Mittwoch, 10. Oktober 2007

Nobel, Nobel - oder: Forschung in Deutschland

Ja, ich höre die Häme (die in Deutschland gern für Kritik gehalten wird), dass mit Ertl und Grünberg Männer ausgezeichnet werden, deren preiswürdige Leistungen aus dem "vergangenen Jahrhundert" stammen und deren Erkenntnisse vor allem von asiatischen und amerikanischen Konzernen vermarktet werden.
Allerdings ist es (leider) normal, dass zwischen einer bahnbrechenden Entdeckung und einen für diese Entdeckung verliehenen Nobelpreis mehrere Jahrzehnte vergehen. Und dafür, dass deutsche Unternehmen gerne Chancen "verschlafen" bzw. an ihnen vorbeiplanen, können deutsche Forscher herzlich wenig.

Entgegen einer von interessierten Seite gern verbreiteten Legende zählt der Forschungsstandort Deutschland tatsächlich zur Weltspitze. Der Massenexodus von Spitzenkräften in die USA, der berüchtigte "Brain Drain", wird zwar gerne als Schreckensszenario an die Wand gemalt, wenn es darum geht, die Universitätsausbildung zu "straffen" und (angebliche) Elite-Universitäten zu fordern, aber er ist in dieser Form eine Legende. Ja, es stimmt, dass jährlich tausende deutsche Wissenschaftler in das hochentwickelte Forschungsland USA wechseln. Das ist meines Erachtens aber eher ein Form von Mobilität, vom Austausch von geistigem Potenzial, wenn man so will. Nicht wenige der "Auswanderer" kehren später zurück, wie z. B. die Zahlen der Deutschen Forschungsgemeinschaft belegen, mit Erfahrungen, Know-How und Kontakten, der Frucht der "langjährige Auslandserfahrung". Sie kehren gern zurück, denn auch ohne Elite-Unis ist Deutschland in vielen Bereichen der Naturwissenschaften ausgezeichnet aufgestellt; dank Max-Planck-Gesellschaft, den Fraunhofer-Instituten und der
Helmholtz-Gesellschaft sind Grundlagenforschung und angewandte
Forschung hierzulande gut vernetzt. Es ist außerdem nicht so, dass Deutschland für ausländische Wissenschaftler uninteressant wäre - auch wenn die deutsche Einwanderer-Abwehr-Bürokratie viele Jungforschern abschrecken dürfte.

Also alles im grünen Bereich? Nein! Die
Hochschullandschaft ist in weiten Teilen in einem unübersehbar miesem Zustand; es gibt Bereiche, vor allen in den Geisteswissenschaften, die regelrecht kaputtgespart wurden. Trotz allem Effizienzgerede ersticken Wissenschaftler an den Unis, aber auch an Forschungszentren, in Bürokratie.

Das lässt sich allerdings, wenn man will, reparieren. Schwieriger wird es, wenn es um grundsätzliche Orientierung der Bildung (einschließlich der Schulbildung) geht. Ertl und Grünberg einer Generation an, in der eine breite Grundlagenausbildung noch als selbstverständliche Grundlage für Spitzenleistungen galt. Bis in die 1970er Jahre, als nach konservativen Horrorszenerien die "68er" längst alles mit ihrem "alte Werte" zersetzen Einfluss die Unis unterwandert hatten, galt das unbestritten.
Die "Zersetzung" setzte erst ein, als, politisch gewollt und von Teilen der "Wirtschaft" gefordert, auch im Wissenschaftsbetrieb ein Klima entstand, in dem immer schnellere Ergebnisse gefordert wurden ("Serienreife in drei Jahren oder die Sache ist gestorben!") und wirtschaftliche Anwendbarkeit zunehmend der einzige Maßstab für "gute" Forschung würde. (Wobei: auch bei heute in fast allen Festplatten genutzten, nun nobelpreisgekrönten, GMR, war am Anfang zwar "irgendwie" klar, dass sich damit enorm leistungsfähige Magnetsensoren bauen ließen, aber wie die Anwendungen später aussehen würden - sie stecken auch heute noch in den Anfängen - war ganz und gar nicht klar. Und das erste "verkaufbare" Produkt, die Multi-Gigabyte-Festplatte in kompakter Größe bei günstigem Preis, erforderte fast zehn Jahre Entwicklungsarbeit. So langfristig planen viele Unternehmen gar nicht mehr!)
Unübersehbar ist jedenfalls, dass man in Deutschland kräftig an der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern kürzte. Die Hast, mit der zur Zeit die früheren Diplom- und Magisterstudiengänge an den Universitäten auf Bachelor und Master umgestellt werden, ist auch eine Folge des "raueren" Klimas.

Zurück zum "Brain Drain". Nicht zu übersehen ist, dass man als "fertiger" Wissenschaftler in Deutschland oft keine Gelegenheit bekommt, auch in Deutschland forschen zu "dürfen". Bei den angewandten Wissenschaften und erst recht nicht bei den Ingenieuren ist das kein Problem, es gibt sogar einen nicht zu übersehenden Ingenieurmangel.
Das Problem hier ist, dass man z. B. Physik zwar studieren kann, aber nachher nicht dauerhaft als Physiker arbeiten kann. Physik zu studieren und dann als Programmierer zu arbeiten oder in einer Unternehmensberatung zu landen, ist - krass gesagt - Verschwendung. Dann ist es schon ein "kleineres Übel", ins Ausland zu gehen. Erst recht gilt dieses Problem für die oft übersehenen und gern als "unwichtig" abgetanen Geisteswissenschaften.

Mit anderen Worten wir brauchen nicht "schnell" mehr Wissenschaftler im Land. Sondern gut und breit ausgebildete Wissenschaftler, von Schmalspurdenkern und Fachidioten sind keine bahnbrechende Neuerungen zu erwarten. Und vor allem mehr Stellen für Wissenschafter. Auch und gerade in der "freien Wirtschaft". Womit wir wieder bei den technische Entwicklungen verschlafenden deutschen Großunternehmen wären (der deutsche "Mittelstand" ist erfreulich innovationfreudig, kann sich aber keine aufwändigen Forschungsabteilungen leisten): Forschung, die sich vielleicht erst in vielen Jahren rechnet, gilt als reiner Kostenfaktor. Die, nach dem Grundsatz "klassisch deutscher Holzhammer-BWL" "Wir müssen Kosten abbauen, koste es, was es wolle", dann auch gerne "eingespart" wird.

Samstag, 6. Oktober 2007

Anarchistischer Traum

Zwei Sätze vorweg:
Der Titel dieses Beitrags ist wörtlich gemeint.
Ich gebe meine Träume normalerweise nicht öffentlich kund, es sei denn, ich habe einen sehr guten Grund dafür.

Vor einige Tagen träumte ich von einem geglückten anarchistischen Aufstand, vielleicht sogar einer anarchistischen Revolution - und zwar auf deutschem Boden. Wie es bei Träumen so üblich ist, richtet sich die innere Logik nicht nach "Tatsachen", sondern nach Gefühlen. Ebenso gibt es im Trum keine Denkverbote und kein "das kann nicht wahr sein".

Es beginnt mit einem Aufstand auf der Ostseeinsel Fehmarn. Warum er ausbrach? Daran kann ich mich nicht erinnern, wahrscheinlich habe ich den Grund nicht mitgeträumt. Dass es aber gerade in Fehmarn "losging", ist vom Gefühl her weniger absurd als es scheint. Wer die Fehmarner kennt, kennt auch deren ausgeprägten regionales Selbstbewusstsein, auf dem Festland auch für "Sturheit" gehalten.
Mir fiel ein, dass auf Fehmarn Jimi Hendrix zum letzten Mal auftrat - ein Gedenkstein und seit 1995 auch ein jährliches Musikfestival erinnert daran. Die Band "Ton Steine Scherben" gab bei der selben Gelegenheit, dem "Love and Peace Festival" 1970, beim Flügger Leuchtturm ihr erstes großes Konzert.

Zurück zum Traum. Es fängt damit an, dass aus einem Grund, den ich nicht weiß, ein Supermarkt in Burg auf Fehmarn gestürmt wird - es muss ein guter Grund sein, denn die Bevölkerung stellt sich hinter die Supermarkt-Stürmer. Jedenfalls breitet sich ein Aufstand über die ganze Insel aus. Ein Aufstand der Spaß-Guerilla, unblutig, phantasievoll, voller kleiner subversiver Einfälle. Der Versuch, Fehmarn einfach der Strom abzudrehen, schlägt fehl - denn die fehmarner Windkraftwerke produzieren selbst bei ungünstigem Wind mehr Strom, als die Insel braucht. (Ein Detail, das übrigens stimmt!)
Diesen Aufstand nimmt man auf der kleinen, zu Hamburg gehörenden, Nordseeinseln Neuwerk auf. Die Einwohner fühlen sich vom "fernen Hamburg" betrogen. Hier kenne ich sogar den Anlass des Unmutes: die immer schlechter werdende Verkehrsverbindung zum Festland. (Keine Ahnung, ob das stimmt.) Ironisch und in Anspielung auf den (extrem teuren) U-Bahnbau zur Hamburger Hafencity forderten die Neuwerker eine S-Bahn-Anbindung. Das wiederum ist der Anlass für einen von St. Pauli ausgehenden allgemeinen Aufstand gegen die selbstherrliche Politik des mit absoluter Mehrheit regierenden Ersten Bürgermeisters Ole von Beust. Nach einiger bizarren Ereignissen führt das zu einer erfolgreichen anarchistischen Revolution in Hamburg. (St. Pauli ist für mich der "gefühlt anarchistischte" Ort, den ich kenne. Selbst Kopenhagens legendärer Freistadt Christiania, das gelungenste Experiment eines radikal basisdemokratischen Gemeinwesens, der einzigen "real existierenden Anarchie Europas" kommt da - gefühlt - nicht mit.)

Die innere Logik richtet sich, wie ich schon schrieb, allein nach dem Gefühl. Nicht nach realen politischen oder gar ökonomischen Verhältnissen, und die Vernunft schweigt im Schlafe überdies.

Aber das Gefühl ist stark.

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Free Burma (Birma, Myanmar)

Free Burma!

www.free-burma.org

Ich beteilige mich an dieser Aktion, obwohl ich weiß:

1. Wäre Myanmars / Birmas für die europäische, nordamerikanische und japanische Wirtschaft wichtiger (oder hätte die Regierung den USA erlaubt, Stützpunkte auf ihrem Territorium zu errichten) dann wäre es für die Mehrzahl der "westlichen" Politiker und den "Mainstream" der Massenmedien wahrscheinlich kein so "schlimmes" Land. Was kein Jota daran ändert, dass das Regime in Birma / Myanmars tatsächlich brutal, korrupt und verkommen ist. (Aber man vergleiche z. B. Saudi-Arabien: absolute Monarchie, stramm islamistisch ausgerichtete Gesellschaft, einer der schlimmsten Tyranneien die es z. Z. auf der Erde gibt - aber: dank gut angelegtem Ölreichtum wirtschaftlich wichtig, deshalb vergleichsweise gute Beziehungen und für das Regime erträgliche Presse. Oder, um ein ähnlich brutal-korruptes, über Leichen gehendes Regime wie in Birma zu erwähnen, Guinea-Bissau, von dem man auffällig wenig hört. )

2. Solange die (militärische) Machtelite dieses Birmas / Myanmars sich der vollen Unterstützung durch China und der wohlwollenden Neutralität Indiens sicher sein kann, und mangels Wirtschaftsbeziehungen amerikanische, europäische oder japanische Boykotte / Handelsblockaden ins Leere greifen, wird sie auch weiterhin mit brutaler Härte reagieren - und sich wahrscheinlich damit durchsetzen.

Aber ich habe einen verdammt guten Grund, weshalb ich bei dieser Aktion mitmache: arrogante Machtausübung kotzt mich an. Und zwar überall, unter jedem System, mit jeder Rechtfertigung. Und ganz besonders, wenn sie über Leichen geht.

Von der Idee, die olympischen Spiele zu boykottieren, wenn China keinen positiven Einfluss nimmt, halte ich übrigens ziemlich viel.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

50 Jahre Sputnik und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei

Gedanken zu einem Jubiläum.

Mit blutigen Händen nach den Sternen greifen?
Der Start des ersten künstlichen Erdsatelliten hat erst am 4. Oktober Jubiläum. Aber abgesehen davon, dass ich morgen keine Zeit zum Bloggen habe, könnte man, mit einigem Recht, auch den 3. Oktober den "Geburtstag der Raumfahrt" nennen. Den 65. Geburtstag.

Am 3. Oktober 1945 starte die erste erfolgreiche Großrakete, und sie war das erste gesteuerte Fahrzeug, dass sich technisch gesehen im Vakuum des Weltalls bewegte. Es war eine A4, als Terrorwaffe unter der Propagandabezeichnung V2 bekannt, sie hob vom Prüfstand 7 der Heeresversuchanstalt Peenemünde ab. Sie stieg auf 90 km Höhe auf, erreichte mehr als fünffache Schallgeschwindikeit und flog etwa 200 km weit.

Eine problematische Geburt - die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei, um den Untertitel von Rainer Eisfelds großartigen kritischen Biographie Wernher von Brauns, des Chefkonstrukteurs sowohl der A4 wie 25 Jahre später der "Mondrakete" Saturn V zu zitieren. Lassen sich die Ambivalenzen, die damit verbunden sind, das Sputnik 1 von einer Interkontinentalrakete gestartet wurde, die zum Transport einer Wasserstoffbombe konstruiert wurde, lassen sich die brutale Umstände, unter denen die A4 "geboren" wurden, selbst in einer so tief von Verdrängung, Selbstbeweihräucherung und Selbstbetrug geprägten Kultur wie der Deutschen nicht unter den Teppich kehren.

Im Zusammenhang mit dem Ausbau der unterirdischen Waffenfabrik unter dem Kohnstein im Südharz und der anschließenden Fertigung der A4-Rakete sowie der Flugbombe V1 und von Teilen eines Düsenjägers kamen nach offizieller Zählung in den SS-Akten etwa 12.000 Zwangsarbeiter ums Leben. Aller Erfahrung nach ist das ein Mindestwert.
Dem Einsatz der A4, die - noch unausgereift und ungenau wie sie war - nicht militärisch sinnvoll eingesetzt werden konnte, und deshalb eine reine Terrorwaffe gegen die Zivilbevölkerung war, fielen etwa 8.000 Menschen zum Opfer. Fast ausschließlich Zivilisten.

Trennung, was nicht zu trennen ist
Eine noch heute beliebte Verdrängungsstrategie ist es, zwischen den "sauberen" A4 Entwicklern in Peenemünde und der unmenschlichen Fertigung in den Stollen des KZs "Dora" zu trennen. Aber das ist nicht nur deshalb Unsinn, weil es auch in Peenemünde eine KZ-Aussenstelle für die "Versorgung" der Vorserienproduktion mit "entbehrlichen" Sklavenarbeitern gab, sondern, weil die "Peenemünder" selbstverständlich in die Serienproduktion einbezogen, und deshalb über die mörderischen Lebensbedingungen im Kronstein informiert waren, und sie zumindest billigend in Kauf nahmen.

Darüber, dass die Großraketenentwicklung sich nicht von der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen trennen lässt, brauche ich wahrscheinlich kein Wort zu verlieren.

Um der quälende Ambivalenz zu entgehen, wurde und wird auch verschiedentlich die entscheidende Rolle der A4 / V2 für der Raumfahrtentwicklung geleugnet. In der sowjetischen R7, die den Sputnik ins All brachte, steckte einiges an A4-Technik, sie kann als indirekte Weiterentwicklung der A4 bezeichnet werden. Die Redstone / Jupiter C, die den ersten amerikanischen Satelliten Explorer beförderte, ist eine Konstruktion Wernher von Brauns und eine direkte Weiterentwicklung der A4. Die Vanguard-Rakete, die vorgesehen war, den ersten amerikanischen Satelliten zu starten, profitierte dagegen nur indirekt von "Peenemünder" Erkenntnissen. Sie war kein Trägersystem für Massenvernichtungswaffen und kam ohne "Nazi-Ingenieure" aus - und wurde deshalb der aussichtsreicheren und erprobten Jupiter C vorgezogen. Ohne den ehrenwerten Versuch, "sauber" zu bleiben, wären es wohl die USA gewesen, die den ersten Satelliten gestartet hätte. Nach dem "Sputnik-Schock" war alles egal, der ehemalige SS-Mann von Braun durfte "seine" Raketen in den Dienst der Raumfahrt stellen.

Die UdSSR, die "ihre" "Beutedeutschen" schon Anfang der 1950er zurück schickte, steht zwar formal-moralisch "besser", aber keineswegs "sauber" und "unschuldig" da. Von der Waffenentwicklung einmal abgesehen: Sergej Koroljow, der "Vater" der R7 und des Sputniks ist auch eine ambivalente Figur. Ein ehemaliger GULAG-Zwangsarbeiter, der hinnahm, dass für den Bau der Startanlagen in der Steppe Kasachstans auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden - von denen viele bei den harten Arbeitsbedingungen umkamen. Ein Mann, der den Stiefel leckte, der ihm zuvor die Zähne eingetreten hatte.

Wie man es auch nimmt: die Raumfahrtpioniere, selbst wenn sie nicht so fanatisch, rücksichtslos und opportunistisch waren wie von Braun, hatten einen "Teufelpakt" geschlossen. Sie griffen mit blutigen Händen zu den Sternen.

Der Weg ins All - auf dem Rücken von zu Tode gemarterten Sklaven!
Die Raketen - gebaut, um millionenfachen Massenmord zu begehen.

Welche moralische Folgen ergeben sich daraus?
Moral hängt steht von einem (ungeschriebenen) Moralkodex einer Kultur ab. Legt ich z. B. einen christlich-fundamentalistischen Moralkodex an, ist die Raumfahrt schon durch die Umstände ihrer "Geburt" aus der Technik der Massenvernichtungswaffen und der offensichtlichen Amoral, dem "faustischen Geist", ihrer "Väter", abzulehen. Raumfahrt ist "Teufelswerk".

Lege ich einen pragmatischen Moralkodex zugrunde, dann sich die Umstände der Raumfahrtentstehung zwar zu bedauern, aber nun mal nicht zu ändern. Was die Raumfahrt heute bringt - und sie ist ohne Zweifel von großem Nutzen - sollte im Vordergrund stehen. Denn: es wurden viel mehr Menschenleben durch die Satellitentechnik gerettet, als durch Großraketen bisher starben.

Wie ich darüber denke? Pragmatisch. Was nicht mehr zu ändern ist, ist nicht mehr zu ändern. Der Verzicht auf Raumfahrt bringt keine toten KZ-Häftling mehr ins Leben zurück.

Außerdem: es stimmt einfach nicht, dass die Raumfahrt ohne den 2. Weltkrieg, den Wahnsinn des Hitlerreiches, das Wettrüsten der Großmächte nie entwickelt worden wäre. Es hätte vielleicht "nur" etwas länger gedauert. Es gibt nicht ohne Grund inzwischen einen starken privaten Sektor in der Raumfahrt.

Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass die Entwicklung der Raumfahrt eine Notwendigkeit ist. Aus pragmatischen und auch aus ethischen Gründen.

Montag, 1. Oktober 2007

Mahnwache gegen den Überwachungsstaat

Die Piratenpartei Hessen ruft zu einer Mahnwache für mehr Bürgerrechte und gegen die Unterwanderungen der Demokratie durch den Staat in Form von Massendatenspeicherung, Rasterfahndungen, Erhebung von biometrischen Daten und Online-Durchsuchungen auf.

Am 2.10.2007 zwischen 19:00 und 21:00 Uhr wird die erste "FrankfurtErWacht" - Mahnwache auf der Konstablerwache in Frankfurt am Main statt finden. Mehr Infos: Mahnwache gegen den Überwachungsstaat.

Auch übrigens: wer meint, dass er "nichts zu verbergen hätte" und folglich nichts von schnüffelwütigen Strafverfolgungsbehörden zu befürchten hätte, sollte sich diesen Artikel des "Tagesspiegels" einmal gründlich durchlesen: Der falsche Klick - und auch folgende Blog-Beiträge beachten:
Udos Law Blog: Schon mal beim BKA gesurft?
Netzpolitik: BKA fahndet mit Honeypots
B.L.O.G: Neue Internetstrategien des BKA.

Übrigens: In Belgien gibt es die Vorratsdatenspeicherung schon. Mit katastrophalen Auswirkungen für den investigativen Journalismus.
Netzpolitik: Vorratsdatenspeicherung und Journalismus

futurezone (ORF): Der Weg in den Geheimdienststaat.

Sonntag, 30. September 2007

Der Verbrecher setzt die Norm

Elton John geriet vor kurzem wegen des angeblichen Besitzes von Kinderpornographie in die Schlagzeilen. Der Grund: eines der Fotos, das zusammen mit 149 weiteren Bildern im nordenglischen Gateshead ausgestellt werden sollte, wurde als möglicherweise kinderpornographisch beschlagnahmt - Wie schuldig ist der Betrachter? (FAZ online via Udos lawblog).

Das beschlagnahmte Foto von Nan Goldin, "Klara and Edda belly-dancing" zeigt zwei spielende Mädchen im Alter von etwa vier bis acht Jahren: Mit Wickeltüchern verkleidet, tanzt ein Mädchen im Stehen, das andere hat sich nackt auf den Boden gelegt.

Während die Vorwürfe an Elton John wohl dem Ressentiment gegenüber einem bekennenden Homosexuellen geschuldet sind, bleibt die Frage, ob die Fotografie zu recht aus der Ausstellung entfernt worden ist. Ich kenne das Foto aus einem Austellungskatalog und stimme dem von der FAZ zitierten Internet-Kommentator zu: Wer darin Kinderpornographie sieht, hat nicht alle Tassen im Schrank. Aber Julia Voss, die Autorin des Artikels, gibt zu bedenken:
Ein Blick ins Internet zeigt, dass es eine überwältigende Zahl von Betrachtern gibt, die nicht alle Tassen im Schrank haben. Die in nackten Kindern nur eins sehen: Sexobjekte. Die Flut der im Netz verfügbaren Kinderpornographie hat den Glauben, der unschuldige Betrachter sei der Normalfall, ausgehöhlt.
Leider verstellt Frau Voss dadurch, dass sie alarmistische Meldungen über die "Sündenhöhle Internet" ungeprüft übernimmt, den Blick auf das angesprochene Hauptproblem. Das Problem ist, dass ein Nicht-Pädophiler, für den ein Kind immer sexuell uninteressant ist, sich gar nicht in die Gefühlswelt eines Pädophilen (oder besser: Pädosexuellen) hineindenken kann, um beurteilen so können, was für ihn "sexuell erregend" ist und was nicht. Legt man, wie einige Gerichte in den USA, den Maßstab so an, dass alles, was für einen Pädosexuellen sexuell erregend sein könnte, als "kinderpornographisch" anzusehen ist, kommt man ins Schleudern, denn es gibt nachweislich Männer, die die Kindemodeseiten im Versandhauskatalog als "Wichsvorlage" verwenden.

Es ist so gut wie unmöglich, im "Internet" einfach so auf Kinderpornographie zu stoßen. (Zur aus mehreren Gründen problematischen Berichterstattung über dieses Thema schrieb ich in Moderne Hexenjagd,
Ich kriege das kalte Kotzen,
auch (unter anderem) Selbst-Bestimmungen.)
Es ist aber so, dass es im Internet auffällt, wenn jemand mit Suchanfragen wie "Kinder nackt" auf eine bestimmte Seite stößt - was für mich übrigens kein Grund wäre, so eine Seite zu entfernen, wenn ich genau weiß, dass die Seite auch bei strengen Maßstäben nicht kinderpornographisch ist - dafür, was sich im Kopf eines Pädosexuellen abspielt, kann ich nichts. Siehe das Beispiel mit den Versandhauskatalog. Wenn nun sehr oft nach "Klara and Edda belly-dancing" mit solchen Stichwörtern gesucht wird - macht dass das Foto zur Kinderpornographie?
Da hat Julia Voss leider recht: der Glauben, der unschuldige Betrachter sei der Normalfall, wurde durch das sichtbare "Nutzerverhalten" des Internets ausgehöhlt. Denn der "unschuldige Betrachter" fällt nicht auf. Der "Wichsvorlagensucher" hingegen schon.
Nach meiner Ansicht bestimmen Verbrecher ("Kinderschänder") das Bild, dass sich die Öffentlichkeit von "Pädophilen" macht, und die Vorstellungen darüber, was "Pädophilen" möglicherweise reizen könnte, bestimmen die moralische Norm.
Wobei ich diese Wahrnehmungsstruktur nur für die Rationalisierung einer tiefer liegenden Struktur halte: einer repressiven Sexualmoral (besonders repressiv übrigens in den sonst sehr freiheitlich gesonnenen USA), die Sex in den engen Rahmen des "Normalen" einsperren will. In Deutschland ist die Sexualmoral nicht ganz so repressiv - dafür ist hierzulande aber die Tradition der Angst und Angstmache besonders ausgeprägt.
Die angestrebten Gesetzesänderungen für den 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- (und neu) jugendpornographischer Schriften) und §182 StGB ("Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen") sehe ich, obwohl sich die Vorschläge eng an das US-Strafrecht anlehnt, nicht als Versuche, eine repressive Sexualmoral durchzusetzen, sondern als Ausdruck einer Kultur des Generalverdachts, der Angst, irgend einen der Übeltäter wegen "zu laxer" Gesetze "laufen lassen" zu müssen.
Ich befürchte, anders als das z. B. im ländlichen Süden der USA tatsächlich der Fall ist, nicht, dass reihenweise junge Liebespaare durch die verschärften Gesetze in Schwierigkeiten kommen werden. Aber ich fürchte eine quasi "inquisitorische" Umkehrung der Beweislast, z. B. dass jeder, der erotische Fotos macht, erotische Bilder malt oder eine erotische Geschichte schreibt, nicht nur beweisen können muss, dass seine Modelle / Figuren nicht nur nicht jünger als 18 sind, sondern auch dafür sorgen, dass sie nicht den Eindruck erwecken können, jünger als 18 zu sein. Kollisionen mit der "künstlerischen Freiheit" sind nahezu unvermeidlich. Das Einnehmen einer "aufreizenden" Stellung, z. B. durch Zeigen der Genitalien, kann nach der bisherigen Rechtsprechung bereits eine sexuelle Handlung sein. Womit z. B. Caravaggios Amor als Sieger ganz klar Kinderpornographie wäre. Und auch "Klara and Edda belly-dancing" könnte, bei "Null-Toleranz"-Auslegung, auch bei uns, wie offensichtlich in den U. K., als "kinderpornographisch" eingestuft werden. Der (mutmaßliche) Blickwinkel des "Pädophilen" bestimmt die Art und Weise, wie ein Kunstwerk gesehen werden muss.
Passen wir uns der konstant geförderten Furcht vor "Pädophilie" unreflektiert an, so fördern wir auch die Furcht davor, vielleicht selber als solche zu gelten. Sie nähren - aus Angst geborenen - vorauseilenden Gehorsam, und - obwohl das vielleicht gar nicht die Absicht ist - eine "verklemmte", ängstliche Sexualmoral.

Wie bei den "Anti-Terror-Gesetzen" sehe ich außerdem eine Tendenz zum Präventionsstrafrecht, die sich so umschreiben lässt:
"Wir wollen die Fahndung weiter perfektionieren, und müssen deshalb - verdachtsunabhängig - alle kontrollieren!"

Freitag, 28. September 2007

Zeitgeist Weltverschwörung

In meinem Kommentar zu Neueste Verschwörungs-Theorie ... bin ich schon kurz auf den Film "Zeitgeist - The Movie" eingegangen. Der im Stile einer Fernsehdokumentation aufgemachte Film kursiert schon ein paar Monate im Internet, er hat seine Fans nicht nur unter den "üblichen Verdächtigen", die hinter jedem Baum einen Illuminaten sehen und "Jan van Helsing" für einen Märtyrer der Wahrheit halten, sondern auch bei Bloggern und Forumsschreibern, die ich für vernünftig und freiheitlich gesonnen halte.

Part 1
Der interessantes und originellste Teil des Filmes. Obwohl die zentrale Botschaft, nämlich die, dass Religion zur Kontrolle der Bevölkerung eingesetzt wurde und wird, wirklich keine bahnbrechend neue Erkenntnis ist.
Die "Selbstähnlichkeit" der Religionen, ein Kernpunkt dieses Kapitels, kann ich bestätigen. Man braucht kein Experte in vergleichender Religionswissenschaft und Mythenforschung zu sein (noch nicht einmal ein Sagen- und Mythen-Enthusiast wie ich), um auf die von einer Kultur zu anderen wandernden Mythen, die übernommenen mythologischen Motive und Gestalten, die wechselseitig übernommen Geschichten, zu stoßen. Dass das "Alte Testament" sich bei älteren mythologischen Quellen, wie dem "Gilgamensch-Epos", bedient, dass sich Relikte einer älteren, polytheistischen Religion in ihm Finden, oder dass die alten Hebräer Ideen von ihren Nachbarn, den Ägyptern, Phönikiern, Babyloniern, Persern, Griechen usw. übernahmen, kann nur den erstaunen, der die Bibel losgelöst vom ihrem kulturellen Hintergrund liest. Den Mythos von Jesus Opfertod und Wiederaufentstehung als eine Art "Nacherzählung" des altägyptischen Mythos des Sonnengottes Horus darzustellen, dürfte eine glatte Überinterpretation sein. Die Autoren den Evangelien bedienten sich zwar bei den im östlichen Mittelmeerraum kursierenden Mythen und mythologischen Metaphern; der Mythos selbst ist aber so tief im Judentum verankert (Messiasvorstellungen usw.) und übernimmt so viele damals moderne hellenistische Ideen (vor allem aus der Philosophie der Stoa), dass die strukturelle Ähnlichkeit mit dem Horus-Mythos daneben weit zurücktritt. Die "Mutter Gottes"-Verehrung, die wirklich eine Übernahme von Elementen der Isis-Verehrung ist (bis zu Übernahme der Kultorte und der Attribute der Gottesmutter), zog erst lange nach den Evangelisten ins Christentum ein - und ohne Marienkult sind die Übereinstimmung zwischen Horus-Mythos und Jesus-Mythos weniger verblüffend.
Erheblich spekulativer als die Übereinstimmung der "religiösen" (genauen: mythischen) Überlieferungen ist da schon die behauptete Verbindungen zwischen den Religionen über die Himmelsmechanik, die Idee einer grundliegenden Astral-Religion. Sternbeobachtungen haben wirklich eine sehr wichtige Rolle in den frühen Kulturen gespielt, und Sternenmythen sind entsprechend weit verbreitet. Aber auch sind viele Aussagen hypothetisch oder reine Interpretation - manchmal Überinterpretation. Die "Jungfrauengeburten" als Geburt im Steinbild Jungfrau, die 12 Jünger mit den 12 Tierkreiszeichen oder die Fischsymbolik des Christentums mit den Zeitalter der Fische zu verbinden, und die Bibel als astrologisches Buch zu interpretieren, ist angesichts der anti-astrologischen Tradition des Judentums an den Haaren herbeigezogen. Dafür, dass die Präzession des Frühlingspunktes, das "platonische Jahr" oder "Weltenjahr" (von ca. 25.800 Jahren) und der "Weltenmonat" mit etwa 2150 Jahren (in der hellenistischen Astrologie "Aeon" genannt), in der Bronzezeit überhaupt bekannt waren, gibt es meines Wissens nicht den geringsten Hinweis. ( Von einer mythischen, religiösen oder astrologischen Bedeutung gar nicht zu reden).
Dass Johannis, als er die Apokalypse verfasste, mit dem Wort "Aeon" das astrologische Aeon (Zeitalter) gemeint hätte, ist eine weitere Spekulation. (Allerdings hat mich der Seitenhieb auf die auf den Weltuntergang wartenden christlichen Fundamentalisten amüsiert.)
Die Tatsache, dass der historische Jesus den antiken Historikern entging, spricht nicht gegen seine Existenz - zumal der historische Jesus sich wenig von anderen "Wanderlehrern" seiner Zeit unterschieden haben dürfte - und wenig von den anderen Juden, die wegen Aufruhr gegen die römische Besatzungsmacht (und die mit ihr kollaborierenden jüdischen Priester) hingerichtet wurden.

Das Zielpublikum dieser "Enthüllungen" sind US-Amerikaner. Schon ohne den Beinahe-Gleichklang von "Son" und "Sun" verliert die Präsentation an Reiz. Auch die Behauptung, das Christentum sei ein Plagiat und beruhe auf Lügen, dürfte auf ein amerikanisches Publikum schockierender wirken als auf ein deutsches.

Part 2
Längst nicht so originell wie der erste Teil. Spekulationen über die wirklich wahre Wahrheit der Ereignisse am 11. September 2001 gibt es zuhauf, plausible und absurde.
Anders als andere Rekonstruktionsversuche von 9/11, auch solche, die die offizielle Version anzweifeln und von einem "inside Job", also von Tätern im Umfeld der US-Regierung ausgehen, arbeitet der Film mit suggestiven Mitteln, schnellen Schnitten und Gegenschnitten, Zitaten ohne Kontext und ungeprüften Hypothesen.
Den Wahrheitsgehalt der offiziellen Version und den der Behauptungen im Film kann ich in den meisten Fällen nicht nachprüfen, ohne wieder auf durch mich nicht nachprüfbare Aussagen angewiesen zu sein. (Im Unterschied z. B. zur Mondlandung, wo sich die meisten Argumente der Verschwörungstheoretiker mit etwas physikalischem Grundwissen auseinandernehmen lassen).
Dennoch - eine Aussage im Film zum "World Trade Center" ist eindeutig falsch: die WTC-Türme hatten, anders als die meisten anderen Hochhäuser, nicht nur einen "Kern" als tragender Säule in der Mitte des Gebäudes, an dem die Stockwerke aufgehängt sind, sondern zusätzlich eine tragende "Schale" - dass in der Fassade massive Trägerelemente eingebaut waren, ist auf den im Film gezeigten Szenen vom Bau des WTC deutlich zu erkennen. Dankt dieses "Außenskelets" konnten die Trägerstrukturen im Gebäudeinneren leichter gehalten werden als bei anderen Hochhäusern, was mehr Bürofläche bedeutete. Ein Gebäude, bei dem ein Teil der tragenden Struktur außen liegt, ist natürlich verwundbarer gegenüber einem "Loch in der Fassade" als eines mit zentraler tragender Säule. Wegen ihrer mittragenden Außenhülle sackten die WTC-Türme auch eher in sich zusammen als das sie stürzten. Das nur am Rande.

In einer Hinsicht schließe ich mich der Seite der Filmemacher an: Präsident George W. Bush und seine Regierung haben tatsächlich und nachweislich gelogen und Tatsachen verdreht bzw. unter den Teppich gekehrt.
Die "offiziellen" Geschichte vom in seiner Höhle im Hindukusch eine weltumspannende Terrororganisation befehligenden Osama bin Laden halte ich mit ihrer Unterkomplexität, ihrem Schwarz-Weiß-Denken und ihrem großzügigen Umgang mit Fakten ebenfalls für eine Art Verschwörungstheorie. Das sagt aber nichts über den Wahrheitsgehalt anderer Verschwörungstheorien, einschließlich der im Film vorgestellten, aus. Tatsächlich halten ich einen"echten" "Inside Job", im Sinne "selbst gemachter" Attentate, für eher unwahrscheinlich.

Part 3
Der dritte Teil entspricht fast durchgehend einer klassischen Weltverschwörungstheorie: Es gibt eine Handvoll Großbankiers, die im Bund mit korrupten Politikern hinter jeder Schweinerei stecken, von der Weltwirtschaftskrise bis zu den Attentaten am 9. September 2001. Von der Einrichtung der amerikanisches "Federal Reserve Bank" bis zum Aufbau der EU bis zur Gründung der nordamerikanischen Union (einer reinen Freihandelszone) sind praktisch alle wirtschaftspolitische Maßnahmen, die die Autoren des Films nicht mögen oder nicht verstehen, Teile eines Langzeitplans zur Errichtung einer Weltdiktatur. (Noch nicht einmal die "Illuminaten" fehlen, auch wenn die absurderen Teile der Legende wohlweislich fortgelassen wurden.)
Es handelt sich um eine strukturell antisemitische Verschwörungstheorie. (Strukturell antisemitisch bedeutet, dass einer bestimmten Anschauung oder Handlungsweise eine gedankliche Struktur zugrunde liegt, die dem Antisemitismus entspricht.) Die "Bösen" in "Zeitgeist" sind zwar fast alle keine Juden (auch wenn die Rothschilds in ihrer Eigenschaft als Bankiers genannt werden) aber sie weisen die klassischen Eigenschaften des "Finanzjudentums" in älteren Weltverschwörungstheorien auf. Das schließt nicht aus, dass die im Film genannten Bankiers, Wirtschaftsführer und Politiker tatsächlich üble Burschen gewesen sein können, ebensowenig, dass sie in Mauscheleien, Intrigen, Korruption, Manipulation oder sogar regelrechte Verschwörungen verwickelt gewesen sein könnten. Der entscheinde Punkt liegt in der "Zentralsteuerung": der Einfluss der "Drahtzieher" erstreckt sich über die ganze Erde, und über Jahrhunderte hinweg bleiben sie ihren Zielen treu, sie haben ferner geradezu übermenschliche Fähigkeiten, andere Menschen hinters Licht zu führen, sind besser als alle anderen über alles informiert und können anscheinend sogar in die Zukunft sehen bzw. die Auswirkungen ihrer Manipulation bis auf die Nachkommastelle exakt vorhersehen.

Das Schema ist geradezu enttäuschend: "Schuld am schlechten Zustand der Welt sind ein paar Bösewichte, und alle anderen sind unschuldige, nichtsahnende Opfer. Aber zum Glück gibt es ja ein paar wenige Erleuchtete, die den Durchblick haben! Nämlich wir, die Autoren von Zeitgeist!"

Zu meiner Enttäuschung über das Niveau der Verschwörungs-Theorie trugen faustdicke Ungereimtheiten bei: z. B. wurde die "Lusitania" im September 1915 durch ein deutsches U-Boot versenkt, der Kriegseintritt der USA war aber erst im April 1917. Wenn die "Lusitania" aufgrund einer Verschwörung, die den Kriegseintritt der USA zum Ziel hatte, versenkt wurde, dann ist die Verschwörung gescheitert.

Fazit:
Wenn man ihn beim Wort nimmt, zieht sich der Film mit dem Abschnitt über "Kontrolle durch die Medien" selbst den Boden unter den Füssen weg, bzw. kreiert ein Paradoxon.

Man kann dieses Paradoxon bzw. sogar den ganzen Film aber auch als "Mindfuck" sehen, als Anregung zum Selberdenken:
"Glaube nicht alles, was dir gezeigt und gesagt wird, mag es auf den ersten Blick auch noch so plausibel erscheinen! Informiere dich selbst, prüfe Behauptung nach, soweit es dir möglich ist! Lass nicht alles mit dir machen und gib nicht alles aus deiner Hand, nur um der Bequemlichkeit willen! Glaube auch den Aussagen dieses Films nicht ungeprüft!"
Allerdings ist dieser Film nicht gerade "Kubrick, Nixon und der Mann im Mond", die intelligente fiktive Dokumentation über die gefälschte Mondlandung, mit der William Karel seine Zuschauer gekonnt aufs Glatteis führt - um die Sache dann im Abspann aufzuklären.

Ich fürchte, seine Macher meinen ihre Verschwörungstheorien ernst.

Und - lohnt es sich, trotzdem den Film anzusehen?:
Ja! Man kann - und sollte - ihn genauso mal ansehen, wie eine Pro-Sintflut- und Anti-Evolutions-Website - oder alte Videoaufzeichnungen von Karl-Eduard von Schnitzlers "Der schwarze Kanal" oder gut gemachte Propagandafilme unterschiedlicher Epochen und Regime. Der Film trainiert den Blick für Manipulation - weil man weiß, dass der Film manipulativ ist.

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