Kongo - was ist schon der Kongo?

Auch so eine Meldung, die bei uns auf wenig mediales Interesse stößt - trotz Sommerloch und der Faustregel, dass Krieg, Sexualverbrechen und "Exotik" immer für Schlagzeilen gut sind:
Symbol of Unhealed Congo: Male Rape Victims (New York Times).
Besonders erschreckend ist, dass nicht "nur" Soldaten der "regulären" Armee und die Rebellentruppen plündern, morden und vergewaltigen, sondern dass auch die "Friedenstruppen" der UN bei den Gewaltexzessen munter mitmachen.
Vielleicht passt das nicht in das saubere "gut-böse"-Schema, das so gern von unseren Politikern und unseren Medien von den bewaffneten Konflikten dieser Welt gemalt wird. Zumal deutsche Interessen durchaus berührt sind und auch schon mal deutsche UN-Truppen im Kongo stationiert waren.
Raphael (Gast) - 11. Aug, 11:50

Aufmerksamkeit

Hei,

ja, das ist mir auch immer wieder aufgefallen, dass Katastrophen und Kriege schnell in Vergessenheit geraten. Dann sitzt man da und denkt sich: War da nicht irgendetwas in Somalia? Und haben die Menschen in Äthiopien eigentlich jetzt etwas zu essen, oder sind die alle schon tot? Man weiss es nicht, weil die Medien sehr selektiv berichten. Selbst die etablierten Nachrichten werden immer boulevariger. Da wird ein Riesenslot für die vollkommen irrelevante Tour de France freigehalten, wo doch Deutschland gerade Krieg in acht oder mehr Ländern führt.
Nur wenn dann einer der Soldaten seinem Job nachkommt, nämlich in einem ehrlichen Kugelhagel zu sterben, dann erinnert man sich plötzlich. Und bemerkt mit Erschrecken, dass Kriegspielen auch weh tun kann. Und zwar nicht nur den Bösen ...

Genauso ist das mit unseren Ängsten. Die kommen und gehen. Viele Dinge vor denen wir Angst hatten, kennen wir heute gar nicht mehr. Da habe ich vor ein paar Tagen einen Link bei mir unter "Angstmeister" gesetzt. Der kabarettistische Beitrag ist gruselig, aber echt sehenswert.

Cheerio
Raphael

MMarheinecke - 11. Aug, 13:51

Acht oder mehr Länder ist übertrieben

Nur in Afghanistan kann man sagen, dass die Bundeswehr tatsächlich im Moment Krieg führt. "Beobachtermissionen" wie im Kongo, UN-Missionen wie im Kosovo und in Bosnien und selbst die "Anti-Piraten"-Aktionen vor der somalischen Küste können durchaus blutig verlaufen, sind allerdings meiner Ansicht nach keine "richtigen", d. h. mit hoher Kampfintensität geführte, Kriege. Vor allem geht es in all diesen Fällen nicht darum, einen Gegner zu besiegen. Auch nicht bei den somalischen Piraten - die können nur besiegt werden, wenn man ihre Stützpunkte angreift. Was aus politischen Gründen (noch) nicht gemacht wird.

Der einzige andere "richtige Krieg", an dem die Bundeswehr beteiligt war - der meiner Ansicht nach völkerrechtlich noch weit bedenklicher war - ist der NATO-Krieg gegen Serbien. Wobei ich die Ziele der NATO sogar für richtig hielt, genau so, wie ich mich in Afghanistan ausdrücklich nicht auf Seiten der Taliban oder der "Warlords" sehe.
Ich billige (mit AbstrichenI) den Zweck, nicht aber nicht die Mittel. Es stimmt nicht, dass der Zweck die Mittel heiligt.
Und ich bin kein Pazifist. Schon lange nicht mehr.
Raphael (Gast) - 11. Aug, 15:03

Krieg

Ja, es stimmt. Offiziell ist vieles kein Krieg. Aber was heisst schon offiziell? In meiner kleinen und von erfrischender politischer Naivität geprägten Welt sind deutsche Soldaten, die ausserhalb Deutschlands auf andere schießen, in den lokalen Krieg (was für beschwichtigende Worte man auch sonst dafür gibt) verwickelt. Auch wenn sie kein "offizielles Mandat" haben. Auch wenn sie nur ausbilden oder Mechaniker spielen. Soldaten sind zum Töten da, bzw. dort. Andernfalls täte man das THW hinschicken. Obwohl wir die "Guten" sind, finde ich Krieg dumm und unnötig. Ist ja auch erstaunlich, dass man im Rückblick jeden Krieg für überflüssig hält, aber in der Gegenwart für politisch notwendig. Ich bin da aber nicht fix mit meiner Position. Solltest Du mich bekehren wollen, bin ich für eine fruchtbare Diskussion dankbar.

Ich habe über die Piraten einen Kommentar im Spiegel gelesen, angeblich verfasst von einem ehemaligen Offizier zur See, der darauf hinwies, dass die Piraten immer mit Schnellbooten angreifen, die von Mutterschiffen abgelassen werden. Diese Mutterschiffe wären angeblich relativ leicht zu finden und auszuschalten. Stimmt das? Und wieso tun die das nicht?

MMarheinecke - 11. Aug, 15:57

... weil das nach internationalem Recht eine kriegerische Handlung wäre.

Denn die Mutterschiffe fahren, glaubt man diesen Berichten, nicht unter somalischer Flagge, sondern sind - ganz legal - in anderen Staaten registriert. In Zweifel stellen sich die Mutterschiffsbetreiber ganz dumm: "Piraten, welche Piraten?"
Beim Einsatz von Militär ist immer da Eskalationsrisiko gegeben.
Weshalb ich auch dafür bin, die ganze Anti-Piraten-Aktion als (internationale) polizeiliche Aufgaben zu sehen, die nur, weil es (noch) keine internationale Seepolizei gibt, notgedrungen den Kriegsmarinen überlassen bleibt.
Es ist übrigens keine Haarspalterei, wenn ich z. B. den Bosnien-Einsatz nicht als Kriegseinsatz sehe, obwohl man in diesem Fall bestimmt nicht das THW hätte schicken können. Der Unterschied, außer der geringeren Kampf-Intensität: im Krieg versuchen die Kriegsparteien ihre Interessen mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen, UN-Truppen sollen sie daran hindern. UN-Truppen stehen zwischen den Fronten und werden nicht selten von beiden Seiten beschossen. Deshalb ist die Frage nach dem UN-Mandat keine rhetorische.
Im Übrigen sind "wir" nicht die "Guten". "Wir" sind "nur" gegen die Bösen. Das ist durchaus ein Unterschied.
Ist ja auch erstaunlich, dass man im Rückblick jeden Krieg für überflüssig hält, aber in der Gegenwart für politisch notwendig.
Nicht jeder Krieg. Großbritannien hätte z. B. nach dem nazideutschen Überfall auf Polen klein bei geben können, und womöglich einen Krieg mit Deutschland vermeiden können (was ja die offen ausgesprochene Hoffnung Hitlers war - freie Bahn für den Eroberungs- und Vernichtungskrieg "im Osten".) Es war ethisch und moralisch richtig, dass Großbritannien nicht klein bei gab, und es war auch richtig, dass sich die Kriegsgegner Deutschland später auf die bedingungslose Kapitulation als einzig akzeptables Kriegsziel festlegten. Ein ganz anderes Thema - nämlich die Frage nach den Mitteln, die angeblich der gute Zweck heiligt - ist mit Einzelaspekten der allierter Kriegsführung, namentlich der Flächenbombardierung von Städten, verknüpft. Aber hierbei geht es um Einzelaspekte, nicht die Kriegsführung an sich. Der Krieg gegen (Nazi-)Deutschland war ein gerechter Krieg und es war ein notwendiger Krieg. Ich bin froh, dass damals weder in der britischen noch in der US-amerikanischen Regierung Pazifisten saßen.
Raphael (Gast) - 11. Aug, 16:11

Krieg 2

"Der Krieg gegen (Nazi-)Deutschland war ein gerechter Krieg und es war ein notwendiger Krieg. Ich bin froh, dass damals weder in der britischen noch in der US-amerikanischen Regierung Pazifisten saßen."

Hmm. Wenn Du eines von den vielen, vielen Millionen Opfern dieses ausufernden Krieges gewesen wärest, würdest Du das vielleicht anders sehen. Von der Couch aus, fällt das leicht.

Und ich bin mir sicher, dass in hundert Jahren, wenn alle Beteiligten tot und vergessen sind, das Thema auch viel emotionsloser behandelt wird.

MMarheinecke - 11. Aug, 19:07

Na ja, hätte der Vernichtungskrieg Nazideutschland länger gedauert, wären noch mehr Menschen ermordet worden. Für die damalige Zeit stimmte es schon: "Deutschland muss sterben, damit wir leben können". Denn in einen Nazi-beherrschten Europa wäre niemand seines Lebens sicher gewesen. Nicht einmal die "willigen Helfer" der Killer.
Es macht einen Unterschied, für was man stirbt und wie man lebt. "Lever dot as slav" ist für mich keine leere Floskel, auch wenn ich das Mittel der Gewaltanwendung in der politischen Debatte für obsolet halte.
Raphael (Gast) - 14. Aug, 10:04

Dann muss man provokant sagen, dass jeder Krieg ein gerechter war, wenn man davon ausgeht, dass der sich Wehrende gute Gründe haben darf, sich zu wehren. Nazideutschland war zwar brutal und willkürlich ungerecht, aber die haben das nicht erfunden. Menschen sind fiese Möpps.

Nönö, ich bleibe dabei: Krieg ist doof und jeder, der daran teilnimmt, ein Kriegsverbrecher. Diese Vereinfachung hat den Vorteil, dass sich keiner rauswinden und etwas von "gerechter Sache" faseln kann.

Lieber als guter Mensch und notfalls als Sklave sterben, als sich in die Spirale des Hasse reinreissen zu lassen.

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