Gedankenfutter

Freitag, 24. März 2006

Philosophie-Slam

Ich interessiere mich sehr für Philosophie; auch wenn ich mich erdreiste, zu behaupten, ich sei Philosophie-Experte (oder gar "Philosoph"). Deshalb lese ich gerne Blogs von anderen philosophisch Interessierten. Leider gibt es davon nicht alzu viele, und von den wenigen haben einige die Attitüde mancher (vor allem deutscher) Schwerdenker übernommen, sich möglichst unverständlich auszudrücken, um so gedankliche Tiefe zu simulieren. Ärgerlich. Auch nicht unbedingt spannend sind philosophisch interessierte Blogger, die zwar gut verständliches Deutsch schreiben, aber gern und deutlich den "Bildungsbürger" heraushängen lassen. Begriffe wie "Populärphilosoph" oder "Populärwissenschaft" arten bei ihnen geradezu zu Schimpfwörtern aus: "Studiere erst mal ein paar Semester Philosophie und wälze Dich durch mindestens sechs Regalmeter philosophische Schriften (wie ich!), dann nehme ich Dich - vielleicht - ernst". Philosophische Bildung hat einen gewissen Prestigewert, der sich vielleicht auf andere Lebensbereiche übertragen läßt. Was durchaus angeberische Züge annehmen kann.
Was ist davon zu halten, wenn jemand sogar bloggt, welche gedankenschweren Bücher er zu Weihnachten zu Weihnachten bekommen hat? Ich hoffe zwar, dass das ironisch gemeint sei; ich glaube es aber irgendwie nicht. Womit ich ausdrücklich nichts gegen diese Bücher und auch nichts gegen Rezensionen dieser Bücher gesagt habe.

Da nimmt sich der Streit um einige flapsige Bemerkungen der berühmten Philosphen Popper und Albert (ja, selbst Philosophen tun so was!) über die ebenfalls berühmten Philosophen Adorno und Habermas ausgesprochen erfrischend aus. Er wurde begonnen vom liberalen Blog Statler & Waldorf Flachköpfe und andere, aufgegriffen vom eher linken Blog Metalust & Subdiskurse Zu mehr als "gnihihihi" reicht's nicht mehr??, weiter ging's mit Flachköpfe reloaded und dann Flower-Power, Eine kurze Korrektur vermeindlicher Irrtümer.

Ich finde, ohne Hähme und Ironie, dass das spannender als jeder Boxkampf ist:boxen. Geistreicher sowieso, denn sowohl Stadler wie Momo verstehen wirklich was von Philosophie und können sogar selbstständig denken. (Zumindest Momo hat sogar Philo studiert, ohne in seinem Blog auch nur annähernd auf "bildungsbürgerlich" & "elitär" zu machen.)

Dienstag, 21. März 2006

Was verteidigt die Bundeswehr am Hindukusch?

Etwa das hier?!? confused

Da ist etwas ganz schwer schief gelaufen beim Demokratisierungsprozess in Afghanistan!

Nachtrag, 22.3.: Sorry für die Stammtischparole in der Titelzeile, das war ein unreflektierter Wutausbruch.
Es war meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, das Taliban-Regime mit militärischen Mitteln zu beseitigen. (Was wahrscheinlich überflüssig gewesen wäre, wären selbige Taliban nicht seinerzeit seitens der USA, China, Pakistans und des Iran -eine heute kaum noch vorstellbare "Achse der Sowjetgegner- gegen die "bösen Russen" unterstützt worden.) Und ohne ausländische Truppen würde in Afghanistan vermutlich sofort der offene Bürgerkrieg ausbrechen und die halbwegs legitime Regierung Karzei blutig gestürzt werden.

Guter Kommentar zur Affäre von Claus Christian Malzahn bei Spon: Die Freiheit des Abdul Rahman

Sonntag, 5. März 2006

Ja, ja, das Fernsehen ...

Karan machte auf der Autobahn eine ebenso bezeichnende wie bedrückende Erfahrung:
Wenn am Rand der Gegenfahrbahn (wohlgemerkt: mitten auf der Brücke!) ein Auto mit Warnblinklicht anhält, so handelt es sich dabei nicht notwendigerweise um einen ebenfalls Verunfallten. In diesem Fall ist es eine kamerabewaffnete schwarzgekleidete Gestalt, die aus dem Wagen springt, mal so eben über die Fahrbahn rennt und das (im Übrigen ziemlich unspektakuläre) Geschehen filmt - und dabei auch den Gegenverkehr erheblich zum Stocken bringt. Die Sat-1-Aufschrift auf dem Wagen wundert mich nicht wirklich.
(Mehr: Wieder was gelernt)

Sollten wir nicht dankbar sein, dass SAT.1 Reporter ihr Leben und vielleicht auch das anderer Verkehrsteilnehmer für die Information und Aufklärung des Bürgers riskieren? Man kann ja ohne solche Bilder schlecht über das "Verkehrchaos nach den überraschenden Schneefällen" berichten. (Ja, Schnee im Spätwinter ist die Überraschung!) Es heißt ja schließlich auch "Fernsehen" und nicht "Ferndenken".

Apropos "Denken" - Fundsache aus einem Forum, in dem es um das leidige Thema: "Überall Kinderschänder - wie schütze ich nur mein Kind?" ging:
Und es ist ja nicht so, dass es früher weniger Pädophile gegeben hätte. Es gab nur kein Privatfernsehen.

Freitag, 17. Februar 2006

... und noch ein (scheinbarer) Widerspruch

Erschütternde Bilder aus Abu Graib:
Neue Bilder von Misshandlungen in Abu Ghraib

Beruhigende Bilder aus Abu Graib:
New Abu Ghraib Photos!

Lügt da jemand? Nein, denn die Fotos von Mißhandlungen stammen aus dem Jahr 2003, die Fotos auf dem (US-militär-nahen) Blog aus dem Jahr 2006.

Montag, 13. Februar 2006

Was wirklich wichtig ist ...

... geht im allgemeinen Medienkrawall (weitgehend) unter. Zum Beispiel der real stattfindende Kampf, bei dem es um die Lebensqualität von Millionen Menschen geht - reduziert auf Schlagworte wie "Sozialabbau" und wohlfeile Patentrezepte konservativer, "neoliberaler", etaistischer, sozialistischer und leider zunehmend auch nationalistischer Bauart. Es geht um "Eingemachte". Und das Dumme ist: die wenigsten kommen auf das Offensichtliche.

Offensichtlich ist z.B. das, was MomoRules on auf Metalust & Subdiskurse" schreibt:
Alle Räder stehen still
Wahrscheinlich fällt die Antwort so aus, daß die Löhne offensichtlich zu hoch sind, und würden sie allseits gesenkt, dann könnte man auch wieder mehr Leute einstellen. Oder aber die Sozialabgaben seien zu hoch. Das Argument gälte jedoch nur dann, wenn es dieses fiese Prinzip der Gewinnmaximierung nicht gäbe ... kein gewinnorientiertes Unternehmen stellt mehr Leute ein, wenn's auch so irgendwie klappt, schon gar kein börsennotiertes.
Eine Binsenwahrheit, nicht wahr? Komischerweise aber eine, die sämtliche "Wirtschaftsexperten" beim medienwirksamen Rezepteverteilen "übersehen" bzw. verdrängen. Oder, auf der vermeindlich "linken" Seite, in "verkürzter Kapitalismuskritik" auf die "Profigeier", "Heuschrecken", "Blutsauger" und anderes Getier schimpfen. Nur: wenn es nichts mehr zu verdienen gäbe, gäbe es auch keine AGs. Also bleiben nur die Alternativen, sich mit dem Kapitalismus der derzeitige Bauart abzufinden - oder lauthals den Sozialismus zu fordern? Nein, es gibt jede Menge sinnvoller Alternativen, z. B. die hier (wieder
MomoRules):
All das schreit für mich danach, das Ganze mal auf gesamteuropäischer Ebene zu diskutieren. Statt, wie's derzeit der Fall ist, nunmehr Arbeitnehmer aller Länder gegeneinander auszuspielen, wie das bei der AEG geschieht, wie Lafontaine es macht, und parallel die EU dafür sorgen zu lassen, daß alle sich jenen Ländern, in denen die miesesten Sozialstandards herrschen, perspektivisch anzupassen hätten.

Nivellierung nach unten für die Gewinne weniger, das ist ja aktuell der Trend. Würde nun also der europäische Generalstreik in privatwirtschaftlichen Unternehmen ausbrechen, ich wäre dafür!

Und parallel sollen mal nicht alle nur daherquatschend die Macht des Kunden beschwören, sondern lieber selbst Genossenschaften und ähnliche Unternehmensformen gründen, in denen anders gewirtschaftet wird als in Aktiengesellschaften, z.B.. Alles andere riecht immer nach "zurücklehnen und bewerten, was Andere tun", und so lange das so ist, kommt die FDP mit ihrer unsäglichen "Leistungsträger"-Ideologie um die Ecke und alle drehen sich im Kreis.
Ich schreibe das nicht aus der Position des gut abgesicherten Kleinbürgers unterschiedlicher sozialer Schichtzugehörigkeit, sondern bin jemand, den "man" hinter vorgehaltener Hand schon mal "verkrachte Existenz" nennt. Willl damit sagen: ich bin mehrfach im Leben ziemlich schmerzhaft auf die Schnauze gefallen, habe beim Versuch,wieder auf die Beine zu kommen, leider auf die falschen Ratgeber (in meinem Falle sogar staatlich bezahlte) gehört, was zu Folge hatte, dass ich noch tiefer abstürzte. Nö, ich will nicht lamentieren, wie schlecht es mir doch geht, und Schuld zuweisen will ich auch nicht, auch wenn es bequem wäre. (Ich unterstelle besagten schlechten Ratgebern mal dass sie das, was sie da erzählten, auch glaubten und es gut meinten. Und einfach auf "den Kapitalismus", wahlweise auch auf "die Globalisierung" oder "die Heuschrecken" zu schimpfen, ist mir echt zu billig.)

Nein, ich bin sehr dafür, den nicht primar an der Kapitalrendite interssierten (aber sehr wohl "kapitalistischen") genossenschaftlichen und sonstwie "alternativen" Sektor zu stärken. Und sehr bereit, dafür, wie es so schön heißt, die Ärmel hochzukrempeln. Ich sehe auch nicht unbedingt und immer "die Unternehmer" als Gegner. Denn die Manager in großen Kapitalgesellschaften, denen ich ein gutes Stück Verantwortung für (wohlgemerkt: nicht Schuld an) der derzeigen Misere gebe, sind gar keine Unternehmer. Nicht zu vergessen, auch Konzernvorstände sind keine Unternehmer!

Übrigens "Medienkrawall" - auch dagegen ist Selbsthilfe möglich. Und sie funktioniert bereits prächtig. Ja, ich meine das vielbelästerte "Kleinbloggersdorf": Weblog... Uh!... What is it good for?

Freitag, 10. Februar 2006

Einige Zitate zum "Kampf der Kulturen"

Vorbemerkung: ausdrücklich zum Selberdrübernachdenken bestimmt!

Achte dich selbst, wenn du willst, dass andere dich achten sollen!
Adolf Freiherr Knigge

Demokratie beruht auf drei Prinzipien: auf der Freiheit des Gewissens, auf der Freiheit der Rede und auf der Klugheit, keine der beiden in Anspruch zu nehmen.
Mark Twain

Manche meinen, sie seien liberal geworden, nur weil sie die Richtung ihrer Intoleranz geändert haben.
Wieslaw Brudzinski

I am here to defend the right to offend.
Ayaan Hirsi Ali, niederländische Parlamentsabgeordnete, auf einer Pressekonferenz in Berlin am 9.2.2006

Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.
Isaac Asimov

Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.
Bertha von Suttner

Zivilisation lässt sich definieren als eine Gewohnheit, dem einzelnen gewisse Gelegenheiten zu barbarischen Betragen vorzuenthalten.
Aldous Huxley

Zivilisation ist die erzwungene Tierzähmung des Menschen.
Friedrich Nietzsche

Unsere Zivilisation befindet sich in einem Zwischenstadium; nicht mehr das vollständig vom Instinkt geleitete Tier, noch nicht der vollständig von der Vernunft geleitete Mensch.
Theodore Dreiser

Kultur ist, wenn man aus dem Schädel seines Feindes eine hübsche Trinkschale anfertigt, Zivilisation, wenn man dafür ins Gefängnis kommt.
unbekannt

Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.
Jean Paul

Da gibt es rauchende Köpfe. Aber Geist ist geil!
Die Singvøgel

Nachgedanke am 11. Februar:
Ich finde es bemerkenswert, dass Samuel Huntingtons so folgenreiches Buch im Original "The Clash of Civilizations" heißt, und im Deutschen zum "Kampf der Kulturen" wurde. Offensichtlich knüpft der deutsche Titel an den "Kulturkampf" im wilhelminischen Kaiserreich an (preußisch-protestantische gegen katholische "Kulturgesittung"), an Oswald Spenglers "Der Untergang des Abendlandes", aber auch an den "deutsch-nationalen" Kampfbegriff der "deutschen Kultur" gegen die "französische (angelsächsische, römische) Zivilisation". Anders ausgedrückt: diese Wortwahl holt die deutschen Rechtskonservativen sozusagen mit in Huntingtons neo-konservatives Boot.

Donnerstag, 9. Februar 2006

Hans Albert wird 85

Mir fällt gerade ein, dass Hans Albert heute, am 8. Februar, 85 wird.

Vielen wird der Name nicht viel sagen, aber Albert ist einer der bedeutensten zeitgenössischen deutschen Philosophen.

Außerdem vertritt er eine philosophische Richtung der auch ich (weitgehend) anhänge: dem Kritischen Rationalismus.

Neben Karl Popper war und ist Albert vermutlich der wichtigste Vertreter eines modernen Skeptizismus, sowohl in der Wissenschaftstheorie als auch zu gesellschaftlichen und politischen Fragen. Außerdem schreibt er witzig, ironisch und verständlich - eine Seltenheit unter den modernen Philosophen.

wikipedia: Hans Albert
Noch mehr über Albert: opensociety: Hans Albert

(Wenn sich jemand wundert, wieso mein Geburtstagsgruß um einen Tag zu spät kommt: Ich hatte gestern Nacht den falschen Button gedrückt.)

Religion - ein moralischer Kompass?

Viele religiöse Menschen sind der Ansicht, dass es ohne Religion, ohne das Befolgen göttliche Gebote, kein moralisches Handeln gäbe. Wir bräuchten die Religion, um der Lasterhaftigkeit unsere Natur Zügel anzulegen.
Betrachten Sie die folgenden drei Situationen. Ersetzen Sie für jedes von ihnen die Leerstelle durch „Pflicht“, „zulässig“ oder „verboten“.

1. Ein außer Kontrolle geratener Güterwaggon ist kurz davor, fünf auf den Gleisen befindliche Personen zu überrollen. Ein Eisenbahnarbeiter steht neben einem Schalter, mit dem er den Waggon auf ein Nebengleis verschieben kann. Dabei würde eine Person getötet, die fünf anderen jedoch würden überleben. Das Umlegen des Schalters ist _______.

2. Sie kommen an einem flachen Teich vorbei, indem gerade in kleines Mädchen ertrinkt. Sie sind die einzige andere Person in der Nähe. Falls Sie das Mädchen aufheben, wird es überleben, aber Ihre Hosen sind ruiniert. Das Kind aufzuheben ist _______.

3. Fünf Menschen wurden gerade in kritischem Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert. Jeder von ihnen benötigt eine Organtransplantation, um zu überleben. Die Zeit reicht nicht aus, um die betreffenden Organe von außerhalb des Krankenhauses anzufordern, aber im Wartezimmer des Krankenhauses befindet sich ein Gesunder. Falls der Chirurg dessen Organe entnimmt, so wird er sterben, aber die Fünf auf der Intensivstation werden überleben. Die Entnahme der Organe der gesunden Person ist _______.

Falls Sie Fall 1 als zulässig, Fall 2 als Pflicht und Fall 3 als verboten bewertet haben, so urteilen Sie wie jene 1500 Teilnehmer aus aller Welt, die sich im Rahmen unseres Internettests zum Moralempfinden (http://moral.wjh.harvard.edu/) zu diesen Dilemmata geäußert haben. Wäre die Moral Gottes Schwert, so müssten Atheisten diese Fälle anders beurteilen als religiöse Menschen, und ihre Antworten müssten auf anderen Begründungen beruhen.
Der ganze extrem spannende Artikel: Gottlose Moral

Ein kleiner Einwand: Leider unterscheidet der Artikel nicht zwischen "ethischem Handeln" und "moralischem Handeln". Das überrascht nicht, weil da im alltäglichen (und oft selbst im philosophischen) Sprachgebrauch die Begriffe Ethik und Moral gern als Synonyme verwendet werden.

In der Moral geht es um die subjektive Wertigkeit von Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich vorgegebener metaphysischer Beurteilungskriterien (gut und böse). Ein Beispiel für einen moralischen Maßstab mit religiöser Begründung sind die "10 Gebote". In der Ethik hingegen geht es um die objektive Angemessenheit von Handlungen anhand intersubjektiv festgelegter und immer wieder neu festzulegender Spielregeln (fair oder unfair). Ein Beispiel für ein ethisches Gebot ist die Wicca-Rede: "Tu, was Du willst, aber schade niemanden". (Wobei "Tu was du willst" übrigens nicht heißt: "Mach, wozu Du gerade Lust hast.") Interessanterweise ist die "goldene Regel" der Ethik: "Was Du nicht willst, dass man es Dir antut, das füge keinem anderen zu" in allen Zivilisationen zu finden.
Die "Ganovenehre" mancher krimineller Vereinigungen, z. B. der Mafia, ist notwendigerweise weitgehend unethisch (es wird anderen Menschen absichtlich geschadet), kann aber hochgradig moralisch sein.

Die Internet-Studie untersuchte m. E. weniger das moralische als das ethische Empfinden.

(Fund via fdog)

Dienstag, 31. Januar 2006

"Geschlossene Gesellschaft"

Es scheint was dran zu sein an dem bösen antideutschen Klischee, die Deutschen würden mehrheitlich eine "Wohlfühl-Diktatur" den Zumutungen einer "offenen Gesellschaft" vorziehen. Oder liegt es eher am "internationalen Trend", dem (angeblichen und auch mit größten Aufwand nicht zu verwirklichenden) "Grundrecht auf Sicherheit" alle (tatsächlichen) Grundrechte nach belieben zu opfern?
Jedenfalls ist es erstaunlich, wie wenig Empörung sich regt, wenn das Machbare "aus Sicherheitsgründen" einfach mal so gemacht wird: "Kontoüberwachung ist ein Hit"
(Via Sven)

Samstag, 21. Januar 2006

Wie Afrika schön exotisch wird ...

Schon mal gewundert, wieso die üblichen Fernseh- und Illustriertenberichte über Afrika so sehr einander ähneln, was angesichts eines ganzen Kontinents mit zahlreichen höchst unterschiedliche Kulturen, Klimazonen, Staaten usw. doch verwundern müßte? Warum man beim Lesen des neuesten "Afrika-Romans" meistens das Gefühl hat, das Buch bereits zu kennen?
Wieso "Afrika-Filme" in mindesten 4 von 5 Fällen sentimental-kitschig und oberflächlich geraten?

Die Autoren all dieser Medienprodukte halten sich wahrscheinlich streng an folgenden Leitfaden:
Schreiben Sie so über Afrika!
Stöhnen ist gut: Eine Anleitung von Binyavanga Wainaina

Verwenden Sie im Titel die Worte "Afrika", "Finsternis" oder "Safari", im Untertitel können außerdem Begriffe wie "Sansibar", "Nil", "Groß", "Himmel", "Schatten", "Trommel" oder "Sonne" auftauchen. Immer hilfreich sind Wörter wie "Guerillas", "zeitlos", "ursprünglich" oder "Stamm".

Zeigen Sie niemals das Bild eines modernen Afrikaners auf dem Buchumschlag, es sei denn, er hätte den Nobelpreis gewonnen. Verwenden Sie stattdessen: eine Kalaschnikow, hervortretende Rippen, nackte Brüste. Falls Sie tatsächlich einen Afrikaner abbilden müssen, nehmen Sie einen Massai, Zulu oder Dogon.

In Ihrem Text sollten Sie Afrika als ein einziges Land behandeln. Es sollte heiß und staubig sein mit wogenden Weiden, riesigen Tierherden und großen, dürren Menschen, die Hunger leiden. Oder heiß und schwül mit sehr kleinen Menschen, die Affen essen. Verzetteln Sie sich nicht in detaillierten Beschreibungen. Afrika ist groß: 54 Länder und 900 Millionen Menschen, die viel zu sehr damit beschäftig sind, zu hungern, zu sterben, zu kämpfen und auszuwandern, als dass sie Zeit hätten, Ihr Buch zu lesen. Der Kontinent ist randvoll mit Wüsten, Regenwald, Savanne und vielem anderem, aber Ihrem Leser ist das egal, deshalb beschränken Sie sich am besten auf romantische, raunende und eher unspezifische Darstellungen.
Weiterlesen: Schreiben Sie so über Afrika!
Diese gern auch von "seriösen" Autoren und Journalisten befolgten Tipps gelten sinngemäß selbstverständlich auch für alle anderen "exotischen" Gebiete außerhalb der Metropolen, vom Amazonasbecken über Tibet und die Mongolei bis nach Grönland. (Manchmal fängt "Afrika" schon in Mecklenburg-Vorpommern an ... )

Via:Ethno_blog, dieses via rollinger

Zum Thema "exotische Klischees und wie sie in unsere Köpfe kommen" auch: Fräulein Smillas mangelndes Gespür für Fiktion

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