Samstag, 21. März 2009

CDU und SPD wollen Onlinedurchsuchung ausweiten

Die Bundesregierung will die Onlinedurchsuchung auch in Strafverfahren erlauben. Wie Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte, soll das Bundesjustizministerium die Änderung der Strafprozessordnung bereits fertig haben. Laut der Regierungsplanung soll den Strafverfolgern zugleich auch die sogenannte Quellen-TKÜ erlaubt werden, mit der verschlüsselte elektronische Kommunikation verhindert werden soll.

Regierung will Onlinedurchsuchung beschleunigt ausweiten (golem.de).

Kommentar: der Begriff "Onlinedurchsuchung" ist meines Erachtens irreführend, denn in der Form des berühmt-berüchtigten "Bundestrojaners" ist sie schlicht nicht machbar. (Siehe dieses sehr empfehlenswerte Buch: Die Online-Durchsuchung, das hier ausführlich und kritisch rezensiert wird.)

Es geht, wie übrigens auch bei der Quellen-TKÜ, um "Wanzen" in Hard- oder Softwareform, die (durchaus per Wohnungs- oder Büroeinbruch) auf dem Rechner "gepflanzt" werden.

Übrigens kann man eine Quellen-TKÜ von E-Mails leicht umgehen, und zwar nach einem Verfahren, das schon seit Helmut Kohls Tagen in deutschen Ministerien und deutschen diplomatischen Vertretungen üblich und meines Wissens sogar vorgeschrieben ist.

Texte mit vertraulichem Inhalt dürfen nur auf Rechnern, die nie mit einem LAN oder einem WAN verbunden sind, also immer offline sind, gespeichert werden.
Sollen diese Texte etwa per E-Mail versendet werden, dann werden sie auf diesem Offline-Computer verschlüsselt. Dann wird die verschlüsselte Nachricht per Diskette oder USB-Stick (Diskette ist in diesem Fall praktischer, denn der Datenträger ist anschließend physisch zu vernichten, d. H. er wird zu Granulat geschreddert) auf den mit dem Internet verbundene Rechner gespielt und per E-Mail versendet. (Das Schreddern ist m. E.übertrieben, denn entweder ist die Verschlüsselung von Regierungsgeheimnissen nach menschlichem Ermessen auch mit großem Aufwand - ja, ich meine Supercomputer, wie sie die NSA hat - nicht zu knacken - oder man kann es gleich bleiben lassen ... )

Ich nehme an, dass zumindest einige unser Politiker das ebenfalls wissen - und sich also auch im Klaren darüber sind, dass solche Verfahren in der Praxis nur gegen Ahnungslose oder Leichtsinnige wirksam sind. Terroristen und organisierte Kriminelle sind selten ahnungslos oder leichtsinnig.

Wenn es also nicht nur um reine Symbolpolitik gehen sollte (was bei Uschis Websperren durchaus möglich ist) - auf was und wen zielen diese Gesetzesvorhaben denn ab? Wenn ich mir Verschwörungstheorien verkneife (auch wenn es nicht immer leicht ist), ist die einfachste Antwort: es geht um "Alltagsvergehen". (Wie schon bei der Bankauskunft, mit der angeblich nur die Geldwäsche von Terroristen und organisierten Kriminellen bekämpft werden sollte.)

Nachtrag: Die wohl technisch am ehesten machbare Möglichkeit einer "Online-Durchsuchung" ist das bei Geheimdiensten zu Spionagezwecken längst erprobte Van-Eck-Phreaking, d. h. es wird die elektromagnetische Strahlung von Monitor- und Tastaturkabel aufgefangen. Man erhält so aus der Ferne das Bild auf dem Monitor bzw. die Eingaben der Tastatur. (Wenn die Verschlüsselung offline auf einem Laptop im Keller stattfindet, greift auch dieses Verfahren ins Leere. Laptops sind übrigens von Haus aus ziemlich Van-Eck-Phreaking-sicher - zumal dann, wenn sie Metallgehäuse haben.)
Interessanterweise wird aber ausgerechnet dieses Verfahren von den Medien im Zusammenhang mit dem BKA-Gesetz ignoriert. (Im Zusammenhang mit Spionage wird es hingegen schon mal thematisiert.)

Zu Beruhigung von Paranoikern: Weder Einbrüche zwecks Wanzen-Installation (z. B. von Keyloggern) noch das Van-Eck-Phreaking eignen sich wegen des personellen und technischen Aufwandes zur flächendeckenden Überwachung. Man kann aber nie wissen, ob man nicht durch einige dumme Zufälle auch als unbescholtener Bürger nicht doch einmal als Terrorist verdächtigt wird ...

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