Die Ohnmacht und Selbstüberschätzung des klimabwussten Verbrauchers ...
... stellt Oliver Geden stellt in seinem Essay
"Strategischer Konsum statt nachhaltiger Politik" (Transit, Heft 36) zur Diskussion. (Gefunden bei Raumzeit.)
Zudem bliebe das ökologisch korrekte Konsumverhalten aufgrund der komplexen klimapolitischen Zusammenhänge - erwähnt sei der Emissionshandel - weitgehend wirkungslos. (Das gilt sinngemäß auch für andere umweltschützende Ziele.)
Reale Durchschlagskraft hätten nur die politisch verordneten Rahmenbedingungen - Geden nennt das Energieeinspeisungsgesetz, ohne das der Boom der erneuerbaren Energien ausgeblieben wäre.
Geden verlangt eine De-Politisierung der Alltagspraxis und eine Re-Politisierung des Umweltbewusstseins.
Mich erinnert Gedens Position, der ich im Großen und Ganzen zustimme, stark an einer Rede, die Jutta Ditfurth vor über 20 Jahren hielt: sie warnte davor, dass sich die Umweltbewegung einschließlich der Partei der "Grünen", entpolitisieren könne. Dabei skizzierte sie die "Ökospiesser". Ökospiesser konzentrieren sich darauf, ihren Alltag "umweltgerecht" zu gestalten, vergessen darüber aber die politische Ebene. Ihre öffentlichen Aktivitäten erschöpfen sich darin, nicht-mülltrennende Nachbarn besserwisserisch zu ermahnen.
So wie es aussieht, ist Jutta Ditfurths Befürchtung weitgehend eingetreten.
Die von Geden angesprochenen "politisch verordneten Rahmenbedingungen", zumeist gegenüber der Industrie, sind allerdings nicht vom Himmel gefallen oder den Wohlwollen der Politiker - einschließlich der "Grünen" - entsprungen. Entscheidend waren öffentlicher Protest, öffentlicher Druck und Lobbyarbeit für Umweltbelange (nicht zu verwechseln mit Lobbyarbeit für Unternehmen, die vermeintlich oder tatsächlich "ökologische Produkte" auf den Markt bringen). Zusammen mit Protest kann auch "gezielter Konsum" etwas bewirken, etwa der Boykott der Produkte eines bestimmten Herstellers.
Jutta Ditfurth warnte allerdings neben den "Ökospiessern" auch vor "Ökofaschisten". Das sind nicht nur braun-grüne Neonazis oder jene leider gar nicht so seltenen Gestalten, die eine stramme Ökodiktatur befürworten. Ökofaschisten sind alle, die die Ansicht vertreten, dass zwecks der überlebensnotwendigen Unterwerfung des Menschen unter die Natur der "naturwidrige" Individualismus und Liberalismus der Aufklärung, einschließlich Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit vor dem Gesetz usw. "überwunden" werden müssen. Ökofaschisten eint "(d)er Hass auf die soziale Gleichheit und die Freiheit des Menschen" (Jutta Ditfurth). Dass sie den "Ökofaschismus"-Begriff in der schlechten Tradition linker Rhetorik so weit fasst, dass z. B. auch konservative Umweltschützer und die gesamte Esoterik-Szene darunter fallen, sei am Rande vermerkt, tut aber ihrer im Großen und Ganzen zutreffenden Einschätzung keinen Abbruch. (Näheres zum Ökofaschismus schrieb ich hier: Diktatur in Grün.)
Wenn das Pendel vom der Politisierung der Altagspraxis ("Ökospiesser") zu einer Re-Politisierung des Umweltbewusstseins zurückschwingt, dann besteht meines Erachtens leider auch die Gefahr, dass die Fans einer Öko-Diktatur wieder Oberwasser bekommen. Es ist auch aus meiner, irgendwo zwischen liberal, anarchistisch und basisdemokratisch angesiedelten Perspektive, schon schlimm genug, dass die (selbstgemachte) Krise des Kapitalismus die Freunde einer bürokratischen Kommandowirtschaft, bis hin zu den Bewunderern einer ach so effizienten "gelenkten Demokratie" Oberwasser gewinnen lässt.
Nach allen bisherigen Erfahrungen bekommen intakte Demokratien mit freier Presse, unabhängiger Justiz und einigermaßen transparenter Verwaltung Umweltprobleme erheblich besser in den Griff als autoritäre Staaten verschiedener Couleur. So gesehen gehören der politische Kampf für Umweltschutz und der politische Kampf für Menschen- und Bürgerrechte, für mehr Demokratie (auch in der Wirtschaft) untrennbar zusammen.
"Strategischer Konsum statt nachhaltiger Politik" (Transit, Heft 36) zur Diskussion. (Gefunden bei Raumzeit.)
Doch in gegenwärtigen Boom von Klimaratgebern und Öko-Lifestyle-Internetportalen, im Kauf von Autos mit Hybrid-Antrieb oder dem Wechsel zu Ökostrom-Tarifen drückt sich nicht nur ein fehlendes Vertrauen in den Politikbetrieb aus, sondern zugleich auch eine immense Überschätzung politisierter Alltagspraxis. Denn der aktive Versuch, im Vollzug des eigenen Alltags Impulse für "mehr Nachhaltigkeit" zu setzen und dadurch nicht nur die persönliche Umweltbilanz zu verbessern, sondern auch positiv auf Politik, Unternehmen und Mitmenschen einzuwirken, gelangt häufig kaum über die Sphäre der symbolischen Ökonomie eines Avantgarde-Bewusstseins hinaus. Auch die direkt messbaren Klima-Effekte fallen meist bescheiden aus.Wie man unschwer schon aus diesem Zitat erkennt, hält Geden herzlich wenig von den Versuchen, durch "kritischen Konsum" etwas Substanzielles für die Umwelt zu tun. Nur eine privilegierte Kundenschicht mit mindestens durchschnittlichem Einkommen kann überhaupt ernsthaft an "Einschränkungen zugunsten der Umwelt" oder "umweltgerechten Konsum" denken. (Geden bringt das nahe liegende Beispiel des ALG II-Empfängerhaushalts nicht, in dem "Verzicht zugunsten der Umwelt" mangels Masse kaum noch möglich ist, und "ökologiebewußter Konsum" schlicht zu teuer wäre.) "Kauf Dir eine bessere Welt" sei der Slogan einer privilegierten Kundenschicht, deren politische Haltung zusehends zur Lifestyle-Attitüde verkommt. Der demonstrative Konsum "ökologischer" Produkte diene vor allem dem Distinktionsgewinn - man demonstriert durch Ökokonsum sichtbar, was für ein toll umweltbewusster Mensch man doch sei. Deshalb verkauft sich z. B. der Toyota Prius, der durch eine besondere Karosserie schon vom Weitem als Hybridauto erkannbar ist, sich weitaus besser, als andere Hybridfahrzeuge, die sich "nur" durch den Antrieb von herkömmlichen Autos unterscheiden.
Zudem bliebe das ökologisch korrekte Konsumverhalten aufgrund der komplexen klimapolitischen Zusammenhänge - erwähnt sei der Emissionshandel - weitgehend wirkungslos. (Das gilt sinngemäß auch für andere umweltschützende Ziele.)
Reale Durchschlagskraft hätten nur die politisch verordneten Rahmenbedingungen - Geden nennt das Energieeinspeisungsgesetz, ohne das der Boom der erneuerbaren Energien ausgeblieben wäre.
Geden verlangt eine De-Politisierung der Alltagspraxis und eine Re-Politisierung des Umweltbewusstseins.
Mich erinnert Gedens Position, der ich im Großen und Ganzen zustimme, stark an einer Rede, die Jutta Ditfurth vor über 20 Jahren hielt: sie warnte davor, dass sich die Umweltbewegung einschließlich der Partei der "Grünen", entpolitisieren könne. Dabei skizzierte sie die "Ökospiesser". Ökospiesser konzentrieren sich darauf, ihren Alltag "umweltgerecht" zu gestalten, vergessen darüber aber die politische Ebene. Ihre öffentlichen Aktivitäten erschöpfen sich darin, nicht-mülltrennende Nachbarn besserwisserisch zu ermahnen.
So wie es aussieht, ist Jutta Ditfurths Befürchtung weitgehend eingetreten.
Die von Geden angesprochenen "politisch verordneten Rahmenbedingungen", zumeist gegenüber der Industrie, sind allerdings nicht vom Himmel gefallen oder den Wohlwollen der Politiker - einschließlich der "Grünen" - entsprungen. Entscheidend waren öffentlicher Protest, öffentlicher Druck und Lobbyarbeit für Umweltbelange (nicht zu verwechseln mit Lobbyarbeit für Unternehmen, die vermeintlich oder tatsächlich "ökologische Produkte" auf den Markt bringen). Zusammen mit Protest kann auch "gezielter Konsum" etwas bewirken, etwa der Boykott der Produkte eines bestimmten Herstellers.
Jutta Ditfurth warnte allerdings neben den "Ökospiessern" auch vor "Ökofaschisten". Das sind nicht nur braun-grüne Neonazis oder jene leider gar nicht so seltenen Gestalten, die eine stramme Ökodiktatur befürworten. Ökofaschisten sind alle, die die Ansicht vertreten, dass zwecks der überlebensnotwendigen Unterwerfung des Menschen unter die Natur der "naturwidrige" Individualismus und Liberalismus der Aufklärung, einschließlich Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit vor dem Gesetz usw. "überwunden" werden müssen. Ökofaschisten eint "(d)er Hass auf die soziale Gleichheit und die Freiheit des Menschen" (Jutta Ditfurth). Dass sie den "Ökofaschismus"-Begriff in der schlechten Tradition linker Rhetorik so weit fasst, dass z. B. auch konservative Umweltschützer und die gesamte Esoterik-Szene darunter fallen, sei am Rande vermerkt, tut aber ihrer im Großen und Ganzen zutreffenden Einschätzung keinen Abbruch. (Näheres zum Ökofaschismus schrieb ich hier: Diktatur in Grün.)
Wenn das Pendel vom der Politisierung der Altagspraxis ("Ökospiesser") zu einer Re-Politisierung des Umweltbewusstseins zurückschwingt, dann besteht meines Erachtens leider auch die Gefahr, dass die Fans einer Öko-Diktatur wieder Oberwasser bekommen. Es ist auch aus meiner, irgendwo zwischen liberal, anarchistisch und basisdemokratisch angesiedelten Perspektive, schon schlimm genug, dass die (selbstgemachte) Krise des Kapitalismus die Freunde einer bürokratischen Kommandowirtschaft, bis hin zu den Bewunderern einer ach so effizienten "gelenkten Demokratie" Oberwasser gewinnen lässt.
Nach allen bisherigen Erfahrungen bekommen intakte Demokratien mit freier Presse, unabhängiger Justiz und einigermaßen transparenter Verwaltung Umweltprobleme erheblich besser in den Griff als autoritäre Staaten verschiedener Couleur. So gesehen gehören der politische Kampf für Umweltschutz und der politische Kampf für Menschen- und Bürgerrechte, für mehr Demokratie (auch in der Wirtschaft) untrennbar zusammen.
MMarheinecke - Sonntag, 22. März 2009
Ich verstehe nicht ganz...
Sicher wird von vielen "Spinnern" umweltschutz "unpolitisch" vertreten, aber eine Depolitisierung der Alltagspraxis, klingt für mich schon stark nach dem Wunsch nach einem starken Papa Staat der alles wieder richtet (Ökodiktatur).
Die Politiker orientieren sich halt an Lobbies und die am Konsum - es scheint mir sinnleer einerseits zu konsumieren und andererseits von Politikern zu fordern diesen Konsum zu massiv regulieren...
Ich bin kein Ökospießer und sehe mich auch keinesfalls als "Umweltsünder", aber wenn die Menschen ihren Konsum nicht selbst regulieren, kann das auch der Staat nicht, denn wo Nachfrage ist, ist das Angebot nicht weit. Selbst in Fällen wo der Konsum verboten wurde, konnte er nicht verhindert werden (Prohibition, Prostitution, Kinderpornographie usw.).
Und das gilt ja nicht nur für "Öko", sondern - m.E. noch wichtiger - für FairTrade.
Ich denke selbstregulierter bewusster Konsum und politisches Handeln sind durchaus beide sinnvoll und wichtig.
Jari
Bewusster Konsum ist schon richtig
Dennoch kann bewussten Konsum in vielen Fällen sinnvoll sein - Beispiel: Fair gehandelter Kaffee oder Gemüse direkt vom Ökobauern. Damit verbessere ich zwar nicht die Welt, und ein gutes Gewissen kann ich mir damit auch nicht kaufen, aber es gibt einen direkten Nutzen z. B. für den vom Projekt profitierenden Kaffeebauern. Es ist auch sicher nicht verkehrt, ein Hybridauto zu fahren - man sollte sich aber davor hüten, sich deshalb für einen besseren Menschen zu halten. Genau das tut der "Ökospiesser" ditfurthscher Lesart - weshalb er sich selbstgerecht gegenüber "Umweltsündern" in der Nachbarschaft - oder gern auch mal in den USA oder China - zeigt, und meint, auf politische Aktivität verzichten zu können.
Der hauptsächliche Eingriff des Staates zielt nicht direkt auf die Endverbraucher. Beispiel: Glühlampenverbot. Dabei geht es nicht darum, den Verbrauchern vorzuschreiben, sie müssten gefälligst bis zum 1.1.2011 alle Glühbirnen gegen Energiesparlampen austauschen. So eine gängelnde Vorschrift wäre undemokratisch, im Sinne einer Ökodiktatur - und außerdem ineffizient. Nein, die Hersteller wurden aufgefordert, bis auf einige Spezialanwendungen die Herstellung von Glühlampen einzustellen.
"Ökospießer" und "Ökofaschist" sind keine polaren Gegenstücke, noch nicht einmal Gegensätze - ich könnte mir eine Ökodiktatur nicht ohne viele ökospießige Untertanen vorstellen.
Es sind zwei mögliche Fehlentwicklungen der Umweltbewegung.