Hobbys und Amateurpsychologen
Es gibt Hobbys, über die es viele Klischees und Vorurteile gibt. Das wäre nicht weiter der Rede wert, wenn nicht diese Klischees und Vorurteile nicht diversen Amateurpsychologen Anlass gäben, messerscharf zu erkennen, welche tieferen Gründe ansonsten doch ganz vernünftige Menschen dazu veranlassen würde, sich auf so merkwürdige Art die Zeit zu vertreiben. Und natürlich haben solche Schlüsse gar nichts mit Vorurteilen gegenüber den so charakterisierten Menschen zu tun! Man wisse doch genau, dass (hier die bevorzugte pop-psychologische Annahme einsetzen).
Was beim streichholzschachtelettikettensammelnden Großvater, der spinnenden (gemeint ist Wolle MM) Nachbarin oder dem seine Wochenenden als Ork verkleidet auf LARP-Events verbringenden Arbeitskollegen gilt, dass gilt auch z. B bei Politikern: sagt mir, welches Steckenpferd ein Minister reitet, dann sag ich dir, wie er z. B. zur Vorratsdatenspeicherung steht! (Eher ist der umgekehrte Schluss zulässig: Datenspeicher-Fans dürften in den seltensten Fällen einem Hobby nachgehen, das mit Computern und diesem Internetzdingens zu tun hat.)
Die Hobbys analysierenden Hobby-Psychologen dürften einer der Gründe sein, wieso Personalberater empfehlen, auf die Nennung von "Hobbys" im bei Bewerbungen zu verzichten. Auch wenn Nina Anika Klotz auf FTD.de ganz richtig feststellt, dass solche Angaben oft nichtssagend (Reisen, Lesen, Sport - gähn!) oder gelogen sind. Sie macht sich in ihrem Artikel Stirb, Steckenpferd, stirb! Gedanken darüber, wieso anscheinend immer weniger Deutsche ein klassisches Hobby (Kürbisse züchten, Buddelschiffe bauen, Mineralogie ... ) haben.
Die These: "Neue Medien" ersetzen traditionelle Hobbys. (Oder, so verstehe ich es: die Leute haben heute oft andere Hobbys als früher. Welche Überraschung - ich hätte noch von 15 Jahren schwerlich Blogger sein können.)
Nebenbei zeigt der Artikel, dass sogar richtige Psychologen nicht über die oben erwähnte vorurteilsgestützte Küchenspsychologie erhaben sind. Psychologe Peter Zellman findet:
Wenn Modellbahnspielen ein ungeselliges Hobby ist und auf die Dauer in die Selbstisolation führt - wozu gibt es die vielen Modellbahnclubs, Modellbahnerstammtische, Modellbahnforen - und inzwischen auch Modellbahngruppen auf Facebook?
Ich bin selbst kein Modellbahner (jedenfalls nicht mehr), kenne aber welche und könnte mir gut vorstellen, diesem Hobby nachzugehen.
Wahrscheinlich, weil ein Hobby wie Modelleisenbahn mit so vielen küchenpsychologischen "Erkenntnissen" besetzt ist (wahrscheinlich haben nur die Computerspieler mit mehr "psychologischen" Klischees über sie zu kämpfen), wählte René Pfister in seiner Reportage über Horst Seehofer dessen Modellbahnanlage als Einstieg. (Das soll kein Einstieg über einen weiteren überflüssigen Kommentar zu fiktiven Elementen in Reportagen sein - bliebe es dabei immer bei Modellbahnen, die der Reporter nie selber sah, wäre es um den Journalismus erheblich besser bestellt.) Seehofer hat also einen "Spieltrieb" und "Lust am Herrschen". Letztere Aussage ist klassische Hobby-Psychologie oder wäre es, wenn man Seehofer nicht ohnehin als sehr machtbewussten Politiker kennen würde. Ein anderes, weit verbreitetes Modellbahner-Klischee, nämlich, dass Menschen, die an Modelbahnanlagen basteln, sich in eine selbst geschaffene heile Welt zurückziehen würden, trifft auf den bayrischen Ministerpräsidenten eher nicht zu.
Ich finde es ist manchmal erstaunlich, wie sehr anpsychologisierte Erklärungen für eine bestimmte Eigenart von Hobbyisten selbst nahe liegenden anderen Erklärungsmodellen vorgezogen werden. Es wirkt richtig erfrischend, wenn ein Modellbahner in seinem Blogs auf die Frage, wieso die Modellbahnbranche in Schwierigkeiten steckt, ganz pragmatische und nachvollziehbare Gründe nennt, anstatt lang und breit über Mentalitätswandel, Wertewandel oder sonst einen -wandel zu räsonieren.
Eine - anscheinende - "Binsenwahrheit" kommt aber auch in diesem Artikel vor: Die "Epoche III" (vom Ende des 2. Weltkriegs bis 1968 oder 1970 in der ehemaligen DDR und in Österreich und der Schweiz) hat den größte Anteil an Modellbahnen in Deutschland, da das die Zeit wäre, in der die meisten Modellbahner ihre Kindheit hatten.
Es ist wahrscheinlich etwas an der Vermutung dran, dass viele Modellbahner ihre Kindheitserinnerungen nachspielen. Aber sie ist nicht die ganze Wahrheit. Auch meine Modellbahn, die ich als Jugendlicher besaß, war eine "Epoche III"-Bahn - was auch daran lag, dass diese Epoche noch nicht lange vorbei war, als ich meine erste Lok zu Weihnachten geschenkt bekam. Der Hauptgrund war aber, dass ich gern sowohl "nostalgische" Dampfloks wie Loks wie jene, die ich selbst am Bahnhof "in echt" zu sehen bekam, auf meiner Anlage haben wollte. Anfangs störten mich Anachronismen wenig, als ich ansatzweise begann, mich darum zu kümmern, stellte ich fest, dass bis auf einige Container-Wagen mein "rollendes Material" mit einigen kleinen Kompromissen (Beschriftung) recht gut in die Epoche III passen würde - wobei allenfalls meine frühe Kindheit in diese Zeit fällt.
Wäre ich beim Modellbahnhobby geblieben, wäre ich wohl auch bei Epoche III geblieben. Und warum nicht? Immerhin war das die Zeit, in der alle drei Traktionsarten (Dampf-, Elektro-, Dieselloks) nebeneinander bestanden. In der Epoche II gab es noch praktisch keine Dieselloks, in der Epoche IV nur noch einige Jahre einige wenige Dampfloks. Die Typenvielfalt war sehr groß - in Epoche IV setzte eine "Flurbereinigung" der Baureihen ein, aus Rationalisierungsgründen wurden "Splitterbaureihen", auch wenn sie noch recht neu waren, ausrangiert. Es gab noch viele Nebenbahnen, ein dankbares Thema für Modellbahnen (das betrifft mehr die "Westbahner" wie mich, bei der Deutschen Reichsbahn der DDR gab es kein so einschneidendes "Nebenbahnsterben" wie bei der Deutschen Bundesbahn).
Würde ich heute wieder mit dem "Modellbahnen" anfangen, würden mich auch die Epochen VI mit den ganz modernen Zügen und I - die Länderbahnzeit vor 1923 - reizen. Hingegen wäre die Epoche IV, in die der größte Teil meiner Kindheit und Jugend fällt, für mich wenig attraktiv.
Zurück zum Thema: Ich habe mich oft darüber geärgert, wenn ich als Science-Fiction- und Fantasy-Fan als "unreifer Spinner" bezeichnet wurde, und mir andererseits anhören musste, dass Maler und Zeichnen doch typische "Rentnerhobbys" seien. Diesen und ähnlichen "Menschenkennern" widme ich diesen Artikel!
Was beim streichholzschachtelettikettensammelnden Großvater, der spinnenden (gemeint ist Wolle MM) Nachbarin oder dem seine Wochenenden als Ork verkleidet auf LARP-Events verbringenden Arbeitskollegen gilt, dass gilt auch z. B bei Politikern: sagt mir, welches Steckenpferd ein Minister reitet, dann sag ich dir, wie er z. B. zur Vorratsdatenspeicherung steht! (Eher ist der umgekehrte Schluss zulässig: Datenspeicher-Fans dürften in den seltensten Fällen einem Hobby nachgehen, das mit Computern und diesem Internetzdingens zu tun hat.)
Die Hobbys analysierenden Hobby-Psychologen dürften einer der Gründe sein, wieso Personalberater empfehlen, auf die Nennung von "Hobbys" im bei Bewerbungen zu verzichten. Auch wenn Nina Anika Klotz auf FTD.de ganz richtig feststellt, dass solche Angaben oft nichtssagend (Reisen, Lesen, Sport - gähn!) oder gelogen sind. Sie macht sich in ihrem Artikel Stirb, Steckenpferd, stirb! Gedanken darüber, wieso anscheinend immer weniger Deutsche ein klassisches Hobby (Kürbisse züchten, Buddelschiffe bauen, Mineralogie ... ) haben.
Die These: "Neue Medien" ersetzen traditionelle Hobbys. (Oder, so verstehe ich es: die Leute haben heute oft andere Hobbys als früher. Welche Überraschung - ich hätte noch von 15 Jahren schwerlich Blogger sein können.)
Nebenbei zeigt der Artikel, dass sogar richtige Psychologen nicht über die oben erwähnte vorurteilsgestützte Küchenspsychologie erhaben sind. Psychologe Peter Zellman findet:
"So gut war das Hobby früher ja nicht, es hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Eigentlich war es ein Abkapseln. Sich Zeit für ein Hobby zu nehmen hatte etwas Egoistisches und Egozentrisches." Viele Familien und Freundschaften seien an übertriebenem Zeitaufwand für das Hobby zerbrochen.Da stellen sich natürlich die Fragen: a) ob solche Besessenheit von einer Freizeitbeschäftigung wirklich oft vorkam, b) ob nicht "Workoholics", die keine Hobbys, sondern nur ihre Arbeit kennen, nicht mehr Familien und Freundschaften auf dem Gewissen haben, und c) moderne Freizeitbeschäftigungen wirklich in dieser Hinsicht harmloser sind als Briefmarkensammeln oder Modellbahnen. Facebook-Profile pflegen soll immerhin geselliger als die Spielerei mit einer Märklin (Schleichwerbalarm!) sein.
Wenn Modellbahnspielen ein ungeselliges Hobby ist und auf die Dauer in die Selbstisolation führt - wozu gibt es die vielen Modellbahnclubs, Modellbahnerstammtische, Modellbahnforen - und inzwischen auch Modellbahngruppen auf Facebook?
Ich bin selbst kein Modellbahner (jedenfalls nicht mehr), kenne aber welche und könnte mir gut vorstellen, diesem Hobby nachzugehen.
Wahrscheinlich, weil ein Hobby wie Modelleisenbahn mit so vielen küchenpsychologischen "Erkenntnissen" besetzt ist (wahrscheinlich haben nur die Computerspieler mit mehr "psychologischen" Klischees über sie zu kämpfen), wählte René Pfister in seiner Reportage über Horst Seehofer dessen Modellbahnanlage als Einstieg. (Das soll kein Einstieg über einen weiteren überflüssigen Kommentar zu fiktiven Elementen in Reportagen sein - bliebe es dabei immer bei Modellbahnen, die der Reporter nie selber sah, wäre es um den Journalismus erheblich besser bestellt.) Seehofer hat also einen "Spieltrieb" und "Lust am Herrschen". Letztere Aussage ist klassische Hobby-Psychologie oder wäre es, wenn man Seehofer nicht ohnehin als sehr machtbewussten Politiker kennen würde. Ein anderes, weit verbreitetes Modellbahner-Klischee, nämlich, dass Menschen, die an Modelbahnanlagen basteln, sich in eine selbst geschaffene heile Welt zurückziehen würden, trifft auf den bayrischen Ministerpräsidenten eher nicht zu.
Ich finde es ist manchmal erstaunlich, wie sehr anpsychologisierte Erklärungen für eine bestimmte Eigenart von Hobbyisten selbst nahe liegenden anderen Erklärungsmodellen vorgezogen werden. Es wirkt richtig erfrischend, wenn ein Modellbahner in seinem Blogs auf die Frage, wieso die Modellbahnbranche in Schwierigkeiten steckt, ganz pragmatische und nachvollziehbare Gründe nennt, anstatt lang und breit über Mentalitätswandel, Wertewandel oder sonst einen -wandel zu räsonieren.
Eine - anscheinende - "Binsenwahrheit" kommt aber auch in diesem Artikel vor: Die "Epoche III" (vom Ende des 2. Weltkriegs bis 1968 oder 1970 in der ehemaligen DDR und in Österreich und der Schweiz) hat den größte Anteil an Modellbahnen in Deutschland, da das die Zeit wäre, in der die meisten Modellbahner ihre Kindheit hatten.
Es ist wahrscheinlich etwas an der Vermutung dran, dass viele Modellbahner ihre Kindheitserinnerungen nachspielen. Aber sie ist nicht die ganze Wahrheit. Auch meine Modellbahn, die ich als Jugendlicher besaß, war eine "Epoche III"-Bahn - was auch daran lag, dass diese Epoche noch nicht lange vorbei war, als ich meine erste Lok zu Weihnachten geschenkt bekam. Der Hauptgrund war aber, dass ich gern sowohl "nostalgische" Dampfloks wie Loks wie jene, die ich selbst am Bahnhof "in echt" zu sehen bekam, auf meiner Anlage haben wollte. Anfangs störten mich Anachronismen wenig, als ich ansatzweise begann, mich darum zu kümmern, stellte ich fest, dass bis auf einige Container-Wagen mein "rollendes Material" mit einigen kleinen Kompromissen (Beschriftung) recht gut in die Epoche III passen würde - wobei allenfalls meine frühe Kindheit in diese Zeit fällt.
Wäre ich beim Modellbahnhobby geblieben, wäre ich wohl auch bei Epoche III geblieben. Und warum nicht? Immerhin war das die Zeit, in der alle drei Traktionsarten (Dampf-, Elektro-, Dieselloks) nebeneinander bestanden. In der Epoche II gab es noch praktisch keine Dieselloks, in der Epoche IV nur noch einige Jahre einige wenige Dampfloks. Die Typenvielfalt war sehr groß - in Epoche IV setzte eine "Flurbereinigung" der Baureihen ein, aus Rationalisierungsgründen wurden "Splitterbaureihen", auch wenn sie noch recht neu waren, ausrangiert. Es gab noch viele Nebenbahnen, ein dankbares Thema für Modellbahnen (das betrifft mehr die "Westbahner" wie mich, bei der Deutschen Reichsbahn der DDR gab es kein so einschneidendes "Nebenbahnsterben" wie bei der Deutschen Bundesbahn).
Würde ich heute wieder mit dem "Modellbahnen" anfangen, würden mich auch die Epochen VI mit den ganz modernen Zügen und I - die Länderbahnzeit vor 1923 - reizen. Hingegen wäre die Epoche IV, in die der größte Teil meiner Kindheit und Jugend fällt, für mich wenig attraktiv.
Zurück zum Thema: Ich habe mich oft darüber geärgert, wenn ich als Science-Fiction- und Fantasy-Fan als "unreifer Spinner" bezeichnet wurde, und mir andererseits anhören musste, dass Maler und Zeichnen doch typische "Rentnerhobbys" seien. Diesen und ähnlichen "Menschenkennern" widme ich diesen Artikel!
MMarheinecke - Montag, 30. Mai 2011
Als Leser genießt man doch Kunst. Die Schriftstellerei ist doch eine Kunst wie auch das Malen und Zeichnen künstlerische Werke hervorbringt. Man muss dies schon bewundern was jene Psychologen manchmal für absurde Bewertungen in die Welt setzen ...
Amateur-Psychologen!
Außerdem gibt es da noch "Zeitungen", z. B. die BLÖD, denen man ruhig etwas völlig Richtiges erzählen kann - ohne dass das die geringste Wirkung auf den Wahrheitsgehalt des fertigen Artikels hätte.