Überall gefährliches weißes Zeugs

winteranfang 02
Früher hieß das Winter oder weiße Weihnacht, heute spricht man von Schneekatastrophe.
"Scheibenwischer", Sendung vom 29.12.2005

Ich sehe für das mediale "Wetterchaos" - im Vergleich zur sachlichen Berichterstattung vor ca. 30 Jahren - zwei Gründe:
  • Die allgemeine Boulevardisierung der Medien: was früher nur bei der BILD "Zeitung" üblich war, ist inzwischen Standard, sogar bei selbsternannten "Qualitätsmedien": nur Sensationen sind interessant, je schriller desto besser, und schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Da wird aus jedem halbwegs strengen Winter ein "Jahrhundertwinter" (allzu alt ist das Jahrhundert ja tatsächlich nicht) - und den "frühesten Wintereinbruch der letzten zehn Jahren" gibt es alle zehn Jahre.
  • die Suche nach Ausreden. ein Grund für das "Winterchaos" letztes und dieses Jahr sind ja u. A. zu geringe Streusalzvorräte, ein zu stark reduzierter Winterdienst der Straßenmeistereien, zu wenige Reserveloks und zu schlechte Wartung bei der Bahn usw. . Weil das "Winterchaos" nichts mit der betriebswirtschaftlich durchrationalisierten Infrastruktur - Kosten sparen, koste was es wolle, mit Marktradikalität / "Neoliberalismus", also mit der herrschenden Ideologie, zu tun haben darf, muss es am Wetter liegen. Parallelen zur DDR, bei der Missstände auch nie etwas mit der sozialistischen Planwirtschaft zu tun haben durften, liegen auf der Hand.
Dafür, dass es anscheinend nur noch schlechtes Wetter gibt (egal, wie das Wetter wirklich ist), gibt es vielleicht noch einen weiteren Grund: Noch ist niemand so frech, "schönes Wetter" (anders als etwa "gute Konjunktur") erfolgreicher Regierungspolitik / Unternehmensaktivität / Behördentätigkeit /Reformmaßnahmen / Lobbyarbeit usw. zuzuschreiben.
Josh (Gast) - 17. Dez, 16:55

Die Parallele zur DDR ist gut rausgearbeitet. Klar sind das beides Ideologien die die Schuld immer irgendwo anders suchen, nur nicht in ihren Prämissen.
Ich find den Winter klasse wie er ist.

Perdita (Gast) - 18. Dez, 23:40

Schlechtes Wetter - was ist das?

Grundsätzlich gibt es kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung - sagte mal ein schlauer Mensch.

Ganz so unrecht hat er nicht, wobei ich denke, es gehört zur Abgehobenheit der Menschen von der Natur dazu, auch über das Wetter zu schimpfen, egal wie es ist. Dem modernen urbanen technisierten Homo Sapiens Sapiens (wer sagt eigentlich, der Mensch ist intelligenter als eine Tomatenpflanze) kann es das Wetter nicht mehr recht machen. Statt sich über die weiße Pracht zu freuen, was positives daraus zu ziehen, wird erstmal gemeckert was das Zeug hält, insbesondere in der Großstadt. Ein paar Schneeflocken und schon kann keiner mehr Autofahren oder die S-Bahn fällt aus.

Mir egal ich finde den Winter schön, wie den Frühling, Sommer und auch Herbst. Jede Jahreszeiten hat ihre Reize, wobei ich im Sommer schon ab 28 Grad eingehe wie eine Primel - bin halt nicht tropentauglich.

Dieter (Gast) - 20. Dez, 23:28

Wetterchaos - nein - das ist Winter !

Ich kann dir nur recht geben. Ich kann mich noch zu gut an meine Kindheit errinnern, da gab es oft so ein "Wetterchaos" - als Kind war das für mich eine wahre Freude - raus mit dem Schlitten, meine Eltern haben mich dann erst wieder mit durchnässten Kleidern kurz vor der Dämmerung wiedergesehen. Deshalb gefällt mir das momentane "Wetterchaos" - ich nenne es Winter, den Begriff bringe ich auch meiner 6-jähigen Tochter bei :-) ganz gut, meiner Tochter gefällt der Winter übrigends auch gut- vor allem beim Schlittenfahren.

Meiner Meinung nach spiegelt die Berichterstattung auch die zunehmende Unflexibilität der Gesellschaft wieder: Alles, was den gewohnten (Tages-) Ablauf stört, wird als Katastrophe, Chaos oder mit sonstigen völlig übertriebenen Begriffen tituliert.

Ich persönlich habe, anstatt mit dem Fahrrad oder mit dem Roller zur Arbeit zu fahren, mich der Wetterlage einfach angepasst, mir eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel zugelegt, sitze nun zweimal am Tag gemütlich im Bus und benötige als Resultat einfach etwas mehr Zeit für den Weg zur Arbeit, komme aber dadurch auch ohne Streß dorthin, incl. täglich 30min Spaziergang, was ja auch der Gesundheit zugute kommt.

Strahler 70 (Gast) - 21. Dez, 15:32

Die neumodische, inflatorische Vergabe von Superlativen für jeden Winter, der seinem Namen Ehre macht, ist vielleicht als vorauseilende Entschuldigung dafür anzusehen, daß die Straßenschäden nicht mehr ausgebessert werden. Vielleicht, weil unsere Regierigen das Geld dafür benötigen, Rettungsschirme über Banken zu spannen und blühende Landschaften in Afghanistan zu schaffen?

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