Hafengeburtstag in Hamburg: "He lücht!"

Hafen Hamburg
Tiefstehende Sonne über dem Hamburger Hafen - nicht am Hafengeburtstag aufgenommen!

"He lücht" - Das ist die inoffizielle hamburgische Berufsbezeichnung für die Hafenerklärer auf Hafenrundfahrtsbarkassen. Aus dem Plattdeutschen übersetzt heißt "He lücht!" - "Er lügt!" und das beschreibt genau das, was diese Hafenerklärer gern tun: den arglosen Hafenbesuchern eine Mischung aus Seemanngarn (von der Stärke einer Stahltrosse und der Länge des Äquators) und Bildzeitungstitelstory aufzubinden. Oder anders ausgedrückt: sie sind die lebenden Vorbilder Käpt'n Blaubärs.

Das färbt offensichtlich auch auf die Website des NDR über den 818. Hafengeburtstag ab. Es könnnte durchaus sein, dass der Hafengeburtstag "das größte Hafenfest" der Welt ist". Auszuschließen ist es immerhin nicht. Aber was hier im ersten Absatz steht: Wie alles entstand würde, auf einer Hafenbarkassen erzählt, den Ruf "He lücht!" nach sich ziehen.

Da heißt es:
Der Termin des Hafengeburtstages geht zurück auf Kaiser Friedrich Barbarossa. Dieser stellte den Hamburgern am 7. Mai 1189 einen Freibrief aus, der Schiffen auf der Elbe von der Stadt bis an die Nordsee Zollfreiheit gewährte. Dieser Freibrief gilt gemeinhin als die Geburtsstunde des Hamburger Hafens.
Wird gern geglaubt, ist aber falsch! Der "Freibrief des Kaisers Barbarossa" ist nämlich eine typische mittelalterliche Urkundenfälschung, was der Historiker Heinrich Reinke 1956 herausfand. Abgesehen davon hatte Hamburg von Anfang an, also schon von der sächsischen Siedlung aus dem 8. Jahrhundert an (die nebenbei bemerkt, schon lange vor der kurzlebigen Hammaburg bestand) einen Hafen gehabt. Also ist der Hafen mindestens 400 Jahre älter als 818. Immerhin: die selbstgemachte Zollfreiheit war einer der Faktoren, die Hamburgs Aufstieg zur Seehandelsmetropole begünstigten.
1977 befand der damalige Wirtschaftssenator Wilhelm Nölling, dass es an der Zeit sei, den Geburtstag des Hafens gemeinsam mit der Bevölkerung zu begehen.
Das ist nur die halbe Wahrheit: schon einmal, nämlich 1939, wurde die "Tradition des Hafengeburtstags" begründet - als typischer NS-Festtag, mit Aufmärschen und allem, was dazugehört. Erst 1977 war genügend Gras über diese eher peinliche Veranstaltung gewachsen, dass Nölling mit deutlichen Seitenblick auf den Tourismus den "Hafengeburtstag" anregte.

Obwohl ich ein ausgesprochener Seefahrts-Fan bin und mich gerne am Wasser aufhalte, halte ich mich vom Hafengeburtstag eher fern. Im Wesendlichen ist es ein überfüllter Rummelplatz am Hafenrand, Schiffsbesichtungen sind Geduldsproben, und das Rahmenprogramm ist jedes Jahr dasselbe. Eben was für Touristen oder Leute, die sowieso keinen Rummel auslassen.

Auf den Hafengeburtstag trifft sinngemäß das zu, was Harald Schmidt zur hochgejubelten, im Bau befindlichen Hafencity meint: "Der Hafen läuft auch ohne City".

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