Überwachungsgesellschaft

Samstag, 28. Januar 2012

Konformitätsdruck - der Sinn der Überwachung

Es spricht viel dafür dass Überwachungskameras ineffizient sind, jedenfalls um Straftaten zu verhindern.

Es ist nach der Max-Planck-Studie deutlich: Vorratsdatenspeicherung hilft noch nicht einmal beim Enkel-Trick

Es stimmt zwar, dass Fakten fanatische Befürworter fragwürdiger Angelegenheiten noch nie davon abgehalten, noch fanatischer von den großartigen Vorteilen zu fabulieren (Kommentar auf "netzpolitik"), aber das erklärt nicht, woher dieser Fanatismus stammt, was die tieferen Motive dafür sind, Überwachung toll zu finden. Jedenfalls dann, wenn man von einer Handvoll betriebsblinder "Sicherheitsexperten" und ahnungslosen und sich deshalb auf diese "Experten" verlassende Politiker absieht.

Ein Motiv vermute ich in einer Mischung aus Populismus und Aktionismus: solche Maßnahmen simulieren Handlungsfähigkeit, "wir tun was". "Hart durchgreifen" kommt gerade bei deutschen Wählern gut an - was auf eine tief verwurzelte autoritären Tradition und hetzerische und angstverstärkende Medien (genannt sei, als besonders markantes Beispiel, die BILD) zurückzuführen ist. Im Prinzip gibt es dieses Denken auch anderswo, allerdings ist die deutsche (und nebenbei auch österreichische) Kombination aus angstgetriebenen bzw. hysterischem Weltbild (das es z. B. auch in den USA gibt) und Staats- bzw. Gemeinschaftsgläubigkeit (die es in den USA eben kaum gibt - dafür in Skandinavien, wo aber Ängste und identitätsstiftenden Feindbilder weniger ausgeprägt sind), besonders gefährlich.

Es gibt auch Eigeninteressen - zum Beispiel die von Verwertungsrechteinhabern (in den seltensten Fällen auch die Urheber) gegenüber "Raubkopierern". Wobei dann gerne "über Bande", indirekt, "argumentiert" wird - Überwachungsmaßnahmen gegen "Kinderschänder" sind mehrheitsfähig, solche gegen illegale Downloads eher nicht.

Aber das ist noch nicht der eigentliche, der "tiefere Sinn" der Überwachung.
Aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Videoüberwachung wird deutlich, wie die Rechtsauffassung der deutschen Justizkultur strukturiert ist (nämlich nach wie vor autoritär), wobei im Blogbeitrag zu diesem Urteil in Udo Vetters "law blog" (Polizeikameras sind auf der Reeperbahn erlaubt) auch das (meiner Ansicht nach) entscheidende Motiv für Überwachung angesprochen wird:
(...) Kritiker verweisen dagegen darauf, dass es bis heute keine Belege für einen Rückgang der Kriminalität durch Videoübewachung gibt. Stattdessen werde jeder Passant beobachtet, was Konformitätsdruck erzeuge. Nur nicht auffallen, diese Devise werde zum stillschweigenden Begleiter aller Passanten. (...)
Unabhängig davon, ob den Überwachungs-Fans absichtlich auf Panopticon-Prinzip zurückgreifen oder eher intuitiv auf den Panoptismus kommen: große, durch die Erwartung, beobachtet zu werden, verursachte "freiwillige" Konformität ist ökonomisch - weil sie kostenintensiven Fremdzwang (Strafmaßnahmen) durch kostengünstigen Selbstzwang ersetzt. Nicht zufällig schlug Bentham sein Panopticon ursprünglich für Beaufsichtigen von Fabrikarbeitern vor - es geht dabei weniger darum, kriminelles Verhalten zu verhindern, sondern erwünschte Verhaltensweisen zu erzwingen.

Panoptismus mit technischen Mitteln ist besonders wirtschaftlich.
Ein Spitzel- und Denunziantensystem, wie es z. B. das "Ministerium für Staatssicherheit" in der DDR betrieb, schafft ein Klima des allgemeinen Misstrauens und damit Unzufriedenheit. Außerdem gibt es dabei noch das Problem, dass Spitzel selbst unzuverlässig sind, und Denunzianten meistens egoistische Motive fürs Verpetzen haben, ihren Informationen also grundsätzlich misstraut werden muss. Am Ende steht eine Überwachungsbürokratie, die sich selbst im Wege steht.
Die Behauptungen "Überwachungstechnik spart Personalkosten" und "Überwachungstechnik liefert objektive Erkenntnisse" passen jedenfalls perfekt zu der in den letzten Jahrzehnten bei politischen und ökonomischen Entscheidern tonangebenden, wirtschafts- und zahlengläubigen, Ideologie.

Konformitätsdruck ist außerdem, für die Normsetzer, bequem. Das Verhalten der Menschen wird berechenbar. Außerdem eignet es sich vorzüglich, auch repressive moralische Normen, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, durchzusetzen: in einer konformistischen Gesellschaft sitzen "Moralapostel" am längeren Hebel.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Weshalb mich die vom CCC aufgedeckte Schnüffelsoftware eher beruhigt

Nein, es beruhigt mich gar nicht, dass sich unsere (deutschen) "Sicherheitsbehörden" einen feuchten Dreck um so lästige Dinge wie "Bürgerrechte", "Grundgesetz" oder "ordnungsgemäße Ermittlungen" kümmert. Dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht einfach ignoriert werden, ist man ja als Staatsbürger ja schon gewohnt.
(heise: CCC knackt Staatstrojaner).
Allerdings: Ich hatte ernsthaft nichts anderes erwartet.
Ich erwarte auch nicht, dass das anderswo besser wäre.

Ich habe mir mal (schließlich ist heute Sonntag) die Zeit genommen, den Original-Bericht des CCC zu lesen: Staatstrojaner-Report 23 - Analyse einer Regierungs-Malware. Die Regierungs-Malware ist offensichtlich ein ziemlich schmutziges Stück Software. In jeder Beziehung. Nicht allein, weil sich beliebige Module auf den einmal infiltrierten Computer nachladen lassen - nicht nur Überwachungs-Module, bis hin zum Zugriff auf Webkamera und Mikrofone, was praktisch ein "Großer Lauschangriff" wäre (jedenfalls solange der Rechner an und online ist), sondern sich auch für schmutzige Tricks, wie z. B. das Aufspielen "belastender" Dateien (die dann "zufällig" gefunden werden können) nutzen lassen. Sondern auch deshalb, weil das Ding auch grobe Design- und Implementierungsfehler hat, was Sicherheitsslücken vom Ausmaß eines offenen Scheunentor verursachte, die auch Dritte (z. B. Kriminelle) ausnutzen können.

Dennoch ist es kein purer Sarkasmus, wenn ich schreibe, dass mich das eher beruhigt.
Erst einmal: mit dem Stück Dreckssoftware lässt sich zwar ein Rechner online durchsuchen, aber für die legendäre "Online-Durchsuchung" taugt es nicht. Mit dem Ding lassen sich keine Daten gewinnen, die von einem unabhängigen Gericht auch nur eine entfernte Chance hätten, als Beweismittel zugelassen zu werden.
Woraus folgt: das ist wohl auch nicht der Sinn dieser Spyware. Sie dient wohl eher der Geheimdienstarbeit. (Die nicht Sache der Polizei ist - aber: siehe oben!)
Jedenfalls ist sie für den Zweck der "Quellen TKÜ" (Abhören von Internet-Telefonaten, namentlich Skype, vor der Verschlüsselung, also direkt im Rechner) etwa so geeignet, wie ein Vorschlaghammer zum Erschlagen einer Fliege: das geht zwar, aber eigentlich ist ein Vorschlaghammer für etwas anderes gedacht, und er hinterlässt dabei erhebliche Schäden. Der CCC betont, dass die sogenannte "Quellen-TKÜ" ausschließlich für das Abhören von Internettelefonie verwendet werden darf. Aber was man darf kümmerte die Ermittler offensichtlich nicht die Bohne. Was ja leider nichts Neues ist.

Dann, weil die Malware ausgesprochen dilletantisch zusammengehauen wurde. Ich könnte natürlich, misstrauisch wie ich bin, annehmen, dass dieses "Dumm-Schnüffelprogramm" von dem wirklichen "Schlau-Schnüffelprogramm"ablenken soll. Aber ein wirklich raffiniertes Spionageprogramm dürfte sich schwerlich für den "Masseneinsatz" eignen.
Vielleicht ist die gefundene Malware auch ein Stück Scareware.

Der Eindruck, "sie" wären ohnehin schon "drin", der ja durch die (Sensations-)Berichterstattung der meisten Massenmedien noch bestärkt wird, ist jedenfalls genau das, was einer autoritären und auf Sicherheit fixierten "Obrigkeit" in den Kram passt. Der dumme Bürger wird eingeschüchtert, und schreckt aus Angst vor den allgegenwärtigen Überwachern davor zurück, das effizientestes Medium der Gegenöffentlichkeit, das Internet, zum Meinungs- und Informationsaustausch zu nutzen.
Ob das Absicht ist, wage ich nicht zu beurteilen. Dass es die Selbstzensur aus Angst vor Überwachung wirklich gibt, ist aber unbestritten.

Was der CCC über das Mistding herausbekommen hat, ist jedenfalls bemerkenswert:
Wir haben keine Erkenntnisse über das Verfahren, wie die Schadsoftware auf dem Zielrechner installiert wurde. Eine naheliegende Vermutung ist, daß die Angreifer dafür physischen Zugriff auf den Rechner hatten. Andere mögliche Verfahren wären ähnliche Angriffe, wie sie von anderer Malware benutzt werden, also E-Mail-Attachments oder Drive-By-Downloads von Webseiten. Es gibt auch kommerzielle Anbieter von sogenannten Infection Proxies, die genau diese Installation für Behörden vornehmen.

Sicher können wir sagen, daß bei der Infektion zwei Komponenten installiert wurden: eine Windows-DLL im Userland
c:\windows\system32\mfc42ul.dll
sowie ein Windows-Kernel-Modul namens winsys32.sys.
Das Laden und Ausführen des DLL-Codes wird über den Registry-Key SOFTWARE\Microsoft\Windows NT\CurrentVersion\Windows\AppInit_DLLs realisiert, das Kernel-Modul wird über einen Windows-Kernel-Modul-Service vom Betriebssystem geladen.
Das Kernel-Modul liegt in Form einer unsignierten 32-bit-Datei vor. Es kann daher in dieser Form nur auf einem 32-bit-Windows funktionieren. Uns liegen keine Erkenntnisse vor, ob es auch eine 64-bit-Version gibt. Dies wäre daher interessant, da 64-bit-Versionen zwangsläufig signiert sein müssen. Über die Signatur könnte man eventuell Rückschlüsse auf den Urheber der Software ziehen.
Mit anderen Worten: die Schnüffelsoftware hat sämtliche Merkmale von zu kriminellen Zwecken eingesetzter Spyware. Mit einer Ausnahme: Computerkriminelle haben im Allgemeinen keine Möglichkeit, sich "physischen Zugang" zu verschaffen - staatliche Organe können das - z. B. bei Grenzkontrollen, z. B. unter dem Vorwand einer Sprengstoffkontrolle eines Laptops. Was tatsächlich schon gemacht wurde. Denkbar ist ein Zugriff auch im Zuge einer Hausdurchsuchung. Bei einem eher geheimdienstlichen Einsatz ist auch ein Einbruch denkbar.
Was machen die Ermittler aber, wenn der "Zielrechner" z. B. unter Linux läuft? (Was wiederum darauf hinweist, dass es gar nicht darum geht, mit dem dreckigen Stück Malware der organisierten Kriminalität oder dem Terrorismus beizukommen.)

Dem sarkastische Fazit des CCC kann ich mich nur anschließen:
Wir sind hocherfreut, daß sich für die moralisch fragwürdige Tätigkeit der Programmierung der Computerwanze keine fähiger Experte gewinnen ließ und die Aufgabe am Ende bei studentischen Hilfskräften mit noch nicht entwickeltem festen Moralfundament hängenblieb.

Samstag, 8. Oktober 2011

Was ein "blinder Alarm" verrät

Sicherlich haben viele schon aus den Medien von der Sperrung des Flensburger Hauptbahnhofs wegen eines liegengelassen Paketes mit einem Gartengerät erfahren. Die ganze Absurdität der Situation wird aber erst deutlich, wenn man die im lakonischen Polizeideutsch abgefasste Pressemeldung der Polizei Flensburg liest:
POL-FL: Flensburg - Gartenfreund verursacht Vollsperrung am Hauptbahnhof

Flensburg (ots) - Sonnabendmittag, gegen 12:50 Uhr, eilten Beamte des 1. Polizeireviers zum Hauptbahnhof, da hier ein mit Folie und Strick umwickeltes 80x80x30 cm großes Paket ohne Beschriftung auf dem Vorplatz lag.

Sofort erfolgte gemeinsam mit 16 Beamten der Bundespolizei die Räumung und großräumige Absperrung des Nahbereiches bis Höhe Hauptpost.

Der Zugverkehr wurde vorläufig gestoppt, Schienenersatzverkehr ab Tarp eingerichtet.

Die Maßnahmen wurden alle in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und anderen Institutionen getroffen. So hielten sich Kräfte der Berufsfeuerwehr einsatzklar. Rettungswagen und Notarzt standen vor Ort bereit.

Der Kampfmittelräumdienst untersuchte das Paket, nachdem sich alle weiteren Einsatzkräfte aus der unmittelbaren Nähe entfernt hatten. Zunächst wurde ein mobiles Röntgengerät eingesetzt. Nach Auswertung des Bildmaterials wendeten die Spezialisten die Bewegungsprobe auf Distanz an.

Sie gaben Entwarnung, im Paket befand sich letztlich ein Vertikutierer.

Ob das Paket wissentlich herrenlos platziert oder einfach vergessen wurde, ist nicht bekannt.

Die Absperrmaßnahmen wurden gegen 16:00 Uhr aufgehoben.

Zeugen, Hinweisgeber oder Eigentümer melden sich bitte bei der Polizei unter 0461/484-0.
Die Überschrift lässt kaum einen Zweifel, dass auch die Polizei Flensburg von einem "Versehen" ausgeht. An der Stelle desjeniger, der seinen Vertikulierer vergessen hat, würde ich mich übrigens auf keinen Fall als Eigentümer melden - denn die möglichen Forderungen, die auf ihn oder sie zukommen, übersteigen den Wert des Gartengerätes um das Mehrtausendfache. Selbst wenn keine Absicht oder auch nur grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, und daher eine Inrechnungstellung für den Fehlalarm nicht zu erwarten ist, sind damit Schadenersatzforderungen, etwa der Deutschen Bahn, nicht aus der Welt. (Jedenfalls erwarte ich, dass die Bahn es "erst mal versuchen" wird, auch bei für sie ungünstiger Rechtslage. Denn überraschend viele Menschen sind schon aus schlechtem Gewissen und Angst vor einem Rechtsstreit bereit, auch unberechtigten Forderung nachzugeben. Eine menschliche Schwäche, die erfahrungsgemäß gnadenlos ausgenutzt wird!)
Ich wünsche dem Paketvergesser viel Glück, gute Nerven, und gegebenenfalls eine kulante Haftpflichtversicherung und einen guten Anwalt.

Aber das ist nur ein Nebenaspekt. Vor dem "Krieg gegen den Terror" hätte so ein Paket keinen Großalarm ausgelöst. Es hätte wahrscheinlich erst mal eine Streifenwagenbesatzung das verdächtige Paket angesehen - und erst beim konkreten Verdacht Absperrungen angeordnet und den Kampfmittelräumdienst alarmiert. Wenn das Paket überhaupt der Polizei gemeldet worden wäre. (Ehrlich gesagt: wenn ich auf dem Bahnhofsplatz, also auf offener Straße ein herrenloses Paket sehe, dann sehe ich es mir erst mal aus der Nähe an, und wenn es so schlecht verpackt ist, schaue ich vielleicht sogar neugierig hinein. Falsches Heldentum? Nein, weil ich unter normalen Umständen bei so etwas so wenig an eine Bombe denke, wie beim Überqueren der Straße vor meiner Tür an einen mit über 200 km/h heranrasenden Sportwagen. Es gibt solche Idioten, aber sie sind zum Glück sehr selten.)
Inzwischen herrscht aber ein Klima, in dem grundsätzlich von dem schlimmsten vorstellbaren Szenario ausgegangen wird. Nicht nur, dass sofort der Verdacht, es könnte eine Bombe sein, aufkommt. Nein, es wird auch angenommen, dass die Bombe einen berührungsempfindlichen Zünder hat. Übrigens wären selbst wenn das Paket randvoll mit fachmännisch verdämmten militärischem Sprengstoff gefüllt gewesen wäre, die umfangreichen Absperr-Maßnahmen und Evakuierungen nur bei einer äußerst pessimistischen Einschätzung der Sprengwirkung wirklich sachlich gerechtfertigt gewesen.
Wahrscheinlich war die Angst, es könnte jemand den Vorwurf erheben, die Polizei hätte nicht das Menschenmögliche getan, ausschlaggebend. Was ich, aus der Sicht der Polizisten, sogar nachvollziehen kann. Dieses paranoide Denken ist ja sozusagen politische Vorgabe.

Das heißt anderseits: Auch wenn in diesem Fall gar keine Terroristen am Werk waren, haben die Terroristen auch in Flensburg wieder einmal gewonnen. Ihr Ziel: Angst verbreiten - und, dialektisch gedacht, den Staat zu für die Bevölkerung unerträglichen Maßnahmen veranlassen.

(Ich warte nur auf den "Sicherheitsexperten", der fordert, dass auch die "fahrlässige Vortäuschung einer Straftat", sprich, Vergessen eines Gepäckstückes, künftig unter Strafe gestellt werden soll. Unseren panikerfüllten Panikmachern traue ich in dieser Beziehung alles zu.)

Freitag, 2. September 2011

Wer "nichts zu verbergen" hat ...

... hat entweder ein verdammt langweiliges Leben - oder ist verdammt naiv.

Am 10. September 2011 findet in Berlin wieder die jährliche Großdemonstration für (digitale) Bürgerrechte und gegen die ausufernde Überwachung “Freiheit statt Angst” statt. Wie immer getragen von einem breiten Bündnis aus vielen Organisationen, Verbänden und Parteien, sowie vielen Helfern und Einzelunterstützern.

Nettes Mobilisierungsvideo von www.wortfeld.de für die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die läuft noch bis zum 6.10.2011 und hier gehts -> zum Mitzeichnen.

Samstag, 18. Juni 2011

"Cyber-... äh, Attrappe"

"Das Internet" ist irgendwie bedrohlich. Jedenfalls, wenn es nach den öffentlichen Aussagen der meisten sich zu diesem Thema äußernder Politiker und sehr vielen Artikeln in Presse, Funk- und Fernsehen (sowie deren Internet-Ablegern) geht.

Vor wenigen Tagen wurde das deutsche Nationale Cyberabwehrzentrum offiziell eröffnet (gulli.de). Nimmt man den Namen dieser Einrichtung beim Wort, verrät sie, worum es unseren politischen Entscheidern womöglich wirklich geht. "Cyber-" leitet sich bekanntlich vom Wort "Cybernetics" ab, also der Kybernetik. Vielleicht sind es ja die Erkenntnisse etwa der Management-Kybernetik, die Politikern und Top-Managern Angst einjagen - zeigen sie doch, dass die linear-kausalen Management- und Politik-Modelle, in denen eine Organisation nach bewusst vorgefassten Plänen gesteuert wird, in Krisensituationen nicht funktionieren können. Allerdings lässt sich mit einfachen linear-kausalen Modellen, die komplexe Vorgänge auf wenige einfache Ursachen reduzieren, so schön Schuldzuweisung betreiben und Angst machen. Für den Wahlkampf, für Public-Relation und für Propaganda sind solche schlichten Modelle gut brauchbar - was so ziemlich das Einzige ist, wozu sie taugen. Kein Wunder also, dass deutsche "Entscheider" Angst vor Kybernetik haben.
Wahrscheinlicher ist aber, dass die meisten unserer "Entscheider" noch weniger von Management-Kybernetik verstehen, als vom Internet - was einiges heißen will.
Dass deutsche Politiker - vor allem die konservativen unter ihnen (also die meisten) - Angst vor allem haben, was sie nicht verstehen, und diese Ängste dann auf ihr Wahlvolk projizieren, ist unter aufmerksamen Bürgern eine Binsenwahrheit. Da heißt es: "Unsere Wähler wollen das nicht!" bzw. "Die Bürger wollen das nicht!" - seltsam nur, dass die Meinung eben dieser Bürger so wenig gefragt ist - womit ich wohl gemerkt weder Meinungsumfragen noch Volksausfragungen ("Volkszählungen") meine.

Die aus ganzen 10 Mitarbeitern bestehende Einrichtung mit dem bombastischen Namen soll sicherheitsrelevante Vorfälle im Bereich der Informationstechnologie (IT) analysieren und an Behörden und Unternehmen Empfehlungen abgeben. Ob es das überhaupt leisten kann, ist fraglich. Dr. Sandro Gaycken als ausgewiesenen Experte für IT-Sicherheit jedenfalls zweifelt am neuen Cyber-Abwehrzentrumt (tagesschau.de).
Zweifelhaft sind vor allem die Horrorszenarien von einem "Cyberterrorismus" (Innenminister Friedrich sprach einiger Zeit von "virtuellen Bomben" - was er damit eigentlich wirklich meint, ist unklar, klar ist nur, dass er für die Vorratsdatenspeicherung ist).
Es kann natürlich sein, dass der Minister keine Ahnung von dem hat, worüber er redet. Auf seine Berater und Zuarbeiter wird das allerdings nicht zutreffen. Also ist davon auszugehen, dass solche Bedrohungsszenarien die gleiche Funktion haben, wie der "Millardenmarkt Kinderpornographie" vor rund zwei Jahren - eine Drohkulisse, die so schrecklich ist, dass selbst einschneidende Eingriffe in die Bürgerrechte gerechtfertig erscheinen.

Es gehört schon ein gerütteltes Maß an Naivität und technischer Unkenntnis dazu, anzunehmen, kritische Infrastruktur - vor allem Wasserwerke und Kraftwerke - würden direkt "am Internet" hängen, und ein Hacker könne sich, wie in einem schlechten Unterhaltungsfilm, mal eben da "einhacken". Selbstverständlich sind solche Systeme autonom, und auch Stuxnet konnte nicht "übers Internet" in die Rechner iranische Atomanlagen eingeschleust werden.

Sandro Gaycken im Interview auf tagesschau.de:
Um eingebaute Sicherheitsmechanismen zu umgehen und mehrere Systeme langfristig zu stören, braucht man viele, sehr gute Experten. Man muss mit den Herstellern der Systeme oder deren Ex-Personal kooperieren, um zu verstehen, wie sie intern funktionieren. Man braucht Nachrichtendienste zur Unterstützung, weil die Systeme oft nicht am Internet hängen. Das alles sind Dinge, die organisierte Kriminelle mit viel Aufwand leisten könnten. Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie so viel Geld ausgeben würden, um in irgendwelche Kraftwerke einzubrechen. Außerdem ist ihnen das zu gefährlich. Das sind Dr. No-Erpresservisionen!
Diese realitätsfernen Dr. No-Szenarien können nur dann als Drohkulisse funktionieren, wenn die Medien brav bei der Panikmache mitziehen und, vor allem, die Bürger es nicht besser wissen. Was bekanntlich schon beim "Massenmarkt Kinderpornographie im Internet" nicht funktionierte.

Das "Cyber-Abwehrzentrum" ist meiner Ansicht nach in ersten Linie dazu da, zu demonstrieren, dass "etwas getan" wird - Aktionismus, wie Politik und Boulevardmedien ihn lieben. Ob die an die Wand gemalte Bedrohung überhaupt real ist, ist Nebensache, ob das "Cyber-Abwehrzentrum" auch etwas gegen diese Bedrohung, wäre sie dann real, ausrichten könnte, erst recht.
Eine Attrappe, die Handlungsfähigkeit vortäuscht. Handlungsfähigkeit gegen eine Bedrohung, die es in der von den verantwortlichen Politikern behaupteten Form gar nicht gibt.

Die in einem Artikel auf telepolis geäußerte Vermutung, der wirkliche Zweck des "Cyber-Abwehrzentrum" sei es, die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten weiter aufzuweichen, ist meiner Ansicht nach völlig plausibel.

Außerdem sollte man nie vergessen, dass es auch in der Politik einen Placebo-Effekt gibt. Die Bundesregierung verweigert Informationen über Onlinedurchsuchung. Warum brüskiert sie das Parlament?
Die nicht nur für mich am nächsten liegende Antwort: Mit dem "Bundestrojaner" ist es gar nicht so weit her.
In allen bekannt gewordenen Fällen, etwa der Spyware des bayrischen LKAs, die alle 30 Sekunden einen Screenshot des Browsers aufnahm und übermittelte, wurde mit "konventionellen" Methoden, in diesem Fall: bereits verfügbarer Software, gearbeitet.
Ganz abgesehen davon, dass das LKA geltende Gesetze brach.
Von Experten wird bezweifelt, ob eine "echte" Online-Überwachung, d. h. ohne physischen Zugriff auf den Zielrechner, überhaupt praktisch umsetzbar wäre. Selbst wenn: es benutzt nicht jeder Windows oder ein Apple-OS, um nur das größte Hindernis für eine Online-Durchsuchung zu nennen.
Für kriminalistische Zwecke ist Spyware aller Wahrscheinlichkeit nach ineffizient und für den Masseneinsatz ungeeignet. Psychologisch wirkt die Angst davor, dass der digitale "Große Bruder" alles registriert, was ich auf meinem Rechner anstelle, allemal.

Freitag, 10. Dezember 2010

Ein möglicher Grund, weshalb in Hamburg Bäume fallen: Aufstandskontrolle

Seit einigen Jahren wird in Hamburg "durchgeforstet", das heißt, es werden in städtischen Grünflächen im großen Umfang Bäume gefällt und Büsche entfernt, meistens ohne das es dafür erkennbare nachvollziehbare Gründe gäbe. Dabei gehen auch biologisch wertvolle Kleinflächen verloren.
(Das scheint in deutschen Städten kein Sonderfall zu sein, aber in Hamburg fällt es besonders auf - und steht im auffälligem Kontrast zum Bekenntnis zur ökologischen Stadtplanung.)
Tatsächlich werden den Stadtbezirken seit 2001 in einer Globalrichtlinie die Rodung von Büschen und Bäumen in Straßenbegleitgrün und Aussaat von Rasen vorgeschrieben. Die Beseitigung des "Wildkrauts im Straßenraum" stand damals im Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der rechtspopulistische Schill-Partei. Rätselhaft war allerdings, wieso dem "Unkrautjäten" eine so große Bedeutung (und ein entsprechender Etat) zugebilligt wurde.
Bald wurde klar: es ging dabei offensichtlich nicht um gepflegte Grünanlagen. Und es ging nur am Rande darum, die Grünanlagen "pflegeleicht" umzugestalten. Schließlich muss auch der öde Einheitsrasen gemäht werden.
Ein Ärgernis ist der Einsatz von 1-Euro-Jobber und der damit einhergehende manchmal atemberaubende Dilettantismus der "Hilfsgärtner". Es wurden sogar Bäume gefällt, ohne dass dafür die gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungen vorlagen: Aber das ist nicht das Hauptproblem.
Selbst in Parks wird wenig Rücksicht auf die ökologische Funktionen genommen. Stattdessen tauchen immer wieder bestimmte Planungsmuster auf wie "Auflichten" von Baum- und Strauchbeständen", Herstellen von "Durch- und Einsichten", "Blickbeziehungen".

Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der Stadtplanung auch die "öffentliche Sicherheit" berücksichtigt wird. Meistens mit dem Argument, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen, indem dafür gesorgt wird, dass z. B. Durchgänge im Dunkel besser einsehbar sind. Ich will auch nicht abstreiten, dass Grünanlagen mit dichten Hecken in der Nähe des Weges vor allem für Frauen "Angsträume" sein können.
Aber - entstehen durch Straßenbäume wirklich "Angsträume"? Zu fragen wäre, ob große, leergeräumte Freiflächen nicht ebenfalls "Angsträume" sein können. Oder ob "unübersichtliche" Parks nicht gegenüber finsteren Hauseingängen oder Fußgänger-Unterführungen mit schlecht gewarteter und entsprechend kümmerlicher Beleuchtung eher ein Randproblem sind.

Eine andere - und, wie ich fürchte, keineswegs "verschwörungstheoretische" - Erklärung gibt das "Gentrifiction Blog": Hamburg: Stadtplaner in Uniform feat. Haussmann, in Anschluss an einen Beitrag der "Isebek-Initiative zum Schutz der Stadtnatur": Polizei plant Stadt.

Rudolf Sergel, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Umwelt der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat einige der polizeitaktischen Aspekte der Hamburger Grünflächenplanung zusammengetragen und einer kritischen Bewertung unterzogen:
Von sozialen Freiräumen und ökologischen Funktionsflächen zu Arealen staatlicher Kontrolle? (pdf).

Es lohnt sich, auch für Nicht-Hamburger im Besonderen und Nicht-Großstädter im Allgemeinen, Sergels Darlegung gründlich zu lesen. Auch z. B. vor dem Hintergrund, dass es Politiker gibt, die immer wieder den "Bundeswehreinsätz auch im Inneren" fordern. Wahrscheinlich aus "gutem" Grund - den sie allerdings lieber nicht verraten:
Vorbereitungen auf erwartete bürgerkriegsartige Proteste gehen noch weiter: die EU hat inzwischen auch für solche Fälle eine paramilitärische Polizeitruppe (EUROGENDFOR) eingerichtet (9). Im Frühjahr 2009 gab es in Baden-Württemberg ein nicht öffentliches Symposium über Aufstandsbekämpfung in Ballungsgebieten. Teilgenommen haben u. a. Waffeningenieure der Wehrtechnischen Dienststelle für Schutz- und Sondertechnik der Bundeswehr, Militärs aus befreundeten Staaten, Vertreter des Verteidigungsministeriums mit einem Beitrag über „Bundeswehr-Operationen in urbanem Umfeld“ (10), begleitet von Fachveröffentlichungen im Blatt „Europäische Sicherheit“ zu dem Thema. Auf dem Gelände einer westfälischen Kaserne gab es im Mai 2008 eine Veranstaltung zum „Beherrschen von Menschenmassen“ mit Demonstrationen der Zusammenarbeit von Zivil- und Militärbehörden bei Unruhen. Ebenfalls im Frühjahr 2008 beschloss der Bundestag, für 63 Mio. Euro „155mm-Sprenggeschosse zur Bekämpfung von Weichzielen in Ballungsgebieten“ anzuschaffen (10). Weiterhin lassen die Sicherheitsbehörden in Deutschland „vertrauliche Listen, die soziale Brandherde quer durch Deutschland benennen“, erstellen (11). Neben dem Ruhrgebiet tauchen darin u. a. Berlin, Bremen, Hannover, Frankfurt,
München und auch Hamburg auf, u.a. mit Stadtteilen des Bezirks Mitte: Mümmelmannsberg, St. Georg, St. Pauli, Sonnenland, Wilhelmsburg (10,11).
Leere Rasenflächen lassen sich nun einmal einfacher kontrollieren als Grünanlagen mit viel Buschwerk. Und die Bäume? Die sind unter Umständen bei der Überwachung aus der Luft im Wege, und stören vor allem den Einsatz von ferngesteuerten Aufklärungs-Drohnen, wie sie z. B. bei den Demonstrationen gegen den "Castor"-Transport im Wendland eingesetzt worden waren.

Freitag, 3. Dezember 2010

"Blogs? Social Media? Ist doch unwichtig!"

Es ist ja nicht ganz unwichtig, wie die im geänderten JMStV vorgesehenen Alterskennzeichnung für Internetangebote technisch funktionieren soll.
Svensonsan beschreibt in einem ausführlichen Artikel, wie man nach aktueller (2.12.10) Kenntnislage Inhalte im Internet mit einer Alterkennung versehen soll: Die Technik des neuen Jugendschutz-Labels – Deutschland will die Welt verändern

Der entscheidende Punkt ist: "Bei kleinen Seiten, zumal welche mit Inhalten einer Altersklasse, reicht eine einfache und auch für Laien zu erstellende age-de.xml–Datei, die im Server-Root abgelegt wird."
Das Problem: Mit den gängigen Blogsystemen geht das nicht.
Zusätzlich muss eine Alterskennzeichnung in die Metatags eingebaut werden. Das geht immerhin, ich habe das dieses Jahr mal mit dem weit verbreiteten CMS Drupal gemacht. Allerdings: ganz einfach ist das nicht.
Man kann als Alternative die Alterskennung auch im http-header übertragen. Bei statischen Websites sicher kein Problem. Bei Blogs immerhin mit einiger Fummelei machbar. Bei User Generated Content ist diese Alternative praxisfremd.
Jedes Blogsystem, jedes Microblogging-Tool und jeder Webservice, der es ermöglicht eigene Inhalte zu veröffentlichen, muss auf Wunsch seiner deutschen Nutzern eine age-de.xml hochladen UND es ermöglichen, für jedes Blog, bzw. optional für jede Seite in diesem Blog/wasauchimmer ein Metatag mit Alterskennzeichnung einzugeben.

Darüber darf ich gar nicht nachdenken, das ist schon ein wenig nationales Fremdschämen. Man muss aber darüber nachdenken, falls man dort Inhalte anbietet, die nicht ab 18 Jahre sind und langfristig auf Schulcomputern mit Filtersoftware weiterhin angezeigt werden sollen.

Da fragt sich der Amerikaner zu Recht, was sich die Deutschen da schon wieder als Einzige auf der Welt ausgedacht haben.
Nun unterstelle ich der "AG Technik für ein Jugendschutz-Label" keine "Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen"-Mentalität.

Näher liegt da eine Vermutung, die auch svensonsan hat: das aktuelle Konzept ist für die kommerziellen Großanbieter im deutschen Internet gedacht. Für Telekom, Ebay, Amazon, VZ-Gruppe, Cinemaxx usw. für die Webangebote der Fernseh- und Rundfunksender, für große Nachrichtenportale und die Internet-Ausgaben der großen Zeitschriften und Zeitungen.
Für Blogger oder Menschen, die eine eigene kleine Internetpräsenz haben, einschließlich Kleinunternehmer, ist das zu kompliziert und aufwändig.
Aber die sind offensichtlich unwichtig - oder werden als unwichtig wahrgenommen.

Zu dieser Linie passt auch das "Leistungsschutzrecht", mit dem Presseverlage Verbotsrechte beanspruchen wollen, die weit über das Urheberrecht hinausgehen. Nach Ansicht von Peter Mühlbauer (TP: Ein neues Monopol mit irreführendem Namen) wird es diejenigen treffen, die keine Lobby haben und sich nicht wehren können: Privatleute - und unter ihnen vor allem Foren-Nutzer und Blogger.

Das mag teilweise einer Mentalität geschuldet sein, die "das Internet nicht versteht" oder nicht verstehen will, sei es aus technischer Unkenntnis, sei es aus tief verwurzeltem Konservatismus bzw. Angst vor Veränderung, sei es wegen des sich aus der Interessenlage ergebenden Tunnelblicks z. B. der Verlagsunternehmen, Medienkonzern oder auch Gewerkschaft (Position des Verdi Bundesvorstand zum Urheberrecht).

Nicht vergessen werden darf aber, wie "das Internet" von nicht wenigen Politikern und noch mehr Vertretern der großen Medienunternehmern (und den von ihnen wirtschaftlich abhängigen Journalisten) wahrgenommen und dargestellt wird. Als gefährlich und schmuddelig. Als bedrohliche Parallelwelt, in der an jeder Ecke Kinderschänder, Trickbetrüger, Extremisten und Raubkopierer lauern.
Sie sehnen sich nach einer Welt zurück, in der die Pressefreiheit tatsächlich nur die Freiheit einiger reicher Menschen (und reicher Institutionen) war, ihre Meinung zu verbreiten. In der die Mitwirkung des Volkes auf Leserbriefe beschränkt war.

Das Internet - was sich nicht auf das WorldWideWeb und schon gar nicht nur das "Web 2.0" beschränkt - hat die von Brecht in seiner Radiotheorie geforderte Verwandlung des Distributionsapparates in einen Kommunikationsapparat zumindest teilweise eingelöst. Jeder kann Sender sein, jeder kann "ungefragt seine Meinung absondern".
Das ist für die bisher Mächtigen - für jeden Mächtigen - sehr unbequem.
Und von daher ist es ihr ureigenes Interesse, den Geist wieder in die Flasche zu verbannen, die "neuen Medien" zu einem den herkömmlichen Massenmedien vergleichbaren Distributionsapparat umzubauen.
Es ist daher unser ureigenes Interesse, uns dagegen zu wehren!

Dienstag, 30. November 2010

Nun gilt es, weiterzumachen! (Was denn auch sonst?)

Kaum ist der neue JMStV "dank" einiger einflussreicher Internet-Fürchter, erheblich mehr Super-DAUs in Justiz und Politik und zahlreicher Volksvertreterräter mit nicht vorhandenem Rückgrat durch, schon machen Blogs wegen neuem Jugendschutzgesetz dicht.

Da geben meiner Meinung nach Einige viel zu früh auf. Denn wenn man sich durchliest, was die Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia schreibt JMStV-2011: Häufig gestellt Fragen, dann kümmert mich das persönlich als Blogger herzlich wenig.
Warum, legt Jens Scholz hier in aller gebotener Deutlichkeit dar: Was der JMStV ist und was er nicht ist (die is mir doch Scheißegal-Ausgabe).

Es ist richtig, gegen den den JMStV zu protestieren. Denn dass die politische Kaste schon lange versucht, das Internet kaputtzumachen - aus purer Angst davor, dass hier sich nicht nur jeder frei äußern kann, und dabei sogar öffentlich wahrgenommen werden kann, ist offensichtlich. Kontrollverlust ist ihr Alptraum.
Der JMStV ist ein weiterer Schritt in Richtung Polizeistaat. Aber da die beteiligten Politiker und Juristen nicht den geringsten Schimmer haben, wie das Internet eigentlich funktioniert, ist es für die meisten Communities, Blogger, Twitterer, private Meinungsäußerungen, politische Arbeit und Kommunikation im Internet gar nicht anwendbar.
Wie Jens es ausdrückt, sind wir Internetbenutzer hier überhaupt nicht gemeint (selbst wenn wir gemeint gewesen sein sollten).

Und wer zu früh aufgibt, der arbeitet einer politischen Kaste, die Angst vor dem eigenen Volk hat, unbeabsichtig entgegen!

Mittwoch, 8. September 2010

Sampler zur "Freiheit statt Angst"-Demo

Gestern, am 7. September 2010, erschien “Lauschangriff” – der Sampler zur “Freiheit-statt-Angst”-Demo.

Der Sampler mit 13. garantiert GEMA-freien überwachungskritischen Songs aus verschiedene Genres kann hier oder ersatzweise hier heruntergeladen werden - oder als zip-Datei hier.

Alle Songs stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz.

Montag, 7. Juni 2010

Schwedische Lösung - Schaffen wir einfach das Bargeld ab!

Sie ist beinahe sprichwörtlich. IKEA machte Werbung damit: Die "schwedische Lösung". Eine Problemlösung, die praktisch, sehr pragmatisch, äußerst effizient, originell und irgendwie pfiffig ist. "Warum denn kompliziert, wenn es auch einfach geht?" statt des in Deutschland und Österreich weit verbreiteten Prinzips: "Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht?"

Die "idaltypische schwedische Mentalität" und die "idaltypische deutsche Mentalität" haben viel gemeinsam: Perfektionismus und Effizienzstreben, aber wohl auch ein Hang zur Selbstgerechtigkeit. Einer der auffälligsten Mentalitätsunterschiede ist der schwedische Pragmatismus. (Der Mangel an Pragmatismus mit der damit verbundenen Rechthaberei und Prinzipienreiterei scheint mir ein Gründübel der deutschen Gesellschaft zu sein, neben der immer noch wirksamen Untertanenmentalität. Aber das ist ein anderes Thema.)

Auf den ersten Blick scheint das hier eine "typische schwedische Lösung" zu sein: die Abschaffung des Bargeldes
Böses Bargeld (spon). Eine, so scheint es, geradezu gnadenlos pragmatische Idee, wie sich eine ganze Reihe von Problemen einfach aus der Welt schaffen ließen.

Warum eigentlich nicht? Kreditkarten oder wenigstens eine EC-Karte hat inzwischen praktisch jeder. Und die Vorteile liegen auf der Hand: Ohne Bargeld gäbe es weniger Kriminalität.
  • Weniger Diebstähle: Bargeld kann risikolos und ohne Probleme von einem Dieb verwendet werden. Taschendiebe und Bankräuber hätten es ohne Bares schwer. (Tatsächlich ist ein spektakulärer Raubüberfall, der große Helikopterraub Anlass der Debatte.) Ohne Bargeld weniger Überfälle, argumentiert die schwedische Bankgewerkschaft, die treibende Kraft der Anti-Bargeld-Kampagne.
  • Der "Straßenhandel" mit Drogen und die Prostitution funktionieren nicht ohne Bargeld. (Prostition ist in Schweden verboten, in sehr "schwedischer" Weise übrigens - "Sexkauf" ist strafbar, "Sexverkauf" nicht - was bei Licht besehen weniger effizient und gerecht als behauptet ist. (Und auch weniger frauenfreundlich.) (Hierzu auch Lügen über Prostitution auf schwedisch.)
  • Und ein Argument darf nicht fehlen: Wer Bares besitzt, hat etwas zu verbergen. Bargeld ist anonym, es könnte aus illegalen Geschäften stammen. Oder Schwarzgeld sein.
Die letzten beiden Argumente zeigen, dass diese "schwedische Lösung" gar keine echte "schwedische Lösung" ist: sie ist nicht wirklich pragmatisch und auch nicht wirklich eine Lösung des Kriminalitätsproblems. Da schwerlich alle Staaten der Erde ihr Bargeld abschaffen werden, ist absehbar, dass kriminelle Geschäfte künftig in Valuta abgewickelt werden. Und Schwarzgeld, in Form z. B. von schwarzen Konten, ist sowieso meistens kein Bargeld. Und die Anzahl der Kreditkartenbetrugsfälle steigt bekanntlich auch - eines der wenigen Delikte, die in den letzten Jahren zugenommen haben. Bei der ebenfalls zunehmenden "Online-Kriminalität" (Phishing usw.) ist auch kein Bargeld im Spiel.

Typisch ist das klassische Totschlag-"Argument" vom rechtschaffenden Bürger, der nichts zu befürchten hätte - sogar in verschärfter Form: wer Bargeld benutzt, hat etwas zu verbergen. Allerdings gilt auch im schwedischen Recht die Unschuldsvermutung.

Warum also das Ganze? Die Angst der Bankangestellten vor Überfällen ist verständlich, aber es sieht mir ganz so aus, als würden sie nur vorgeschoben werden. Von den kursierenden Horrorzahlen gar nicht zu reden. (Schweden ist ein Land mit im europäischem Vergleich geringer Gewaltkriminalität.)
Die Abschaffung des Bargeldes ist natürlich praktisch für Handel, Industrie und Banken, weil dann immer genau bekannt ist, wer wo was gekauft hat. Die Banken und die Kreditkartengesellschaften freuen sich natürlich auch. Aber auch die Sozialbehörden freuen sich: endlich kann kontrolliert werden, wie z. B. ein Sozialhilfempfänger seine "Stütze" verwendet.

Dass z. B. kleine Läden schließen müssen, deren Laufkundschaft kleine Beträge gerne bar zahlen möchte, und für die eine Umrüstung auf Kartenzahlung schlicht unrentabel ist, stört nicht weiter. Die haben eh keine nennenswerte Lobby.

Ich fürchte, dass, wenn diese Lösung erst einmal in Schweden eingeführt wurde, sie kurz über lang auch in "Euroland" eingeführt wird. Es ist ja soooo praktisch!

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