Sonntag, 16. August 2009

Die Gänge der Lübecker Altstadt und das Weltkulturerbe

Ich, als Hamburger, beneide die Bewohner unserer "Schwesterstadt", der "Königin der Hanse" um ihre Altstadt. Während man in der Hamburger Innenstadt nach Geschäftsschluss ohne weiteres die meisten Bürgersteige hochklappen könnte, hat Lübeck eine lebendige, attraktive, sehr kompakte Altstadt, die auch abseits der erhaltenen historischen Bauten sehens- und erlebenswert ist.
Aber natürlich sind es die historischen Bauten, darunter natürlich die berühmten Gänge, denen die Lübecker Altstadt ihren Platz auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste verdankt:
Wie in anderen Großstädten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, gab es auch in Lübeck eine große Anzahl von Tagelöhnern und Trägern. Meist wohnten sie in kleinen, "Buden" genannten Häusern, die dicht aneinander gedrängt auf Eckgrundstücken, an den Rückseiten der Bürgerhäuser oder im inneren Bereich der Wohnblöcke standen. Die versteckt gelegenen Wohnbereiche wurden Gänge oder Gangviertel genannt.
Mittelalterliche Buden sind kaum noch erhalten, da man erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts begann, auch steinerne Buden zu errichten. Ab dieser Zeit zog auch wohlhabendere Bürger in die Gänge, denn Lübecks Altstadt liegt auf einer Insel, und das lübische Bürgerrecht war lange Zeit an einen Wohnsitz in der "ummauerten Stadt" gebunden. Heute gibt es in Lübeck noch etwa 90 Gänge. - In Hamburg gewannen hingegen die "Anforderungen an eine moderne Metropole" über den Denkmalschutz der noch noch erhaltenen Gängeviertel, soweit sie nicht schon dem Großen Brand von 1842, der "Kahlschlagsanierung" des frühen 20. Jahrhunderts und den Kriegszerstörungen des 2. Weltkriegs zum Opfer gefallen waren. (Hierzu schrob Magerfettstufe einiges: Hamburgs Gängeviertel verkommt.)
Ich beneide deshalb eine gute Freundin um um ihr kleines, wenn auch verhältnismäßig "neues" Ganghaus in der Lübecker Altstadt.
Allerdings hat das Leben als Ganghausbewohner auch weniger idyllische Seiten:
"Ich habe vor gut einem Jahr zwei Türen in meinen Gang eingebaut", sagt Thomas Haake, Besitzer eines Hauses in der Straße "Engelswisch". Durch sein Haus läuft der "Hellgrüne Gang". Der Lübecker Architekt fühlt sich durch Touristenmassen gestört, die an seinem Kaffeetisch vorbeiziehen. Zu Tausenden fielen sie ein, machten Lärm und ließen Abfall liegen.
"Als ich vor 25 Jahren einzog, gingen hier drei Touristen täglich durch - wir waren ja noch nicht Weltkulturerbe", so Haake.
Lübecker Nachrichten: Lübecker Altstadtbewohner sperren Touristen aus.

Eine durchaus verständliche Reaktion - die aber Folgen haben könnte: Die Gänge, so eng sie sind, sind öffentliche Wege die man als Anwohner nicht so ohne weiteres absperren darf. Außerdem könnte eine Sperrung der Gänge Lübecks Status als Weltkulturerbe gefährden.
Das Problem des "Lebens wie im Museum" kennen auch die Bewohner anderer historischer Altstädte - vor kurzem erst unterhielt ich mich mit einer entnervt aus der historischen Innenstadt von Rothenburg ob der Tauber weggezogenen Frau. Allerdings ist das Problem in der engen Gängen Lübecks buchstäblich drängend.

Nachtrag: Hamburg: Künstler besetzen Gängeviertel (indymedia).

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