Die wirklichen Ergebnisse der NRW-Wahl

Traurig, aber wahr:

PDN *) 40,7 Prozent
CDU 20,5 Prozent
SPD 20,5 Prozent
Grüne 7,2 Prozent
FDP 4,0 Prozent
Linke 3,3 Prozent
Andere 3,8 Prozent

*) PDN - Partei der Nichtwähler

Wobei ich es niemandem verdenken kann, der nicht wählen ging, da die halbwegs vernünftigen Parteien entweder mit ihrer Selbstdemontage beschäftigt sind (Piraten, Linke) oder im wachsenden Maße ihre eigenen Werte nicht mehr Ernst nehmen (Grüne).

Nachtrag an die hier mitlesenden Liberalen (bin ich ja irgendwie auch - linksliberal mit gewissem Hang zum Anarchismus):
Die FDP hat das, was die Grünen machen, schon lange hinter sich. Sie sind schon seit Jahren keine "Bürgerrechtspartei" mehr, sondern nur noch eine Partei, in der es einzelnen Bürgerrechtler gibt.
Ja, und die Linke ist immerhin eine demokratische Partei - möglicherweise innerparteilich demokratischer organisiert als die CDU. Und auffällig viele Gewerkschaftler und ehemalige SPD-Angehörige, durchaus linksliberalen Zuschnitts, sind nun bei den Linken. Bestimmt nicht wegen, sondern eher trotz der "kommunistischen Plattform" und der DDR-Nostalgiker in dieser Partei.

Nachtrag vom 14. Mai zu den "Grünen" und ihrer angeblichen Prinzipientreue:
Erfolgsrezept der GRÜNEN: Vergessen machen
Gregor Keuschnig - 12. Mai, 16:19

Der Prozentsatz der anderen Parteien ist sicherlich irrtümlich vom "realen" Ergebnis übernommen werden. Er müßte bei 3,8% liegen.

MMarheinecke - 12. Mai, 21:20

Danke, das stimmt, da habe ich nicht aufgepasst! Ich korrigiere das.
Chat Atkins (Gast) - 13. Mai, 11:17

Widerspruch in einem Punkt: Die Grünen schneiden deshalb besser als andere ab, weil sie sich eben 'weniger selbst verraten' haben. Die Substanz ihrer Politik, vom Anti-AKW-Kurs über giftfreie ökologische Nahrung bis zum nachhaltigen Wirtschaften, blieb über die Jahrzehnte erhalten. Ein Marketing-Fuzzy würde sagen: Sie haben ihren Markenkern bewahrt. Andere programmatische Säulen der Frühzeit - Feminismus, Gewaltfreiheit usw. - das war zeitgeistiges Tüdelüt, dem taktischen Bündnis mit Frauen AGs, Friedensbewegung und Bibelkreisen damals geschuldet. Die Biographien der Parteimitglieder entsprachen solchen hehren Grundsätzen schon in früher Jugend meist nicht. Siehe bspw. Fischer ...

MMarheinecke - 13. Mai, 12:03

Hinsichtlich Fischer stimmt das

Hinsichtlich der Grünen als solche: nicht.
Sogar in deren "Kernbereich" Kernenergie agieren "Grüne", die an der Regierung beteiligt sind, opportunistisch:
Drastisches Beispiel ist die "schwarz-grüne" Koalition in Hamburg: SPD und Linke hatten beantragt, die Menschenkette zwischen Krümmel und Brunsbüttel zu unterstützen. Und wer stellt sich quer? Die "Grünen" (In Hamburg: GAL-Fraktion). Der Spott, die GAL sei eine "FDP auf Fahrrädern" und die "Klientelpartei der Waldorflehrer", für die ein paar Radwege wichtiger seien als das Kohlekraftwerk Moorburg, ist gar nicht mal so falsch.

Da ich damals, vor über 20 Jahren, auch in der GAL war, wage ich aufgrund meiner damaligen Erfahrungen zu sagen, dass die "anderen programmatische Säulen der Frühzeit", wie Feminismus und Pazifismus kein "zeitgeistiges Tüdelüt" waren - als Antibellizist, aber eben nicht Pazifist, hatte ich da keinen leichten Stand. Dass aber Joschka Fischer es nicht so mit der Gewaltlosigkeit hatte, war aber auch anno 1988 kein Geheimnis.
Gregor Keuschnig - 13. Mai, 12:13

Es gibt m. E. kaum eine Partei, die sich in den letzten zehn Jahren mehr selbst "verraten" hat als die Grünen: Jugoslawien-Krieg 1999, Afghanistan 2001, Wirtschaftspolitik unter Schröder. Einigermassen stringent blieb man fast nur in der Ablehnung zur Atomenergie. Die aktuelle Diskussion um die Laufzeitverlängerungen spülte den Grünen in NRW die Stimmen zu, die sie bekam. Das sind jedoch Eintagsfliegen, ähnlich den tollen Ergebnissen der FDP, die sie immer erreicht, wenn sie als das kleinste Übel angesehen wird (zuletzt bei der BTW 09). Nicht unerheblich ist auch, dass viele Wähler der Grünen ihre Stimmabgabe als eine Art Ablass betrachten. Vom Wahllokal fährt es sich dann mit der S-Klasse beschwingt ins "Grüne" (zugegeben, ein bisschen polemisch).
MMarheinecke - 13. Mai, 14:06

Gregor, du hast recht!

Ja, der "Ablass" von den "Umweltsünden" ist verdammt wichtig geworden. Einkaufen im Bio-Laden und "Grünen"-Wählen als Beruhigung des schlechten ökologischen Gewissens.
Sven (Gast) - 13. Mai, 16:30

Kernthema AKWs

Ich stimme da Martin zu und bin sogar noch pessimistischer: den Grünen wird am Ende auch die Kernkraft egal sein (man wird sich halt auf irgendwas formales rauswinden wie z.B. dass man auf den Ausstieg nicht verzichte, auch wenn er dann halt ein paar Jährchen später käme oder so - hauptsache man kann koalieren. Hamburg & Saarland als Versuchsballons (Elbauen? was waren nochmal die Elbauen?), und spätestens nach der BaWü-Wahl wird es die erste Schwarz-Grüne Koalition geben. Und die Grünen damit mit einer Partei koalieren, die Atomkraftwreke super knorke findet. Atomkraft - Na und?
Gregor Keuschnig - 13. Mai, 18:51

@Sven

Das glaube ich nun nicht: Die Grünen werden immer die Partei der Anti-Atomenergie sein, alleine schon, weil sich damit ganz gut punkten lässt.

(Die Hauptargumentationslinie der Rot-Rot-Grün-Befürworter: Sie Linke wird sich ganz schnell wie die Grünen einkassieren lassen. - Überzeugt mich nicht, obwohl Berlin dem recht zu geben scheint.)
MMarheinecke - 13. Mai, 20:01

In Hamburg wurde der erste Schritt schon gemacht

Die von mir bereits erwähnte Ablehnung des von SPD und Linken im Hamburger Parlament gestellte Antrags, die Menschenkette zwischen Krümmel und Brunsbüttel zu unterstützen, spricht Bände: der "Koalitionsfrieden" ist im Zweifel für die GAL wichtiger als der Anti-Atom-Protest.
(Das die Grünen sich damit auf längere Sicht überflüssig machen, ist den offenbar maximal bis zur nächsten Wahl denkenden "Parteistrategen" wohl egal.)
Sven (Gast) - 14. Mai, 10:23

@Gregor

Nicht, dass ich das nicht hoffte. Allein, mir fehlt inzwischen der Glaube. Oder besser: das Vertrauen. Warten wir mal BaWü ab, ich denke, da wird sich zeigen, was mit den Grünen los ist.
Die Linken - naja, nachdem nun schon das 3. Mal eine rot-rot-grüne Mehrheit gewählt wurde wäre es IMO an der Zeit, dem Wähler mal zu zeigen, ob das klappt. Wenn es - wie ja allenthalben behauptet wird - die Linken es vermasseln wird der Wähler das in den kommenden Wahlen mit Konsequenzen versehen. Solange das aber stets Behauptung ohne Beleg bleibt habe ich langsam das Gefühl, dass diese Behauptung Pfeifen im dunklen Wald ist und eher Ausdruck der Angst, die Linken könnten es am Ende doch nicht vermasseln und sich so sogar etablieren als Überzeugung, dass sowas von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. So oder so, solange das nicht endlich mal ausprobiert wird braucht sich niemand über das nächste gleichlautende Wahlergebnis beschweren. Ist sowieso eine Unsitte geworden, dem Wähler vorzuwerfen so gewwählt zu haben wie er es getan hat anstatt die Weisung seines Chefs gefälligst umzusetzen.
Gregor Keuschnig - 14. Mai, 10:45

@Sven

Ich hatte das schon richtig gelesen; klar, die Grünen sind für viele Überraschungen gut - vor allem negative. in BaWü glaube ich nicht an Schwarz-Grün, weil Mappus doch ziemlich wert-konservativ und - tatsächlich - pro-AK ist.

Ich bin nicht der Meinung, dass der Wähler Rot-Rot-Grün "gewählt" hat. Das geht ja in unserem Wahlsystem nicht. Ansonsten hätte in Sachsen der Wähler ja auch mal CDU/NPD gewählt - polemisch formuliert. Oder, bezogen auf NRW, die "Grosse Koalition". Es ist inzwischen längst ein Manko geworden, dass die eigentlichen Machtverteilungen in Koalitionsverhandlungen stattfinden. Das konnte man zwischen zwei Parteien, von denen man vorher wusste, wie sie sich verhalten, noch einigermaßen goutieren. Bei Dreierbündnissen ist das Demokratiedefizit aber enorm. Wer hat denn im Saarland Jamika gewählt? Niemand. Die Zusammenstellung kam nur, weil es sich rechnerisch und auch kompromisslerisch so ergeben hat.

Die Linke bezieht im Westen ihr Potential aus Protest. In NRW ist das ein heterogener Haufen, m. E. regierungsunfähig. Im Osten ist die Partei ganz anders strukturiert und auch verwurzelt. Dort gibt es/gab es ja sehr wohl Rot-Rote Bündnisse; die Linke ist hier sehr viel homogener. (Den Entzauberungseffekt gab es nur in Berlin.)

Es ist ein Märchen, dass bei der Linken in Westdeutschland nur frustrierte Gewerkschafter mitmachen. Es sind genauso Stalinisten, Kommunisten und andere -isten dabei. Ob es für die SPD strategisch besonders klug wäre, solche Leute in eine Regierung auf Landesebene zu nehmen? Vermutlich will man so lange wie möglich die Akzeptanz der Linke in Westdeutschland hintertreiben, weil man hofft, sie damit irgendwann wieder unter 5% zu drücken. Ob die Linke in der lage ist, dieses radikale Ignorieren durchzustehen, bleibt die Frage. Die SPD braucht ein neues Godesberg, um mit eindeutiger Richtung aufzutreten.
Sven (Gast) - 17. Mai, 12:25

@Gregor

"Ansonsten hätte in Sachsen der Wähler ja auch mal CDU/NPD gewählt" - najaa, ob das jetzt wirklich soooo polemisch ist... ;-))))
Gregor Keuschnig - 17. Mai, 12:57

@Sven

Wollte nur sagen: "Der Wähler" entscheidet nicht über Koalitionen bei seiner Stimmabgabe. Das lässt sich am besten bei der sogenannten "Großen Koalition" zeigen. Die wäre immer möglich und demzufolge auch immer als "Wählerwillen" verkaufbar. Dass das nur passiert, wenn man bei Verhandlungen mit den kleineren Parteien gescheitert ist bzw. es rechnerisch nicht reicht, ist dann schon wieder die übliche Politik-Rhetorik.

Aktuell auf NRW bezogen könnte man sagen:

Der Wähler wollte

- Rot-Links-Grün
- Rot-Schwarz
- Rot-Grün-Gelb
- Schwarz-Grün-Gelb

oder sogar

- Schwarz-Grün-Links

Trackback URL:
https://martinm.twoday.net/stories/6331597/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 6725 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren