Alltagsrassismus und die Wichtigkeit des "N-Wortes"
Um es von vornherein klar zu stellen: Der Begriff "Neger" ist und bleibt eine rassistische Beleidigung.
Warum?
Der wichtigste Punkt: Weil fast alle dunkelhäutigen Menschen es für eine schwere Beleidigung halten, so genannt zu werden.
Um einem gängigen "Gegenargument" zuvor zu kommen: Das ist nicht damit gleichzusetzten, dass die meisten Deutschen nicht gerne "Boche" oder "Moff" genannt werden. Denn obwohl ich keine Schuld an den Verbrechen Deutscher - an in diesem Falle Franzosen oder Niederländer - habe, weiß ich, dass z. B. die Naziverbrechen von einer großen Mehrheit der damaligen Deutschen befürwortet oder wenigstens hingenommen wurden. Dass heißt: Es ist psychologisch mehr als verständlich, wenn auch ein heutiger Franzose, Niederländer, Norwegen "die Deutschen" verabscheut - und einem Polen, einen Russe, einem Ukrainer nehme ich es nicht übel, wenn er mich ganz persönlich nicht mag, allein aus dem Grund, weil ich nun einmal ein Deutscher bin. Bei Juden, Sinti, Roma akzeptiere ich auch offenen Hass. Nicht, weil ich es mag, gehasst zu werden. Oder weil ich mich in einer "Sack und Asche"-Demutshaltung gefalle - die kommt übrigens gar nicht gut an. Vom "Schuldkult", von denen deutsche (und "alldeutsche, sprich österreichische) Nationalisten gerne quatschen, hat das erst recht nichts zu tun. Weil das nichts, aber auch gar nichts mit "Schuld" zu tun hat. Sondern mit Gefühlen, mit Einfühlung und Respekt für die Gefühle anderer, und vor allem: mit historischem Bewusstsein.
Noch etwas anderes ist, wenn z. B. ein Österreicher mich "Piefke" nennt. Schlimmstenfalls mag er die Deutschen nicht - Geschmacksurteil. Normalerweise ist das aber Scherzhaft gemeint. Aber "Neger" hat einen so üblen Beiklang, dass ich es geschmacklos respektlos und wiederum beleidigend finde, einem Schwarzen, der über so einen Scherz nicht lachen kann und sich schwer beleidigt fühlt, "Humorlosigkeit" vorzuwerfen.
Im Falle "Neger" wird eine über die Hautfarbe konstruirete Gruppe von Menschen, die oft nichts gemeinsam hat, als eben diese Hautfarbe, und die heute noch spürbar benachteiligt wird, von durch nichts als die Farbe ihrer Haut Privilegierten beleidigt. Das ist der Unterschied!
"Neger" ist, auch wenn es ursprünglich nur Menschen mit sehr dunkler Hautfarbe beschrieb ("negro" = "schwarz"), durch Jahrhunderte der Sklaverei, des Kolonialismus, der systematischen Benachteiligung "Nichtweißer", und des Sklaverei, Kolonialherrschaft und Benachteiligung rechtfertigen Rassismus, so eng mit übelsten rassistischen Zuschreibungen verbunden, dass es eben nicht neutral gebraucht werden kann.
Das ist übrigens der Unterschied zu im Rahmen von "politisch korrekten" Sprachregelungen verpönten Völkerbezeichnungen wie "Eskimo" oder Hautfarbenbezeichnungen wie "Mulatte". Die können beleidigend gemeint sein, müssen es aber nicht.
Eine noch heute gängige rassistische Zuschreibung, die mit dem Wort "Neger" verbunden ist, ist die der Triebhaftigkeit. ("Der Neger schnackselt halt gern!" - und ist daher an der erschreckenden AIDS-Epidemie in südlichen Afrika "selber Schuld".) Es ist ohnehin unübersehbar, wie sehr Diskriminierung bis hin zum offenem Hass mit Sex und Sexualrepression verknüft sind. Schwule und Lesben können davon ein Lied singen!
Es wird auch heute immer wieder gerne – unter Zuhilfenahme für für wissenschaftlich gehaltenen Thesen - darauf hingewiesen, dass "Negern“ bestimmte Eigenschaften eben "angeboren" seien. Der "Klassiker": "von Natur aus weniger intelligent als Weiße".
Mit dem Wort "Neger" ist außer dem Rassismus - die "Neger" seien den "Weißen" unterlegen - Viktimisierung, die Darstellung als Opfer bzw. als schwach und, oft "gut gemeinte", Bevormundung und Infantilisierung verbunden. Wen ich "Neger" nenne, nehme ich nicht ernst.
Es fällt mir auch immer wieder auf: Texte, in denen das Wort "Neger" "unbefangen" und nicht distanzierend verwendet wird, sind auch sonst meistens rassistisch, sogar dann, wenn das N-Wort in "scherzhafter" Form verwendet wird.
Soweit das.
Anderseits: Vor einigen Tagen ging ein Beschluss, dass Wort "Nigger" (noch mal um einige Umdrehungen heftiger als "Neger") aus Mark Twains Huckleberry Finn. Wohl gemerkt war Twain Antirassitist, das Buch hat eine gegen Rassismus gerichtete Tendenz und Twain wusste, warum er seinem Ich-Erzähler das Wort "Nigger" in den Mund legte: die Gesellschaft im (heute gern verklärten) "Alten Süden" der USA war zum Erbrechen rassistisch. Wenn man das "N-Wort" weg lässt, verfälscht und verniedlicht man die Aussage Twains über die allgemein übliche rassistische Mentalität.
Dann gibt es noch etwas, was ich "Negerkuss-Antirassismus" nenne. Einen demonstrativen Antirassismus, bei den es gar nicht so wichtig ist, ob Schwarze Rassismus ausgesetzt sind, sondern im Vordergrund steht, dass man selbst sich schön antirassistisch fühlen kann. Sicherlich ist "Negerkuss" ein dummes Wort. Aber es ist ein Nebenproblem. Es wäre schön, wenn Rassismus in Deutschland nur noch mit "Negerküssen", "Zigeunerschnitzel" und dergleichen zu tun hätte. ("Negerkuss" ist schließlich kein Schimpfwort, wie "Negermusik", sondern beschreibt eine sehr leckere Sache.)
Fast sieht es wie eine bewusste Ablenkung davon aus, wie schlimm es in Wirklichkeit aus sieht.
Die Wirklichkeit, die sieht z. B. so aus: Wer nichts hat kann auch mehr bezahlen. Ganz normaler Behördenrassismus in Deutschland. Oder so: Kampf dem europäischen Grenzregime! Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer! Verhindert Abschiebungen, zeigt Zivilcourage! (Überhaupt ist Che's Warblog eine Fundgrube für Menschen, die sich für Rassismus und die Folgen wirklich interessieren.)
Die Reaktion des "Mainstreams" der Medien auf Rassismus ist wegsehen, vertuschen, nicht wahrhaben wollen!
Zurück zum N-Wort. Im deutschen Sprachraum gibt es erst in den den letzten Jahrzehnten ein Bewusstsein dafür, dass der Begriff "Neger" rassistisch und beleidigend ist. Laut Wikpedia finden sich in deutschen Wörterbüchern erst ab den 1970er Jahren Hinweise auf eine abwertende oder diskriminierende Konnotation des Begriffs. Das allgemeine Sprachgefühl hinkt dem noch nach. Zu jemanden, der aus dem Urlaub tief gebräunt nach Hause kommt, zu sagen: "Wow, Du bist ja schwarz wie ein Neger!" dürfte in den meisten Fällen nicht beleidigend gemeint sein.
Warum?
Der wichtigste Punkt: Weil fast alle dunkelhäutigen Menschen es für eine schwere Beleidigung halten, so genannt zu werden.
Um einem gängigen "Gegenargument" zuvor zu kommen: Das ist nicht damit gleichzusetzten, dass die meisten Deutschen nicht gerne "Boche" oder "Moff" genannt werden. Denn obwohl ich keine Schuld an den Verbrechen Deutscher - an in diesem Falle Franzosen oder Niederländer - habe, weiß ich, dass z. B. die Naziverbrechen von einer großen Mehrheit der damaligen Deutschen befürwortet oder wenigstens hingenommen wurden. Dass heißt: Es ist psychologisch mehr als verständlich, wenn auch ein heutiger Franzose, Niederländer, Norwegen "die Deutschen" verabscheut - und einem Polen, einen Russe, einem Ukrainer nehme ich es nicht übel, wenn er mich ganz persönlich nicht mag, allein aus dem Grund, weil ich nun einmal ein Deutscher bin. Bei Juden, Sinti, Roma akzeptiere ich auch offenen Hass. Nicht, weil ich es mag, gehasst zu werden. Oder weil ich mich in einer "Sack und Asche"-Demutshaltung gefalle - die kommt übrigens gar nicht gut an. Vom "Schuldkult", von denen deutsche (und "alldeutsche, sprich österreichische) Nationalisten gerne quatschen, hat das erst recht nichts zu tun. Weil das nichts, aber auch gar nichts mit "Schuld" zu tun hat. Sondern mit Gefühlen, mit Einfühlung und Respekt für die Gefühle anderer, und vor allem: mit historischem Bewusstsein.
Noch etwas anderes ist, wenn z. B. ein Österreicher mich "Piefke" nennt. Schlimmstenfalls mag er die Deutschen nicht - Geschmacksurteil. Normalerweise ist das aber Scherzhaft gemeint. Aber "Neger" hat einen so üblen Beiklang, dass ich es geschmacklos respektlos und wiederum beleidigend finde, einem Schwarzen, der über so einen Scherz nicht lachen kann und sich schwer beleidigt fühlt, "Humorlosigkeit" vorzuwerfen.
Im Falle "Neger" wird eine über die Hautfarbe konstruirete Gruppe von Menschen, die oft nichts gemeinsam hat, als eben diese Hautfarbe, und die heute noch spürbar benachteiligt wird, von durch nichts als die Farbe ihrer Haut Privilegierten beleidigt. Das ist der Unterschied!
"Neger" ist, auch wenn es ursprünglich nur Menschen mit sehr dunkler Hautfarbe beschrieb ("negro" = "schwarz"), durch Jahrhunderte der Sklaverei, des Kolonialismus, der systematischen Benachteiligung "Nichtweißer", und des Sklaverei, Kolonialherrschaft und Benachteiligung rechtfertigen Rassismus, so eng mit übelsten rassistischen Zuschreibungen verbunden, dass es eben nicht neutral gebraucht werden kann.
Das ist übrigens der Unterschied zu im Rahmen von "politisch korrekten" Sprachregelungen verpönten Völkerbezeichnungen wie "Eskimo" oder Hautfarbenbezeichnungen wie "Mulatte". Die können beleidigend gemeint sein, müssen es aber nicht.
Eine noch heute gängige rassistische Zuschreibung, die mit dem Wort "Neger" verbunden ist, ist die der Triebhaftigkeit. ("Der Neger schnackselt halt gern!" - und ist daher an der erschreckenden AIDS-Epidemie in südlichen Afrika "selber Schuld".) Es ist ohnehin unübersehbar, wie sehr Diskriminierung bis hin zum offenem Hass mit Sex und Sexualrepression verknüft sind. Schwule und Lesben können davon ein Lied singen!
Es wird auch heute immer wieder gerne – unter Zuhilfenahme für für wissenschaftlich gehaltenen Thesen - darauf hingewiesen, dass "Negern“ bestimmte Eigenschaften eben "angeboren" seien. Der "Klassiker": "von Natur aus weniger intelligent als Weiße".
Mit dem Wort "Neger" ist außer dem Rassismus - die "Neger" seien den "Weißen" unterlegen - Viktimisierung, die Darstellung als Opfer bzw. als schwach und, oft "gut gemeinte", Bevormundung und Infantilisierung verbunden. Wen ich "Neger" nenne, nehme ich nicht ernst.
Es fällt mir auch immer wieder auf: Texte, in denen das Wort "Neger" "unbefangen" und nicht distanzierend verwendet wird, sind auch sonst meistens rassistisch, sogar dann, wenn das N-Wort in "scherzhafter" Form verwendet wird.
Soweit das.
Anderseits: Vor einigen Tagen ging ein Beschluss, dass Wort "Nigger" (noch mal um einige Umdrehungen heftiger als "Neger") aus Mark Twains Huckleberry Finn. Wohl gemerkt war Twain Antirassitist, das Buch hat eine gegen Rassismus gerichtete Tendenz und Twain wusste, warum er seinem Ich-Erzähler das Wort "Nigger" in den Mund legte: die Gesellschaft im (heute gern verklärten) "Alten Süden" der USA war zum Erbrechen rassistisch. Wenn man das "N-Wort" weg lässt, verfälscht und verniedlicht man die Aussage Twains über die allgemein übliche rassistische Mentalität.
Dann gibt es noch etwas, was ich "Negerkuss-Antirassismus" nenne. Einen demonstrativen Antirassismus, bei den es gar nicht so wichtig ist, ob Schwarze Rassismus ausgesetzt sind, sondern im Vordergrund steht, dass man selbst sich schön antirassistisch fühlen kann. Sicherlich ist "Negerkuss" ein dummes Wort. Aber es ist ein Nebenproblem. Es wäre schön, wenn Rassismus in Deutschland nur noch mit "Negerküssen", "Zigeunerschnitzel" und dergleichen zu tun hätte. ("Negerkuss" ist schließlich kein Schimpfwort, wie "Negermusik", sondern beschreibt eine sehr leckere Sache.)
Fast sieht es wie eine bewusste Ablenkung davon aus, wie schlimm es in Wirklichkeit aus sieht.
Die Wirklichkeit, die sieht z. B. so aus: Wer nichts hat kann auch mehr bezahlen. Ganz normaler Behördenrassismus in Deutschland. Oder so: Kampf dem europäischen Grenzregime! Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer! Verhindert Abschiebungen, zeigt Zivilcourage! (Überhaupt ist Che's Warblog eine Fundgrube für Menschen, die sich für Rassismus und die Folgen wirklich interessieren.)
Die Reaktion des "Mainstreams" der Medien auf Rassismus ist wegsehen, vertuschen, nicht wahrhaben wollen!
Zurück zum N-Wort. Im deutschen Sprachraum gibt es erst in den den letzten Jahrzehnten ein Bewusstsein dafür, dass der Begriff "Neger" rassistisch und beleidigend ist. Laut Wikpedia finden sich in deutschen Wörterbüchern erst ab den 1970er Jahren Hinweise auf eine abwertende oder diskriminierende Konnotation des Begriffs. Das allgemeine Sprachgefühl hinkt dem noch nach. Zu jemanden, der aus dem Urlaub tief gebräunt nach Hause kommt, zu sagen: "Wow, Du bist ja schwarz wie ein Neger!" dürfte in den meisten Fällen nicht beleidigend gemeint sein.
MMarheinecke - Samstag, 22. Januar 2011
Also, dein Text enthält da imho ein paar bedenkliche Passagen. Z.B: "Fast sieht es wie eine bewusste Ablenkung davon aus, wie schlimm es in Wirklichkeit aus sieht."
Angesichts dessen, wie wenige Leute sich gegen die Verwendung des N-Wortes wenden, weil sie es als Weiße erstens nicht müssen und zweitens als uncoole Deppen dastehen, weil sie sich mit so "Kinkerlitzchen" befassen, find ich es ungeschickt, diesen wenigen Leuten auch noch böse Absichten unterzuschieben, wie du das durch die Blume hier tust.
Und .."dürfte in den meisten Fällen nicht beleidigend gemeint sein." Diese Sätze widersprechen klar dem, was du eingangs geschrieben hast. Wenn das N-Wort rassistisch ist und bleibt, dann ist es doch egal, wie es "gemeint" ist.
Und: "Laut Wikpedia finden sich in deutschen Wörterbüchern erst ab den 1970er Jahren Hinweise auf eine abwertende oder diskriminierende Konnotation des Begriffs."
Dazu würde ich sagen: Erst seit dieser Zeit wird von Weißen eingestanden, dass der Begriff abwertend konnotiert ist, und es findet Eingang in "offizielle" Wörterbücher.
Ich denke, das N-Wort war damals (und lang vor den 70ern auch) sowohl negativ konnotiert als auch der offizielle, neutrale Begriff für schwarze Menschen, und genau das macht's ja so fies. Weil dadurch blieb Schwarzen kaum etwas anderes übrig, als ein negativ konnotiertes Wort auf sich selbst anzuwenden.
das N-Wort ist für mich grundsätzlich nicht akzeptabel - oder besser: es hat für mich unakzeptabel zu sein. Im Sinne einer moralischen Forderung.
Diesen Text habe ich "ins Unreine" geschrieben, bewusst ohne dass ich meine Wortwahl darauf abgeprüft hätte, ob sie geschickt, angemessen oder wenigstens unwidersprüchlich ist. Sozusagen "ohne Filter" und mit dem Risiko, missverstanden zu werden. (Das ist auch ein Grund, weshalb ich diesen Text nicht drüben bei der Nornirs Ætt schreibe.)
Ich unterstelle den wenigen Leuten, die sich gegen "Negerküsse" und "Mohrenköpfe" wehren, keine bösen Absichten. Aber durchaus falsche Prioritäten. Ich lese beim Che mit, und ich kriege, in ungefilterter Sprache, jedesmal das kalte Kotzen, wenn ich über Abschiebungen, die "Festung Europa", um eiskaltes Sterbenlassen und des peinliche Schweigen unserer "Mainstreammedien" über die Ursachen diese menschenrechtswidrigen Politik lese.
Ich setze mich mit dem Rassismus nicht nur der "unverbesserlichen Nazis", sondern "Mitten in der Gesellschaft", bis weit in vermeintlich Linke Parteien auseinander. Da laufen, wie Du weiß, brandgefährliche Entwicklungen ab. (Der Verkaufserfolge dieses Sarrazin-Buches ist für mich ein Alarmzeichen ersten Ranges.)
Sprachregelungen sind für Entwicklung eines nicht-rassistischen Bewusstseins wichtig, das räume ich ein. Aber - es gibt drängendere Probleme. Und ich habe leider den Eindruck, dass von dem kleinen Häufchen Antirassisten sich zu viele vor allem mit Sprachregelungen beschäftigen.
Hinzu kommt, dass ich angeblich "politisch korrekte" Sprachregelungen mit ihrem Hang zum Euphemismus nicht mag, weil sie tendenziell Probleme verniedlichen und den Dreck, der beseitigt gehört, statt dessen unter den Teppich kehrt. Aus dem Auge, aus dem Sinn. (Sogar N-Wort ist ein Euphemismus.)
Das ist auch ein Grund, weshalb ich mit offenen Hassbekundungen, etwa, wenn ein Niederländer mich als "Moff" beschimpft, besser klar komme, als mit einem höflichen Lächeln und deutschfreundlichen Äußerungen, bei denen ich spüre, dass sie gespielt sind, aber ich nicht weiß, was hinter dieser aufgesetzten Freundlichkeit steckt.
Das N-Wort ist rassistisch, und daher per Definition beleidigend. Aber - es gibt da noch die persönliche Ebene: wer sagt, "du bist im Urlaub braun wie ein Neger geworden", will damit nicht den Urlaubsheimkehrer beleidigen. Das sind zwei Wahrnehmungsebenen - eine grundsätzlich beleidigendes Wort, dass im konkreten Fall als Kompliment gemeint ist. Genau so ist es mit dem "Negerkuss" - mit dieser Wortwahl sollten dunkelhäutige Menschen bestimmt nicht beleidigt werden - jedenfalls nicht mehr, als "Hamburger", "Kasseler", "Berliner", "Kopenhagener" usw. .
Wenn das N-Wort so empfunden würde, wie es ihm angemessen wäre, dann wäre "du bist braun wie ein Neger" eine Beleidigung. Dass ist sie aber in der Alltagssprache nicht. Weshalb das so ist, hast du sehr gut formuliert (mit einem Satz, der in meinem "Senf" wirklich fehlt): Genau das ist bis heute das Problem. Wie ich zugeben muss, auch mein Problem.
Das mit den falschen Prioritäten lasse ich nicht gelten. Ich kann mich z.b. jederzeit im Vorbeigehen zur Unangemessenheit des N-Wortes äussern (wie z.B. ich hier auch kommentiere) und im Leben und meinem politischen Engagement andere Prioritäten haben. Da spricht für mich eher unterschwelliges Unbehagen aus dir als rationale Erwägungen.
Dein Beispiel mit der Person, die aus dem Urlaub kommt, und auch das mit der Süssigkeit sprechen aus der weißen Perspektive, und es geht immer wieder darum, wie etwas gemeint ist. "Das wollte ich nicht, ich wollte das und das.. blablabla".
Schön und gut! Na und? Was verlierst denn du und sonst ein weißer Mensch, wenn man sich einfach aus Nettigkeit und Höflichkeit eines anderen Begriffes befleissigt? Es zwingt dich auch keiner dazu, etwas unter den Teppich zu kehren oder gar deshalb das Nachdenken einzustellen; du darfst auch weiter Che's Blog lesen, dich bei Amnesty engagieren und dich zum Thema Rassimus weiterbilden. Sprachliche Korrektheit und Beschäftigung mit Rassismus schliessen sich doch überhaupt nicht gegenseitig aus.
Gut gemeint ist halt nicht gut gemacht, und meiner Erfahrung nach räumen die meisten Menschen unabhängig von ihrer Pigmentierung gerne Gutwilligkeit ein und sehen über Schnitzer freundlich hinweg, aber wenn man sich auf's "gut gemeint" versteift und einen gewissen Lernunwillen an den Tag legt, und die Kulanz der anderen einzufordern beginnt, weil man es ja "gut gemeint" habe, dann muss man sich nicht wundern, wenn man aneckt.
Textlich kommt deine "persönliche Ebene" gefährlich nahe in den Bereich des "Kulanz einklagens/einforderns" heran.
Also ich finde, man sollte nicht sagen "das N-Wort ist rassisisch, aber nicht auf der persönlichen Ebene, weil es da nett gemeint ist, etc.."
Sondern: "Das N-Wort ist rassistisch, und weil wir Weissen ohne unsere Zustimmung rassistisch geprägt wurden, weil dieses rassistische Verhalten sich für uns sozialisationsbedingt normal und unproblematich anfühlt, benutzen wir es oft gut gemeint und ohne böse Absicht. Anstatt uns aber auf dem "gut gemeint" auszuruhen müssen wir irgendwann lernen, dass dieses anerzogene "es ist ok-Gefühl" überwunden werden kann, und lernen, sich in andere Menschen einzufühlen, und einen anderen Umgang mit unserer Sprache finden, damit man sich am Ende wirklich besser versteht.
Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich Dir öffentlich darauf antworten soll
(Aber ein Freund - oder eine Freundin - ist jemand, der mir eine knallt, wenn es wirklich nötig ist. Es tut mir leid, dass ich Deine fällige "verbale Ohrfeige" nicht als solche verstanden habe.)
Als Erklärung, nicht als Rechtfertigung: Ich habe ich rein gefühlsmäßig große Schwierigkeiten mit sprachlicher Korrektheit, so weit sie auf Regeln, die über gute Manieren im persönlichen Umgang hinaus geht, beruht.
Dann keine ich "Euphemismus-Tretmühle" zur Genüge. Das Wort "behindert" wurde schon bald, nachdem es in die Alltagssprache einging für viele Menschen zum Schimpfwort, wie es zuvor mit "invalide" und noch vorher mit "verkrüppelt" geschah. Die Erfahrung lehrt: Jeder Euphemismus wird irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks erben, solange sich an den tatsächlichen Verhältnisse nichts verändern.
Was ich damit sagen will: der Rassismus geht nicht dadurch weg, dass das N-Wort aus dem Sprachschatz verschwindet. Das kann, wenn es erfolgreich sein soll, nur parallel ablaufen.
Der zweite Punkt - und der fällt mir schwer, ihn mir einzugestehen, aber weil ich mich dafür schäme und es gern verberge, muss ich es öffentlich eingestehen:
Das N-Wort ist rassistisch, und weil ich als "Weisser" rassistisch geprägt wurde, trifft mich zwar keine Schuld (auf die es hier sowieso nicht ankommt), aber sehr wohl Verantwortung für meinen rassistischen Sprachgebrauch. Ich werde dieser Verantwortung, der moralischen Verpflichtung zum nicht-rassistischen Sprachgebrauch aber in der Praxis nicht gerecht.
Mir fällt leider nur eine Methode ein, das anerzogene "es ist OK"-Gefühl zu vermeiden: Ein starkes negatives Gefühl.
Nun bin ich aber, wie die meisten Menschen, bequem. Es streng an, mir jedes Mal, wenn ich "Neger" sage oder auch nur denke, mich selbst als sklavenhalterischen, menschenverachtenden Rassisten zu visualisieren.
Ich wähle den bequemen Weg, mich, wenn ich mich für etwas schäme, mich selbst durch zufügen von Schmerz zu bestrafen, einfach, weil normalerweise keiner mir den Gefallen tut, mir z. B. eine heilsame Ohrfeige zu setzen. (Würde mir ein kräftig gebauter Schwarzer jedes Mal eine Knallen, aber mit "Schmackes", würde ich mir das N-Wort sicher verdammt schnell abgewöhnen. Was vielleicht das Beste für mich wäre.)
Ich weiche also in meinem Posting oben dem für mich unangenehmen Konsequenzen aus. Erst recht nicht will ich Menschen etwas vorwerfen, was ich selbst nicht besser kann.
Vielen Dank für die nötige herbe Kritik,
Martin
uppsala..
Ich überlege auch gerade, ob es Sinn macht, das öffentlich noch weiter zu führen, weil ich denke, das, was ich sagen wollte, verständlich gemacht zu haben.
Danke für's nicht übel nehmen!