Gedankenfutter

Dienstag, 17. Januar 2006

"DIE"

Aus offensichtlich gegebenem Anlass:

Simon Wiesenthal, der letztes Jahr verstorbene Gründer und Leiter des "Dokumentationsarchivs des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes", besser bekannt als "der Nazijäger", sagte einmal sinngemäß: "Ich vermeide es, von den Deutschen zu reden, weil ich nie wieder hören will: die Juden."

Verallgemeinern ist immer ungerecht gegen dem Einzelnen und dem Einzelfall, aber oft nicht zu vermeinden und meistens harmlos. Wenn Vorurteile hinzu kommen und diese Vorurteile nicht mehr hinterfragt werden, hört die Harmlosigkeit auf. Wenn auch noch Feindbilder hinzukommen, ist es brandgefährlich, von "den" Deutschen, Franzosen, Amerikanern, Russen, Irakern, Iraner, Chinesen, Juden, Moslems, Christen, Buddhisten, Heiden, Atheisten, Kommunisten, Sozialisten, Liberalen, Neo-Liberalen, Anarchisten, Konservativen, Neo-Konservativen, Nationalisten zu reden. Da wird die geistige Schublade schneller, als es einem lieb und bewußt wird, zum geistigem Kerker.
Selbst der Ausspruch "die Nazis" ist problematisch - auch wenn ich ihn oft verwende. Nicht, weil es irgend einen Nazi gäbe, dessen Einstellung mir auch nur entfernt sympathisch wäre. Sondern weil jeder Nazi ein anderer Nazi ist.

Ich bin weder gegen Vorurteile noch gegen vorschnelle Urteile gefeit. Auch nicht gegenüber Feministinnen.

Zu Simon Wiesenthal:
Gerechtigkeit, nicht Rache auf hagalil.com

Samstag, 31. Dezember 2005

Von der Abschaffung des schönen Wetters

"Scheibenwischer", Sendung vom 29.12.2005:
Früher hieß das Winter oder weiße Weihnacht, heute spricht man von Schneekatastrophe.
Ja, füher gab es auch richtig schöne Sommer, heute gibt's überhöhte Ozonwerte, drohende Dürre, bedrohlich steigende Hautkrebsraten! Und wenn der Sommer mal verregnet war, wie dieses Jahr, steht die heimische Tourismusindustrie vor dem Ruin, wie natürlich auch die deutsche Landwirtschaft - zumindest, wenn man Pressetexten glaubt.

Heute ist auch jedes außergewöhnliche Hochwasser eine "Jahrhundertflut" (stimmt irgendwie auch, da Jahrhundert ist ja schließlich erst 5 Jahre alt), jeder tropische Sturm ein "Killerhurrikan" (peinlich, wenn dann ein Hurrikan wirklich schlimme Folgen hat, dann fehlen inflationsbedingt die Worte), und ein sonniger, milder Oktober ist nichts als ein Besorgnis erregendes Zeichen der Klimakatastrophe.

Weshalb gibt es nur noch schlechtes Wetter? Vermutlich, weil es (noch?) niemanden gibt, der sich "schönes Wetter" als Resultat erfolgreicher Regierungspolitik / Unternehmensaktivität / Behördentätigkeit /Reformmaßnahmen / Vereinsarbeit usw. zuzuschreiben traut. Vermutlich auch, weil "schlechtes Wetter" eine unversell verwendbare Ausrede für die fehlende Fehlertoleranz überoptimierter und über-rationalisierter Verkehrs- und Energieversorgungssysteme ist. Weil "Naturkatastrophen" oft durch fehlende Umsicht und Vorsicht erst katastrophal werden.
Vermutlich aber auch, weil "gute Nachrichten" für Sensationsverkäufer (früher "Journalisten" genannt) nun mal schlechte Nachrichten sind.

Mittwoch, 28. Dezember 2005

Stockholm Syndrom

Unter dem "Stockholm Syndrom" versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Peinigern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass Opfer mit den Tätern Mitleid fühlen. Es kann sogar darin münden, dass Täter und Opfer sich ineinander verlieben oder kooperieren. (Wikipedia: Stockholm-Syndrom.)
Das Stockholm-Syndrom scheint deutschen Politikern und deutschen "Journalisten" weitgehend unbekannt zu sein, anders lassen sich die Reaktionen auf die Äußerungen Susanne Osthoffs auf Al Jazeera kaum erklären. Oder sollte dahinter doch eine "höhere Absicht" stecken, wie die "zufällige" Fehlübersetzung jener Passage, in der sie sich zu einer möglichen Rückkehr in den Irak eben nicht konkret äußerte. Osthoff lässt Rückkehr nach Irak offen

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der “Verdacht” auftaucht, Frau Osthoff habe mit ihren Entführern kooperiert, Verschwörungstheoretiker gibt es in unter Politikern und Journalisten ja genug.

Bemerkenswert auch, wie wenig man darüber erfährt, was Frau Osthoff da eigentlich im Irak so machte. Lichtblick im trüben Mediensumpf ist das Interview, dass der Mainzer Archäologen Dr. Michael Müller-Karpe der Tagesschau gab: "Man kann ihre Arbeit nicht hoch genug einschätzen". Besonders bemerkenswert, da Osthoffs Engagement gegen die Raubgrabungen in Mesopotamien, an denen die deutsche Gesetzgebung alles andere als unschuldig ist:
Müller-Karpe: Richtig. Der Irak verbietet Raubgrabungen - wie übrigens alle Länder. Es ist nirgends erlaubt, illegal auszugraben. So etwas bedarf immer der Genehmigung. Deutschland respektiert das aber nicht. Dinge, die im Irak als Hehlerware gelten, sind in Deutschland völlig legal.

tagesschau.de: Warum ist das so?

Müller-Karpe: Da steckt eine finanzkräftige Lobby dahinter, die mit Hehlerware aus Raubgrabungen Geld verdient und die ganz offen mit dem Verlust deutscher Arbeitskräfte droht, wenn die Gesetze strenger werden.

tagesschau.de: Wer bildet diese Lobby?

Müller-Karpe: Das sind Kunsthändler, Auktionshäuser, die aufgrund dieser skandalösen Gesetzeslage hier in Deutschland handeln dürfen.

tagesschau.de: ...die in Deutschland aber nicht hunderttausende Leute beschäftigen.

Müller-Karpe: Nein, das ist ja das Absurde. Der Verlust deutscher Arbeitskräfte würde sich in einem überschaubaren Rahmen halten. Aber die Gefährdung deutscher Arbeitsplätze ist in Deutschland nun mal ein Totschlagargument.
Zu den Hintergründen der Raubgrabungen auf wissenschaft-online:Wir finanzieren die Raub-Archäologie im Irak"

Allerdings, Engagement hin, Stockholm Syndrom her, fehlt mir für eine Äußerung Frau Osthofs in ihrem "Al Jaazeera"-Interview jedes Verständnis:
She described her captors as “poor people” and said that she “cannot blame them for kidnapping her, as they cannot enter [Baghdad’s heavily fortified] Green Zone to kidnap Americans.
Noch etwas zum "Stockholm Sydrom": In Zusammenhang z. B. mit dem Massaker von Beslan, als beim Sturm auf die von Terroristen besetzte Schule 394 Geiseln umkamen, ist es mehr als verständlich, dass die Geiseln oft mehr Angst vor den Sicherheitskräften als vor ihren Geiselnehmern haben. Das galt sogar für die namensgebende Besetzung der "Kreditbanken" in Stockholm 1973, denn die schwedische Sicherheitspolizei agierte damals in einer gefährlichen Mischung aus Dilletantismus und Aktionismus. Inzwischen ist die Polizei bei uns in den meisten westlichen Ländern besser geschult, aber für den Fall eines Einsatzes z. B. der Bundeswehr in solchen Fällen sehe ich tiefschwarz.

(Via Sven und Jens.)

Samstag, 3. Dezember 2005

Bewerbungskriterium “glaubhafter Nichtraucher”

Eins vorweg: ich bin Nichtraucher. Und an sich ich habe ich was gegen verqualmte Arbeitsplätze. Dennoch konnte ich über "Gesundsheitsfundamentalisten" bisher herzlich lachen. Als ich heute auf folgende Kurzmeldung auf der Website der "Deutschen Well" stieß, verging mir aber das Lachen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellt ab sofort keine Raucher mehr ein: Wer in seiner Bewerbung angebe, Raucher zu sein und nach Antritt seiner Stelle bei der WHO auch noch weiterrauchen will, der werde gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen, sagte WHO-Sprecher Simpson in Genf. "Für uns ist das eine Frage des Prinzips: Die WHO führt eine Kampagne gegen den Tabak und die Tabakindustrie", so die Begründung. Deshalb stehe die Glaubwürdigkeit der Organisation auf dem Spiel. Altverträge seien von den neuen Richtlinien aber nicht betroffen.
So, so, die Glaubwürdigkeit der Organisation steht auf dem Spiel!

Vermutlich müssen potenzielle WHO-Mitarbeiter künftig "glaubwürdig nachweisen", dass sie sich fettarm ernähren, täglich 2 Stunden Sport treiben (aber bitte keine "Risikosportarten" mit hohem Verletzungsrisiko), nicht mehr als 2 Tasse Kaffee am Tag trinken, Süßigkeiten verabscheuen und nie im Leben einen Tropfen Alkohol getrunken haben. Schließlich ist eine Gesundheitsorganisation nur dann glaubwürdig, wenn auch der letzte Mitarbeiter fanatischer Gesundheitsapostel ist, jawoll!

Ich frage mich auch, wie ich, als Nichtraucher, "glaubhaft" nachweisen könnte, dass ich mich konsequent von allen Tabakerzeugnissen fernhalte. Schließlich dürfte bei einem mäßigen Gelegenheitsraucher auch bei eingehender medizinischen Untersuchung nicht viel zu finden sein - und wenn, könnte er sich immer auf die rauchenden Mitmenschen und sein schweres Schicksal als Passivraucher herausreden.
Aber vielleicht können Gelegenheitsraucher bei der WHO wenigstens Gelegenheitsarbeiten nachgehen.

Bisher gab es nur "Light" Zigaretten. Jetzt gibt es auch den "Totalitarismus light". Willkommen in der Gesundheitsdiktatur!

Ich denke, diesen Gesundheitsfundamentalismus kann man in der Pfeife rauchen! Auch wenn man sonst nicht raucht.

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