Begriffsklärung (zum "Kampf der Kulturen")

In der Debatte um Evolutionstherie und "Intelligent Design" geht gern unter, dass der, sich durch und durch wissenschaftlich gebende, "bescheidene" Kreationismus des "Intelligent Desing" eben keine naturwissenschaftliche Theorie ist. Sehr klar und in einfachen Worten hat das Volkmar hier dargestellt: Evolutionstheorie und Kreationismus.
Es geht dabei übrigens nicht darum, dass alle realen wissenschafliche Theorien mehr oder weniger durch metaphysische Annahmen "verunreinigt" sind - und man deshalb fairerweise dem immerhin die empirisch und experimentell ermittelten Fakten nicht ignorierenden "Intelligent Design" den Rang eine wissenschaftliche Theorie zugestehen müsse. Im "Intelligent Design" findet sich an zentraler Stelle eine nicht hinterfragbare religiöse Aussage - hinter allem steht ein Schöpfergott. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es tatsächlich einen Schöpfergott gibt und ob er die Entwicklung des Lebens verantwortlich ist - es ist nur so, dass sich diese möglichen Tatsachen dem naturwissenschaftlichen Erkenntnisapparat entziehen. Genau so, wie die - emminent wichtigen! - Fragen nach dem "freien Willen", dem Bewußtsein, der Existenz einer Seele, nach dem Wesen der Liebe, der Schönheit, nach Moral und Ethik - alle diese wichtigen metaphysischen Fragen - sich nicht (natur-) wissenschaftlich untersuchen lassen.
"Intelligent Design" gehört ebensowenig in ein Biologielehrbuch, wie künstlerische Reflexionen über die Schönheit eines Regenbogens in ein Lehrbuch der Optik.
Köppnick - 1. Okt, 20:04

Das ist mir unklar

Mir ist weitgehend klar, warum sich die Frage nach Gott nicht wissenschaftlich klären lässt. Ich denke, dass sich hier Kant abschließend geäußert hat, es bleibt weitgehend eine Glaubensentscheidung jedes Einzelnen. Bei den anderen angesprochenen Begriffen scheint mir das nicht so zu sein:

Freier Willen: Hier darf man nicht den Fehler machen und ihn auf einer Ebene suchen, für die er nicht definiert wurde, man wird ihn also nicht auf der neurophysiologischen Ebene finden. Aber auf der Ebene unserer Handlungen, so wie sie von Gesellschaft, Politik und Justiz gesehen und bewertet werden, ist er eine Tatsache.

Dito für das Bewusstsein: Jeder selbst kann mit Sicherheit schließen, dass er eins besitzt, für alle übrigen Menschen und, mit Abstufung, für einige weitere Lebewesen aus Symmetriegründen auch. Zumindest solange man keinem solipsistischen Weltmodell anhängt.

Von Liebe, Schönheit, Moral und Ethik können zumindest Teilaspekte, die nicht das phänomenale Erleben betreffen, naturwissenschaftlich untersucht werden. Bei Schönheit zum Beispiel, welche mathematischen Symmetrien ein "schönes Gesicht" bieten muss. Eine weitergehende Untersuchung zum Beispiel der Schönheit scheitert nicht an der prinzipiellen Nichtuntersuchbarkeit, sondern an der Komplexität und an der Qualia, die einem schon beim Bewusstsein begegnet.

Meiner Meinung nach ist das beim Gottesbegriff aber bereits qualitativ vollkommen anders, man sollte ihn deshalb getrennt von allen anderen Begriffen betrachten.

Zum Intelligent Design möchte ich noch ergänzen, dass es bei der Kritik des ID an der Evolutionstheorie einen immer wiederkehrenden Grundfehler gibt: Man pickt sich ein Detail der ET heraus, glaubt es widerlegen zu können und schließt daraus auf die Ungültigkeit der gesamten ET. Unter dem Begriff ET sind aber sehr viele Theorien vereinigt, u.a.: Bildung neuer Organe, Bildung neuer Arten, Veränderungen innerhalb einer Art. Jede dieser Theorien wird mit einem anderen wissenschaftlichen Instrumentarium untersucht, der Erkenntnisstand ist unterschiedlich weit. Am besten ist die Mikroevolution untersucht, für die inzwischen auch die Molekulargenetik die ursächlichen Mechanismen erklären kann. Der Artbildungsprozess kann paläontologisch anhand von Fossilien gut nachgewiesen werden, heutzutage kann man auch die genetische Verwandtschaft von ähnlichen Arten beweisen und auf diese Weise alte Stammbäume korrigieren.

Bei der Bildung grundsätzlich neuer Organe gelingt die Rückführung auf die Genetik noch nicht. Das Standardbeispiel des ID sind deshalb immer wieder die Augen, für die die Natur wohl um die 50 verschiedene Anläufe unternommen hat, die alle zu ähnlichen Lösungen geführt haben. Hier versteigt sich ID darauf, dass die gesamte Evolutionstheorie falsch sein muss, weil die molekulargenetische Entstehung unklar ist. Das ist aber Nonsens, weil die ET ja vor der Molekulargenetik aus der Beobachtung der Variabilität der Arten entwickelt wurde. Gerade das Augenbeispiel ist deshalb ein Muster des Wirkens evolutionärer Vorgänge: Weil deren Besitz einen Überlebensvorteil bietet, wurden in sehr verschiedenen Tierarten unabhängig voneinander funktionsähnliche Lösungen entwickelt.

(Statt "wurden" im letzten Satz sollte man vielleicht besser "haben sich" schreiben, aber ET und Glaube an einen Schöpfer schließen sich ja nicht aus, die katholische Kirche hat ja ihren Frieden mit der ET, aber nicht mit dem ID gemacht.)

MMarheinecke - 1. Okt, 21:51

Freier Wille

Ich bin der Überzeugung, dass wir nicht "wissen" sondern "raten". Und bei Katorgorien wie "freien Willen" und "Bewußtsein" fehlt uns, als Menschen, die Möglichkeit der "Außensicht", der "neutralen Perspektive". So können wir nicht einmal abschätzen, wo wir entventuell daneben geraten haben. (In den naturwissenschaften gibt es immerhin die - von Popper in ihrer Wichtigkeit für den Wissenschaftsbetrieb arg überschätzte - Falsifizierbarkeit.)

Ich bin mir nicht sicher, dass ich über einen freien Willen verfüge. Ich bin mir auch nicht sicher, dass ich ein Bewußtsein habe. Vielleicht bin ich nur eine Art komplizierte Computersimulation. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, meine kompletten Erinnerungen (gleichbedeutende mit Bewußtseinsinhalten) seien gefälscht. (Siehe z. B. die großartigen Romane und Kurzgeschichten Phillip K. Dicks, der sich literarisch mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.)

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