Sonntag, 8. April 2007

Abwehrrechte

Heute ist - wie auch Nichtchristen durchaus bekannt ist - Ostern. Das höchste Fest der Christen.
Und wie jedes Jahr zu Ostern wird von ansonsten klugen Christen frommer Blödsinn verbreitet. Zum Beispiel von Eberhard Straub, Historiker, Kunstgeschichtler und Archäologe, im D-Radio Kultur: Woran heute noch glauben?.

Ich widerspreche ungern einem Fachmann auf seinem eigenen Gebiet, aber diese Aussagen aus der unteren Hälfte des Textes, da, wo er zur Sache kommt, reizen mich zum Widerspruch:
Erst seit dem Eintritt Christi in die Welt als Geschichte weiß der Mensch, dass er als Ebenbild Gottes zur Freiheit geboren und mit einer der göttlichen verwandten Würde ausgestattet ist.
Also, meines Wissens wußten - oder besser, glaubten - das auch schon die Juden vor Christus.
Ein skeptischer Liberaler wie Alexis de Tocqueville blieb sich stets bewusst, wie eng mit dem Aufkommen des Christentums die allmähliche Ausfaltung der Freiheit verbunden war, dass gerade Demokraten auf die Religion als fester Anker angewiesen sind, um nicht haltlos zu schwanken und ihrer eigenen sittlichen Grundlagen zu schwächen.
Mag sein, dass Tocqueville dieser Ansicht war. Historische Tatsache aber bleibt, dass die religiösen Freiheitsrechte Abwehrrechte des Bürgers gegenüber der Kirche sind, so wie andere Grundrechte, z. B. der Unverleztlichkeit der Wohnung, Abwehrrechte gegenüber den staatlichen Organen sind, und das die Aufklärung eine Gegenbewegung gegen "Glaubensgewissheiten" der Kirchen war. Gerade Demokratien sind darauf angewiesen, ihre sittlichen Grundlagen nicht an unhinterfragbaren Dogmen - Glaubenssätzen - zu verankern.
Eine Gesellschaft fröhlicher Heiden, die an den Jupiter Optimus Marxismus oder an Wotan und Fricka glauben, auf indische Gurus und bretonischen Druiden hört, Dämonen huldigt, sich mit edlen Steinen, Wurzeln oder Heilpflanzen erlöst, Geister beschwört oder vor dem Dalai Lama kniet, vermag sich kaum die öffentlichen Tugenden anzueignen, auf die nun einmal auch eine ganz weltlich gewordene Welt angewiesen ist.
Ich vermute sehr stark, dass der Dalai Lama - immerhin auch außerhalb des Buddhismus eine geachtete Autorität auf dem Gebiet öffentlicher Tugenden, da etwas anderer Ansicht sein dürfte. Außerdem nennt Straub da spirituelle und religiöse Richtungen in einem Atemzug, die herzlich wenig miteinander zu tun haben. Mir ist selbst unter leicht abgehobenen Esoterikern - ich kenne da einige - niemand bekannt, der sich mit edlen Steinen, Wurzeln oder Heilpflanzen erlöst. (Außer vielleicht vom Heuschnupfen?) Im Grunde spricht Straub da auf anderer religiös-ethischer Grundlage als dem Christentum aufgebauten Kulturen die Fähigkeit ab, einen Rechtsstaat aufzubauen.
Es führt kein Weg zurück, vor die Geschichte, vor das Christentum, dessen Spiritualität, Rationalität und Wissenschaftlichkeit den Weg zu deren Säkularisierung ebnete.
Wenn man das so ausdrückt, ist es noch nicht mal falsch - ohne das Christentum und seine überragende Machtstellung in der frühen Neuzeit wäre die Säkularisierung wohl nicht in diesem Ausmaß erfolgt. Hinsichtlich der "Rationalität" und "Wissenschaftlichkeit" des Christentums kann man auch ganz anderer Ansicht sein - auf diesen beiden Gebieten war das Christentum sowohl gegenüber dem Judentum wie der heidnische Antike eindeutig ein Rückschritt.
Eine konkurrierende civil religion um die neue Dreieinigkeit von Freihandel, Demokratie und Menschenwürde nähert sich totalitären Begehrlichkeiten, vor denen man Aufklärer immer wieder schützen muss.
Leider nennt Straub diese "totalitären Begehrlichkeiten" nicht beim Namen, so dass ich raten muß: Fürchtet Straub die liberale offene Gesellschaft, wegen ihres "Wertevakuums", wie so viele Konservative? Oder meint er einen angeblichen Aufklärungsfundamentismus, dem nichts heilig ist und der Religösität bestenfalls duldet, aber nicht respektiert? Warnt er vor "neoliberalem" Kapitalismus, Globalisierung, Machbarkeitswahn? Keine Ahnung - wüßte ich aber gern!
Mit Hilfe des Christentums, aber auch mit Hilfe des Islam. Statt in alter angelsächsischer Tradition Mohammedaner als Feinde des Menschengeschlechtes zu dämonisieren, wäre es angemessener, sich auf die erprobten, vernünftigen Gemeinsamkeiten zu besinnen.
Mal eine Frage an den Historiker: glaubt er wirklich das, was er das schreibt? Welche "alte angelsächsische Tradition" die "Mohammedaner" (er meint wohl Moslems, Mohammedaner ist für einen Moslem, wie ich hörte, geradezu eine Beleidigung) dämonisiert, meint er? Selbst die anti-arabische Politik des britischen Empire kam ohne Dämonisierungen des Islam aus. Wenn es da eine "Tradition" gibt, kann sie nicht sonderlich alt sein. Dämonisiert wird "der Islam" nach meinen Beobachtungen weniger in den USA (trotz christlich-fanatischer "religious right") als in Kontinental-Europa, wo der Teufel "Islamisierung Europas" an die Wand gemalt wird. Und die "erprobten, vernünftigen Gemeinsamkeiten? Die jahrhundertelange Tradition christlicher Judenfeindschaft meint er offensichtlich nicht, und welche erprobten Gemeinsamkeiten mit dem Islam er meinen könnte, bleibt leider wieder offen. Gemeinsame Abneigung gegen Juden und Heiden etwa?
Es waren Mohammedaner, die uns Aristoteles vermittelten.
Ja, ohne islamische Gelehrte und Kopisten wüßte das christliche Abenland wenig von Aristoteles und anderen heidnisch-antiken Denkern. Weil die christlichen Kopisten des frühen Mittelalters heidnische Denker so ungern kopierten. Da waren die mittelalterlichen Moslems doch deutlich bildungsfreundlicher und toleranter.
Es ist leichter, mit einem gläubigen Mohammedaner einen Rechtsstaat zu erhalten als mit Neu-Germanen, die an den Externsteinen zu Ostern Freyas Fruchtbarkeit huldigen.
Als Neu-Germane, der tatsächlich zu Ostara (Tagundnachtgleiche, Ostern ist später) Freya huldigte, erlaube ich mir, da anderer Ansicht zu sein. Es gibt demokratisch und rechtstaatlich gesonnene gläubige Moslems - und solche, die die Scharia über Demokratie und Rechtsstaat stellen. So wie es demokratisch und rechtsstaatlich gesonnene Neuheiden gibt - und Neonazis, die es wagen, sich "Asatru" zu nennen.

Als Gegengewicht einen deutlich vernünftigeren Aufsatz: „Europas christliche Wurzeln" - Von der kontinuierlichen Wirksamkeit eines Mythos.

Samstag, 7. April 2007

Siegfried, die deutsche Seele und die dunkle Seite der Macht

Joachim Fernau stellte 1966 in seinem Buch "Disteln für Hagen" folgende - für mich erschreckende - Prognose:
Das Bild, das vom "Helden" in der Seele der Deutschen besteht, beschließt am Ende stets der "Dolchstoß", der Verrat gerade an jener Eigenschaft, die die deutscheste sein soll, an der Treue. Um ein Mythos zu werden, muß eine Gestalt so enden.
Und so endete auch tatsächlich der letzte hybride Recke der Deutschen: Hitler. Er wird ein Mythos werden, ob wir wollen oder nicht. In wenigen Generationen wird des soweit sein: Er wird aus "Xanten" stammen, er wird den Drachen erschlagen haben, er wird der Sieger der Sachsenkriege gewesen, er wird durch einen Hagen gefällt, und das Reich wird durch die Hunnen zerstört worden sein. Wir mögen ihn hassen und lächerlich machen – es wird korrigiert werden. Wüßte ich einen Rat dagegen, ich würde ihn geben. Aber es gibt keinen.“
Oder anders ausgedrückt: Joachim Fernau, der geistreiche politisch Erzkonservative, der glühende Patriot, der Skeptiker gegenüber Demokratie (und der offenen Gesellschaft), der Anti-Amerikaner, Ex-Nazi-Kriegspropagandist und gelegentliche Philosemit - sah keinen Rat gegen die ja tatsächlich zu beobachtende Mystifizierung Hitlers. Der die Dämonisierung wie die Tabuisierung noch Vorschub leisten.
Fernau analysierte in seinem Buch - das ich heute nach vielen Jahren wieder las - nicht nur das Nibelungenlied, sondern anhand dieses Mythos auch den "Nationalcharakter" der Deutschen. Er tat es mit viel Sarkasmus und einigem Geist - und wie ich finde, treffsicher.
Der Aufstieg der Nazis und die Besonderheit ihres Regimes gegenüber anderen Formen des Faschismus haben viel mit der deutschen Mentalität zu tun - auch wenn ich die Existenz eines "Nationalcharakters" energisch bestreite. Ja, und in Umrissen sind einige Teile dieser "typisch deutschen" Mentalität schon im hochmittelalterlichen Nibelungenlied zu finden - ich vermute, weil es zur selben Zeit entstand, in der die "Ethnogenese" der Deutschen ablief. Vor dem Hochmittelalter gab es nämlich noch kein "deutsches Volk" - so, wie es vor 1871 noch keinen deutschen Nationalstaat gab.

Jemand, der kein Deutscher war, fand ein Mittel Hitler auf Lebensgröße zurechtzustutzen, seine "Magie" zu bannen: Charlie Chaplin. Er machte Hitler in "Der große Diktator" nicht im typischen Sinn lächerlich - er entlarvte ihn mit dem Mittel der Parodie. Während andere Formen der antifaschistischen Propaganda den Nazis immer noch "geistige Energie" zuführten und zuführen - in Form von Hass, oder indem ihnen Macht zugeschrieben wird - schnürt das Mittel des treffenden Spottes ihnen "Energie" ab. Es ist fast wie bei der "dunklen Seite der Macht" in Star Wars - Hass und Angst stärken die dunkle Seite, Schuldzuweisungen erst recht - während Lachen bannt und Weinen, aufrichtige Trauer, reinigt.
Lachen ist tatsächlich eines der wirksamsten Werkzeuge des schamanischen Heilers. Ein guter Schmane handhabt es wie ein guter Chirurg sein Skalpell. Ein Skapell gegen die Geschwüre der Seele.

Der zweite Ansatz ist, dass Bild "der Deutschen" vom Helden zu korrigieren. Vom Helden, der wie Siegfried so vollkommen ist, dass er "eigentlich" unbesiegbar ist. Die Niederlage ist dementsprechend nur durch Verrat oder Verschwörung denkbar. Nicht durch das Versagen des "deutschen Helden" - oder der "im Felde unbesiegten" deutschen Armee.

Interessanterweise wies Fernau selbst einen möglichen Ausweg aus dem von ihm skizzierten Problem.
Die "Diagnose":
Wenn das Leben brodelt und kocht, zuckt und schillert, dampft und stinkt, dann befällt unser Herz Beklemmung und Scham. Die deutsche Seele ist unfähig, auf dem Misthaufen des Lebens - und das Leben ist ein dampfender Misthaufen - zu blühen. "Makel" ist für sie etwas tödliches. Sie kann ihn nicht bewältigen, nicht belächeln, nicht verstehen, nicht verzeihen. Er hat die Wirkung von Rauhreif.
... und ein "Therapieansatz":
Der Siegfried der Ursage war kein Baldur; sein Bild hatte Flecken, er war einer von uns Allzumenschlichen. Bei den romanischen Völkern ist der Held auch heute noch so.
Der Ausweg heißt: Lernen, mit Ambivalenzen umzugehen.
In anderen Kulturen kann man das ja auch.

Fernau ist für mich ein ambivalenter Autor, ich könnte ihn für seine Texte zur gleichen Zeit küssen und ins Gesicht spucken. Deshalb sind sie, auch Jahrzehnte nachdem sie geschrieben wurden, so lehrreich.

Donnerstag, 5. April 2007

... und wieder ist etwas "Unmögliches" gemacht worden

Pressemeldung der Max Plank-Gesellschaft:
Elektronen beim Tunneln erwischt
Ein internationales Forscherteam beobachtet erstmals den quantenmechanischen Tunnelvorgang. (Übrigens ist die Pressemeldung ein Beispiel für guten Wissenschaftsjournalismus - verständlich und dennoch exakt.)

Lange Zeit galt eine Beobachtung des Tunneleffekts - zumindest unter konservativen Experimentalphysikern - als nicht möglich. Damit ist (wieder einmal) ein Stück der "esoterischen" und "abgehobenen" Quantenphysik in den Bereich der "soliden" Experimentalphysik geraten - wie bereits die Quantenteleportation.

Praktisch genutzt wird der Tunneleffekt übrigens schon seit Jahrzehnten, vor allem in der Mikroelektronik.
(Eine kleine, unvollständige Auflistung, wo überall der quantenmechanische Tunneleffekt von Bedeutung ist, in der Wikipedia. )

Dienstag, 3. April 2007

Man kann nicht nicht kommunizieren

Am 31. März 2007 ist Watzlawick in Palo Alto, Kalifornien gestorben.

Ein Autor, ohne den mein Leben anders, und zwar schlechter, verlaufen wäre. Ich kann mich an mehr als eine Situation erinnern, in der ich beispielsweise ohne seine experimentell erhärtete Psychiatriekritik an meiner Autoritätsgläubigkeit gegenüber Psychiatern buchstäblich irre geworden wäre.
Ich meine seine legendären Experimente, in denen er nach psychatrischen Kriterien völlig gesunde Menschen mit frei erfundenen Diagnosen in psychiatrische Krankenhäusen eingeschleust wurden. Sie wurden - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht nur nicht enttarnt, sondern machmal als so schwer psychotisch eingestuft, dass man sie nicht einfach gehen lassen wollte, nachdem die Krankenhaus-Psychiater über das Experiment aufgeklärt wurden.
(In meinem Fall ging es um eine erschreckende "Verlegenheitdiagnose", die ich - ohne Watzlawick gelesen zu haben - glatt als "der Weisheit letzter Schluß" begriffen hätte. Nein, liebe Neugierige, keine Details.)
Ohne ihn hätte ich vermutlich erst viel später herausgefunden, was es mit der "kognitiven Dissonanz" und "Double Bind" auf sich hat - und was das mit meinem Denken, Fühlen, Handeln zu tun hat.

Ohne "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" hätte ich mich vielleicht nie mit konstruktivistischem Denken angefreundet. Wazlawick war, neben Karl Popper und - auf einer anderen Ebene - Carl Sagan dafür verantwortlich, dass ich mich nicht total im esoterisch-mystischen "New Age" versponnen habe. Anderseits sind seine amüsanten Bücher auch ein gutes "Gegengewicht" gegen naiven Realismus und Wissenschaftsgläubigkeit.

An sein legendäres Beispiel aus "Anleitung zum Unglücklichsein" muß ich immer denken, wenn überwachungsgeile Innenpolitiker auf die "Erfolge" der Überwachungsmaßnahmen gegen "dem Terrorismus" verweisen:
Watzlawick beschreibt in seinem Buch einen Mann, der alle zehn Sekunden in die Hände klatscht. Nach dem Grunde für dieses merkwürdige Verhalten befragt, erklärt er: "Um die Elefanten zu verscheuchen." Auf den Hinweis, es gebe hier doch gar keine Elefanten, antwortet der Mann: "Na, also! Sehen Sie?"

Sonntag, 1. April 2007

Elemente der Gegenaufklärung - Heute: koffeinfreier Kaffee

Das Koffein ist die Droge der Aufklärung. Der Einzug des Kaffees in Europa führte zur Kaffeehauskultur des 18. Jahrhunderts. Das von Tassen starken Kaffees stimulierte exessive Schwärmen und Fantasieren regte die radikalen Gedanken der Philosophen der Aufklärung, und die radikalen Taten der französischen Revolutionäre an. Voltaire, einer der radikalsten und geistreichsten Aufklärer, trank bis zu 50 Tassen Kaffee am Tag.
Koffein ist eines der wirksamsten und am besten verträglichen Stimulanzien. Und es wirkt direkt auf Gehirn:
Während höhere Konzentrationen auch die motorischen Gehirnzentren beeinflussen, wirkt das Koffein in diesen geringen Konzentrationen hauptsächlich auf die sensorischen Teile der Hirnrinde. Es kommt zu einer Erhöhung des Gehirntonus, d. h. der Festigkeit der Hirngefäße. Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen werden dadurch erhöht; die Steigerung von Speicherkapazität und Fixierung (mnestische Funktionen) erleichtert den Lernprozess; mit der Beseitigung von Ermüdungserscheinungen verringert sich das Schlafbedürfnis.
Ähnliches gilt vom schwarzen bzw. grünen Tee, der zusätzlich dank seiner Gerbstoffe eine beruhigende Wirkung hat - er regt das Denken an und macht dabei gelassen. Für die Gegenaufklärer ist die Haltung "Abwarten und Tee trinken" allerdings besser beherrschbar als der explosive Aktionismus, der z. B. nach ausgiebigem Expressokonsum entsteht.
Kein Wunder, dass die Schergen des Absolutismus vor allem den Kaffee verteufelten, bekämpften, künstlich mit hohen Steuern und Zöllen verteuerten! Und auch kein Wunder, dass die Vertreter des autoritären Nationalismus des 19. Jahrhunderts (und übrigens auch des Faschismus und des Stalinismus) keine Freunde des Kaffees waren!
Umgekehrt ist die Affinität völkisch-nationalistischer Kreise zum nicht koffeinhaltigen Malzkaffe, zum Muckefuck, unübersehbar! Schon die Uniform-Farbe der meisten NS-Organisationen erinnert lebhaft an dieses Kaffee-Surrogat. Hitler spottete über "Kaffeehaus-Juden", während er insgeheim seit seinen Wiener Jahren die Kaffeehaus-Kultur, zu der er keinen Zugang fand, fürchtete. Muckefuck war das Getränk der völkischen Wandervögel (der linke Flügel dieser Vögel scheint Tee bevorzugt zu haben), und es ist sicherlich auf kein Zufall, dass die deutschen Besatzer von der französischen Résistance spöttisch "Les Ersatz" (wie Ersatz-Kaffee) genannt wurden! Heute gilt die NPD als "Muckefuck-Partei".

Vor ungefähr 100 Jahren war allem reaktionären Widerstand zum Trotz der Kaffee nicht nur in bürgerlichen Kreisen, sondern sogar innerhalb der Arbeiterklasse derart verbreitet, dass Verbote kaum noch durchsetzbar waren. Just zu dieser Zeit kam der entkoffeinierte Kaffee auf.
Beschäftigt man sich näher mit den Hintergründen, ist klar: Das Aufkommen des "kastrierten" entkoffeinierten Kaffees ist eindeutig Folge eine ariosophischen Verschwörung!

Sehe wir uns mal an, wer den "koffeinfreien Kaffee" erfunden hat: Ludwig Roselius. Roselius, desse diabolisches Produkt den verräterischen Namen "Kaffee Hag" trägt, war nachweislich völkischer Nationalist und Ariosoph. (Ein "Hag" ist ein von einer Hecke umstandenes Gelände - ein Symbol des von völkischen Blut- und Bodenfanatikern verherrlichten Wehrbauerns.)
Roselius stand dem Nationalsozialismus positiv gegenüber und unterstützte Hitler, den er privat 1922 in Bremen traf. Das von Roselius verfolgte völkisch-nordische Gedankengut mit seinem Glauben an den unersetzlichen Wert der nordisch-niederdeutschen "Rasse" läßt sich eindeutig auf Ariosophen wie Guido von List, Hermann Wirth und das GGG-Gründungsmitglied Heinrich Pudor zurückführen.

Dank einer pseudo-medizinischen Horror-"Gesundheitsaufklärung", die die vom Koffein ausgehenden Gefahren in grostesker Form übertrieben, gelang es Roselius, sein teuflisches Gebräu weit über die kleine Zielgruppe der koffeinempfindlichen Herzkranken hinaus populär zu machen!

Nachtrag 2. April:
Eine Sache ist leider kein Aprilscherz: der Kaffeefabrikant Roselius war wirklich völkischer Okkultist ariosophischer Prägung und war begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus - und das sogar nachdem die vom Kunstmäzen Roselius geschätzte expressionistische Kunst als "entartet" verfolgt und sein völkischer Okkultismus von Hitler als parteischädlich gebranntmarkt worden war. Allerdings läßt sich ein arisophischer Hintergrund von Kaffee Hag nicht nachweisen ...

Samstag, 31. März 2007

GEmeine MAchenschaften

Ich kenne eine ganze Reihe professioneller und semi-professioneller Musiker. Darunter aber keine(n), der die GEMA sonderlich schätzt. Die vorteilhafteste Beschreibung, die ich hörte - von einem Mitglied einer Band, die bei "Saturn" ein eigenes Fach im CD-Regal hat - war "leider notwendiges Übel".
Jan Schejbal stellt die Frage: Wen beutet die GEMA eigentlich NICHT aus?".
Aber auch die Künstler sind nicht unbedingt zufrieden: Ein mit der GEMA geschlossener Vertrag läuft mindestens sechs Jahre und betrifft alle Werke eines Künstlers - d. h., herauskommen ist recht schwer. Die Künstler treten alle Verwertungsrechte an die GEMA ab, und müssen dafür zahlen, wenn sie ihre eigene Musik aufführen oder auf ihrer Website für die Fans kostenlos zum Download anbieten wollen!
Die besagte einigermaßer erfolgreiche Band scheint genau damit Probleme zu haben - die GEMA torpediert die Promotion der Band.
Fazit: solange man nicht zu den "ganz Großen" gehört und als Musiker nicht gerade mit dem Cent, aber doch dem Euro rechnen muß, ist die GEMA, so wie sie ist und handelt, eher Karriere-Hindernis als nützliche Rechteverwertungs-Agentur.

Womit auch Jans Frage beantwortet wäre: die GEMA nützt den "Etablierten" im Musikgeschäft, etablierte Künstler, etablierte Komponisten, aber vor allem etablierte Agenturen und etablierte Labels - finanziell und in Form von Schutz vor Konkurrenz.

Anderes Thema - wenn auch die Musikindustrie und die Rechteverwertung ein nicht unwesendlicher Teil des Problems ist, da einige der angeblich zur Bekämpfung der Schwerkriminalität beschlossenen Überwachungsgesetze und -Vorschriften tatsächlich in erster Linie auf "Raubkopierer" und "Musikpiraten" abzielen.
Aufruf zur Demo in Frankfurt (Main) am Samstag, den 14. April ab 15 Uhr

Bürgerrechtler rufen bundesweit zur Teilnahme an einer Demonstration gegen die ausufernde Überwachung durch Staat und Wirtschaft auf. Am Samstag, den 14. April 2007 werden besorgte Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt am Main unter dem Motto "Freiheit statt Angst" auf die Straße gehen. Treffpunkt ist der Hauptbahnhof um 15 Uhr. Der Protestmarsch durch die Stadt wird mit einer Kundgebung vor der Paulskirche enden.
Der komplette Aufruf: Freiheit statt Angst - Demo gegen Sicherheits- und Überwachungswahn!

Freitag, 30. März 2007

Gedanken über die gefühlte Gefährlichkeit von Drogen

Vor einigen Tagen ging eine Meldung durch die Presse: Britischen Wissenschaftlern zufolge sind Alkohol und Tabak gefährlicher als Cannabis und Ecstasy. Dies geht aus einem Ranking von legalen und illegalen Rauschmitteln hervor, in dem sowohl die körperlichen und sozialen Folgen des Missbrauchs als auch das Suchtpotenzial der Drogen berücksichtigt wurde. wissenschaft.de:Die Rangliste der gefährlichsten Drogen. süüdeutsche.de:Alkohol und Tabak gefährlicher als LSD und Ecstasy
focus: Die 20 gefährlichsten Drogen. Typisch focus: gute Graphik, schlechte Überschrift - es handelt sich nicht um die "20 gefährlichsten Drogen", sondern um 20 willkürlich aus den 40 untersuchten Stoffen ausgewählte Substanzen (Anabolika sind z. B. keine Drogen im klassischen Sinne) "4-MAT" ist übrigens 4-MTA, ein den Serotonin-Spiegel hebender Stimmungsaufheller, im Jargon "Flatliner".

Auffällig dabei ist, dass die offizielle Einstufung der Drogen - von Heroin und Kokain abgesehen - wenig mit dem in der Studie ermittelten Gefahrenprotenzial zu tun hat. Überraschend ist das für mich nicht - irgendwelche Illusionen hinsichtlich der potenziellen Gerfährlichkeit von Alkohol (dem ich, in der Form von Bier, Wein und Met durchaus nicht abgeneigt bin) oder des enormen Suchtprotenzials von Nikotin hatte ich schon lange nicht mehr. (Ich kenne jemanden, der es schaffte, im "kalten Entzug" vom Heroin wegzukommen. Aber er schafft es einfach nicht, sich das Rauchen abzugewöhnen.) Über die relative (!) Harmlosigkeit von Haschisch war ich mir schon längst im Klaren.

Eines ist klar: sowohl die übliche Gefahreneinschätzung wie die Gesetzgebung hängen schief - wozu Volkmar dankenswerterweise schon einiges in seinem Blog schrieb, das ich deshalb hier nicht wiederholen brauche: Drogengesetzgebung: Schieflage.

Vergleicht man die offizielle Gefahreneinstufung mit der ermittelten Rangliste, dann fällt auf, dass "psychoaktive Drogen" bzw. Psychodelika - Halluzinogene im weitesten Sinne - tendenziell vom Gesetzgeber als gefährlicher eingestuft werden als andere Drogen. Das berüchtigte LSD und das viel diskutierte Ecstacy, beide in Großbritannien als "A" (besonders gefährlich) und in Deutschland als "nicht verkehrsfähig" eingestuft, liegen in der Gefahreneinschätzung noch unter dem relativ harmlosen milden Psychedelikum (und in Deutschland ebenfalls "nicht verkehrsfähigen") Cannabis.
("Nicht verkehrsfähig" bedeutet: auch die medizinische Anwendung und die Anwendung zu wissenschaftlichen Zwecken sind verboten.)

Warum ist das so? Ein Blick ins Jahr 1966, als in den USA das LSD verboten wurde, liefert einen möglichen Hinweis:
Spätestens im Herbst 1966 deuteten dann Gegner an, dass LSD wahrscheinlich langfristige Schädigungen des Gehirns hervorrufe. Ihre Beweisgundlage? Die Tatsache, dass so viele Jugendliche, nach LSD-Erfahrung, wenig Verlangen zeigten, sich dem koropativ-provinziellen Lebensstil anzupassen, den ihre Eltern sich zu Eigen gemacht hatten.
aus: Jay Stevens: Storming Heaven - zitiert nach: Daniel Pinchbeck: Den Kopf aufbrechen (Breaking Open the Head)

Tatsächlich war es so: Mitte der 1960er verstanden viele Eltern ihre heranwachsenden Kinder nicht mehr - sowohl in den USA wie in (West-)Deutschland. Obwohl der gesteigerte "Generationenkonflikt" eindeutig benennbare soziale Ursachen hatte, wurde ein Symtom der "Rebellion" - das Experimentieren mit "ungewohnten" Drogen - als Ursache aufgefasst. Oft wird es gar nicht die Droge gewesen sein, die die jungen Konsumenten nicht mehr auf den spießigen Lebensstil ihrer Eltern klarkommen ließen, sondern die Erfahrung mit dem "alternativen" Umfeld, in dem damals LSD konsumiert wurde - Stichwort: Hippie-Kultur.
Da kam es sehr gelegen, dass der unvorsichtige Umgang mit LSD - übrigens auch in der Psychotherapie - tatsächlich einigen Menschen die geistige Gesundheit gefordert hatte.
Dem Ruf nach sofortigem Verbot wurde stattgegeben, um 1970 waren praktisch alle Halluzinogene weltweit geächtet.

Ich bin außerdem der Ansicht, dass es noch eine tiefere kulturelle Ursache dafür gibt, dass unsere Zivilisation sich mit halluzinogenen Drogen schwer tut.
Neben "etablierten" Drogen wie Tabak und Alkohol werden solche Drogen, die die "berufliche und soziale Funktionstüchtigkeit" des Einzelnen (scheinbar) fördern, eher toleriert als Psychedelika. Das gilt sogar für das gefährliche Kokain oder Amphetamine ("Speed").

Psychedelika sind, das vermute ich, nicht deshalb illegal, weil es irgend jemanden stört, dass der Drogenkonsument ein paar "heftige Träume" hat, sondern weil sie etwas an sich haben, dass die Gültigkeit der "offiziellen" Wirklichkeit in Zweifel ziehen läßt. Sie bringen den Konsumenten auf "andere Gedanken", zumindest auf den, dass Wahrnehmungen - und damit das Bild der Wirklichkeit - relativ sind. Besonders ärgerlich ist das meines Erachtens für autoritären Menschen mit ausgeprägt "sittenchristlichem" Weltbild. Für einen Materialisten ist es hingegen klar, dass unser geistig-seelisches Leben materiellen Grundlagen hat, und für einen Anhänger "östlicher" Religionen (Hinduismus, Buddhismus) ist es ausgemacht, dass das, was wir "Wirklichkeit" nennen, durchaus illusionär ist. Das "neuzeitlich-christlich-abendländische" Weltbild - auch bei Nicht-Christen - verbindet hingegen naiven Realismus mit der Annahme der Unantastbarbar und der ontologischen Sonderrolle der menschlichen Seele. Das Ego ist autonom, jederzeit für alles verantwortlich; es gibt nur die beiden Bewußtseinszustände "voll da" (nüchtern) oder "voll" (berauscht, nicht bei Verstand).
Autoritäre Persönlichkeiten, für die "feste Leitbilder" eine Notwendigkeit sind, empfinden schon die Idee "alternativer Bewußtseinszustände" als beunruhigend. Sie werden folgliche automatisch als "krankhaft" klassifiziert, egal, ob sie durch Drogen, Zufall oder Lebenseinstellung hervorgerufen werden.
Er recht gilt das für Ideologen, denen nicht nur abweichende Wahrnehmungen der Wirklichkeit, sondern schon abweichende Meinungen als "Geisteskrankheiten" erscheinen.

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