Rankings: Wie bastel ich mir eine Spitzenposition?

DonAlphonso hat durchaus recht, wenn er erkennt: Rankings sind schei...lecht.

Rankings sind ein beliebtes Mittel der manipulativen Propaganda und nicht von ungefähr bei der bei Journalisten, die diese Berufsbezeichnung zurecht tragen, verrufenen INSM sehr beliebt. (Nebenbei: ich habe nicht den Eindruck, dass die INSM bei "den Liberalen" sehr beliebt ist. Und obwohl ich von dieser Lobby- und Manipulationsbude nichts halte, gebe ich Statler recht: für Verschwörungstheorien taugt sie auch nicht.) Bei den "Bissigen Liberalen" schrieb ich mal über ein besonders dreistes INSM-Ranking: INSM vergleicht Äpfel mit Birnen.

Rein marketing-technisch gesehen sind Rankings einfach ideal, denn sie sind preiswert - man braucht weder Umfragen noch Untersuchungen, man wertet ganz einfach vorhandene Statistiken aus. Außerdem läßt sich, vor allen bei "weichen" Faktoren wie "Lebensqualität in einer Stadt" oder "Investitionsfreundlichkeit einer Region", nahezu jedes Ergebnis durch geschickte Kriterienwahl herbeimanipulieren. Wenn man dann noch eine knallige Schlagzeile hinzufügt und Auswerteverfahren so transparent wie Milchglas hält, sind sie überaus öffentlichkeitswirksam.

Ein ganz einfaches Beispiel: Mindestens 10 deutsche Städte werden in mindestens 20 Rankings als jeweils "die grünste Stadt Deutschlands" bezeichnet. Und alle haben recht. Irgendwie.

Eines dieser Rankings stammt von der Zeitschrift "MensHealth" und fand ein breites Medienecho. Sie verglich die Grünflächen der 50 größten deutschen Städt und kam zum Ergebnis: Hannover ist die grünste Stadt Deutschlands.
Laut der Wartezimmerzeitschrift für den Mann sind folgende 10 Städte besonders "grün" (nicht politisch zu verstehen):
Grünanlagen in deutschen Städten
(in Prozent an der Gesamtstadtfläche):
1. Hannover 11,36
2. Magdeburg 10,10
3. Essen 9,20
4. Kassel 9,00
5. Köln 8,50
6. Oberhausen 7,60
7. München 7,47
8. Gelsenkirchen 6,90
9. Bremen 6,77
10. Hamburg 6,75
Ein doch überraschendes Ergebnis. Berlin, kürzlich in der "BILD" als "grünste Stadt Deutschlands" bezeichnet, liegt erst an Platz 13. ( 6,19 % Grünanlagen.) Rein vom optischen und subjektiven Eindruck und im direkten Vergleich, überrascht es mich, dass Köln "grüner" sein soll als Hamburg. Gelsenkirchen ist längst keine "graue" Industriestadt mehr, aber - ebenfalls vom optischen und subjektiven Eindruck her - wie eine Stadt "im Grünen" wirkt sich trotz ihrer vielen Parks nicht. Hingegen liegt Dresden, eine vom Eindruck her doch durchaus "grüne" Stadt, völlig abgeschlagen auf Rang 45 - mit mageren 2,01 % Grünanlagen.

Sehen wir uns die Kriterien mal an, z. B. hier: PR inside.
Die Zeitschrift stützt sich in der Erhebung auf Angaben der statistischen Landesämter. Gewerbliche Grünflächen sowie Sportplätze oder Friedhöfe wurden nicht berücksichtigt.
Damit ist klar: Städte, die wie Essen viele Parks haben, sind gegenüber Städten mit relativ viel innerstädtischem Wald, wie Berlin, in diesem Ranking im Vorteil. Wenn man nach der Gesamtzahl der Bäume im Stadtgebiet geht, ist Berlin mit Sicherheit die "grünste" Stadt.
Hamburg ist eine Stadt mit überraschend hohem Anteil an landwirtschaftlich genutzter Fläche - 25,4 %. Addiert man einfach die Erholungsflächen (7,9 % ) und Wälder (5,8 %) hinzu, kommt Hamburg auf unschlagbare 39,1 % "Grünfläche".

Also: Hamburg, Berlin, Hannover können alle mit vollem Recht den Titel "grünste Stadt Deutschlands" beanspruchen. Je nachdem, wie man "grün" definiert. Das ist das Geheimnis des Rankings.

Übrigens: Die Autoren des gern zitierten, von der europäischen Kommision in Auftrag gegebenen, Rankings der Großstädte nach "Lebensqualität" haben Städte in skandinavischen Ländern herabgestuft, "weil nun bewiesen ist, dass die ‚Winterdepression’ durch die kürzere Tageslichtzeit verursacht wird".
Der Föhn in den durchweg Spitzenplätze belegenden Städten am nördlichen Alpenrand oder die brennende Sonne im gut bewerteten Malaga gehen inkonsequenterweise nicht in dieses Ranking ein ...
BrainBomb (Gast) - 8. Mai, 10:08

Genau! Diese Rankings sind eine Seuche

und man kann gar nicht oft genug auf den methodischen Schwachsinn dahinter aufmerksam machen, der dahintersteckt.

Allerdings würde ich die Sottissen von Statler nicht besonders ernst nehmen. Den nicht ernsthaft erhobenen Vorwurf einer Verschwörung zu entkräften ist eine der Lieblingsbetätigungsfelder der Fans der INSM. Zitat Statler: "Ich für meinen Teil denke, daß es keine schlechte Idee ist, ein wenig ökonomische Aufklärung in einer für Otto Normalverbraucher verdaulichen Form zu betreiben." Da könnte man ihn natürlich fragen - wenn seine Kommentarfunktion das zuließe - wieso er denn die "Dummverkaufe" der INSM als ökonomische Aufklärung bezeichnet. Rankings sind nun mal manipulative Instrumente der Propaganda, wie Du es sagst und das ist nicht nur eine Behauptung sondern auch wissenschaftstheoretisch belegbar (Entscheidungstheorie: Rankings bzw. das grundlegende Verfahren der Nutzwertanalyse ist eine Methode der subjektiven Entscheidungsfindung). Übrigens kann man Rankings auch leicht empirisch ad absurdum führen, wie in Deinem Beispiel mit der "grünsten Stadt". Kann man mit jedem anderen Rankingtyp auch machen. Man muss nur die Rankings verschiedener Anbieter zum gleichen Thema nebeneinander legen.

Der Hauptskandal ist doch, dass die INSM und andere Propaganda-Tanks damit jede zweite Woche ihren Unsinn in den Medien multiplizieren können, weil jeder faule Journalist - und davon gibt es anscheindend sehr sehr viele - deren Pressemitteilungen fast eins zu eins abdruckt und dann der Auffassung ist, er hätte sein Tagwerk getan. Mit Verschörungstheorie hat das nichts zu tun.

name (Gast) - 30. Aug, 21:28

Naja, Dresden soll bis zu 60% Grünfläche haben …

Gast02 (Gast) - 10. Okt, 10:26

Dresden ist ein schönes Beispiel dafür, dass Statistiken für das eigene Selbstverständnis benötigt werden. Neben der der schönsten Stadt Deutschlands ist DD Einkaufshauptstadt des Ostens, Dynamikhauptstadt Deutschlands-gewesen- usw.
Vermutlich 80% der 60% Grünanteil sind die Dresdner Heide. Die befinden sich am Stadtrand von Dresden. Kurz dahinter beginnt eine menschenleere Landschaft, in der die Wölfe wieder heimisch sind.

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