Im Prinzip wäre ich ja für ein "Bürgergeld", aber ...

... mit dem Modell eines "bedingungslosen Grundeinkommens" hat das, was die FDP einführen möchte, nur am Rande etwa zu tun.

Das FDP "Bürgergeld" hat auch nur am Rande mit der radikal liberalen Idee einer "Negativen Einkommensteuer" zu tun - die einzige Übereinstimmung sehe ich darin, dass das "Bürgergeld" vom Finanzamt ausgezahlt werden soll. Es verzichtet nicht auf die Bedürftigkeitsprüfung (gut, das war zu erwarten) - und es ist mit 662 Euro im Monat so niedrig angesetzt, dass es gerade keine Freiräume schafft. Tatsächlich würde damit das soziale Sicherungssystem auf ein Minimum gekürzt.

Der Hammer aber ist das damit verbundene "Workfare"-Konzept - "Workfare" bewusst in Anführung, denn es geht dabei um "Kein-Euro-Jobs" - "Workfare" im klassischen Sinne wäre der "1-Euro-Job", so wie er ursprünglich mal geplant war. Hartz IV soll durch Workfare ersetzt werden.
Der nun angedachte "Kein-Euro-Job" geht de facto in Richtung Dienstverpflichtung. Natürlich fehlt zu einem tatsächlichen "Reichsarbeitsdienst" noch die Kasernierung. Aber früher oder später wird irgendein "Experte" auch noch darauf kommen - z. B. bei jungen Arbeitslosen.

Was es mir dem "Bürgergeld"-Vorschlag der FDP auf sich hat, und worin sich "Bürgergeld" und "Grundeinkommen" unterscheiden, lässt sich in zwei Broschüren nachschlagen: Bürgergeld (Kerstin Funk) (pdf) und Bürgergeld und Grundeinkommen (Peter Altmiks) (pdf).

Was ungemein auffällig ist: allenfalls die ökonomische Einstellung ist "liberal" - Bürgerrechte für arme Menschen sind offensichtlich weniger wichtig. Wer sich nicht im Niedriglohnsektor ausbeuten lassen will, ist eben faul. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
Die liberale Rhetorik kann gar nicht über die erzkonservative bis reaktionäre Auffassung, die Reduzierung der Bürger auf ihre Arbeitskraft, hingwegtäuschen.
Köppnick - 8. Okt, 22:42

Auch 1-Euro-Jobs (die unter Rot-Grün beschlossen wurden) sind schon eine Frechheit. Ich erinnere mich daran, dass ein Betroffener einen Prozess verloren hat, weil er seine Monatskarte vom Amt bezahlt haben wollte. Seine Klage wurde abgewiesen. Begründung: Der eine Euro ist nicht sein Lohn, sondern eine Aufwandsentschädigung, von der er seine Kosten bestreiten soll, also z.B. auch seine Arbeitskleidung. Was aber noch schwerer wiegt: Es fehlt die Versicherung. Hat er während seiner Tätigkeit einen Unfall, dann zählt das nicht als Arbeitsunfall, sondern als Unfall in seiner Freizeit. Dass es nicht mehr Widerstand gegen diese Regelungen gibt, liegt daran, dass die Betroffenen solche armen und entmutigten Schweine sind, dass sie sich nicht mal mehr wehren.

MMarheinecke - 9. Okt, 09:49

Ich gebe Dir inhaltlich recht - ich bezog mich auf die "Arbeitsgelegenheit", wie sie ursprünglich "verkauft" worden war. Es kann ja auch keine Rede mehr davon sein, dass nur "zusätzliche" Aufgaben im sozialen Bereich abgedeckt werden - die "Ein-Euro-Jobs" gehen (überwiegend) zu Lasten regulärer Beschäftigungsverhältnisse.

Was den Widerstand angeht: dem steht einerseits die Sanktionspraxis entgegen, andererseits die finanzielle Lage der Betroffenen, die jeden, aber wirklich jeden, Euro brauchen. Psychologisch wichtig: Wer sich weigert oder beschwert, steht als "Faulenzer" und "Drückeberger" dar - übrigens auch vor sich selbst.

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