Samstag, 8. Dezember 2007

Das (angestrebte) Scientology-Verbot und die Aufklärung

Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich halte Scientology für eine Organisation, die unter dem Deckmantel einer "Kirche" ihre Mitglieder in Abhängigkeit hält und wirtschaftlich ausbeutet, religiös bemäntelte Kurpfuscherei auf psychotherapeutischen Gebiet betreibt, gerne konspirativ arbeitet und weder vor massiver Desinformation (d. h. Lügen, dass sich die Balken biegen) noch vor Wirtschaftskriminalität zurückschreckt. Das ist, wie gesagt, meine persönliche Meinung. Ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich hatte vor Jahren mit der "Org" zu tun und kenne etliche "Aussteiger".

Für eines halte ich Scientology nicht - für eine unmittelbare Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschlands. Es gibt meines Wissens mittelschwer größenwahnsinnige Projekte der "Ron-BORGs", Wirtschaft und Politik zu unterwandern, mit dem Ziel "Clear Germany" (Deutschland wird scientologisch), mit dem Zwischenziel "Clear Planet" (die Erde wird scientologisch) und dem schwer zu überbietenden Endziel "Clear Universe". Letzteres verrät meiner Ansicht nach einiges über den politischen Realitätssinn der bei "normalen" Zielen durchaus pragmatisch agierenden und nicht ungefährlichen "Org". Wer Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Machtübernahme durch die alles unterwandernden Scientologen hat, ist meines Erachtens Opfer der nicht zu unterschätzenden "psychologischen Kriegführung" der Scientology geworden.

Ich bin der Ansicht, dass die Ziele der Scientology durchaus undemokratisch sind - von daher habe ich nichts dagegen, dass staatliche Organe ein Auge auf die Scienties haben, und das kriminelle Aktivitäten der "Org" so behandelt werden, wie organisierte Kriminalität auch sonst behandelt wird.
Aber wenn die Innenministerkonferenz erklärt: Scientology unvereinbar mit dem Grundgesetz (sueddeutsche.de) - dann halte ich das in mehrfacher Hinsicht für problematisch:
Es fehlt es an Sorgfalt hinsichtlich der vorgeschlagenen Maßnahmen:
  • Scientology reagiert erfahrungsgemäß auf Verbote mit Umorganisation und Gründung von Tarnorganisationen
  • Scientology ist durchaus in der Lage, sich im Falle eines Verbotes als "religiös verfolgte" Opfer eines "neuen Naziregimes" darzustellen - es gab bereits eine Scientology-Kampagne in den USA, in der sich Scientologen mit den in Nazideutschland verfolgten Juden verglichen, die dem Ansehen Deutschlands extrem abträglich war. Wir Deutschen haben nun einmal über sechs Millionen Leichen im Keller - und die Scienties stürzen sich ohne Skrupel auf diese "Schwäche". Die Org ist zwar ein Zwerg, aber ein Zwerg mit verdammt großer Klappe, vor allem in den USA und vor allem in der Filmindustrie. Es ist daher taktisch mehr als unklug, Scientology statt durch zähe, beharrliche Basisarbeit (die durchaus erfolgreich ist) mit dem "großen Knüppel" anzugehen.
Dann fehlt es an Reflexion hinsichtlich der eigene Motive:
  • Ein Randproblem wird zur tödlichen Bedrohung aufgeblasen. Was die Innenminister-Konferenz übrigens nicht zum ersten Mal macht.
  • Die Verbissenheit, mit der Scientology dämonisiert wird, hat selbst etwas Religiös-Verbohrtes. Parallelen zur anti-islamischen Affekten, die nicht mehr zwischen intoleranten gewaltbereiten "Dschihadisten" und "Achmed-Normal-Muslim" unterscheiden, drängen sich auf. So, als ob sich unsere Innenminister mehr als "Hüter des christlichen Abendlandes" als "Hüter der Demokratie" begreifen würde.
Die Innenminister zeigen sicher zu Recht voller Abscheu und Empörung auf die Scientologen. Die "Organisation" oder "Kirche" bzw. "Sekte" zu verbieten ist jedoch wieder einmal der aussichtslose Versuch, ein Problem zu verbieten, statt es zu lösen.

Was hilft gegen Scientology? Aufklärung! Aufklärung im Sinne von Bildungsarbeit und öffentlicher Information, Aufklärung in Sinne von Polizeiarbeit (gegenüber kriminellen Aktivitäten der "Org"), aber auch Aufklärung im philosophischen Sinne.
Das Problem, dass ich nicht nur bei der politischen Haltung gegenüber Scientology sehe, sondern auch bei der gegenüber anderen religiösen und quasireligiösen Gruppierungen, ist der weit verbreitet Glaube daran, dass die eigene (christliche) Religion im Besitz der absoluten Wahrheit ist, ein Glaube an die Überlegenheit der eigenen Überzeugungen, der die meisten politischen Überzeugungen in der Schatten stellt. Das blinde Hoffen in die Wirkung der Autorität der Staatsmacht ist auch eine Form des quasi-religiösen Glaubens.

So, wie es im Moment leider aussieht, sind unsere Innenminister eine größere Gefahr für die Verfassung als jede noch so aggressive Sekte.

Übrigens:
Politiker und Verfassungsschützer halten ein Verbot der Organisation Scientology für unwahrscheinlich. Es sei nicht Aufgabe des Staates, den Menschen die Dummheit zu verbieten, heißt es unter anderem.
aus netzeitung: Skepsis gegenüber Scientology-Verbot.

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