Mord aus Langeweile? Wirklich nur Langeweile?

Ein schockierendes Verbrechen zeigt, dieser Eindruck drängt sich mir auf, einen der "blinden Flecken" der medialen Wahrnehmung.
Die üblichen Klischees und die von Politikern und "Öchsperten" (Chat Atkins) so gerne anführten Patenterklärungen, warum Jugendliche gewalttätig werden, passen nicht.
"Kein Alkohol, keine Drogen, keine anderen Substanzen". Und offensichtlich auch keine Habgier, kein Sex, kein "Bandenkrieg" und auch keine aufgestaute Wut, denn die Täter waren "kalt, emotionslos und abgebrüht". Da bleibt als Motiv offensichtlich nur:
"Für uns ist der Rückschluss, dass sie aus Langeweile agierten, es gab sonst keinen anderen Anlass", sagte ein weiterer Polizeisprecher.
Jugendlicher soll Obdachlosen aus Langeweile getötet haben (SpOn)
Aber wieso kommen junge Menschen so mir nichts, dir nichts auf die Idee, nur so zum "Zeitvertreib" einen Menschen brutal zu ermorden?
Ich gehe jede Wette ein, dass, sollte der Haupttäter etwa leidenschaftlich Computerspiele gespielt haben (egal welche), z. B. Death Metal gehört haben oder ein eifriger Porno-User gewesen sein, Medien, Politik und vor allem "Öchsperten" sich erleichtert auf diese "Gefahrenpotenziale" stürzen werden. Das würde ihnen nämlich ersparen, sich mit dem Offensichtlichen auseinanderzusetzen:
Da haben unsere Progandisten gegen "nutzlose Esser", "Sozialschmarotzer" und die "traditionelle" Verachtung gegenüber "Asozialen" wohl ganze Arbeit geleistet.
Ein Obdachloser ist eben ein Versager. Einer, mit dem man es machen kann. Den man ruhig ärgern kann, ohne von irgend jemandem Ärger erwarten zu müssen.
Wäre das Verbrechen nicht blutig eskaliert - es würde niemanden interessieren. Es war doch nur ein Penner.
Leserin (Gast) - 29. Mai, 10:33

Der sogenannte "Penner" hatte lt. FAZ.de, vom 28.5.10 vor einigen Monaten durch einen Wohnungsbrand seine Wohnung verloren. Ich verstehe nicht, warum diesem Mann weder von der Stadt noch von der Obdachlosenpolizei ein Zimmer in einem Hotel zugewiesen worden ist, wie das sonst der Fall ist, wenn Personen durch Hausbrand ihre Wohnungen verlieren, zumal der Mann stark sehbehindert war. Hätten die Behöden ihm ein Quartier in einer Pension oder Hotel (es gibt extra "Hotels" für Wohnsitzlose) gegeben, wäre ihm das Schicksal von gelangweilten Jugendlichen, die womöglich aus "gutbetuchten Familien" stammen, erspart geblieben.

Wirr-Licht - 29. Mai, 11:00

ich verweise

sowohl auf "clockwork orange" als auch auf capote's "kaltblütig". und auf den boomtown-rats song "i dont like ondays".

aber auf mich hört ja keiner.

The silicon chip inside her head
Gets switched to overload
And nobody’s gonna go to school today
She’s gonna make them stay at home
And daddy doesn’t understand it
He always said she was good as gold
And he can see no reasons
'Cos there are no reasons
What reason do you need to be show-ow-ow-ow-own?
MMarheinecke - 29. Mai, 12:36

Ich verstehe das auch nicht

Vorweg: Ich verwendete das Wort "Penner", um damit deutlich zu machen, woher die erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber einem Menschen unter anderem kommt - auch gegenüber jemanden, der völlig unverschuldet obdachlos geworden ist. Ohne Wohnung ist man offensichtlich kein vollwertiger Mensch mehr.

Dass einem Menschen in einer Notlage nicht geholfen wurde, ist auch einer dieser "blinden Flecken". Wie oft höre ich: "Bei uns braucht doch keiner zu betteln / auf der Straße zu leben (usw.) denn es gibt doch staatliche Stellen, die sich darum kümmern."

Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Mann selbst davor zurückschreckte, bei "staatlichen Stellen" um Hilfe zu bitten. Womit sich gleich die nächste Frage anschließt: warum mag jemand in Not nicht um Hilfe bitten? Die Antwort auf diese Frage hat, denke ich, sehr viel mit der "Anti-Unterschicht"-Propaganda zu tun.
wurzelfrau (Gast) - 30. Mai, 21:35

Das ist sicherlich eine gute Frage, für mich aber dennoch an dieser Stelle die falsche Fragestellung. Warum dem Mann nicht geholfen wurde und er damit also Opfer wurde impliziert doch gradezu, dass man es als normal und gegeben annimmt, dass Menschen, die nicht einzuordnen sind "eben sowas passiert". Das wirft bei mir in drastischem Maße Fragezeichen auf. Die (für mich ein wenig rhetorische) Frage ist doch, was geht in der Welt ab, dass Jugendliche meinen, sowas könne man machen?!
Felix (Gast) - 29. Mai, 17:57

Find das ein bißle arg konstruiert... und unter "unseren Propagandisten" kann ich mir auch nichts rechtes vorstellen.
Könnte es sein, dass Sie das Opfer hier ein bißchen zu vorschnell für Ihre politischen Ansichten einspannen wollen?

Mord ohne Emotionen - sowas klingt für mich nach einem sadistischen Psycho. Und solang man nix genaueres weiß, braucht man doch nicht unbedingt Politik mit reinbringen.

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