Konformitätsdruck - der Sinn der Überwachung
Es spricht viel dafür dass Überwachungskameras ineffizient sind, jedenfalls um Straftaten zu verhindern.
Es ist nach der Max-Planck-Studie deutlich: Vorratsdatenspeicherung hilft noch nicht einmal beim Enkel-Trick
Es stimmt zwar, dass Fakten fanatische Befürworter fragwürdiger Angelegenheiten noch nie davon abgehalten, noch fanatischer von den großartigen Vorteilen zu fabulieren (Kommentar auf "netzpolitik"), aber das erklärt nicht, woher dieser Fanatismus stammt, was die tieferen Motive dafür sind, Überwachung toll zu finden. Jedenfalls dann, wenn man von einer Handvoll betriebsblinder "Sicherheitsexperten" und ahnungslosen und sich deshalb auf diese "Experten" verlassende Politiker absieht.
Ein Motiv vermute ich in einer Mischung aus Populismus und Aktionismus: solche Maßnahmen simulieren Handlungsfähigkeit, "wir tun was". "Hart durchgreifen" kommt gerade bei deutschen Wählern gut an - was auf eine tief verwurzelte autoritären Tradition und hetzerische und angstverstärkende Medien (genannt sei, als besonders markantes Beispiel, die BILD) zurückzuführen ist. Im Prinzip gibt es dieses Denken auch anderswo, allerdings ist die deutsche (und nebenbei auch österreichische) Kombination aus angstgetriebenen bzw. hysterischem Weltbild (das es z. B. auch in den USA gibt) und Staats- bzw. Gemeinschaftsgläubigkeit (die es in den USA eben kaum gibt - dafür in Skandinavien, wo aber Ängste und identitätsstiftenden Feindbilder weniger ausgeprägt sind), besonders gefährlich.
Es gibt auch Eigeninteressen - zum Beispiel die von Verwertungsrechteinhabern (in den seltensten Fällen auch die Urheber) gegenüber "Raubkopierern". Wobei dann gerne "über Bande", indirekt, "argumentiert" wird - Überwachungsmaßnahmen gegen "Kinderschänder" sind mehrheitsfähig, solche gegen illegale Downloads eher nicht.
Aber das ist noch nicht der eigentliche, der "tiefere Sinn" der Überwachung.
Aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Videoüberwachung wird deutlich, wie die Rechtsauffassung der deutschen Justizkultur strukturiert ist (nämlich nach wie vor autoritär), wobei im Blogbeitrag zu diesem Urteil in Udo Vetters "law blog" (Polizeikameras sind auf der Reeperbahn erlaubt) auch das (meiner Ansicht nach) entscheidende Motiv für Überwachung angesprochen wird:
Panoptismus mit technischen Mitteln ist besonders wirtschaftlich.
Ein Spitzel- und Denunziantensystem, wie es z. B. das "Ministerium für Staatssicherheit" in der DDR betrieb, schafft ein Klima des allgemeinen Misstrauens und damit Unzufriedenheit. Außerdem gibt es dabei noch das Problem, dass Spitzel selbst unzuverlässig sind, und Denunzianten meistens egoistische Motive fürs Verpetzen haben, ihren Informationen also grundsätzlich misstraut werden muss. Am Ende steht eine Überwachungsbürokratie, die sich selbst im Wege steht.
Die Behauptungen "Überwachungstechnik spart Personalkosten" und "Überwachungstechnik liefert objektive Erkenntnisse" passen jedenfalls perfekt zu der in den letzten Jahrzehnten bei politischen und ökonomischen Entscheidern tonangebenden, wirtschafts- und zahlengläubigen, Ideologie.
Konformitätsdruck ist außerdem, für die Normsetzer, bequem. Das Verhalten der Menschen wird berechenbar. Außerdem eignet es sich vorzüglich, auch repressive moralische Normen, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, durchzusetzen: in einer konformistischen Gesellschaft sitzen "Moralapostel" am längeren Hebel.
Es ist nach der Max-Planck-Studie deutlich: Vorratsdatenspeicherung hilft noch nicht einmal beim Enkel-Trick
Es stimmt zwar, dass Fakten fanatische Befürworter fragwürdiger Angelegenheiten noch nie davon abgehalten, noch fanatischer von den großartigen Vorteilen zu fabulieren (Kommentar auf "netzpolitik"), aber das erklärt nicht, woher dieser Fanatismus stammt, was die tieferen Motive dafür sind, Überwachung toll zu finden. Jedenfalls dann, wenn man von einer Handvoll betriebsblinder "Sicherheitsexperten" und ahnungslosen und sich deshalb auf diese "Experten" verlassende Politiker absieht.
Ein Motiv vermute ich in einer Mischung aus Populismus und Aktionismus: solche Maßnahmen simulieren Handlungsfähigkeit, "wir tun was". "Hart durchgreifen" kommt gerade bei deutschen Wählern gut an - was auf eine tief verwurzelte autoritären Tradition und hetzerische und angstverstärkende Medien (genannt sei, als besonders markantes Beispiel, die BILD) zurückzuführen ist. Im Prinzip gibt es dieses Denken auch anderswo, allerdings ist die deutsche (und nebenbei auch österreichische) Kombination aus angstgetriebenen bzw. hysterischem Weltbild (das es z. B. auch in den USA gibt) und Staats- bzw. Gemeinschaftsgläubigkeit (die es in den USA eben kaum gibt - dafür in Skandinavien, wo aber Ängste und identitätsstiftenden Feindbilder weniger ausgeprägt sind), besonders gefährlich.
Es gibt auch Eigeninteressen - zum Beispiel die von Verwertungsrechteinhabern (in den seltensten Fällen auch die Urheber) gegenüber "Raubkopierern". Wobei dann gerne "über Bande", indirekt, "argumentiert" wird - Überwachungsmaßnahmen gegen "Kinderschänder" sind mehrheitsfähig, solche gegen illegale Downloads eher nicht.
Aber das ist noch nicht der eigentliche, der "tiefere Sinn" der Überwachung.
Aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Videoüberwachung wird deutlich, wie die Rechtsauffassung der deutschen Justizkultur strukturiert ist (nämlich nach wie vor autoritär), wobei im Blogbeitrag zu diesem Urteil in Udo Vetters "law blog" (Polizeikameras sind auf der Reeperbahn erlaubt) auch das (meiner Ansicht nach) entscheidende Motiv für Überwachung angesprochen wird:
(...) Kritiker verweisen dagegen darauf, dass es bis heute keine Belege für einen Rückgang der Kriminalität durch Videoübewachung gibt. Stattdessen werde jeder Passant beobachtet, was Konformitätsdruck erzeuge. Nur nicht auffallen, diese Devise werde zum stillschweigenden Begleiter aller Passanten. (...)Unabhängig davon, ob den Überwachungs-Fans absichtlich auf Panopticon-Prinzip zurückgreifen oder eher intuitiv auf den Panoptismus kommen: große, durch die Erwartung, beobachtet zu werden, verursachte "freiwillige" Konformität ist ökonomisch - weil sie kostenintensiven Fremdzwang (Strafmaßnahmen) durch kostengünstigen Selbstzwang ersetzt. Nicht zufällig schlug Bentham sein Panopticon ursprünglich für Beaufsichtigen von Fabrikarbeitern vor - es geht dabei weniger darum, kriminelles Verhalten zu verhindern, sondern erwünschte Verhaltensweisen zu erzwingen.
Panoptismus mit technischen Mitteln ist besonders wirtschaftlich.
Ein Spitzel- und Denunziantensystem, wie es z. B. das "Ministerium für Staatssicherheit" in der DDR betrieb, schafft ein Klima des allgemeinen Misstrauens und damit Unzufriedenheit. Außerdem gibt es dabei noch das Problem, dass Spitzel selbst unzuverlässig sind, und Denunzianten meistens egoistische Motive fürs Verpetzen haben, ihren Informationen also grundsätzlich misstraut werden muss. Am Ende steht eine Überwachungsbürokratie, die sich selbst im Wege steht.
Die Behauptungen "Überwachungstechnik spart Personalkosten" und "Überwachungstechnik liefert objektive Erkenntnisse" passen jedenfalls perfekt zu der in den letzten Jahrzehnten bei politischen und ökonomischen Entscheidern tonangebenden, wirtschafts- und zahlengläubigen, Ideologie.
Konformitätsdruck ist außerdem, für die Normsetzer, bequem. Das Verhalten der Menschen wird berechenbar. Außerdem eignet es sich vorzüglich, auch repressive moralische Normen, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, durchzusetzen: in einer konformistischen Gesellschaft sitzen "Moralapostel" am längeren Hebel.
MMarheinecke - Samstag, 28. Januar 2012
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