Nackter Wahnsinn: Nacktbilder sind kriminell

Nacktheit ist ein typisches Sommerlochthema. Meistens geht es um irgendwelche Leute, die sich lautstark über irgendwelche "Nackerte" aufregen, was dann dank einer gelangweilten Lokalpresse einen kräftigen Resonanzboden erhält. Oder es geht um irgendwelche Promis, die von irgendwelchen Paparrazis beim nackten Sonnenbad "abgeschossen" wurden. Seit einige Jahren geht es aber auch um das Thema: Lassen Sie Ihr Kind nackt rumlaufen? Ein Thema, das durch die Angst vor "pädophilen Spannern", die bestimmt noch Schlimmeres im Sinn hätten, und der Angst davor, Bilder des eigenen Kindes könnten als Onaniervorlagen "ins Internet" gestellt werden, bestimmt wird. Ein Angst, die nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, aber die "neuen" Gefahren stark überschätzt und die tatsächliche Gefahrenlage verkennt. (Der "Spanner im Gebüsch" ist vielleicht lästig. Sexualisierte Übergriffe gegen Kinder gehen aber fast immer von Tätern aus dem Nahbereich, von Familenangehörigen, Freunden oder auch Erziehern und Lehrern aus.)

Seitdem es den §184c StgB (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften) gibt, dürfte "Nacktheit" endgültig auch außerhalb des Boulevardjournalismus und des Sommerlochs Thema sein.
Im Gesetz heißt es zwar, jugendpornographische Schriften seien
[...] pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen von vierzehn bis achtzehn Jahren zum Gegenstand haben [...]
, aber Erfahrungen aus den USA und aus Großbritannien ließen befürchten, dass die Bedeutung von "pornografisch" in der Praxis immer weiter sinken könnte, so dass bald auch einfache Nacktbilder automatisch als pornografisch gelten könnten.

Die Befürchtungen sind offensichtlich wahr geworden, und es gibt Hausdurchsuchungen bei Jugendlichen wegen selbstgemachter "Jugendpornografie": Durchsuchung im Kinderzimmer (Udos law blog). Nach dem Bericht der Allgäuer Zeitung hat das Mädchen die Nacktbilder von sich selbst gemacht und von sich aus an die Jungs verschickt, gegen die mit Hausdurchsuchung ermittelt wird. Im Bericht ist wohlgemerkt nur von "Nacktbildern" die Rede - nicht von Pornographie. Wie Udo Vetter schrieb, liegt die Möglichkeit, dass hier der Pornografiebegriff grob verkannt wurde, jedenfalls nicht fern.
Es ist so einfach: Nacktbilder sind halt "unmoralisch", jedenfalls war das früher, als die Welt noch in Ordnung war, immer so gewesen, vor den bösen ´68ern, dem bösen Sexualkundeunterricht, dem "Verfall der Familie" (Frauenrechte, Schwulenehe und so ein Schweinkram) und dem "größten Tatort der Welt", diesem Internetdingens, von dem neuerdings alle Welt spricht. Und was "unmoralisch" ist, gehört verboten!
Und weil "Kinderpornographie" ein schreckliches Verbrechen ist, gilt das "erweiterte Null-Toleranz-Prinzip". Ein Prinzip, bei dem unter den Tisch fällt, dass es bei "Kinderpornographie" nicht um "Pornographie" und schon gar nicht um Bilder vom Badestrand geht. Und nach dem Minderjährige generell als "Kinder" angesehen werden.
Ich bin ehrlich gesagt entsetzt darüber, dass hier die Dokumentation des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Bild und Ton auf die selbe Stufe gestellt wird wie die Darstellung erwachsener Darsteller mit kindlichem Erscheinungsbild (laut KJM: Zöpfe, Plüschtiere, kindliche Körperschemata [1]).
Christian Bahls: Kinderpornographiedefinition der EU (mogis-verein.de).

Grundsätzliche Überlegung beim Wirrlicht: naggisch oda nisch?
lebowski (Gast) - 23. Jul, 21:31

das ja wohl die lachnummer schlecht hin,frage mich wie gross die sonderkommision "lolita foto" wohl ist.eine einzige verschwendung von geld,ressourcen und personal .gibt´s nicht paar nazis die einglocht werden müssten?

ryuu - 24. Jul, 21:38

Gilt auch für Gezeichnetes, wenn ich die Idiotie richtig einschätze

und das hieße: ein großer Teil meiner Animesammlung wäre schon schwer belastend - die Oberschule ist nun mal ein beliebtes Setting in Anime, d.h. die Protagonisten sind zum allergrößten Teil unter 18, und ein, zwei Pantyshots kommen in fast jedem dieser Animes vor. Und ein übergriffiger Charakter wie Haruhi Suzumiya würde schwuppdiwupps zum Verbot führen...

MMarheinecke - 2. Aug, 08:54

In Schweden ist das schon passiert:

Urteil in Schweden: ein Manga wird zu Kinderporno (taz).

Dass es nicht wirklich darum geht, Kinder vor Sexualstraftätern zu beschützen, dürfte offensichtlich sein.
Ein Kommentator in Aftonbladet zitiert die Webseite der schwedischen Polizei, auf der es heißt: „Gezeichnete und animierte Bilder oder Filme, die Kinder in pornografischem Zusammenhang zeigen, sind als Kinderpornografie anzusehen. Das Verbot der Schilderung oder des Besitzes gilt nicht für den, der ein solches Bild malt oder zeichnet, es aber nicht für andere zugänglich macht.“ Und kommentiert: „Diese bizarre Logik verweist auf das dunkle Motiv hinter dem Gesetz. Es geht nicht um den Schutz von Kindern (...), sondern um die Rechtfertigung der perversen Ausbreitung der Überwachungsgesellschaft.“
MMarheinecke - 24. Jul, 22:28

Sorry Maren, dass ich deinen Kommentar löschte

... aber ich lösche grundsätzlich alle Kommentare mit Spamlink, auch wenn sie sich zufällig mal aufs Thema beziehen.

Maren (Gast) - 26. Jul, 16:52

Wieso Spamlink? Du verlinkst doch auch Deinen Blog, wenn Du woanders schreibst oder?
MMarheinecke - 26. Jul, 17:25

Ich betreibe aber kein Blog zum Thema "Partnerschaft und Erotik", mit dem aktuellen Thema "Sexspielzeuge für Paare, versüßen den Sex". Dabei geht es mir nicht darum, dass der Link kommerziell sein könnte, sondern darum, dass ich keine Diskussionen der heiklen Thematik im Umfeld eines Erotik-Blogs wünsche.
Der Grund: Ich habe schon Mails des Inhalts "bei Kinderschändern hilft nur eines Eier ab!!" (oder "Rübe ab!" je nach dem) erhalten, die keinen Zweifel daran ließen, dass die Absender mich für jemanden halten, der "diese Monster" "auch noch in Schutz nimmt" bzw. den Verdacht äußern "ich sei vielleicht auch einer von denen".
Wäre ich noch bei Trost, bzw. ginge es nur um mein eigenes Interesse, würde ich meine Finger von dem Thema "Kinder- und Jugendpornographie" lassen.
Anna (Gast) - 25. Jul, 15:32

Wir haben unseren 2-Jährigen an der Ostsee unten ohne rumlaufen lassen. Die Haut im sonst ständig feucht warmen Windelklima dankt es. Da er viel am Wasser war, wäre eine Badehose eh ständig nass geworden und hätte gewechselt werden müssen. Was in den Hirnen der Menschen vorgeht, kann man nicht lesen. Achtsamkeit ist wichtig, aber wie du richtig schriebst, passiert Missbrauch eben nicht im öffentlichen Raum, sondern deutlich häufiger im persönlichen Umfeld.
Also ich lasse mich nicht verrückt machen, sondern gönne meinem Kind unter meinen Augen Spaß am Strand ohne diese lästige Windel am Hintern.

Sigurd (Gast) - 28. Jul, 12:14

Bei einem 2-jährigen ist nackt wohl noch "kein Thema"

Schwieriger wird es, wenn die Kinder älter werden.

Ich vermute, dass die Aufregung um Nacktheit und um nackte Kinder auf Verunsicherung zurückzuführen ist.
Ich halte es persönlich für das Vernünftigste, aus dem Thema Nacktheit keine große Sache zu machen.

In der Erziehung gibt es zwei Extreme, die beide vermieden werden sollten.
Das eine sind Eltern, die es sorgfältig vermeiden, von ihren Kindern nackt gesehen zu werden. Wenn sich Eltern und Kindern zufällig einmal doch nackt begegnen sollten, z. B. wenn das Kind das Bad betritt, in dem der Vater gerade duscht, hält dieser hektisch und verschämt die Hände vor die Genitalien. Diese Eltern suggerieren ihren Kindern, dass Nacktheit etwas Unanständiges sei.
Ich vermute, dass viele, die reine Nacktbilder für pornographisch halten, genau so erzogen wurden.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Eltern, die Kinder ständig aus falsch verstandenem Stolz auf die eigene "Unverklemmtheit" das Nacktsein aufdrängen. Wenn Kinder in ein Alter kommen, in dem sie die Badezimmertür lieber abschließen möchten und auch nicht mehr wie zuvor zum FKK-Strand mitkommen möchte, so muss das in jedem Fall akzeptiert werden.
Ich vermute, dass Menschen, deren Eltern so wenig Respekt vor ihrer Privatsphäre und ihrem Schamgefühl hatten, heute ebenfalls zu hysterischen Reaktionen in Bezug auf kindliche Nacktheit und vor allem Nacktfotos von Kindern neigen.
MMarheinecke - 28. Jul, 13:38

Sigurd, ich vermute auch etwa in diese Richtung, nämlich Richtung anerzogener Prüderie.
Wobei mir die Reaktionen auf die selbstgemachten Nacktfotos in diesem Fall ganz entschieden nach dem ersten Extrem aussieht. (Ich gehe einfach mal davon aus, dass sie schlimmstenfalls Posing-Fotos sind.)
Aber ich halte einen anderen Grund für wichtiger dafür, dass Nacktbilder automatisch mit Pornos gleichgesetzt werden. Autoritäre Persönlichkeiten haben es gern eindeutig geregelt. Die Grenzen, was pornographisch ist, sind fließend und sogar nach dem Gesetz unscharf. Ob jemand auf einem Foto nackt ist, lässt sich mit einem Blick feststellen. Unsicherheit beseitigt, und wenn jemand fragt, heißt es eben: "Null Toleranz".

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