Probleme des Raumschiff-Designs in der Science Fiction
Vor gut 30 Jahren erschien in "Perry Rhodan" eine Risszeichung, die grundsätzlich zeigt, welche Problemen Science Fiction-Schaffenden haben, wenn es darum geht, die Technik einer fernen Zukunft zu schildern, zu zeichnen oder zu filmen: die Zeichnung "Abfangjäger der neuen 'Redhorse'-Baureihe", gezeichnet von Jürgen Rudig, 1981, erstmals veröffentlicht in PR Band 1059 "Fels der Einsamkeit".
Auf seinem "Phuturama" interviewt Gregor Sedlag (selbst ein begnadeter Risszeichner) Jürgen Rudig: “Alles nur ein Spaß?” – 30 Jahre Redhorse-Jäger. (Wo dann auch diese legendäre Zeichnung zu sehen ist.)
Normalerweise sind Risszeichnungen futuristischer Technik in Perry Rhodan so etwas wie Extras - nett anzusehen, manchmal interessant, aber selten bis nie hauptsächlicher Kaufgrund oder Leseanreiz. Und selten bis nie Anlass für Diskussionen unter den Lesern.
Die RZ des "Redhorse-Jägers" führte hingegen zu sehr kontroversen Reaktionen der Leser. Viele bemängelten die Freihandzeichung ("Fliegender Schrotthaufen"), andere waren entzückt. Es war das erste Mal, dass die Fans sich dermaßen in Begeisterung oder totaler Ablehnung über eine Risszeichnung ausließen.
(Wie sah meine Reaktion damals aus? So! Ich gehörte also zu jenen, die Jürgen Rudigs Zeichung inspirierend fanden. Wenn auch das Ergebnis bei mir eher dürftig war.)
Bei Technik, die sozusagen in "Sichtweite" ist, also die nahe Zukunft betrifft, sieht das Design-Problem für SF-Schaffende grundsätzlich anders aus. Hier kann der Aspekt "technische Glaubwürdigkeit" sehr wichtig sein, und zwar nicht nur in der "harten", naturwissenschaftlich-technisch orientierten SF, sondern auch bei SF, bei der eher soziale oder politische Fragen im Vordergrund stehen. Typische Fragen wären: Sind die hinter dem geschilderten oder gezeichneten Gerät stehenden Prinzipien glaubwürdig? Wäre es sinnvoll, so etwas wirklich zu bauen, bzw. kann dem Leser / Betrachter der Sinn so eines Gerätes plausibel gemacht werden? Ist das Design benutzerfreundlich?
Darüber muss sich jemand, der ein überlichtschnelles Raumschiff entwirft, keine Gedanken machen. Schon deshalb, weil nach dem derzeitigen Stand der Physik so etwas schlicht unmöglich ist. Fast wie in der Fantasy hat der "Raumschiff-Designer" freies Feld.
Das die allerwenigsten SF-Schaffenden wirklich nutzen.
"Star Wars" ist ein klassisches Beispiel, wie unsere der bekannten Technik verhafteteten Sehgewohnheiten das Design bestimmen. Es gibt einfach keinen Grund, weshalb ein altes, etwas vergammeltes Raumschiff auf die gleiche Weise verwittert sein sollte, wie ein vergammelter alter LKW - außer, dass wir an alte, vergammelte LKW gewohnt sind. Also sehen Raumjäger "irgendwie" wie Jagdflugzeuge, Raumschlachtschiffe "irgendwie" wie schwimmende Kriegsschiffe, Antigrav-Gleiter wie fliegende Autos usw. aus. Ich will nicht sagen, dass das Design bei "Star Wars" schlecht oder langweilig wäre - aber es ist ziemlich konventionell.
Wie Technik zugleich glaubwürdig und "ungewohnt" sein kann, zeigte etwas später der erste "Alien"-Film - ohnehin ein Meilenstein der "Gebrauchskunst".
Das Design von "Orion" ist nicht nur wegen des kreativen Einsatzes von Alltagsgegenständen (Bügeleisen, Wasserhähne usw.) bemerkenswert, sondern, weil es mit einfachen Mitteln eine exotische Anmutung schuf.
"Star Trek" ist verglichen damit eher bieder - was für das Design aller ST-Serien gilt. Zum Teil ist das allerdings dem überzeugenden Ansatz Gene Roddenberrs geschuldet, technische Geräte von der Funktion her zu sehen, und nicht umgekehrt (wie es oft bei Perry Rhodan der Fall ist), vom (utopischen) technischen Prinzip das Aussehen ableiten zu wollen. Wie Roddenberry es selbst ausdrückte, käme kein Polizist in einem Fernsehkrimi auf die Idee, lang und breit die Funktionsweise seiner Dienstpistole zu schildern. Man kann mit dem Ding jemanden erschießen, und damit fertig! Das ist das Geheimnis, wieso viele der in der originalen Star Trek Serie der 60er Jahre gezeigten Gerätschaften später realisierten Geräten mit der entsprechenden Funktion so ähnlich sehen. (Z. B. Tablet-Computer) - die Funktion für den Benutzer gibt das Design vor, nicht das (mögliche) technische Prinzip
Trotz einer gewissen Biederkeit gelang "Star Trek" ein Meilenstein im SF-Design: das originale Raumschiff "USS Enterprise, NCC 1701" (kein A, B, C, oder D).
Gene Roddenberry stellte ganz klare Bedingungen an den Entwurf: er wollte auf keinen Fall irgendwelchen Leitwerksflossen, Düsen oder Lufteinlässe sehen. Kein "Raketenschiff", keine "fliegende Untertasse".
Und so entstand ein Raumschiff, das zugleich exotisch wie "glaubwürdig" anmutet.
Dem gegenüber war die Pseudo-Stromlinenform der "The Next Generation" Enterprise NCC 1701-D ein deutlicher Rückschritt.
Auf seinem "Phuturama" interviewt Gregor Sedlag (selbst ein begnadeter Risszeichner) Jürgen Rudig: “Alles nur ein Spaß?” – 30 Jahre Redhorse-Jäger. (Wo dann auch diese legendäre Zeichnung zu sehen ist.)
Normalerweise sind Risszeichnungen futuristischer Technik in Perry Rhodan so etwas wie Extras - nett anzusehen, manchmal interessant, aber selten bis nie hauptsächlicher Kaufgrund oder Leseanreiz. Und selten bis nie Anlass für Diskussionen unter den Lesern.
Die RZ des "Redhorse-Jägers" führte hingegen zu sehr kontroversen Reaktionen der Leser. Viele bemängelten die Freihandzeichung ("Fliegender Schrotthaufen"), andere waren entzückt. Es war das erste Mal, dass die Fans sich dermaßen in Begeisterung oder totaler Ablehnung über eine Risszeichnung ausließen.
(Wie sah meine Reaktion damals aus? So! Ich gehörte also zu jenen, die Jürgen Rudigs Zeichung inspirierend fanden. Wenn auch das Ergebnis bei mir eher dürftig war.)
Ich war immer der Meinung, Raumschiffe – und die Typen, die sie fliegen – sehen in zweitausend Jahren ganz anders aus als für uns vorstellbar. Raumschiff Orion mit seiner ganz eigenen Ästhetik imponierte mir z. B. viel mehr als der ganze Star Wars-Kram.Ich kann da Jürgen Rudig nur zustimmen. Sein "Raumjäger" lässt deutlich werden: so, wie wir uns das heute vorstellen, werden die Raumschiffe der fernen Zukunft (wenn es sie einmal geben sollte) garantiert nicht aussehen.
Bei Technik, die sozusagen in "Sichtweite" ist, also die nahe Zukunft betrifft, sieht das Design-Problem für SF-Schaffende grundsätzlich anders aus. Hier kann der Aspekt "technische Glaubwürdigkeit" sehr wichtig sein, und zwar nicht nur in der "harten", naturwissenschaftlich-technisch orientierten SF, sondern auch bei SF, bei der eher soziale oder politische Fragen im Vordergrund stehen. Typische Fragen wären: Sind die hinter dem geschilderten oder gezeichneten Gerät stehenden Prinzipien glaubwürdig? Wäre es sinnvoll, so etwas wirklich zu bauen, bzw. kann dem Leser / Betrachter der Sinn so eines Gerätes plausibel gemacht werden? Ist das Design benutzerfreundlich?
Darüber muss sich jemand, der ein überlichtschnelles Raumschiff entwirft, keine Gedanken machen. Schon deshalb, weil nach dem derzeitigen Stand der Physik so etwas schlicht unmöglich ist. Fast wie in der Fantasy hat der "Raumschiff-Designer" freies Feld.
Das die allerwenigsten SF-Schaffenden wirklich nutzen.
"Star Wars" ist ein klassisches Beispiel, wie unsere der bekannten Technik verhafteteten Sehgewohnheiten das Design bestimmen. Es gibt einfach keinen Grund, weshalb ein altes, etwas vergammeltes Raumschiff auf die gleiche Weise verwittert sein sollte, wie ein vergammelter alter LKW - außer, dass wir an alte, vergammelte LKW gewohnt sind. Also sehen Raumjäger "irgendwie" wie Jagdflugzeuge, Raumschlachtschiffe "irgendwie" wie schwimmende Kriegsschiffe, Antigrav-Gleiter wie fliegende Autos usw. aus. Ich will nicht sagen, dass das Design bei "Star Wars" schlecht oder langweilig wäre - aber es ist ziemlich konventionell.
Wie Technik zugleich glaubwürdig und "ungewohnt" sein kann, zeigte etwas später der erste "Alien"-Film - ohnehin ein Meilenstein der "Gebrauchskunst".
Das Design von "Orion" ist nicht nur wegen des kreativen Einsatzes von Alltagsgegenständen (Bügeleisen, Wasserhähne usw.) bemerkenswert, sondern, weil es mit einfachen Mitteln eine exotische Anmutung schuf.
"Star Trek" ist verglichen damit eher bieder - was für das Design aller ST-Serien gilt. Zum Teil ist das allerdings dem überzeugenden Ansatz Gene Roddenberrs geschuldet, technische Geräte von der Funktion her zu sehen, und nicht umgekehrt (wie es oft bei Perry Rhodan der Fall ist), vom (utopischen) technischen Prinzip das Aussehen ableiten zu wollen. Wie Roddenberry es selbst ausdrückte, käme kein Polizist in einem Fernsehkrimi auf die Idee, lang und breit die Funktionsweise seiner Dienstpistole zu schildern. Man kann mit dem Ding jemanden erschießen, und damit fertig! Das ist das Geheimnis, wieso viele der in der originalen Star Trek Serie der 60er Jahre gezeigten Gerätschaften später realisierten Geräten mit der entsprechenden Funktion so ähnlich sehen. (Z. B. Tablet-Computer) - die Funktion für den Benutzer gibt das Design vor, nicht das (mögliche) technische Prinzip
Trotz einer gewissen Biederkeit gelang "Star Trek" ein Meilenstein im SF-Design: das originale Raumschiff "USS Enterprise, NCC 1701" (kein A, B, C, oder D).
Gene Roddenberry stellte ganz klare Bedingungen an den Entwurf: er wollte auf keinen Fall irgendwelchen Leitwerksflossen, Düsen oder Lufteinlässe sehen. Kein "Raketenschiff", keine "fliegende Untertasse".
Und so entstand ein Raumschiff, das zugleich exotisch wie "glaubwürdig" anmutet.
Dem gegenüber war die Pseudo-Stromlinenform der "The Next Generation" Enterprise NCC 1701-D ein deutlicher Rückschritt.
MMarheinecke - Mittwoch, 24. August 2011
In Bezug auf das Universum kann man den Spieß aber herumdrehen und damit anfangen, heutige Entwürfe daraufhin zu untersuchen, was garantiert *nicht* gehen wird. Und da kommt man sehr schnell dahin einzusehen, dass zunächst außer Generationschiffen kein einziger Entwurf etwas taugt, der *lebende* Menschen irgendwohin bringen soll. Und auch diese Generationenschiffe werden an der Energie und der Statistik (Kollisionen mit Staub) wohl scheitern.
Es verbleiben als einzige aus heutiger Sicht nicht kategorisch ausschließbare Varianten Von-Neumann-Sonden bzw. das dahinter stehende Prinzip: Nicht Menschen reisen, sondern Informationen über Menschen und ihre Umwelt. An anderen Orten wird aus den Informationen wieder die notwendige Infrastruktur aufgebaut. Oder aber wir selbst evolutionieren in eine mehr informationelle Form.
Der *futuristisch* mir am sinnvollsten erscheinende Entwurf von "Raumschiffen" stammt aus dem Wüstenplaneten: Wie sich die Navigatoren konkret durch den Raum bewegen, das lässt Herbert ja offen, für mich bleibt der überlichtschnelle Flug heutzutage eigentlich eine Allegorie auf eine uns noch unbekannte Art der zeit-losen Informationsverarbeitung.
Wundervolles Thema!
Als Positivbeispiele möchte ich übrigens meine zwei allerallerliebsten SF-Serien nennen: Babylon 5 und Firefly. In Firefly sind die Cruiser der Alliance riesige und unförmige fliegende Städte, und die namensgebende Firefly Mk.I ein höchst unschnittiger Schrotthaufen, dem man seine verborgenen Talente (überagende Wendigkeit und Zuverlässigkeit) trotzdem irgendwie ansieht.
In Babylon 5 dagegen ist der Earthforce "Starfury"-Jäger wohl schlicht das realistischste Konzept eines Raumjägers, das ich je gesehen habe - und sieht dabei auch noch äußerst cool aus. Sprich, ein derartig konzipiertes Raumschiff würde auch in der "echten Welt" sehr gut funktionieren - wenn man mal außer acht läßt, dass RaumJÄGER in der echten Welt eigentlich keinerlei Sinn machen ;-)
@ Sebastian
Babylon 5 erinnert mich in vielem an Perry Rhodan. Die "Starfury"-Jäger bestechen dadurch, dass sie sich wirklich wie Raumschiffe und nicht wie Flugzeuge verhalten.
Firefly, als konsequenter "Weltraum-Western", hatte viel Potenzial, aus dem leider nur eine kurze Serie wurde. Das Raumschiff selbst ist optisch großartig - die konsequente Weiterentwicklung des "Millenium Falcon"-Konzeptes "Schrott aber flott".
Szenarien
Nach Arthur C. Clarke - einem SF-Autor mit bislang hoher "Trefferquote" - gibt es für die richtig peinlichen Fehlprognosen vor allem zwei Gründe: Mangel an Mut und Mangel an Phantasie. (Man wird natürlich auch mit Mut und Phantasie meistens daneben liegen, aber wahrscheinlich auf eine Art und Weise, bei denen künftige Generationen nicht in Gelächter ausbrechen werden. Jules Verne hält niemand wegen der Mondkanone für einen Stümper.)
Es gibt also kaum ein besseres Rezept, um sich als Futurologe zu blamieren, als die Gegenwart einfach in die Zukunft zu verlängern, im Sinne einer Hochrechnung. Es ist erstaunlich, welchen Eindruck z. B. die demographischen Hochrechnungen für das Jahr 2050 machen. Preisfrage: Wer hätte um 1970 die heutige Situation in Deutschland vorausberechnen können?
Zurück zur SF. Die Science Fiction steckt seit einiger Zeit in der Krise. Ich vermute, dass das zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die großen Verlage zunehmend gern auf "bewährte Konzepte" setzen. Das funktioniert auf die Dauer in der Belletristik nicht, und am wenigsten funktioniert es in der Science Fiction. Dieses Genre lebt von Mut und Phantasie.
Was die interstellare Raumfahrt angeht: dieses Thema als "Harte SF"-anzugehen, ist m. E. ziemlich zwecklos - bzw. die guten Stories, die sich um Generationsschiffe und Von-Neumann-Sonden schreiben lassen, sind wahrscheinlich schon geschrieben. Überlicht-Raumer oder "Sternentore" mögen physikalisch gesehen Nonsense sein - aber sie bieten einfach viel mehr Potenzial, spannende Geschichten schreiben zu können.