Samstag, 24. Dezember 2011

Aus tiefster Raunachtsruhe (oder Weihnachtsruhe, je nachdem)

Es gibt unangenehme Themen, denen man für einige Tage aus dem Weg gehen kann und gehen sollte.
Leider gehört das Thema "Alltagsantisemitismus" nicht dazu. Der hält sich an keine Feststagssruhe.
Und er kommt auch nicht nur aus dem Mund der "üblichen Verdächtigen", der "Rechtsextremisten", "Völkischen", NS-Nostalgiker usw. . Sondern manchmal aus dem an und für sich netter, toleranter, rechtsradikaler Umtriebe unverdächtiger Mitmenschen.
Mit dem Alltagsantisemitismus ist es so wie mit seinen Verwandten, dem Alltagsrassismus und dem Alltagssexismus. Der Alltagsantisemit ist sich in der Regel gar nicht einmal darüber klar, wie antisemitisch seine Äußerungen sind. (Gilt sinngemäß auch für Alltagsantisemitinnnen).
Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der es gar nicht böse meinenden Alltagsantisemiten verzichte ich darauf, den konkreten Vorfall zu beschreiben. Dafür bringt Marina Weisband (ja, die Frau, die von unserer Qualitätspresse so gern die "hübsche Piratin" genannt wird, unter weiträumiger Umgehung aller politisch relevanter Themen) ein "schönes", selbsterfahrenes, Beispiel wie Alltagsantisemitismus funktioniert.

Wie kann es sein, dass Menschen, die nach eigener Einschätzung sogar Juden schätzen, Alltagsantisemiten sind?
Das Schrecklichste nach dem Antisemitismus ist der Philosemitismus
schrieb der jüdische Publizist Egon Schwarz. Selbstverständlich bringen Philosemiten keine Juden um und legen ihnen noch nicht einmal Steine in den Weg. Es ist mit dem Philosemitismus so wie mit dem Positivrasssismus - es ist z. B. für einen Schwarzen nicht unmittelbar gefährlich, aufgrund seiner Hautfarbe für einen temparamentvollen Tänzer mit "Rhythmus im Blut", guten Leichtathleten oder einen total coolen und relaxten Typen gehalten zu werden. Es kann aber reichlich nerven, so etikettiert und verschubladisiert zu werden. Und allzu oft schlägt ein enttäuschtes Positivklischee ins Negative um - manchmal schon wenn der besagte Schwarze ein miserabler 100-Meter-Läufer sein sollte.
Philosemitismus ist aber nach meiner Einschätzung doch etwas mehr als eine Sonderform des nervigen Positivrassismus. Speziell deutschen Philosemiten sind oft von Schuldabwehr oder schlechtem Gewissen gegenüber "den Juden" motiviert. Der Schuldabwehrphilosemitismus ist meiner Ansicht nach eng mit dem Schuldabwehrantisemitismus, dem sekundären Antisemitismus, verwandt. Und mit überhohen Ansprüchen an "die Juden" verbunden, an ihre Moral, Intelligenz, Toleranz. Ein Philosemit sieht in Juden "etwas Besonderes" - Juden sind für ihn irgendwie keine normalen Menschen.
Wenn jemand mir Eigenschaften zuschreibt, oder mich mag / nicht mag, einzig WEIL ich jüdisch bin, das ist Antisemitismus
twittert Marina Weisband (Afelia)

Warum das Thema für mich so wichtig ist. obwohl ich kein Jude bin? Weil es immer die Sache der Nichtjuden ist, Antisemitismus zu bekämpfen, nicht die der Juden.

Ich wünsche allen Juden ein fröhliches Rest-Chanukka!

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