Samstag, 15. Dezember 2007

Kein "elektrischer Jutesack"

Ich zitierte neulich einen alten "Spiegel-Artikel" Fundstück - zum Nachdenken:
Kein Designer, kein Konzern wagt es dagegen, ein leichtes Fahrzeug mit umweltverträglichem Hybridmotor so aufregend zu verpacken, daß es nicht mehr wie ein motorisierter Jutesack daherkommt - was entscheidend zum Mißerfolg dieser neuen Fahrzeuggattung beiträgt.
Nun, ein abgasfreies Auto kann auch ganz anders aussehen, z. B. so:
Tesla Roadster

Aber zurück zum abgas-grauen Alltag.
David stellte in seinem Kommentar auf meinen Beitrag eine wichtige Frage:
Viel Entwicklungsaufwand in ein neues Produkt stecken um es dann so zu verpacken, daß es kaum einer will? Welchen Nutzen hätte man davon?
Unter rein kaufmännischen Gesichtspunkten wäre das in der Tat Verschwendung. Allerdings sind mittelständische Unternehmen, in denen man so denkt, unter den Automobilherstellern krasse Aussenseiter. Für einen Großkonzern sind die Entwicklungskosten eines nie in Großserie gehenden Öko-Autos eher Kleingeld. Wichtiger dürfte der Image-Gewinn (man könnte auch sagen: die Feigenblattfunktion) sein, oder die Möglichkeit, auf politische Vorgaben eingehen zu können. Gut macht es sich, Vorwürfe mit einem Hinweis auf sich schlecht verkaufende Ökomobile vom Tisch zu wischen: "Wir haben ja ein 3-Liter-Auto im Angebot, aber der Verbraucher will es offensichtlich nicht kaufen." Ich könnte an dieser Stelle lang und breit über die Modellpolitik der Automobilindustrie lamentieren, aber das haben genügend Andere schon genügend ausführlich getan.

Interessanter scheint mir die Frage, wieso eigentlich das klassische batteriebetriebene Elektro-Auto aktuell und in den Zukunftsstudien der Industrie so eine randständige Rolle einnimmt. Sicher, ein E-Auto kann nur so umweltfreundlich sein, wie das Kraftwerk, in dem der Strom für es erzeugt wird. Allerdings haben, weil der Strom sowieso in einen Akku-Satz "zwischengespeichert" werden muss, Wind- und Solarkraftwerke, deren Leistungsabgabe stark schwankt, beim "Autostrom" gegenüber konventionellen Kraftwerken kaum Nachteile.

Selbst wenn das Problem "Stromerzeugung" vom Tisch ist, sind Elektromobile, wie "jeder weiß", wenig alltagstauglich: sie sind langsam, lahm, haben zu wenig Reichweite, zu schwere Batterien.

Sagt man. Stimmte vielleicht mal vor 30 Jahren. Tatsächlich haben alltagstaugliche E-Autos wie der Think City diese Klischees längst Lügen gestraft. Der "City" ist ein vollwertig ausgestatteter Kleinwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, 180 km Reichweite pro Batterieladung, bei 10 Stunden Ladezeit. Da Elektromotoren schon im unteren Drehzahlbereich einen guten Wirkungsgrad haben, kann das Getriebe nicht nur erheblich einfacher gestaltet werden als bei einem "Verbrenner", der "Think" ist ausserdem trotz seiner mageren 30 kW alles andere als eine "lahme Ente" beim Ampelstart.
Der entscheidende Fortschritt liegt im platzsparend im Unterboden eingebauten Lithium-Ionen-Akku von Tesla Motors, der aus 6.831 herkömmliche Akkus für Laptops aufgebaut ist.
Mit einer Innovation, die es immerhin zu einer Nominierung zum
Deutschen Zukunftspreis 2007 brachte, dürften die noch bestehenden Schwächen des Lithium-Ionen-Akkus bald der Vergangenheit angehören: Ein neuartiger Keramikseparator, der in Kooperation zwischen Evonik Industries AG, Essen und der Universität Duisburg-Essen entwickelt wurde, ist die Basis für sichere Lithium-Ionen-Batterien mit hoher Kapazität.

Überhaupt scheint Tesla Motors eine interessante Adresse für die Freunde des abgasfreien Autos zu sein. (Tesla Motors Website, Tesla Motors (engl. Wikipedia).)
Es ist ein geschickter Schachzug von Tesla, als erstes Modell ein anscheinend "überflüssiges" Fahrzeug, einen Sportwagen, auf den Markt zu bringen. Der "Tesla Roadster" ist eine Automobil gewordene Image-Kampagne für Elektrofahrzeuge. Das leichtgewichtige Fahrzeug hat eine Reichweite von gut 400 km pro Batterieladung, aus Sicherheitsgründen abgeregelte 200 km/h Höchstgeschwindigkeit und lässt mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als 4 Sekunden selbst kräftig motorisierte Benzinverbrenner alt aussehen. Das nächste Modell soll eine familientaugliche Limousine der gehobenen Mittelklasse, vergleichbar dem Audi A6 oder dem 5er-BWM, werden.

Zusammen mit den Elektro-Autos möchte Tesla seinen Kunden auch die Installation einer Stromtankstelle anbieten, die auf Car-Ports oder Hausdächer montiert werden kann. Damit würde der Elektro-Sportwagen endgültig zum "Umwelt-Renner".

Man kann dem von dem von Martin Eberhard und Marc Tarpenning, die sich durch den rechtzeitigen Verkauf ihrer erfolgreichen IT-Startups reich gemacht haben, gegründeten Autohersteller nur alles Gute wünschen. Zu viele innovative Aussenseiter sind schon mit pfiffigen Elektromobilen gescheitert, zu viele Vorzeigeprojekte der großen Automobilkonzerne nie auch nur in die Nähe einer Serienproduktion gekommen.

Welchen entscheidenden Nachteil haben Elektroautos? Es bedarf keiner Verschwörungstheorien, um zu erkennen, dass ein "Mitspieler" im Autogeschäft alles andere als begeistert über Elektrofahrzeuge sein dürfte: Die Mineralöl-Industrie. Elektroautos brauchen nun mal keine Tankstellen. Auch nicht für alternative Brennstoffe wie Methanol, Ethanol, Erdgas oder Wasserstoff, in die die Mineralöl-Konzerne für die Zeit "nach dem Öl" investieren.

(Siehe hierzu: Who Killed the Electric Car? )

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