Mut zum Klischee

"You can't wait for inspiration. You have to go after it with a club."
- Jack London

Ich nehme an einem wahnsinnigen Wettbewerb teil, der zum Ziel hat, innerhalb eines Monats einen kompletten Roman zu schreiben: dem National Novel Writing Month, kurz NaNoWriMo. Allerdings bin ich wahrlich nicht der einzige Wahnsinnige, denn während des NaNoWriMo vom 1. bis 30. November versuchen tausende von Menschen einen ersten Entwurf (!) eines Romans zu schreiben. Dabei zählt nicht die Qualität des Werks, sondern allein die Quantität. Jeder, der 50000 Worte zusammenbringt, was durchschnittlich etwa 1700 Worten am Tag entspricht, zählt als Gewinner. Ein Preisgeld gibt es übrigens nicht. Die Sprache ist übrigens beliebig, und der Wettbewerb, entgegen dem Titel, längst International.

Beim NaNoWriMo bin ich zum ersten Mal dabei. Nach einigem Zögern: Zwar sind 50.000 Wörter nicht so schrecklich viel, und an manchen Tagen schreibe ich auch ohne Wettbewerb mehr als 1700 Worte. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich einen Roman schreibe. Ich habe sogar, im bescheidenen Rahmen, etwas veröffentlicht. (Aber nicht in Druckkostenzuschussverlagen, also der "Vanity Press"! Ich kann auch jeden angehenden Schreiber nur davor warnen, weil diese Verlage oftmals über kein Lektorat verfügen, also einfach alles drucken, wofür der Autor zahlt, und die dort verlegten Bücher daher oft von zweifelhafter Qualität sind. Die meisten in Zuschussverlagen erschienenen Bücher werden zu Recht von vornherein nicht ernst genommen. Ein Vorteil gegenüber dem Selbstverlag besteht also nicht, schon gar nicht finanziell: Für die geforderten Beträge kann man locker auch ein "Book on Demand" publizieren. Außerdem bin ich der Ansicht, dass ein Verlag am Buch verdienen soll, und nicht am Autor!)

Das Problem liegt darin, dass ich dann im November zu praktisch gar nichts anderem mehr käme, da ich ja auch andere Dinge vorhabe, z. B. arbeiten (im Job, nicht am Roman). Außerdem ist es ist schon verdammt lang her, seitdem ich meinen letzten romanlangen Text "verbrochen" habe. Aber nach Karans hervorragenden Erfahrungen mit dem genau so verrückten FAWM (February Album Writing Month), bei dem sie so geniale Lieder wie "Muschelkalk" oder "Piratin" schrieb, und einigen Ermutigungen von guten Freunden ließ ich mich breitschlagen überzeugen.

Ich gehöre nämlich zu den Typen, die zahllose angefangene Skripte in der Schublade bzw. auf der Festplatte liegen haben. Nein, ich halte mich an die Regeln des NaNoWriMo und werde davon nichts verwenden!
Und um ganz sicher zu gehen, schreibe ich keine Science Fiction, keine Fantasy und auch keinen Krimi - in diesen Genres habe ich mich schon versucht. Der Versuchung, irgendwann zu einem "Fertigteil" zu greifen, will ich so gleich einen Riegel vorschieben.

Meine ursprüngliche Idee, einen Gesellschaftsroman über die bizarre Welt einer Studenten-WG der turbulenten 80er Jahre zu schreiben, habe ich im Moment der Anmeldung fallen gelassen. Die maritime Begrüßung im deutschsprachigen Unterforum hat es mir angetan. Also schreibe ich einen Seeabenteueroman. Ich habe ein bisschen Ahnung von der christlichen und der unchristlichen Seefahrt, und der Hafen zwecks Inspiration ist ja auch nicht weit weg.
Es kam noch "schlimmer" - da gerade in den Nachrichten von "den Piraten" und von "Jamaica" die Rede war, dachte ich mir "Ist ja das abgenudelste Klischee der Abenteuerliteratur: Piraten in der Karibik."
Nun ist es aber so, dass ich in den Romanen, die ich tatsächlich fertig bekommen habe, mit Klischees spiele - während die, die es nie über das Exposé-Stadium schafften, vor allem durch meinen Eifer, abgenutzte Klischees zu vermeiden, nie voran kamen. Vielleicht ist es keine schlechte Idee, Klischee Klischee sein zu lassen - und dafür zum Beispiel durch interessante Charaktere zu glänzen zu versuchen. Hej, den berühmtesten und vielleicht besten Seeräuberroman überhaupt, "Treasure Island" ("Die Schatzinsel") schrieb Robert Louis Stevenson auch in knapp einem Monat!

Ich habe immer mit dem Problem zu kämpfen, dass ich meine Romane nie fertig bekomme - an meinem "Erstling", der auch nur ca. 100.000 Worte hatte, bastelte ich über zwei Jahre. Daher ist der NaNoWriMon eine echte Herausforderung für mich. Zumal ich den Roman ja am Feierabend schreiben muss.

Mein Teilnehmername "hrafnsgaldr" ist übrigens altisländisch und bedeutet "Rabenzauber". Was nicht bedeutet, dass ich etwa beabsichtige, isländische Sagaliteratur zu schreiben. Oder einen Wikingerroman (den gibt's vielleicht beim NaNoWriMo 2010).
ryuu - 18. Okt, 13:13

Klischee hin, Klischee her...

ich bin gespannt auf Deinen Text. Schließlich schreibt da jemand, der wirklich Ahnung von Schiffen und Seefahrt hat. Allein das dürfte so manchem abgegessenen Klischee einen neuen Twist geben :)

WirrLicht (Gast) - 18. Okt, 16:37

ein piratenroman

ich glaube, ich hab´ ausser der schatzinsel noch nie einen piratenroman gelesen.

was eigentlich seltsam ist, denn das mantel- und degen genre fand ich immer spannend. das piraten/gruselcrossover gibts schon..... was kann man den da reinkreuzen, damit es nicht gar so konventionell wird.....?

MMarheinecke - 18. Okt, 18:26

Ganz einfach: historische Wahrheit.

Ist zwar grundsätzlich nichts Neues, von Daniel Defoe bis Rafael Sabatini haben das viele Autoren so gemacht, von den auf historischen Details versessenen britischen Autoren marinehistorischer Romane gar nicht zu reden.

Aber es gibt so viele so wenig bekannte Fakten über die Korsaren, Freibeuter, Filibuster und Buccuniers, über die Geschichte der Karibik und über die zahllosen Seekriege in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, das da eigentlich genügend Stoff vorhanden sein müsste, die Leser mit neuen Blickwinkeln auf die alten Geschichten zu überraschen.
Aurisa - 18. Okt, 20:04

Na dann viel Spaß und Erfolg :)!
Wenn ich nicht auch noch was Anderes zu tun hätte, würde ich mir das glatt auch überlegen...
So ein bisschen Druck zu Potte kommen zu müssen ist manchmal ja echt hilfreich ;)...
Viele Grüße
Klaudia

Karan (Gast) - 20. Okt, 00:45

Ahoi!

Mast- und Schotbruch - und immer eine Handbreit Tinte unterm Federkiel! ;-)

WirrLicht (Gast) - 20. Okt, 08:40

historisch

stell ich mir als nichtschreibender in so kurzer zeit schwierig vor, wegen recherche und so

MMarheinecke - 20. Okt, 09:35

Ist doch ein Teil des Spaßes ;-)

Außerdem recherchiere ich vor dem Schreiben - Recherche neben dem Schreiben funktioniert nicht (und schon gar nicht unter extremem Termindruck).
Huineng - 22. Okt, 09:35

Seeräuberroman

VIel Spaß dabei. Piratenroman klingt gut, und du hast jede Möglichkeit action darzustellen. Aber wenn du das wirklich nur an den Feierabenden schreiben willst, dann muß ich dich warnen. 50k sind kein Pappenstil. In der Regel schaffen es im November ca. 18%. Du solltest dir also etwas mehr Zeit nehmen für deine Feierabende. Übrigens übersetze ich gerade einen Seeräuberroman Silkehavet von Inge Eriksen. Ist schon ein unterhaltsames Genre.
Doch ein wenig plotten vor dem November würde sicher nicht schaden.
Rainer Kyster

MMarheinecke - 22. Okt, 10:01

"Die Seidensee" - toller Titel!

Werde ihn aber trotzdem nicht "kapern".

Ich weiß, es ist Wahnsinn, aber bin mir sicher, dass ich in Lage bin, es zu schaffen - wenn ich es nicht schaffe, ist es auch nicht weiter schlimm. Aber es gibt nur einen Weg, herauszufinden, ob ich es wirklich schaffen kann: Ausprobieren!
Mehr Zeit nehmen als die Feierabende und Wochenenden kann ich nicht (vielleicht noch die Kaffeepause auf der Arbeit, wie jetzt ;-) ). Letztes Jahr im November wäre vielleicht ein besserer Einstieg gewesen, da war ich nämlich arbeitslos. Aber ich setze mir das Ziel ja nicht, weil es leicht wäre, sondern grade, weil es schwierig ist.

Handlungsskelett - ausführlicher als ein übliches Exposé - und Persönlichkeit / Lebenslauf der Hauptperson sind längst fertig und der geschichtliche Hintergrund ist recherchiert. Jetzt bin ich dabei, mir die technischen Details der Schiffe, Waffen, Häfen zusammenzustellen. Als Nächstes kommen dann die Nebenpersonen. Zu detailliert "plotten" möchte ich auch wieder nicht, weil mir erfahrungsgemäß viele Ideen beim Schreiben kommen.

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