Die "sanfte Tour" gegen Rechtextremisten - und die Folgen

Zum Thema "erschreckende Wahlerfolge der NDP" gibt es viele pathetische Sprüche, dieselben Textbausteine, dieselben abgedroschenen Phrasen, wie seit Jahren gehabt. Ich frage mich ernstlich, auf welchem Planeten Uwe-Carsten Heye die letzten 15 Jahre verbracht hat, wenn er sagt:
Nun ist es wohl endgültig nicht mehr zu übersehen: Die Republik hat ein Rechtsradikalen-Problem.
Zur Erinnerung: Gab es nicht damals die Brandanschläge und Morde von Solingen und Mölln, oder das Pogrom von Hoyerswerda, oder den tobenden, brandstiftenden Mob in Rostock-Lichtenhagen? Von den vielen weniger spektakulären Mordanschlägen, Brandstiftungen, Körperverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund ganz zu schweigen. Sind Nazis nur dann ein Problem, wenn sie in die Parlamente einziehen?

Es gibt viele Fehler, Versäumnisse und leider auch machtpolitische Klüngeleien, die den Erben Adolfs das Leben allzu leicht machen. Einer der wichtigsten heißt "Verständnis". Verständnis für weltanschauliche Positionen, für die es seitens eines halbwegs demokratisch denkenden Menschen mit halbwegs intakter Verantwortungs-Ethik kein Verständnis geben kann!
Dafür, dass die Neonazis zusehens populärer werden, gibt es allenfalls Erklärungen. Entschuldigungen, NDP zu wählen oder den "Kameradschaften" wohlwollend zu begegnen, gibt es nicht!
Statler schrieb dazu:
Das Muster des Täterverstehens ist universell, man kann es in der Innenpolitik genauso anwenden wie in der Außenpolitik, und vom Verständnis zum Appeasement ist es nur ein winziger Schritt.
Ganzer Beitrag: Appeasement - unbedingt auch die Diskussion lesen!

Trotz eindeutiger Mißerfolge ist die "sanfte Tour" gegenüber Neonazis immer noch nicht aus dem politischen Alltag verschwunden. (Vom "verständnisvollen" Kuschelkurs gegenüber de facto ebenfalls rechtsextremen islamischen Fanatikern will ich hier gar nicht anfangen.) Immer noch gibt es "Verständnis" für jene Idioten, die den "Braunen" und ihren primitiv-brutalen "Rezepten" gerne auf den Leim kriechen. Arbeitslosigkeit hin, Strukturschwäche her und bei allem Verständnis für die Leute in Vorpommern und anderswo, die mit Recht enttäuscht, frustriert, zornig sind:
Wer die Nazis wählt, ist ein Nazi - und kein armes Opfer!

Das hat sich leider bei einigen "Politprofis" noch nicht herumgesprochen, oder wie kommen sonst solche Sprüche zustande?
Soziale Kälte dürfte die überwiegende Empfindung der verbliebenen Jugendlichen sein und Zuwendung das letzte, was sie kennen oder erwarten können. Daher fahren sie ab auf die NPD.
(Auch Uwe-Carsten Heye.)

Ja, wenn die jungen Leute sozial frieren, werden sie eben zu Rassisten und Antisemiten - und schmeißen Brandsätze (gegen die Kälte?!?) Wobei ich nicht in Abrede stelle, dass es hilfreich wäre, wenn sich die demokratischen Pateien, der Staat, die Kirchen, die freien Wohlfahrtverbände nicht "aus Kostengründen" flächendeckend aus Jugendarbeit in den "strukturschwachen Regionen" verabschieden würden.

Wie im Großen, so im Kleinen. Es gibt wohl keine religiös-sprituelle Szene, die so sehr im öffentlichen Ruf steht, "braun" zu sein, wie die der germanisch orientierten Neuheiden (Ásatrú, Forn Siðr). Was leider nicht "nur" am Gebrauch gemanischer und pseudo-germanischer Symbolik durch alte und neue Nazis liegt, und auch nicht durch unter diesem Namen firmierenden Rassisten-Sekten wie Jürgen Riegers "Artgemeinschaft". Es liegt auch an der Heidenszenene selbst.
Man sollte meinen, dass demokratisch gesonnenen germanische Neuheiden alles Menschenmögliche tun, um sich umissverständlich und nicht nur verbal, sondern gerade durch ihr Handeln, gegen Nazis und Geistesverwandte abzugrenzen. In der traurigen Praxis beitreibt aber der nicht-rechtsextreme, "unpolitische", von der Satzung her sogar demokratische und antirassitische “Verein für Germanisches Heidentum e.V.” (ex. ORD) einen verantwortungslosen "Kuschelkurs" nach rechtsaußen.
Schlimmer noch, er erlaubt es aus falsch verstandener Toleranz, dass ein Funktionär einer rechtsextremen Patei den VfGH in mehreren Bundesländern repräsentiert - wohl, weil er im "unpolitischen" Verein selbst nicht politisch agitiert.
Mehr hierzu: Gefährliche Naivität gegenüber Rechtsextremismus in der germanischen Heidenszene.
Die "Heidenszene" mag manchen wie eine besonders skurile Subkultur erscheinen, aber tatsächlich ist sie ein ziemlich genauer Spiegel der Gesamtgesellschaft. Und sie ist hat unbestreitbar ein besonders großes "Naziproblem".

(Der Ordnung halber nachgeliefert: die Quelle der Heye-Äußerung: SpOn Heye legt Anti-NPD-Programm vor)
eibensang - 27. Sep, 02:03

Scharfe, absolut zutreffende Kritik! Selten, allzu selten, findet man das leidige - und zunehmende! - Problem derart klar und schonungslos umrissen. Rassistische Ideologie breitet sich aus, wo und weil man sie duldet. Ohne ihre Duldung müßten die Rassisten Überzeugungsarbeit leisten - und da hätten sie ganz schlechte Karten. Die derzeitige Schändlichkeit (ebensolchen Duldens, Wegguckens und Harmlosschwätzens) ist der größte Nährboden, den die Rassequassler derzeit finden. Wie leicht er ihnen entzogen werden könnte! Dafür gibst du ein Beispiel. Und - ich sag´s abermals mit Chaplin: "Dafür laßt uns streiten!"
Es geht ums Ganze: ums Menschenrecht, um die Freiheit.

Hannes (Gast) - 12. Feb, 11:58

... verantwortungslosen "Kuschelkurs" = Schwachsinn!
MMarheinecke - 12. Feb, 12:41

Man könnte es auch "falsche Toleranz" nennen, Hannes

Aber mein Artikel ist schon etwas älter - vielleicht hat sich beim “Verein für Germanisches Heidentum e.V." ja inzwischen etwas zum Besseren gewendet.

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