Alarmismus und Konfliktscheu
Wenn ich mir so ansehe, welchen Weg die einstige Protestpartei "Die Grünen" genommen haben - bis zur totaler Rückgratlosigkeit, wie zur Zeit in Hamburg zu besichtigen - da frage ich mich oft, ob dahinter wirklich nur Opportunismus und "Verbürgerlichung" stecken.
In den "guten alten Tagen", vor über 20 Jahren, das zeichneten sich die (deutschen) "Grünen" vor anderen Parteien durch zwei Dinge aus: keiner Partei war so alarmistisch - und keine so harmoniesüchtig. Letzteres stand in einem gewissen Kontrast zu den innerparteilichen Konflikten, die aber, so sah ich es jedenfalls, das Bedürfnis nach Liebe, Freundschaft und Harmonie noch befeuerten.
Irgendwann in den 90ern muss das Streben nach Harmonie in Konfliktscheu umgekippt sein. Es war meiner Ansicht nach eher die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner SPD, als der Opportunismus und der Machtinstinkt Joschka Fischers, der zum Bruch mit der pazifistischen Tradition der "Grünen" führte - und zur Zustimmung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Konfliktscheu ist alles andere als Friedensliebe.
Hingegen würde der einstige Alarmismus der "Grünen" mittlerweile gemäßigt wirken, denn seit gut 10 Jahren wird Politik in Deutschland vorzugsweise mit Schreckensszenarien gemacht - mit tatkräftiger Hilfe der Medien. Wobei es keineswegs die größten Gefahren sind, die am meisten Alarmstimmung hervorrufen - eher umgekehrt: seit Jahren gab es keinen Terroranschlag in Deutschland, von einen "Millardengeschäft mit Kinderpornographie im Internet" kann keine Rede sein, die Kriminalitätsrate ist niedriger als in den 90ern, die "demographischen Zwänge" einer "alternden Gesellschaft" sind beim näheren Hinsehen gar nicht so zwangsläufig, wie es gern dargestellt wird, und vieles mehr. Dass andere, reale, Probleme unter den Teppich gekehrt werden, gehört zur Stimmungsmache dazu. In manchen Fällen scheint der Alarmismus sogar dazu da zu sein, von den realen Problemen abzulenken - besonders durchsichtiges Beispiel: angeblich "immer gewaltätiger" werdenden Linksextremisten gegen tatsächlich immer gewalttätig gebliebene Rechtsextremisten.
Im Moment sind die "Grünen" wieder im politischen Aufwind - was, angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung ohne Not das längst "gegessene" Thema "Restlaufzeiten von Kernkraftwerken" reaktivierte - einschließlich "Erkundungen" im Salzstock von Gorleben. Damit reaktivierte sie auch die Anti-Atom-Proteste - von denen die "Grünen" stark profitierten. Fast ohne schrillen Alarmismus übrigens - die Wirklichkeit der merkelschen "Energierevolution" macht Horrorszenarien weitgehend überflüssig.
Dank der geradezu selbstmörderischen Machtpolitik des sich wie ein Diktator aufführenden Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Mappus ist es gar nicht einmal so absurd, sich für 2011 einen "Grünen" Ministerpäsidenten im Südwesten vorzustellen.
Allerdings erwarte ich von einer noch hypothetischen Regierung Özdemir keine Wunder. Der "anatolischer Schwabe" ist nämlich ein klassischer Kompromisskandidat, sogar mit "Migrationshintergrund", ohne nennenswerte Ecken und Kanten. Denkbar schlechte Aussichten für eine Reformpolitik, die diesen Namen verdient.
Noch etwas zum Alarmismus.
Ein älterer, aber nach wie vor aktueller Artikel vom Psychoanalytiker Peter Schneider über zwangsneurotische Marotten, die zunehmend als politische Forderungen daherkommen (aus dem Schweizer "Tagesanzeiger"): Erlaubt ist, was nicht stört - aber alles stört".
Obwohl es heißt, dass das, was in der Schweiz schon als eine heftige Kontroverse gälte, in der Bundesrepublik Deutschland als Schmusestunde durchginge, und das Schweizer Harmoniebedürfnis fast so berühmt ist wie die Banken, das Offiziersmesser, der Käse oder die Schokolade, scheint die Mentalität hinsichtlich des Alarmismus nicht allzu verschieden zu sein:
In den "guten alten Tagen", vor über 20 Jahren, das zeichneten sich die (deutschen) "Grünen" vor anderen Parteien durch zwei Dinge aus: keiner Partei war so alarmistisch - und keine so harmoniesüchtig. Letzteres stand in einem gewissen Kontrast zu den innerparteilichen Konflikten, die aber, so sah ich es jedenfalls, das Bedürfnis nach Liebe, Freundschaft und Harmonie noch befeuerten.
Irgendwann in den 90ern muss das Streben nach Harmonie in Konfliktscheu umgekippt sein. Es war meiner Ansicht nach eher die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner SPD, als der Opportunismus und der Machtinstinkt Joschka Fischers, der zum Bruch mit der pazifistischen Tradition der "Grünen" führte - und zur Zustimmung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Konfliktscheu ist alles andere als Friedensliebe.
Hingegen würde der einstige Alarmismus der "Grünen" mittlerweile gemäßigt wirken, denn seit gut 10 Jahren wird Politik in Deutschland vorzugsweise mit Schreckensszenarien gemacht - mit tatkräftiger Hilfe der Medien. Wobei es keineswegs die größten Gefahren sind, die am meisten Alarmstimmung hervorrufen - eher umgekehrt: seit Jahren gab es keinen Terroranschlag in Deutschland, von einen "Millardengeschäft mit Kinderpornographie im Internet" kann keine Rede sein, die Kriminalitätsrate ist niedriger als in den 90ern, die "demographischen Zwänge" einer "alternden Gesellschaft" sind beim näheren Hinsehen gar nicht so zwangsläufig, wie es gern dargestellt wird, und vieles mehr. Dass andere, reale, Probleme unter den Teppich gekehrt werden, gehört zur Stimmungsmache dazu. In manchen Fällen scheint der Alarmismus sogar dazu da zu sein, von den realen Problemen abzulenken - besonders durchsichtiges Beispiel: angeblich "immer gewaltätiger" werdenden Linksextremisten gegen tatsächlich immer gewalttätig gebliebene Rechtsextremisten.
Im Moment sind die "Grünen" wieder im politischen Aufwind - was, angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung ohne Not das längst "gegessene" Thema "Restlaufzeiten von Kernkraftwerken" reaktivierte - einschließlich "Erkundungen" im Salzstock von Gorleben. Damit reaktivierte sie auch die Anti-Atom-Proteste - von denen die "Grünen" stark profitierten. Fast ohne schrillen Alarmismus übrigens - die Wirklichkeit der merkelschen "Energierevolution" macht Horrorszenarien weitgehend überflüssig.
Dank der geradezu selbstmörderischen Machtpolitik des sich wie ein Diktator aufführenden Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Mappus ist es gar nicht einmal so absurd, sich für 2011 einen "Grünen" Ministerpäsidenten im Südwesten vorzustellen.
Allerdings erwarte ich von einer noch hypothetischen Regierung Özdemir keine Wunder. Der "anatolischer Schwabe" ist nämlich ein klassischer Kompromisskandidat, sogar mit "Migrationshintergrund", ohne nennenswerte Ecken und Kanten. Denkbar schlechte Aussichten für eine Reformpolitik, die diesen Namen verdient.
Noch etwas zum Alarmismus.
Ein älterer, aber nach wie vor aktueller Artikel vom Psychoanalytiker Peter Schneider über zwangsneurotische Marotten, die zunehmend als politische Forderungen daherkommen (aus dem Schweizer "Tagesanzeiger"): Erlaubt ist, was nicht stört - aber alles stört".
Obwohl es heißt, dass das, was in der Schweiz schon als eine heftige Kontroverse gälte, in der Bundesrepublik Deutschland als Schmusestunde durchginge, und das Schweizer Harmoniebedürfnis fast so berühmt ist wie die Banken, das Offiziersmesser, der Käse oder die Schokolade, scheint die Mentalität hinsichtlich des Alarmismus nicht allzu verschieden zu sein:
Mochte man sich in den Sechzigerjahren noch mit Herbert Marcuse Sorgen um die Gefahren einer «repressiven Entsublimierung» - die systemkonforme Entbindung und Zurichtung vormals verbotener Lüste - machen, so stehen wir heute eher vor dem Phänomen einer entsublimierten Repression: um die geradezu neurotische Lust an der Konformität.Das gilt - unübersehbar - auch für Deutschland.
Man sagt «Null-Toleranz», und die Augen der Menschen beginnen zu leuchten. Es gibt keine politische Partei unseres Landes, die sich nicht - vor allem in Fragen der Erziehung - an dem Überbiet-Wettbewerb der Etablierung neuer Regelungen und Restriktionen beteiligen würde. Was der minoritären Rechten das Minarett-Verbot, ist der links-liberal-bürgerlichen Mehrheit der gemischte Schwimmunterricht.
MMarheinecke - Samstag, 2. Oktober 2010
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