Donnerstag, 5. November 2009

NaNoWriMo - am Abend des 5. Tages

Einige Beobachtungen nach fünf Tagen Wahnsinn:

Es geht, nach furiosen Start, nun langsamer voran. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich am Feierabend nicht schaffe, in den "rauschhaften" Schreibfluss, bei dem ich alles um mich vergesse und sozusagen meine Geschichte lebe, zu gelangen. Dazu habe ich eben am Tag zu viel anderes zu tun. Dennoch ist die Schreibgeschwindigkeit nicht langsam: Immerhin bin ich bei 16467 Wörtern (nach OpenOffice-Zählung). Mein Schreibtempo ist etwa das selbe wie beim Bloggen oder bei journalistischen Texten, jeweils ohne Recherche und Nachbearbeitung, was normalerweise mindestens eben so viel Zeit in Anspruch nimmt, wie das Schreiben selbst. Ich schaffe etwa 1000 Wörter die Stunde. Das Problem, außer der fehlender "Schreibtrance", ist es, genügend Stunde freizuschaufeln.
Nun werde ich am Wochenende mindestens zwei Tage "weg von der Tastatur" sein. Dennoch bin ich optimistisch, was das Ziel 50000 Worte am 30. November, angeht.

Dann stelle ich fest, dass, vielleicht weil ich vorher so viel recherchierte, sich mein Roman stark in Richtung eines historischen Romans entwickelt. Erkennbar ist das am Faktenreichtum, an dem Bemühen um historische Glaubwürdigkeit, auch im Detail, und auch daran, dass es bisher viel Dialog und viel Ambiente gibt, aber wenig "Action". Was ist das für ein Piratenroman, in dem nach über 15000 Wörtern noch kein Seegefecht, kein Säbelduell und noch nicht mal eine Kneipenschlägerei vorkommt? Keine Sorge, es ist wenigstens schon mal eine romantisch-leidenschaftliche Liebesaffäre drin - ich muss ja meinem Anspruch, keine Angst vor Klischees zu haben, gerecht werden. ;-) Außerdem ist demnächst ein Sturm geplant, und die Seegefechte, Säbelduelle und Kneipenschlägereien sind bereits geplottet.

Eine weitere, im Generalkurs nicht vorgesehene Wendung, sind, nennen wir es mal, sexualethische Fragen. Das späte 17. Jahrhundert war ja in dieser Hinsicht recht bemerkenswert. Man schrieb damals in diesen Dinge recht deutlich und deftig - ein bekanntes deutsches Beispiel ist Grimmelshausens "Der abentheurliche Simplicissimus". Der Kontrast zwischen Exquemerlin, Defoe oder Captain Johnson und den alles, was auch nur entfernt sexuell gefärbt sein könnte, sorgsam umschiffenden Abenteuerschriftstellern des 19. und 20. Jahrhunderts ist deutlich.
Und irgendwo färbt das ab. Zumal Port Royal ja eine extrem große Prostituiertendichte gehabt hat.
Eine andere Frage, die bereits den Kurs beeinflusst, ist die Frage der Homosexualität in der reinen Männergesellschaft auf See. Nach den Regeln der Bukaniere durften ja keine Frauen an Bord genommen werden. Eine besondere Bedeutung hatte unter den Kaperfahrern der Karibik der Begriff "Matelote". Das hieß eigentlich nicht mehr als "Bordkamerad", die gebräuchlichen Worte "Matrose" und "Maat" kommen daher. Bei der Brüdern der Küste hatte das Wort eine besondere Bedeutung: Buccaniers von Tortuga waren für ihre lebenslange Partnerschaften zwischen Männer bekannt. Meistens war das wohl nicht viel mehr als eine enge Freundschaft, aber andere Matelots teilten nicht nur Besitz und Essen, sondern auch ihre Koje und noch viel mehr miteinander. Auch wenn die "matelotage" unter den von Jamaika aus fahrenden Buccaniers nicht ganz so weit verbreitet war, entstand das Klischee, dass Matelots zwangsläufig stockschwul seien – in "Sodomie lebten", wie das damalige Moralapostel nannten.

Zum Zeitkolorit trägt auch bei, dass 1672 einerseits schon der Geist der Frühaufklärung zu wehen begann - anderseits etwa die Zeit der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung noch längst nicht vorbei war.
Eine Zeit voller (scheinbarer) Widersprüche. Isaac Newton, Physiker, Mathematiker und zugleich ernsthafter Alchimist, ist ein ziemlich bezeichnender Mensch dieser Epoche.

Zum Schreiben selbst: Es hat sich, das kann ich nach diesen paar Tagen schon sagen, bewährt, nach der Methode Raymond Chandler vorzugehen. Er setzte sich, statt eines Pensums, eine Zeit, in der er nicht unbedingt schrieb, aber die er sorgfältig von allen Tätigkeiten außer Schreiben fern hielt.
In meinem Fall heißt das: Einfach zwei Stunden reservieren, in denen nichts andere tue, als schreiben. Es funktioniert - und so schreibe ich lockerer und entspannter, als wenn ich mir ein 2000-Wörter-pro-Tag-Pensum setzten würde - was 2 Stunden konzentriertem Schreiben in meinem gewohnten Tempo entspricht.

Es klappt bisher ganz gut. Und die Ideen gehen mir nach wie vor nicht aus.

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