Unsere demokratischen Parteien haben Glück, dass es die NPD gibt

Es gibt in Hohlbratzenkreisen eine Verschwörungstheorie, nach der die NPD nicht nur massiv von V-Leuten unterwandert ist, sondern eigens erfunden wurde, um das "nationale Lager" durch eine Marionettenpartei zu "zersetzen". Wenn ich z. B. nach Österreich und in die Niederlande sehe, dann habe ich manchmal den klammheimlichen Verdacht, dass die NPDler nicht nur Idioten, sondern manchmal nützliche Idioten sind.

Es ist zwar irgendwo zynisch, aber in mancher Hinsicht (nicht in jeder!) bekommt es der Demokratie in Deutschland ganz gut, dass unsere größte Rechtsaussen-Partei dieser "deutschvölkische" NS-Nostalgiker-Verein ist. Die brutale und nur notdürftig pseudodemokratisch getarnte NPD ist gefährlich, sie säht Hass, weit über die Grenzen des rechtsextremen Milieus hinaus. Und sie ist in den Landtagen einfach eine Landplage.

Dennoch: So, wie die NPD sich zur Zeit darstellt und wie sie normalerweise agiert, hat sie keine Chance, über regionale Hochburgen hinaus zu einem echten politischen Faktor zu werden. Die NS-Nostalgie, die auch beim als gutbürgerlich getarnten "sächsischen Weg" offensichtlich wegen seiner Integrations- und Identifikationswirkung für die Kackbraunen unverzichtbar ist, macht die NPD für alle Nicht-Rechtsextremisten unwählbar. An alle, die sagen, sie würden "nur aus Protest" NPD wählen: wer NPD wählt, ist kein armes Opfer, sondern ein Nazi. Auch wenn er oder sie es nicht wahrhaben wollen.
Wer "nur" nationalistisch ist, autoritär denkt, erzkonservative Ansichten zur Kultur, Erziehung und Familie hochhält, und insgeheim ein klein wenig rassistisch, antisemitisch oder antiislamisch ist, der wird eine Krawalltruppe wie die NPD nicht wählen. So jemand bleibt zuhause oder wählt lieber CDU.

Stellen wir uns einfach mal vor, wir hätten, wie die Österreicher, eine ex-liberale Rechtspartei wie die FPÖ. Was gar nicht so absurd wäre, Ansätze dazu gab es in Deutschland oft genug, auch z. B. in der FDP.
Mit einer Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl wie Barbara Rosenkranz, einer Frau mit, sagen wir mal, für Neonazis recht erfreulichen Ansichten. Deren Kandidatur offen von der auflagenstärksten Zeitung unterstützt wird.

Oder was wäre, wenn wir statt der NPD wie in den Niederlanden einen schicken, modernen Rechtspopulisten wie Geert Wilders hätten. Hatten wir ja ansatzweise mal, nur dass Ronald B. Schill über seine eigene Persönlichkeit stolperte - und er nicht so konsequent auf "Verteidiger des Christlichen Abendlandes gegen die Moslem-Horden" machte, wie Wilders. (Auch die Rosenkranz sieht sich gern als Verteidigerin gegen die Moslem-Invasion. Vor über 300 Jahren, im großen Türkenkrieg, wären ihre Ansichten über die Moslem-Gefahr eventuell nachvollziehbar gewesen.)

Hoffentlich geht Wilders den Weg ins politische "Aus", den, im kleinen Rahmen, damals Schill in Hamburg ging.
Hoffentlich kriegt Frau Rosenkranz bei der Präsidentenwahl eine Klatsche, die sich gewaschen hat.

Auch der deutschen Demokratie zuliebe: wenn eine Rechtsnationale bei der FPÖ Erfolg hat, oder wenn Wilder nicht nur kommunal Wahlerfolge einfährt, dann driften die Berufsopportunisten, die es in Deutschland nicht nur in der FDP überreichlich gibt, erfahrungsgemäß auch nach "rechtsaußen" ab. Ansätze dazu sind z. B. bei unserem innenpolitisch scharfmachenden Außenminister nicht zu überhören.
distelfliege - 6. Mär, 09:48

ja, echt..

..das kann man traurigerweise sagen: Zum Glück sind die NPD'ler solche Idioten. Ist doch schön, wenn die Neonazis auch mal hinterherhinken. Was dafür schade und vielleicht eine Folge davon ist, ist, dass die "normalen" Leute rechte und nationalistische Stinker erst dann als solche auch nur erkennen, wenn auf dem Stiefel, der sie tritt, ein entsprechendes Emblem gemalt ist.

MMarheinecke - 6. Mär, 10:28

Stimmt!

Blick nach Süden:
Die österreichische FPÖ wird von vielen "bürgerlich-konservativen" Medien ja gar nicht als rechtsextrem wahrgenommen - sonst gäbe es keine Bundespräsident-Wahlempfehlung der Kronen-Zeitung für Rosenkranz (derstandard.at). Immerhin hat der "Krone"-Kommentator "Cato" geschnallt, dass manche Äußerungen der Rosenkranz sehr nach Nazi klingen: Cato zu Hofburg-Kandidatin Barbara Rosenkranz (krone.at). Es ist aber naiv - oder Kalkül - anzunehmen, es würde irgendetwas ändern, wenn Barbara Rosenkranz sich von allen nationalsozialistischen Gedanken eidesstattlich distanziere. Was eigentlich nur bestätigt: erst, wenn irgendwo "Nazi-Embleme" oder typische Nazisprüche auftauchen, werden nationalistische Stinker als solche erkannt.
Und es wäre naiv, anzunehmen, dass ein deutsches FPÖ-Pendant brav und unauffällig unter 5 % bliebe.
Einem deutschen Geert Wilders würde ich glatt 20% bis 25% zutrauen - aus dem Stand! Da bin ich über jeden rhetorisch dilletantischen, uncharismatischen und politisch merkbefreiten Teilzeit-Hetzer in den "PRO"-Parteien froh.

(Für alle, die die Rosenkranz für eine harmlose Hausfrau halten, die bisher nur dadurch auffiel, dass sie noch mehr Kinder als Ursula von der Leyen hat - in einem Kurz-Interview mit dem "Standard" verriet sie mehr von sich, als ihr vielleicht klar war: "Schön, wenn die Kronen-Zeitung gutes Gefühl hat".)
Mark (Gast) - 8. Jul, 18:48

Eine gesunde Demokratie hält die Idioten einfach aus. Weil sie merkt, DASS es Idioten sind. Die sind keine Gefahr, glaube ich nicht...
Gregor Keuschnig - 6. Mär, 11:27

Ergänzend könnte man noch erwähnen, dass wir auch "Glück" haben, die DVU zu haben, die es trotz nicht ganz unerheblicher finanzieller Mittel nicht geschafft hat, dauerhaft zu reüssieren.

Zu Österreich: Die verlinkten Artikel lassen bei mir die Nicht-Eignung von Frau R. nicht erkennen. Ich würde sie, wenn sie in Deutschland zu Wahl stünde, niemals wählen, aber was ist daran "Nazi"? Natürlich fischt sie am rechten Rand und da gibt es nun mal in Österreich unglücklicherweise fette Beute. Aber wenn das alles, was man gegen die Dame ins Feld zu führen hat, dann ist das ziemlich wenig. Die Empörungswalze der anderen dürfte den FPÖ-Wähler kaum beeindrucken. Vielleicht hat man einfach auch ein bisschen mehr Vertrauen in den Wähler. Und wenn der nicht so will, man gerne möchte, sollte vielleicht im Vorfeld bessere Strategien entwerfen. Wie wär's denn mal in Sachen Zuwanderungsstop mit Argumenten dagegen (Demografie, usw.)? Gerade in Österreich ist der Erfolg für die FPÖ ja nicht vom Himmel gefallen, sondern aufgrund des kläglichen Versagens der anderen Parteien fast provoziert worden. Die Entzauberung der paar Jahre Bundesregierung hat offensichtlich nicht dauerhaft gewirkt. Warum?

Ich glaube, dass man auf Dauer der Geschichte (und den Opfern!) keinen Gefallen tut, dass man Holocaust-Leugner und deren abstruses Geschwätz per se kriminalisiert. Sind denn die skandinavischen Länder, in denen es kein "NS-Verbotsgesetz" gibt, Nazi-Länder? Natürlich hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen, aber in einer zu konstruierten Abschottung liegen auch Gefahren (z. B. der Heroisierung).

Ich finde es übrigens absurd, zwischen Wilders und Westerwelle irgendwie Parallelen zu suggerieren. Wie hat noch einmal Westerwelle im "Fall Steinbach"agiert (und zwar ziemlich "undiplomatisch")?

MMarheinecke - 6. Mär, 14:31

Die Parallele liegt in der Methode, nicht den Inhalten

Denn auch im "Fall Steinbach" agierte bzw. agitierte er populistisch.
Sind denn die skandinavischen Länder, in denen es kein "NS-Verbotsgesetz" gibt, Nazi-Länder?
Nein, aber Schweden ist z. B. Rückzugsraum und relativ sichere Organisationsbasis von Neonazis, die dann eher im deutschsprachigem Raum aktiv sind. Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht der schwedische Millionär Patrik Brinkmann fehlen, der im Berliner Verband der "Pro"-Partei aktiv ist.

Ich habe gerade beim § 86 a des deutschen Strafgesetzbuches und der darin anschließenden Praxis der symbolischen Verfolgung von "bösen" Symbolen auch so meine Zweifel, ob das nicht eher den kackbraunen Kameraden nützt - auf durchaus dialektische Weise, denn ein Klima der Unsicherheit und des offensichtlich überzogenen Verfolgungseifers (der sich im Übereifer sogar gegen Antifa-Symbole richtete) kommt den Rechtsextremisten durchaus zu Gute.
Den Volksverhetzungs-Paragraphen § 130 StGB sehe ich dagegen als "notwendiges Übel" an - vor allem den Absatz 3, der Holocaust-Leugner kriminalisiert.
Ich bin in der Tat der Ansicht, dass man die Feinde der Freiheit nicht mit Mittel bekämpfen kann, die selbst die Freiheit gefährden: "Hart durchgreifen" "Überwachen" "Verbieten" richten unter Umständen mehr Schaden an der Demokratie und der offenen Gesellschaft an, als ein paar Nazi-Spinner.

Anderseits trifft, auf der ethisch-moralischen Ebene, der Anti-Ausspruch, dass Nazi-Ideologie keine Meinung, sondern ein Verbrechen sei, meiner Ansicht nach zu.
MMarheinecke - 6. Mär, 20:20

Wichtiger Nachtrag:

Die zehn Kinder der Rosenkranz haben mein Mitgefühl, zumindest soweit sie nicht "ganz die Mama" oder "ganz der Papa" sind.

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