschaften ist das eher fragwürdig - ohne jetzt einem radikalen Relativismus das Wort reden zu wollen.
Völlig auf dem Holzweg dürften die linearen, teleologischen (auf ein Ziel gerichteten) Geschichtserzählungen sein, die vom Aufstieg des Menschen, dem Sieg des Kapitalismus und dem "Ende der Geschichte", dem Untergang des Abendlandes usw. usw. erzählen. Die schaffen schon in der Biologie nur Verwirrung: die Evolution hat keine Absicht, kein Ziei. "Intelligent Design" / Kreationismus stammt meiner Ansicht nach aus der tief auch im wissenschaftlichen Denken des "Westens" verankerten Denken in linearen Kausalketten. Es gibt keinen Determinismus in der Geschichte. Noch nicht einmal in der Naturgeschichte.

Kennzeichen jeder Magie ist es, die Wirklichkeit / eine Wirklichkeit durch Wollen zu beeinflussen. Weitergedacht stellt schon der freie Wille an sich eine Form der Magie da. Polemisch formuliert: wer glaubt, einen freien Willen zu haben, denkt magisch.

Trotz der bekannten "Dialektik der Aufklärung" - Adorno und Horkheimer beschrieben, wie die "instrumentelle Vernunft" an ihr Ende kommt und in einen neuen Mythos umschlägt - sehe ich die Aufklärung als nötig und positiv an.
Sie ist allerdings mit Magie nicht verträglich. Inkompatibel.
Was nicht bedeutet, dass ein Zauberer, ein Schamane, ein Mystiker notwendigerweise das aufgeklärte Danken zurückweisen muss, um Zauberer, Schamane, Mustiker zu sein. Das ist der Irrtum der meisten Okkultisten / Esoteriker - und fast allen Theologen.

Was folgt daraus, für den Alltag? Entscheidungszwänge á la "entweder-oder" kritisch hinterfragen. Es gibt auch "sowohl-als-auch", "irgendwo dazwischen", "keines von beiden" und gar nicht einmal so selten das scheinbar paradoxe Phänomen, dass etwas zugleich und ganz und gar das Eine (etwa ein Teilchen, klassisches naturwissenschaftliches Beispiel) und zugleich ganz und gar das Andere (etwa eine Welle) ist.
Spätestens seit dem Strukturalismus (und natürlich erst recht nach dem Post-Strukturalismus im Sinne Foucaults) lässt sich, ohne in ethische Beliebigkeit zu verfallen, sagen, dass "Gut-Böse"-Kategorisierungen nicht allgemeingültig sein können. (Na ja, im Grunde ist diese Erkenntnis seit Schopenhauer oder spätestens seit Nietzsche ein alter Hut.) Es ist hilfreich, sie ersatztlos zu streichen.
Besser ist es, sich selbst Ziele zu setzen, freiwillige Ziele, um diese Welt ein klein wenig weniger unerträglich für seine Bewohner zu machen. Die Menschenrechte sind z. B. nicht "von Natur aus" universell, aber sie sind das notwendige Korrektiv zur instrumentellen Vernunft. Und da die instrumentelle Vernunft der modernen Industrie- und Informationsgesellschaft über die ganze Erde ausgebreitet hat, ist es nötig, den Menschenrechte ebenfalls für alle Menschen Geltung zu verschaffen.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

“Thor”-Film: Schwarzer Heimdall ärgert Rassisten

Die Comic-Verfilmung "Thor" dürfte, nach allen verfügbaren Informationen, ein grottendämlicher Streifen sein (hoffentlich ist er wenigstens "gut doof"). Als bekennender Anhänger der Götter Asgards (der echten!), der Superhelden-Comics durchaus nicht abgeneigt ist (gut, Spiderman ist cooler als der Comic-Thor) und der gut gemachtes Popcorn-Kino zu schätzen weiß, lassen mich schon Pressetext und Trailer vermuten, dass der Film nicht nach meinem Geschmack sein dürfte.

Aber eines finde ich an diesem Film schon jetzt wirklich Klasse. Die Rolle des Asgard-Wächters Heimdall (und Träger des Gjallarhorns) wurde mit dem dem britischen Schauspieler Idris Elba besetzt. Und der ist schwarz.
Das wäre an und für sich nicht der Rede Wert, denn Jaimie Alexander, die Sif spielt, ist dunkelhaarig, obwohl Sifs typisches Attribut die goldene Haare sind. Über Heimdall ist nur bekannt, dass er goldene Zähne hat. In der Völuspa wird Heimdall "Vater aller Menschen" genannt. In der kürzeren Seherinnenrede (Völuspa in Skamma) heißt es, er sei "sippenverwandt sämtlichem Volk". Rückschlüsse auf die Hautfarbe lässt das nicht zu.
Davon abgesehen entspricht das Aussehen der Götter im Film nicht so ganz der Darstellung im Marvel-Comic - und ganz gewiss nicht den Vorstellungen, die sich heidnische Nordgermanen vor über 1000 Jahren von ihren Götter machten. Was fürs Popcorn-Kino schnuppe ist.

Also - Heimdall ist im "Thor"-Film dunkelhäutig. Na und?

Gäbe es da nicht Rassenreinheitsfanatiker, die das anders sehen. Würden die Typen das nicht so ernst meinen - es wäre zum Schreien komisch: Boycott Thor by Marvel Studios.
Ähnliche Ansichten vertritt die der "Tea Party"-Bewegung nahestehende "Council of Conservative Citizens" (CCC).
Die CCC ist nicht ganz glücklich über Elbas Auftritt in "Thor". Auf der "Statement of Principles"-Seite der CCC heißt es, "die Vereinigten Staaten sind ein europäisches Land und die Amerikaner sind Teil der europäischen Völker" (das dürften die Indianer etwas anders sehen) und sind selbstredend gegen "Rassenmischung" (das sahen die alten Wikinger deutlich anders).
Die CCC schreibt auf ihrer Website, dass Marvel den "Krieg gegen die nordischen Mythologie erklärt hätte, mit "einer beleidigenden Multi-Kulti-Überarbeitung". Komisch nur, dass die CCC überzeugt ist, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein christliches Land seien, und dass eine Regierung und die öffentliche Führungskräfte auf allen Ebenen christlichen Glauben und Werte widerspiegeln müssen. Eigentlich sollte diesen "Konservativen" die nordische Mythologie so was von egal sein (ist sie nicht, weil es gerade ins rassenquasslerische Weltbild passt).
Denn eines dürfte klar sein: was die "Boykott Thor"-Leute und die CCCs wirklich motiviert, ist nicht ihre Liebe für altnordische Mythologie. Sondern Rassismus.

Thor lässt Nazis durchdrehen (11k2)
Racists Totally Freak Out Over Idris Elba Playing Norse God in 'Thor' (comicsalliance).
(Auch wenn ich mit "a made-up mythological god who never existed" nicht so ganz einverstanden bin ... )

Sonntag, 26. Dezember 2010

Kinderfilmnostalgieecke: "Krieg der Knöpfe"

Weihnachtszeit ist Kinderfilmzeit. Wobei diese Filme ja nicht nur von Kindern gesehen werden: Alte Kinderfilme üben bekanntlich einen starken nostalgischen Reiz auf Erwachsene aus.
Allerdings fällt auf, wie viele alte und neue Kinderfilme eine "Brechstangen-Pädagogik" enthalten, bzw. indoktrinieren. (Frei nach Michael Endes Bastian in der "Unendlichen Geschichte": Filme, in denen man zu etwas gekriegt werden soll.) Ein meiner Ansicht nach übles Beispiel ist die kürzlich auf KI.KA gesendete Zeichentrickserie "Chi Rho – das Geheimnis". Man muss gar nicht so weit gehen, wie der humanistische Pressedienst (Kinderverblödung auf KI.KA), um bei der flott gemachten christlichen Missionierungsserie mittelschweres Unbehagen zu verspüren.
Weitaus mehr Kinderfilme sind einfach nur schlecht. Es ist erschreckend, welcher "Niveau-Limbo" bei der "Kinderbespaßung" offensichtlich durch geht.

Welche Kinderfilme, die ich damals mochte, schätze ich auch heute noch? In einem Satz: Kluge, gut gemachte Kinderfilme ohne pädagogische Brechstange. Und da gibt es zum Glück einige.

Ein Film, der mich als Kind besonders beeindruckte, und den ich auch als Erwachsener genießen kann, ist der Krieg der Knöpfe von 1962.
krieg der knöpfe
Die Jungen der Nachbardörfer Longeverne und Velrans sind seit ewigen Zeit verfeindet -warum weiß niemand mehr, aber das ist ja auch egal. Nachdem die Jungs aus Longueverne auf die Jungs aus Velrans sauer sind, weil diese ihnen beim Wohltätigkeitsmarken-Verkauf ihre ganzen Kunden weggeschnappt haben, bricht der uralte Konflikt wieder auf - die Jungs aus Longueverne unter ihrem Anführer Lebrac verlangen Rache. Der "Krieg der Knöpfe" heißt so, weil Gefangenen die Knöpfe abgeschnitten und die Schuhbänder durchtrennt werden. Dies ist nicht nur peinlich, sondern bedeutet auch Prügel zu Hause. Nach einer Niederlage droht die Mutter von Lebrac, ihn nackt zur Schule zu schicken, wenn dies noch einmal vorkommt. Das bringt den Jungen auf die "geniale" Idee: damit ihnen im Falle einer Niederlage nicht wieder die Kleidung kaputt gemacht werden kann, zieht die Bande nackt in den Kampf. Zwar tragen sie den Sieg bei dieser Schlacht davon, doch können sie sich nicht richtig über den Sieg freuen, weil es zu kalt ist und Brennnesseln gibt ...

"Krieg der Knöpfe" hat etwas, was fast allen "Lausbuben" / Kinderstreich / "Banden"-Filmen fehlt: inhaltlichen Tiefgang. Auch ungewöhnlich für einen Kinderfilm dieser Zeit: er stellt sich ganz auf die Seite der Kinder. Was mir an diesem Film auch heute noch gefällt ist, dass sein ernsthaftes Thema - Lebrac wird von seinem Vater systematisch misshandelt, und in ihrem "Krieg der Knöpfe" leben die Jungs die Konflikte und Vorurteile der Erwachsenen aus - dennoch amüsant und leicht inszeniert wird. Das versöhnliche Ende - Lebrac schließt im Internat, in das er von seinem Vater "abgeschoben" wird, Freundschaft mit dem gegnerischen Jungen-Anführer, und sie beschließen, nicht so zu werden wie ihre Väter - ergibt sich logisch aus der Handlung.

Allerdings zweifel ich daran, dass der "Krieg der Knöpfe" heutige Kinder ähnlich beeindrucken kann, wie mich damals. Für mich waren die 1960er und leider auch Kinder, die von ihren Eltern geprügelt wurden, und das mit dem besten Gewissen der Eltern, keine ferne Vergangenheit. Der Film ist in gewisser Hinsicht veraltet.
Für heutige Kinder dürften daher neuere Filme dieser Thematik, wie z. B. der Film Die geheime Festung geeigneter sein. In diesem kanadischen Film wird noch deutlicher als im "Krieg der Knöpfe", dass die Kindern die Konflikte der Erwachsenen ausleben.
Das in die irische Provinz in den 70er Jahren verlegte "Krieg der Knöpfe"-Remake von 1994 kommt meines Erachtens nicht an den Charme des Originales heran.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Die Reichsbahn - Legende, Propaganda und Wirklichkeit

Am 7. Dezember stand das offizielle Jubiläum "175 Jahre Eisenbahn in Deutschland" an. Anlass für mich, auf einige Aspekte der Bahngeschichte hinzuweisen, die in der offiziellen Selbstdarstellung der Deutschen Bahn AG eher untergehen.

Das DB Museum in Nürnberg wird schon seit langem wegen seiner "NS-Abteilung" kritisiert. (Also den Teilen der Dauerausstellung Die Reichsbahn in Weimarer Republik und Nationalsozialismus 1920-1945, die sich mit der Geschichte der Deutschen Reichsbahn zur Zeit der Naziherrschaft befassen.) Die Initiative Zug der Erinnerung kritisiert, dass von den ca. 6000 Quadratmetern des Museums exakt achtzehn Quadratmeter der Beihife der Deutschen Reichsbahn zum Holocaust. In dem Ausstellungs-"Kabuff" finde "keine Auseinandersetzung mit dem Massenmord" statt, hieß es bereits 2006 im Deutschlandfunk ("Mit der Bahn in den Tod", 04.12.2006). Die Deutsche Bahn AG stelle sich "nur gezwungen und so ganz nebenbei" den Tatsachen.
Es ist nun nicht so, dass das DB-Museum dieses Kapitel der deutschen Eisenbahngeschichte völlig verdrängen würde - es zeigt
Dokumente, Bilder und filmisch festgehaltene Berichte von Zeitzeugen, und verleugnet nicht, dass weder der Vernichtungskrieg im Osten noch die Deportation in die Vernichtungslager ohne die Transporte der Reichsbahn möglich gewesen wären.
"Zug der Erinnerung" kritisiert: Die DB AG stelle in Nürnberg hakenkreuzgeschmückte NS-Devotionalien aus, die von dem Unternehmen als "Glanzlichter der Eisenbahngeschichte" bezeichnet werden. Im DB-Museum könne man "alles bestaunen: liebevoll restaurierte NS-Uniformen der "Reichsbahn", farbige NS-Plakate der "Reichsbahn" oder luxuriöse NS-"Reichsbahn"-Waggons - eine einfühlende Erinnerung an die Opfer der millionenfachen "Reichsbahn"-Transporte in den Massenmord" finde man jedoch nicht.
Das Problem liegt meiner Ansicht weniger darin, was gezeigt wird, sondern wie es gezeigt wird.
Spätestens seitdem die Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft 1937 unter die Reichshoheit gestellt wurde, waren staatliche Propaganda und die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit DR völlig gleichgeschaltet. Wenn die Deutschen Reichsbahn in ihrer Selbstdarstellung, die von Rekordfahrten, dem Schnelltriebwagen-Netz, aber auch den KdF-Urlaubszüge geprägt wurde, sich selbst feierte, feierte sie auch den NS-Staat. Eine verantwortungsvolle Ausstellung muss nicht nur den "dunklen Seiten der Reichsbahn" angemessenen Raum geben, sondern auch den faulen Zauber der Propaganda und Werbung dieser Zeit entlarven.
Wie leicht die Selbstdarstellung der heutigen Bahn der Macht der alten Bilder auf den Leim geht, zeigte die "Bahn TV"-Dokumentation "Zeugnisse der Zeit". Sie zeigte NS-Propagandasequenzen über das deutsche Eisenbahnwesen, aber sagte nichts über die Transporte in die Vernichtungslager und die KZ-Baubrigaden, die auf den DR-Gleisen ihr Leben ließen, damit "Räder für den Sieg rollen" konnten. Das heißt nun nicht, dass die "heile-Welt"-Sequenzen der KdF-Züge holzhammer-medienpädagogisch mit Schreckensbildern aus dem KZ gekontert werden müssten. Die Ausstellung im "Zug der Erinnerung" gibt ein Beispiel, wie es ginge: Statt entsetzlicher Bilder zeigt sie Andenken an die Ermordeten, die aus Familienalben stammen könnten. Daneben werden mehrere Täter der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgestellt, die für den Transport der todgeweihten Kinder und Jugendlichen in die Vernichtungslager sorgten. Mehrere dieser Spezialisten setzten ihre Bahnkarrieren in der Nachkriegszeit fort.

Es stimmt, in den 1930er-Jahren gab es bei der Deutschen Reichsbahn technische Durchbrüche: Die Rekordfahrten der stromlinienförmig verkleideten Dampfloks der Baureihe 05 1936, die diese-elektrischen Schnelltriebwagen (die schon ab 1930 beschafft wurden, was die Nazipropaganda nicht daran hinderte, sie als Erfolge der NS-Verkehrspolitik zu preisen), die Aufsehen erregenden E-Loks der Baureihen E 18 und E 19, die eleganten "Schürzenwagen" - das ist die gern präsentierte glanzvolle Seite der Reichsbahn.
Allerdings hatte das mit der "normalen Eisenbahn" in den 1930er Jahren wenig zu tun. Die wurde von "Donnerbüchsen", teilweise überalterten Wagen aus der Länderbahnzeit und einem erheblich überalterten Lokomotivbestand geprägt. Das noch heute gefeierte Programm der Einheitslokomotiven krankte an wirtschaftlichen Problemen (für die die Reichsbahn wenig konnte), aber auch daran, dass einigen gelungenen Konstruktionen sehr viele technisch mittelmäßige Baureihen, einige saftige Fehlkonstruktionen und etliche an den betrieblichen Realitäten vorbei konstruierte Fehlbauten gegenüber standen. (Ein strukturelles Problem der Reichsbahn, das teilweise bis heute weiterwirkt. Aber das hebe ich mir für einen weiteren Artikel auf.) Von den 30 Baureihen und Unterbaureihen des Typenprogramms konnten 13 Baureihen eine Stückzahl von 16 Einheiten nicht überschreiten, blieben also Splitterbaureihen. Wobei das Einheitslokomotivprogramm ausdrücklich die Vielfalt der Splitterbaureihen bereinigen sollte.

1934 gab es 1.000 Einheitslokomotiven (4 % des Gesamtbestandes) und 1938 existierten 1.500 Einheitslokomotiven (6 % des Gesamtbestandes). Der Rest waren zum größten Teil alte Länderbahnloks und zum geringeren Teil nach der Reichsbahngründung 1924 weiter beschaffte bewährte Baureihen. (Die zum Teil, wie die bis 1930 beschaffte S 3/6 ihren Nachfolgern technisch überlegen waren - die S 3/6 galt noch als wirtschaftlichste Dampflokomotive der Deutschen Bundesbahn!) Ebenfalls zahlenmäßig wenig ins Gewicht fielen Elektro- und Diesellokomotiven.
Erst ab 1939 zog die Beschaffung neuer Lokomotiven im Zuge der Kriegsvorbereitungen deutlich an.

Auch nicht ganz in das strahlende Bild passt, dass die bis heute wichtigste Innovation im deutschen Bahnwesen der 1930er Jahre, die Doppelstock-Stromlinien-Wendezüge, die praktisch alle Merkmale der modernen Regionalexpresszüge vorweg nahmen, im Auftrag der 1938 verstaatlichten LBE entwickelt wurde. Vom schnellen Fernverkehr abgesehen war die Reichsbahn sehr konservativ.

Es kann auch nicht davon die Rede sein, dass die Reichsbahner lediglich vom NS-System vereinnahmt worden wären. Tatsächlich kamen sie planerisch der Eroberungspolitik entgegen. Gegen 1937 hatte z. B. Oberreichsbahnrat Günther Wiens Konzepte für ein Netz viergleisiger Fernbahnen mit erhöhter Achslast und Geschwindigkeiten von 200 km/h für Personen- und 100 km/h für Güterzüge vorgelegt, das kreuzungsfrei, ohne Städte zu durchqueren, das Land in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung durchziehen sollte. Ab 1939 und besonders seit Beginn des Russlandfeldzuges 1941 sollte die deutsche Eroberungsstrategie den "Lebensraum im Osten" eröffnen. Wiens Konzept wäre für den Massengütertransport im eroberten Osten weitaus "besser" geeignet gewesen, als z. B. Hitlers "Lieblingsidee" einer 3 m Breitspurbahn.

Die organisatorisch und technisch größte Leistung der Reichsbahn war ausgerechnet das Programm der Kriegslokomotiven - ein klassisches, bedrückendes Beispiel für "instrumentelle Vernunft", und für die völlig rücksichtslose Ausbeutung zehntausender sich buchstäblich zu Tode schuftender Sklavenarbeiter. Unter dem Einsatz menschenverachtenden Mittel für un-menschliche Ziele (industrieller Massenmord, Vernichtungskrieg) - aber "brillant" durchgeführt.

Es kann auch kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Logistiker der Reichsbahn sich der "Herausforderung" der Deportation mit großem fachlichen Eifer annahmen. Gar kein Zweifel besteht daran, dass die Reichsbahn an den Todeszügen gut verdiente: Nach vorsichtigen Schätzungen nahm die "Reichsbahn" bei den Deportationen in West- und Mittelosteuropa mindestens 445 Millionen Euro heutiger Währung ein.

Die DB AG und ihr Eigentümer, die Bundesrepublik Deutschland als einzige Gesellschafter, sind de facto Rechtsnachfolger und Erben eines Mordkomplexes, der zum Beispiel die viel diskutierte kriminelle Energie des Auswärtigen Amtes der NS-Zeit deutlich übertraf. Die Reichsbahn war ein kriminelles Unternehmens, das Millionen Menschen in den Tod gefahren hat - und daran noch verdiente.
Das tatsächliche Ausmaß der Reichsbahn-Verbrechen wurde in der Bundesrepublik ebenso wie in der DDR über Jahrzehnte vertuscht.
Zwar gibt es diese Vertuschung, weil die Bahn es nicht mehr leugnen kann, und weil bei ihr aus rein biologischen Gründen keine Täter mehr arbeiten, heute nicht mehr in dieser Form. Aber über die Kriminellen, die für den Nachschub nach Auschwitz verantwortlich waren und später in hohe Bahnämter aufstiegen, erfährt man nach wie vor bei der DB AG nichts. Für diese Täter hat die Bahn in der Nachkriegszeit Millarden an Pensionen gezahlt.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Der Anfang des Winters ist der Anfang vom Ende der dunklen Zeit

Heiden fuer Menschenrechte
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Heiden für Menschenrechte

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