Warum ich kein "Pirat" bin
Ja, ich mache Wahlwerbung für die "Piraten", und ich werde diese Partei auch wählen. Aus gutem Grund. Weil nämlich ein Abbau bürgerlicher Freiheitsrechte unübersehbar ist, und wir um längst auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft befinden. Und weil das Internet nicht etwa ein separater virtueller "Raum" ist (und schon gar kein "rechtsfreier Raum"), sondern ein mittlerweile unentbehrliches Medium. Weil ich außerdem weiß, dass das Problembewusstsein dafür in den etablierten Parteien eher spärlich entwickelt ist - wenn sie nicht nicht sogar offen für mehr Überwachung sind und in strengeren gesetzliche Regelungen / mehr Verboten offensichtlich ein Allheilmittel sehen.
Aber ganz wohl ist mir dabei nicht. Das hängt mit der "piratischen" Mischung aus abenteuerlichem Dilettantismus und gruppenbezogenen Populismus zusammen. Mag sein, dass ich arrogant bin - aber wenn Andreas Popp sein Interview mit der "neurechten" "Jungen Freiheit" damit rechtfertigt, dass ihm die Zeitung überhaupt nicht bekannt gewesen sei, dann zeigt das aus meiner Sicht nur eines: dass er gefährliche politische Bildungslücken hat und seltsam recherchefaul ist. Schon der (m. E. viel zu rosige) Wikipedia-Artikel Junge Freiheit zeigt, dass die JF zumindest problematisch für ein Vorstandsmitglied einer Bürgerrechtspartei sein sollte. Und wenn sich Popp als "armes Opfer" darstellt - nicht etwa seiner eigenen Naivität, sondern der bösen Umstände - dann hat er sich schon verdammt stark den üblichen Verhaltensmustern eines deutschen Durchschnittspolitikers angenähert.
Ich weiß, dass, wenn ich für "Open Acess", das Recht auf die Privatkopie und für stärkere Rechte des Urhebers zulasten der Verwertungsindustrie bin, eben nicht "Legalisierung von Diebstahl" oder gar "Enteignung von Urhebern" befürworte, und ich weiß auch, dass viele Piraten darin einer Meinung mit mir sind.
Aber ich weiß leider auch, und zwar nicht aufgrund irgendwelcher Gerüchte, sondern weil die Betreffenden das selbst schreiben oder sagen - dass so manche "Piraten" ein sehr lockeres Verhältnis zum Urheberrecht haben. Dass meine Texte und meine Bilder unter "CC-Lizenz" stehen, liegt nicht nur an meinem Idealismus - sondern auch daran, dass sie erkennbar die Produkte eines Amateurs sind, und den professionellen Qualitätsansprüchen nicht entfernt entsprechen. (Dass viele journalistische Texte in der Praxis diesen professionellen Maßstäben auch nicht gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt.) Um als Künstler - egal, ob als Schriftsteller, Dichter, Musiker, bildender Künstler, Schauspieler, Regisseur oder Computerspiel-Programmierer - wirklich gut zu sein, braucht man nämlich außer Begabung (ohne Talent geht da meiner Ansicht nach gar nichts) sehr viel Fleiß. Ständiges Lernen und üben, üben, üben. Keine andere Regel der Kreativitätsforschung ist so gut bestätigt, wie die, dass zur Meisterschaft auf einem Gebiet mindestens 10000 Stunden Erfahrung nötig sind. (Das sind 1250 8-Stunden-Vollzeitarbeitstage oder gut fünf Vollzeitarbeitsjahre. Was erklärt, warum "Professionelle" in der Regel bessere Leistungen erbringen, als "Amateure", und weshalb es so schwer ist, neben einem "Vollzeit-Brotjob" ein guter Künstler zu sein.)
Deshalb steht einem Kreativen eine angemessene Bezahlung einfach zu. (Das richtet sich sowohl gegen in der Medienindustrie immer noch übliche Verwertungsmodelle, in denen der eigentlich Urheber, der Künstler, mit "Peanuts" abgespeist wird, wie auch an Menschen, die einfach geschützte Werke downloaden ohne zu fragen, geschweige denn, zu bezahlen.)
Die "Piraten" sind noch weit davon entfernt, die Bürgerrechts-Partei zu sein, der ich ohne zögern beitreten würde.
Aber es ist trotzdem gut, dass es sie gibt.
Nachtrag: Klar, der Einwand liegt nahe: Warum trittst Du dann nicht den “Piraten” bei und sorgst dafür, dass sie eine reifere und effektivere Bürgerrechtspartei werden?
Weil das sehr viel mehr Engagement erfordern würde, als mal Plakate kleben oder mal was zu Bloggen. Wenn ich einer Partei beitreten - überhaupt irgend einer Vereinigung beitrete - dann nur unter der Maßgabe, dass ich mich voll und ganz für die Parteiarbeit engagiere. Was nebenbei auch Grundvoraussetzung dafür ist, in einer Partei etwas zu bewirken. Dafür fehlt es mir an Nervenstärke - ich fürchte, mich in der Parteiarbeit aufzureiben. Dass es mir an der für politische Arbeit nötigen Sozialkompetenz mangelt - was in einer Partei mit einem hohen Anteil ebenfalls wenig sozialkompetenter "Nerds" besonders wichtig ist. Und einfach Mitglied und nicht Aktivist zu sein, widerspricht meiner (Arbeits-)Ethik.
Aber ganz wohl ist mir dabei nicht. Das hängt mit der "piratischen" Mischung aus abenteuerlichem Dilettantismus und gruppenbezogenen Populismus zusammen. Mag sein, dass ich arrogant bin - aber wenn Andreas Popp sein Interview mit der "neurechten" "Jungen Freiheit" damit rechtfertigt, dass ihm die Zeitung überhaupt nicht bekannt gewesen sei, dann zeigt das aus meiner Sicht nur eines: dass er gefährliche politische Bildungslücken hat und seltsam recherchefaul ist. Schon der (m. E. viel zu rosige) Wikipedia-Artikel Junge Freiheit zeigt, dass die JF zumindest problematisch für ein Vorstandsmitglied einer Bürgerrechtspartei sein sollte. Und wenn sich Popp als "armes Opfer" darstellt - nicht etwa seiner eigenen Naivität, sondern der bösen Umstände - dann hat er sich schon verdammt stark den üblichen Verhaltensmustern eines deutschen Durchschnittspolitikers angenähert.
Ich weiß, dass, wenn ich für "Open Acess", das Recht auf die Privatkopie und für stärkere Rechte des Urhebers zulasten der Verwertungsindustrie bin, eben nicht "Legalisierung von Diebstahl" oder gar "Enteignung von Urhebern" befürworte, und ich weiß auch, dass viele Piraten darin einer Meinung mit mir sind.
Aber ich weiß leider auch, und zwar nicht aufgrund irgendwelcher Gerüchte, sondern weil die Betreffenden das selbst schreiben oder sagen - dass so manche "Piraten" ein sehr lockeres Verhältnis zum Urheberrecht haben. Dass meine Texte und meine Bilder unter "CC-Lizenz" stehen, liegt nicht nur an meinem Idealismus - sondern auch daran, dass sie erkennbar die Produkte eines Amateurs sind, und den professionellen Qualitätsansprüchen nicht entfernt entsprechen. (Dass viele journalistische Texte in der Praxis diesen professionellen Maßstäben auch nicht gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt.) Um als Künstler - egal, ob als Schriftsteller, Dichter, Musiker, bildender Künstler, Schauspieler, Regisseur oder Computerspiel-Programmierer - wirklich gut zu sein, braucht man nämlich außer Begabung (ohne Talent geht da meiner Ansicht nach gar nichts) sehr viel Fleiß. Ständiges Lernen und üben, üben, üben. Keine andere Regel der Kreativitätsforschung ist so gut bestätigt, wie die, dass zur Meisterschaft auf einem Gebiet mindestens 10000 Stunden Erfahrung nötig sind. (Das sind 1250 8-Stunden-Vollzeitarbeitstage oder gut fünf Vollzeitarbeitsjahre. Was erklärt, warum "Professionelle" in der Regel bessere Leistungen erbringen, als "Amateure", und weshalb es so schwer ist, neben einem "Vollzeit-Brotjob" ein guter Künstler zu sein.)
Deshalb steht einem Kreativen eine angemessene Bezahlung einfach zu. (Das richtet sich sowohl gegen in der Medienindustrie immer noch übliche Verwertungsmodelle, in denen der eigentlich Urheber, der Künstler, mit "Peanuts" abgespeist wird, wie auch an Menschen, die einfach geschützte Werke downloaden ohne zu fragen, geschweige denn, zu bezahlen.)
Die "Piraten" sind noch weit davon entfernt, die Bürgerrechts-Partei zu sein, der ich ohne zögern beitreten würde.
Aber es ist trotzdem gut, dass es sie gibt.
Nachtrag: Klar, der Einwand liegt nahe: Warum trittst Du dann nicht den “Piraten” bei und sorgst dafür, dass sie eine reifere und effektivere Bürgerrechtspartei werden?
Weil das sehr viel mehr Engagement erfordern würde, als mal Plakate kleben oder mal was zu Bloggen. Wenn ich einer Partei beitreten - überhaupt irgend einer Vereinigung beitrete - dann nur unter der Maßgabe, dass ich mich voll und ganz für die Parteiarbeit engagiere. Was nebenbei auch Grundvoraussetzung dafür ist, in einer Partei etwas zu bewirken. Dafür fehlt es mir an Nervenstärke - ich fürchte, mich in der Parteiarbeit aufzureiben. Dass es mir an der für politische Arbeit nötigen Sozialkompetenz mangelt - was in einer Partei mit einem hohen Anteil ebenfalls wenig sozialkompetenter "Nerds" besonders wichtig ist. Und einfach Mitglied und nicht Aktivist zu sein, widerspricht meiner (Arbeits-)Ethik.
MMarheinecke - Freitag, 18. September 2009
Darf ich kurz zusammenfassen?
- Du zu hohe Ansprüche an die Piratenpartei stellst.
- Du noch höhere Ansprüche an Dich selbst stellst.
Hat beides mit Dir und nicht mit unserem Piratenhaufen zu tun.
Ich denke nicht, dass ich zu hohe Ansprüche an die Piratenpartei stelle. Dass sie Fehler macht, bei denen sich politisch engagierten Menschen die Haare sträuben, oder dass ihr Programm, sagen wir mal, extrem überschaubar ist, ist erklärlich, entschuldbar, nicht weiter schlimm. Aber solange die Piratenpartei so ist, wie im Moment ist, ist sie noch nicht "meine" Partei. Menschen ändern sich, Parteien ändern sich. Weshalb z. B. die GRÜNEN nicht mehr "meine" Partei sind. Wichtig sind sie aber nach wie vor.
Ich habe zwei Voraussetzungen genannt, die ein Künstler braucht, um ein meisterhafter Künstler zu sein: Begabung und Erfahrung. Eine dritte notwendige Voraussetzung für Meisterschaft ist es, nicht zu früh mit seinen Leistungen zufrieden zu sein.
Was für die Kunst gilt, gilt meines Erachtens auch für die Politik.